Der schwarze Tag des Widders

Italien, 1971

Originaltitel:

Giornata nera per l'ariete

Alternativtitel:

El día negro (ESP)

The Fifth Cord (USA)

Ein schwarzer Tag für den Widder

Deutsche Erstaufführung:

5. September 1987

Regisseur:

Luigi Bazzoni

Inhalt

Nach einer zünftigen Sylvestersause wird der australische Sprachstudent John (Maurizio Bonuglia) auf dem Heimweg von einem Unbekannten attackiert und schafft es nur knapp mit dem Leben davon zu kommen. Das zweite Opfer, die gelähmte Signora Bini (Rossella Falk) hat allerdings nicht soviel Glück und erliegt kurze Zeit später dem Charme zweier behandschuhter Hände, welche sich äußerst rabiat um ihren Hals schmiegen. Da der Täter ein Souvenir in Form eines Handschuhs mit abgeschnittenem Finger am Tatort zurücklässt und obendrein auch noch telefonisch seine willkürliche Mordauswahl an vier weiteren Personen offenbart, geht der zuständige Chef-Inspektor (Wolfgang Preiss) von einem geisteskranken Serientäter aus. Auch das Interesse von Journalist Andrea (Franco Nero) wurde an dem Fall geweckt, denn da beide Opfer aus dem näheren Umfeld seiner früheren Geliebten Helene (Silvia Monti) stammen und zudem auch noch in höheren Gesellschaftskreisen verkehrten, verspricht dieser sich eine dicke Story. Andrea's Schnüffeleien sollen allerdings bald Früchte tragen und so zieht er nicht nur den Unmut des vermeintlichen Meuchlers auf sich, sondern gerät ebenfalls ins Visier der ermittelnden Beamten, da auch seine Alibis bei den zukünftigen Opfern immer dünner werden...

Review

Neujahrstag - wie jedes Jahr schon fast zur Feiertagszeremonie gehörend, eben diesen mit dem Silvester-Giallo "Ein schwarzer Tag für den Widder" von Luigi Bazzoni gebührend zu würdigen und das, obwohl sich der Film immerhin nur ganz kurz am Anfang mit der Jahreswende befasst. Denn in dieser werden die Hauptcharaktere kurz in emotional-distanzierten Shots eingefangen und die Rahmenhandlung in Gang gesetzt, womit schon mal einer der Protagonisten keinen guten Rutsch gehabt haben dürfte.

 

Luigi Bazzoni studierte erfolgreich Architektur, widmete sich aber danach lieber der Regie, wobei er in diesem Gewerbe dennoch seine Liebe zur Baukunst ausleben konnte. Am prägendsten dürfte das wohl in diesem Werk der Fall der sein, denn was Bazzoni und Kameramann Vittorio Storaro (u.a. "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe") an erstaunlichen Bildkompositionen für die Nachwelt verewigen konnten, ist einfach nur purer Gourmet-Schmaus für die Augen. Das fiel mir schon bei meiner damaligen Erstsichtung vor einigen Jahren auf, aber auch bei der zigsten Wiederholung wird man immer wieder neue Aspekte der gefilmten Illustration wahrnehmen können. Sicher schiebt Bazzoni bei der Inszenierung einen ruhigeren Gang als andere Genre-Veteranen ein, womit das Storytelling für manche Zuschauer doch etwas träge erscheinen könnte, aber der Genießer wird genau das mögen und Bazzoni hier vorzuwerfen, einfach nur die Style-Over-Substance-Keule zu schwingen, wäre auch nicht ganz korrekt. Zwar mag die Inszenierung vielleicht etwas über die erzählte Geschichte triumphieren, aber bei aller Detailverliebtheit verliert sich Bazzoni nie zu sehr darin und schafft trotzdem sehr gut eine passende Balance zwischen Kunst und Suspense, ohne den eigentlichen Erzählflow zu torpedieren. "Ein schwarzer Tag für den Widder" ist ganz bestimmt kein herkömmlicher Schlitzer-Thrill, welcher sich im bewährten Gewand mit fiesen Brutalitäten oder ausufernden Nuditäten schmücken möchte. Viel mehr dürfte man in Verzückung geraten, wie Bazzoni hier die entworfene Bildsprache mit dem Antrieb der angekurbelten Geschichte verknüpft.

 

