Der Winter zieht in die Stadt. Es ist kalt, die Straßen glitzern vor Nässe, und die Damen drücken sich in die Hauseingänge um Schutz vor dem frostigen Wind zu finden. In einer dunklen Seitengasse steht eine Gruppe Männer und Frauen vor einer angegammelten Tür, schweigend ins Gespräch vertieft. Bei Kommissar Belli läuten die Alarmglocken: Eine Gruppe Halbstarker, die sich bereit macht ein Kino zu stürmen? Oder sollte das, Schreck lass nach, etwa die angeforderte Unterstützung für seinen Kampf gegen das organisierte Verbrechen sein?
Nun, Kommissar Belli kam zwar nicht persönlich vorbei, aber auf der Leinwand ließ er sich immerhin zweimal blicken, um den Gangstern Italiens zu zeigen wo der Hammer hängt, sehr zur Freude der angereisten Filmfans. 3 Tage Polizei- und Gangsterfilme im Kommkino in Nürnberg, und im Vorfeld stellte sich schon verschiedentlich die Frage, ob das denn nicht irgendwann langweilig werden würde. Ich darf die Antwort vorwegnehmen: Von Langeweile keine Spur! Ich hätte selber nie gedacht, dass die Bandbreite so groß ist, dass so viele vollkommen unterschiedlich gestaltete Geschichten innerhalb eines Genres erzählt werden können. Aber der Reihe nach …
Es begann, wie Filmfestivals meistens so beginnen: Menschen, die gemeinsame Interessen haben, treffen sich zwei- oder dreimal im Jahr, um zusammen eine schöne Zeit zu haben. Im Fall des Norimberga Violenta-Festivals hieß das, bekannte und vertraute Gesichter endlich einmal wiederzusehen, ein paar neue Gesichter kennenzulernen, und sich in angenehmer Atmosphäre über Kino, das Leben und den ganzen Rest auszutauschen. Eine familiäre Atmosphäre, die das gesamte Wochenende über anhielt und wahrscheinlich alle ansteckte. Das Kommkino ist halt eine wunderbare Location, und bietet einfach genau den richtigen Rahmen für eine solche Veranstaltung.
Nach einem etwas hektischem Abendessen beim Türken ging es um 21:15 pünktlich los mit Fernando di Leos Knaller DER MAFIABOSS – SIE TÖTEN WIE SCHAKALE, einem meiner persönlichen Highlights dieser drei Tage. Luca Canali, ein kleiner und unbedeutender Zuhälter in Mailand, bekommt es mit zwei Profikillern des amerikanischen Syndikats zu tun, die ihn exemplarisch umlegen sollen, damit die Leute in Mailand wissen, dass mit dem Syndikat nicht zu spaßen ist. Immerhin geht es um die Lappalie von verschwundenen 30 Millionen Lire. Doch Canali ist nur ein Bauernopfer, eigentlich hat jemand ganz anderes das Geld an sich genommen, und als Canali das herausbekommt, und als auch seine Frau und sein Kind in die Schusslinie geraten, da wehrt sich dieser kleine Gauner mit Zähnen und Klauen – wie ein Schakal. Ein dynamischer Film, der immer nach vorne geht, nie zurück schaut, immer voll auf die Zwölf. Mario Adorf gibt alles und geht seinen blutigen Weg durch ein leider etwas rotstichiges Mailand wie im Jahr zuvor bereits Gastone Moschin als Ugo Piazza – mit dem Kopf durch die Wand (richtiger: Die Windschutzscheibe). Trotz, oder wahrscheinlich eher wegen, einiger leichter Handlungskürzungen (die deutsche Kinofassung ist leicht geschnitten und bietet daher ein sehr kompaktes Actionerlebnis) ein straffer Film. Wie eine Kopfnuss mit der Stirn …
Die wenigsten hatten größere Erwartungen an den nächsten Film TESTAMENT IN BLEI von Carlo Lizzani. Zu wenig war bekannt über den Streifen, zu amerikanisch klangen Stab, Besetzung und Inhalt. In der kurzen Pause nach DER MAFIABOSS wurde vielmals diskutiert wie schlecht der sein soll, und in Anbetracht der späten Zeit überlegten einige, ob man sich den überhaupt antun soll. Aber welch Überraschung, der Film rockt durchaus! Kein typischer Mafiathriller italienischer Herkunft, sondern eher ein klassischer Gangsterfilm US-amerikanischen Zuschnitts: Die Brüder Joe und Richie Gallo wollen nicht mehr die armen Würstchen in der Organisation des großen Falco sein, sie wollen selber an den Speck. Sie wollen die Big Men sein, so würde Tommy Judo in DER TODESKUSS von 1947 es sagen, und Joe ist dessen größter Fan (sowohl der Filmfigur als auch des Films). Also beginnen die beiden mit ihren Leuten einen Gangsterkrieg, an dessen Ende Joe für10 Jahre ins Kittchen wandert. Dort lernt er den Schwarzen Willy kennen und die beiden freunden sich an. Wieder draußen kommt es zur afro-italienischen Brüderschaft, und die alteingesessenen Herren der Mafia müssen zu rigiden Mitteln greifen um dieser Bedrohung Herr zu werden.
