Privatdetektiv Alfredo „Al“ Pereira (Antonio Mayans) ist alleinerziehender Vater, da seine Tochter Flavia (Flavia Mayans) lieber bei ihm lebt als bei der Mutter (Juana de la Morena). Da beauftragt ihn Eva Raden (Lina Romay), nach ihrer entlaufenen jüngeren Schwester Adriana (auch Lina Romay) zu suchen. Diese ist gar nicht schwer zu finden, doch damit endet der Fall für Pereira nicht. Vielmehr wird er in einen Strudel von Intrigen und Mord hineingezogen und wird gar zum Mittäter – nur um am Ende herauszufinden, dass ein bösartiges Flittchen ihn instrumentalisiert hat. Doch Pereira nimmt Rache.
Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf, und so gewann Jess Franco 1983 in einer Lotterie, was ihn zu dieser Eigenproduktion für seine Manacoa Films bewog. Das Drehbuch lag seit 1972 in einer Schublade, nachdem eine seinerzeit angedachte Verfilmung mit Starbesetzung (Mark Damon, Marisa Mell, Barbara Bouchet) scheiterte. Nun stand Franco vor der nicht leichten Aufgabe, mit einem sehr geringen Budget in den 80er Jahren einen Film Noir zu drehen.
In gewisser Weise gelingt ihm das sogar. CAMINO SOLITARIO (übersetzt in etwa „Die einsame Straße“) ist ein Slow-Burner mit niederschmetterndem Finale, dem eigentlich nur eines fehlt: bessere Darsteller. Nicht falsch verstehen – alle machen einen soliden Job, ob Antonio Mayans, eine erstaunlich zurückhaltende Lina Romay, und natürlich der großartige Ricardo Palacios. Na gut, José Lllamas ist … ich weiß es nicht. Ein besserer Pornodarsteller? Dialog und Mimik liegen ihm einfach nicht. Für eine derart auf Charaktere und Handlung fokussierte Story hätten ein paar bekanntere Darsteller nicht geschadet.
Nach Zutaten des Film Noir muss der Zuschauer nicht lange suchen. Ein ärmlicher Detektiv, ein ebenso reicher wie kranker Patriarch, zwei sehr unterschiedliche Schwestern. Für eine Weile hat Franco uns gar soweit, an der Existenz von zwei Schwestern zu zweifeln. Geheimnisse und Liebschaften der Vergangenheit, Ehebruch und Eifersucht, alles klassische Themen.
Und wieder bekommt der Zuschauer mit CAMINO SOLITARIO einen Jess Franco-Familienfilm. Antonio Mayans spielt den Detektiv-Papa, seine damalige Lebensgefährtin Juana de la Morena dessen Ex-Frau und Tochter Flavia bleibt seine Tochter. Da sie noch sehr jung war, wurde sie aber von ihrer älteren Schwester gedubbt. In Sachen Sleaze ist CAMINO SOLITARIO sehr zurückhaltend, denn darum geht es hier nicht. Erfreulich ist ebenfalls, dass Jess Franco selbst – in seiner Rolle als homosexueller Arzt Dr. Kalman – diesmal auf überzeichnete Darstellung verzichtet, denn homosexuelle Charaktere sind sonst eher nicht so sein Ding. Alle agieren dezent und angemessen.
CAMINO SOLITARIO scheint komplett in Torremolinos gedreht, Franco übernahm neben Drehbuch, Produktion und Regie auch Kameraarbeit und Nachbearbeitung. Die Musik besteht aus Daniel White-Tracks, die Franco-Fans nicht fremd sein dürften, denn auch die stammen größtenteils aus den frühen 70er Jahren.
Franco inszeniert die Suche des Detektivs nach verschwundener Schwester und Wahrheit nüchtern und realistisch. Privatdetektiv zu sein ist kein Abenteuer, und wenn man nicht aufpasst, wird man nur zu leicht über den Tisch gezogen. Die Lösung des Rätsels kommt dagegen nicht allzu überraschend, denn viele Möglichkeiten gibt es nicht, wenn man zwei und zwei zusammenzählt. Dafür kann Franco mit der Art der Rache Pereiras punkten, denn der muss am Ende keinen Finger krumm machen, damit das Schicksal seinen Lauf nimmt. Worte können töten.
Und das Fazit? Ein ungewöhnlicher Franco-Film. Denn Frieden und Erfüllung nach einer kurzen Stippvisite in einer sündigen Welt findet Pereira im Schoß der Familie. Für Franco-Fans sehenswert, ansonsten ist Vorsicht geboten, denn CAMINO SOLITARIO ist nicht nur eine einsame, sondern auch eine sehr ruhige Straße.
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André
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