Der Plot gestaltet sich anfangs noch recht straight, denn mit den ersten Opfern, welche den folgenden Erzählstoff zu Beginn mit ihrem Überlebenskampf einläuten, werden frühe Rätsel auf das Motiv aufgeben. Außerdem wird der Zuschauer noch mit der Info einer Tonbandaufnahme versorgt, die zwar einige niedere Beweggründe des Täters darlegen kann, aber keinerlei Rückschlüsse auf dessen willkürliches Auswahlmuster zukünftiger Personen gibt, welche demnächst eine einmalige Bekanntschaft mit dem Unhold machen sollen. Natürlich tappen die Ermittler im Dunkeln, denn bis auf den hinterbliebenen Upper Class-Zirkel der Gemeuchelten, sind nicht mehr Anhaltspunkte zu finden. Genau da kommt Franco Nero als verbitterter Journalist ins Spiel, welcher liebend gerne einen Wirbelsturm mit den Recherchen auslösen möchte und mit seinem kontroversen Stil nicht nur bei der Chefetage seines Schmierblatts aneckt, welche ihm schlichtweg die Story entziehen als sie merken, dass Andrea an der richtigen Stelle bohrt. Denn die Obrigkeit ist natürlich miteinander vernetzt und gegen diese auf erzwungene Machtlosigkeit zu rebellieren, entspricht exakt Andrea's Charakter. Talentiert und engagiert war er gewesen, aber dank Selbstzweifel und Alkoholproblem ist aus dem Top-Redakteur nur noch der übliche Journalisten-Dreck geworden, aber mit diesem Prädikat will er sich nicht länger abfinden. Sehr zum Gefallen seiner ehemaligen Geliebten Helene, dargestellt von der bezaubernden Silvia Monti, welche einen nicht unerheblichen Teil dazu beisteuert, dass Andrea das Funkeln in seinen Augen wieder zurück gewinnt und endlich wieder zubeißen kann. Hingegen zum aufbrausenden Charakter der Figur Neros, wirkt Silvia Monti fast wie ein Ruhepol - welche anfangs, bedingt durch ihre verletzten Gefühle, noch sehr kalt gegenüber Andrea agiert, aber je mehr seine Verbissenheit in den Fall Gestalt annimmt, umso größer wächst ihre Zuneigung zu dem ehemals Verschmähten, denn gerade in diesen Momenten scheint sie den Mann wieder zu erkennen, den sie wohl vor langer Zeit leidenschaftlich lieben gelernt hatte. Und auch Andrea profitiert von dieser auflodernden Flamme der Leidenschaft, denn endlich hat er wieder ein greifbares Ziel vor Augen und kann seinem fast schon weggeworfenen Leben erneut einen Sinn geben. Beide Hauptdarsteller ergänzen sich prächtig, auch wenn Bazzonis Stil in diesem Film eher eine bestimmte Art von Kälte ausatmet, was ebenfalls der unterkühlten Bildsprache geschuldet ist, welche sich gut auf das Handeln vom restlichen Ensemble reflektieren lässt. Emotionen sind hier (außer bei Monti & Nero) gar nicht vorhanden - egal ob es die gelähmte Rossella Falk ist, welche sichtlich mehr Hingabe von ihrem Gatten Richard, gespielt von Renato Romano, erwartet - aber dennoch vergebens auf diesem Wunsch sitzen bleibt. Oder ein Liebesakt zwischen Agostina Belli und Luciano Bartoli, welcher anfangs poetisch eingefangen wird, aber durch die voyeristischen Blicke der restlichen Anwesenden arg an Feeling einbüßen muss, auch wenn Morricone's Soundtrack wunderschön dabei in den Gehörgang dudelt und dieses einmalige Gefühl des Schwebens vorgaukelt. Ansonsten kredenzt der Maestro aber wieder gewohnt zarte Klänge oder verspielte Easy Listening-Schnippsel - unscheinbar, aber dennoch zauberhaft.

 

Der restliche Darsteller-Cast ist aber auch nicht von schlechten Eltern und wartet mit einigen bekannten Gesichtern auf, welche bis in die kleinste Nebenrolle adäquat besetzt wurden. Egal ob Guido Alberti den schmierigen Chefredakteur mimt, Renato Romano den Arzt mit nicht einwandfreier Weste oder Maurizio Bonuglio den Unglücksraben John, welcher erst Ira von Fürstenberg an Edmund Purdom verliert und kurz darauf als erstes Opfer den Schreckensreigen unfreiwillig, aber (noch) ohne tödlichen Ausgang eröffnet. Das hier zahlreiche Nebenplots von Bazzoni mit ins Spiel gebracht werden, sollte an dieser Stelle ebenfalls nicht unerwähnt bleiben, auch wenn eben diese das Tempo doch sehr entschlacken und somit weniger auf Stringenz gepocht wird, was diesem Film dennoch hervorragend steht und gleichzeitig die schwierige Etablierung des Hauptdarstellers beim Zuschauer bewirkt.

 

Für mich gehört "Ein schwarzer Tag für den Widder" auch weiterhin zur absoluten Königsklasse unter den gelblichen Kriminalfilmen, denn selten wurden Perfektion in Bildgewalt, sympathisches Schauspiel, ungewöhnliche Erzählstruktur, sowie die zurückhaltende Klänge einer Kompositions-Legende so traumhaft miteinander verknüpft, wie in diesem Film. Man muss sich nur auf dieses Werk einlassen, auch wenn dessen totale Sogkraft sicher erst nach mehreren Sichtungen eintreten wird. Aber trotz aller Schönheit bleibt am Ende wieder die traurige Erkenntnis: „Schade, dass Bazzoni nur eine Handvoll Spielfilme inszenierte - was dieser Mann noch hätte alles drehen können?!“

Veröffentlichungen

Traurigerweise existiert für den deutschsprachigen Raum bisher noch gar kein Heimkino-Release, aber wie man so hört, möchte filmArt dieser Perle endlich ein Zuhause in unseren Breitengraden schenken. Ansonsten gibt es weltweit verschiedene DVD-Auflagen mit englischer oder italienischer Tonoption. Es existiert zudem noch eine TV-Fassung aus der ehemaligen DDR, welcher ansprechend vertont wurde, ohne in die übliche Synchronisations-Lethargie made in GDR zu verfallen. Allerdings ist das Bild fies abgedunkelt und die prächtigen Farben kommen zu keinster Zeit vollständig zum Glanz, womit man den Streifen definitiv mit anderen Augen sehen wird und keinesfalls die komplette Durchschlagskraft der Inszenierung zum Vorschein kommen wird.

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