Nach einem starken Anfang treten im Lauf der Zeit leider ein paar Hänger auf, und das letzte Drittel kommt dann erzählerisch ernsthaft in Schwierigkeiten. Die Sache mit der italienischen Föderation ist etwas merkwürdig, aber die National Italian American Foundation, gegründet 1975, existiert tatsächlich, und sie ist anscheinend auch heute noch das Sprachrohr für Italiener in den USA. Sachen gibt’s … Aber im Großen und Ganzen war TESTAMENT IN BLEI überraschend gut: Der Versuch, in einer Organisation nach oben zu kommen, der so gar nicht von Erfolg gekrönt ist, vergleichbar vielleicht ein wenig mit Filmen wie FEUERTANZ (ebenfalls von Carlo Lizzani, wen wundert’s …).
Was mich sehr beeindruckt hat sind die Bilder von New York im Jahre 1973. Mein Gott, wie man kann nur in solchem Schmutz leben? Jeder der da groß geworden ist muss unweigerlich raus wollen, muss an die Spitze wollen, egal ob er Donald Trump oder Joe Gallo heißt (wobei die Unterschiede zwischen den beiden, abgesehen von der Frisur, ja nun eher gering sind). Die Bilder wirken dunkel und dreckig, wodurch eine hohe Street Credibility entsteht. TESTAMENT ist so ganz anders als der geleckte DER PATE, und dabei nie so übertrieben wie etwa BLACK CAESAR, sondern immer knallhart realistisch, stilistisch vergleichbar vielleicht mit den frühen Filmen Martin Scorseses. Die starke Stimmung und die eindrückliche Bilder untermalen das stellenweise harte Drama sehr gut. Kein Überflieger, aber sehenswert.
Der zweite Tag begann unendlich müde. So müde, dass ich zugeben muss, meiner Chronistenaufgabe nicht ganz gewachsen gewesen zu sein, und beim ersten Film, Mino Guerrinis GANGSTER STERBEN ZWEIMAL, des Öfteren eingeschlafen zu sein. Gar zu unentschieden empfand ich die Story um den großen Überfall, den genialen Heist mit philosophischem Unterbau. Die erste Hälfte wirkte allenfalls eher langatmig und mit einer unsauberen Figurenzeichnung versehen, was aber sehr wohl meinen Schläfereien geschuldet sein kann. Wer da was macht, wo die Figuren herkommen, wer sie sind – das wurde zumindest mir nicht klar. Anderen ging es genauso, vielleicht haben die auch geschlafen, ich weiß aber, dass mindestens ein Zuschauer den Film als persönlichen Höhepunkt des Festivals ansah. Was bedeutet, dass ich wohl mehr geschlafen habe als ich zugeben mag …
Der Heist selber war klasse, schnell und atemlos geschnitten, und dass danach alles in die Binsen geht ist eine Weisheit des Genres. Aber was war das mit dem Schluss? Hat Michelangelo Antonioni da die Regie übernommen? Ein Mann und eine Frau fahren in einem Sportwagen in die verschneit-vernebelten Berge. Sie philosophiert über eine Fliege welche die Badewanne hinaufklettern will, er erzählt von seiner verkorksten Jugend, und am Ende zerschießt er die Diamanten. Insgesamt der Versuch, einen Gangsterfilm mit philosophischer Stoßrichtung zu verknüddeln, was für mich nur bedingt funktioniert. Durch die stark rotstichige Kopie ließ sich die tolle Optik des Films nur erahnen, und von daher habe ich den Film eher zwiespältig aufgenommen. Scusate …
Nach einer kurzen Pause kam dann allerdings einer DER Höhepunkte des Wochenendes auf die Leinwand, und da war mit Schlafen nichts mehr drin: DIE KLETTE von Romolo Guerrieri. Was ich bei der Erstsichtung auf DVD nur recht nett fand, hat mich bereits im Kino ziemlich geflasht, und mit ein wenig Abstand dann zu ebendieser Meinung gebracht, ein echtes Highlight gesehen zu haben. Kommissar Belli, der in einen Mord auf der Via Veneto hineingezogen wird, und dann in einem Sumpf von Verbrechen den Boden verliert (“Ich mag keine Leichen. Aber sie sind mein Job. Ein Scheißjob …“), das ist ein echter Noir-Krimi wie er im Buche steht. Machen wir doch mal den Raymond Chandler-Check: Handlung? Verworren. Figuren? Viel zu viele mit viel zu vielen Namen. Tote? Einige. Erotische Frauen? Reichlich vorhanden (aber alle etwas dürr). Hard-boiled Detektiv mit coolen Sprüchen? Vorhanden! Ergebnis: Schwärzer, im Sinne von Noir, geht es nicht mehr. Franco Nero macht seine Sache als italienischer Philip Marlowe erstklassig, und die Synchro haut einige Perlen raus, ohne dabei aber gleich klamaukig zu werden (“Ganoven nennen mich: Die Klette. Dabei meinen sie: Das Schwein. Mir ist es gleich.“). Dass die Handlung ab der Hälfte nicht mehr nachvollziehbar war ist geschenkt. Es geht um die Stimmung, um das Stochern eines einzelnen korrupten Bullen im Morast des Verbrechens. Dazu optische Spielereien vom Feinsten, und insgesamt einfach ein Krimi klassischen Ursprungs. Auch das Rätsel, dass ich ein anderes Ende kannte, hat sich mittlerweile gelöst: Die DVD-Veröffentlichung von NEW hat den Vorspann und das Ende der deutschen Kinofassung als alternative Versionen beigelegt, was vor allem am Ende erheblich knalliger rüberkommt als die italienische Version (James Brown sei Dank). Und der Loop über das Ende einer Hauptperson ist in dieser deutschen Kinofassung tatsächlich genauso drin wie er in Nürnberg zu sehen war – mehrfach. Kind schielt nicht, Kind muss so gucken ...
Nach diesem Reißer gab es eine angenehm lange Pause, und die Veranstalter hatten in einem gemütlichen Lokal in der Nähe reichlich Plätze reserviert, so dass bei Sauerbraten, Schnitzel und Bier einer dieser speziellen Momente der Nürnberger Festivals entstand, an den man sich noch lange zurückerinnern wird. Ohne zeitlichen Druck essen, gemütlich noch einen Espresso trinken um sich für die kommende Nachtschicht einzustimmen, und dann zurücklehnen und Kommissar Belli (einem anderen als im vorherigen Film) zuschauen wie er in den Straßen von Genua Rabatz macht, denn: TOTE ZEUGEN SINGEN NICHT. In der Hafenstadt wollen die neuen Leute aus Marseille die alten Strukturen übernehmen, und das geht natürlich nur unter extremen Einsatz von Gewalt. Um das zu verhindern schmiedet Kommissar Belli eine Allianz mit den bisherigen Machthabern des Syndikats, aber die Franzosen sind härter, brutaler, schneller. Und es sieht ganz so aus, als ob der bisherige Don sein eigenes Spiel spielen möchte, in welches Belli nicht eingeweiht ist.
Dat is enne Poliziottescho!!!! Ein beschnäuzerter Eisenbulle mit dem schönen Namen „Krieg“ jagt böse Drogenhändler in Genua. Und wenn am Ende dabei alles drauf geht, das Gute muss gewinnen! Die Bösen sind richtige echte Schweinehunde, die nicht mal vor dem Mord an Bellis Tochter zurückschrecken, Bellis Vorgesetzter ist nett aber unentschlossen (und irgendwann recht tot), der Boss in Genua ist ein alter Fuchs dessen Tage gezählt sind, und der neue Boss ist ein Drecksack wie er im Buche steht. Nichts Neues im Lande Genua Armata, aber genau die richtige Kost für Poliziottescho-Fans. Vielleicht ein klein wenig zu viel Sentiment, vor allem gegen Ende hin, insgesamt ein bisschen zuviel Rotstich, aber dafür astrein inszenierte Action-Szenen, tolle Schauspieler, spitzen Stimmung, fetzige Musik, und ein Franco Nero als Nervenbündel, der mit Fäusten und Pistole der absolute Platzhirsch im Lande ist. Zusammen mit DER MAFIABOSS und DIE KLETTE einer der persönlichen drei Höhepunkte des Festivals. Eigenartig allerdings, dass die Plätze bei den beiden ersten Filmen am Samstag eigentlich gut gefüllt waren, sich bei dem hier aber die Ränge gelichtet haben.
Um am Sonntag nicht wieder alles zu verschlafen, verzichtete ich freiwillig auf den folgenden FEUERSTOSS von Alberto de Martino. Am nächsten Tag erzählten mir einige, dass der Film recht schwach war, andere hielten ihn für besser als gedacht. Angenehmerweise kann man sich auf den Freund und Kollegen Richie Pistilli besser verlassen als auf den müden Maulwurf:
Zum Abschluss des zweiten Festivaltages ließen dann John Saxon, Stuart Whitman und Martin Landau noch einmal so richtig die Fetzen fliegen, indem sie in Alberto De Martinos FEUERSTOSS das kanadische 'Montréal' beinahe in Schutt und Asche legten. Der Film versprühte zwar ein sehr geringes Italo-Flair, und grimmig dreinschauende Schnauzbartträger suchte man auch vergebens, aber dennoch entpuppte sich der Film auf der großen Leinwand als eine sowohl recht unterhaltsame als auch zugleich kurzweilige Inszenierung, die neben Elementen des amerikanischen Cop Films auch einen gialloesken Whodunit Plot beinhaltete. Kernstück des Ganzen ist eine mehrminütige Autoverfolgungsjagd inmitten des kanadischen Großstadtdschungels, bei der dann auch ordentlich die Motoren aufjaulten und die Reifen quietschten. Eine actionreiche Blechschlacht, die sogar hartgesottenen Altmetallsammlern die Freudentränen in die Augen treibt. Abgerundet wurde das urbane Treiben schließlich mit einer stellenweise politisch unkorrekten Synchro und einer sehr smoothen Filmmusik von Armando Trovajoli, welche die verbliebenen Besucher schließlich auch im Ohr nachhallend geruhsam in die Nacht geleitete.
Der Sonntag bot dann erstmal Dauerregen – Also richtiges Kinowetter! Neben fallenden Temperaturen hatte dieser letzte Tag dann zugleich ein recht straffes Programm, damit am Abend auch alle pünktlich nach Hause kommen konnten. Also die Pobacken zusammengekniffen, und los ging es, nach einer wunderbaren und stimmigen Trailershow, mit EIN MANN GEHT AUFS GANZE, der allerdings auch Ein Mann geht aufs Halbe hätte heißen können (warum muss schon jeder selbst herausfinden). Die Geschichte um Eleanor, die plötzlich einen Gedächtnisverlust erleidet, sich an die letzten 5 Jahre nicht mehr erinnern kann, und sich gleichzeitig der Angriffe eines glatzköpfigen Fremden erwehren muss, die Geschichte ist zugegebenermaßen ein reiner Giallo. Grundstrukturen einerseits und auch das langsame Erzähltempo andererseits haben weder mit Polizei noch mit Gangstern etwas zu tun. Kam hier überhaupt ein Polizist vor? Wie so oft in Gialli ist die Präsenz der Staatsmacht hier eher zu vernachlässigen gewesen. Dafür lief in sehr schönen Farben und in einer verträumten Atmosphäre ein ruhiger Psychothriller ab, der eigentlich nur an den hölzernen deutschen Dialogen scheiterte, denn sowohl Darsteller (Anne Heywood, Telly Savalas, das wunderschöne Ostende als Handlungsort) wie auch die Bilder konnten ein wohliges Behagen erzeugen. Ein guter Film, aber wahrscheinlich auf dem heimischen Bildschirm und im Originalton etwas überzeugender.
Eine kurze Pause, und schon erschien auf der Leinwand Antonio Margheritis HÖLLENHUNDE BELLEN ZUM GEBET, der dann im Gegensatz zum vorherigen Film schon eher ein Poliziottescho war: Der alternde Profikiller Marciani kommt von New York nach Italien, um den Mord an seinem Bruder zu rächen. Er stößt auf den Nachwuchsgauner Angelo, den er, weil seine Augen zusehends nachlassen, zum Killer ausbildet. Zumindest technisch, denn die Willenskraft einen Menschen zu töten, die muss Angelo erst noch entwickeln. Viel Zeit dazu hat er allerdings nicht ... Klingt von der Vater-Sohn-Beziehung “Alter Killer und junger Gauner“ her erst mal nach dem 3 Jahre früher entstandenen LA PISTOLA von Michele Lupo, bei dem Lee van Cleef und Tony Lo Bianco versuchten aufzuräumen, es werden aber auch Erinnerungen an DER TOD RITT DIENSTAGS oder an BANDIDOS wach. Hier sind es Yul Brynner (in seiner letzten Rolle) und der Sänger Massimo Ranieri, die in Neapel für Lücken unter den ansässigen Mafiosi sorgen, und dabei reichlich flott und energiegeladen vorgehen. Nach dem sehr ruhigen, manchmal vielleicht etwas zu ruhigen, EIN MANN GEHT AUFS GANZE, steppte hier wieder der Bär und es gab reichlich Action. Mir persönlich hat Yul Brynner ein wenig zu oft diese “In Europa drehen sie ja drollige Filme“-Ausstrahlung gehabt, die mir beim diesjährigen Terza Visione auch bei Kirk Douglas in EIN ACHTBARER MANN aufgefallen ist. Aber wahrscheinlich ist das nur Einbildung, und die HÖLLENHUNDE bellen auf jeden Fall ordentlich. Und laut! An Schlaf war bei der klasse inszenierten Action jedenfalls nicht zu denken …
So langsam taten die Gesäßmuskel weh vom Marathonsitzen, aber einer ging zum Schluss schon noch. Einer, der belegen konnte dass das Wort vom “Guten Schluss“ keine Floskel ist: EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN rasen durch Rom um kleine und große Kriminelle in die Schranken, und alles was einen Rock trägt ins Bett zu weisen. Da mir aber zu diesem Film so gar nichts rechtes einfallen mochte, soll noch einmal der überaus geschätzte Richie Pistilli zu Wort kommen:
Und gegen 17:00 war es dann leider auch schon wieder soweit, denn das grandiose Festivalwochenende neigte sich allmählich seinem unausweichlichen Ende zu. Doch bevor sich der Vorhang im Komm-Kinosaal an diesem Sonntag ein letztes Mal schloss, enterten zum Abschluss noch einmal Ray Lovelock, Marc Porel, Adolfo Celi, Silvia Dionisio und Bruno Corazzari die große Leinwand, denn Ruggero Deodatos EISKALTE TYPEN AUF HEIßEN ÖFEN stand als finaler Festivalbeitrag auf dem Programm. Darin verkörpern dann Ray Lovelock und Marc Porel zwei Mitglieder einer verdeckt ermittelnden Spezialeinheit, die das Gesetz liebend gerne selbst in die Hand nehmen und dabei auch keinesfalls Gefangene machen, denn die beiden selbstjustiziellen Ermittler sind keine Cops von Traurigkeit. Dabei gleichen die beiden gnadenlosen Vollstrecker eher einem selbsternannten Killerkommando, das mit seinen kriminellen Gegnern kurzen Prozess macht, indem sie diesen nicht nur voller Freude ständig in deren Allerwerteste treten, sondern diese daraufhin auch ohne großes Federlesen ins Jenseits befördern. Nebenbei verheizen sie eine ganze Armada an Nobelkarossen, lassen fröhlich die Genicke der bösen Jungs knacken und machen auch vor unschuldigen Blindenhunde nicht halt, so dass ihr Vorgesetzter Adolfo Celi ständig in ärgste Erklärungsnot gegenüber dem zuständigen Ministerium gerät. Die Einzige, der es schlussendlich gelingt die beiden rastlosen Ordnungshüter hart heran zu nehmen, ist niemand geringeres als die reizende Silvia Dionisio. Und natürlich mischt auch der unvergleichliche Bruno Corazzari bei diesem ungesetzlichen Treiben munter mit, wobei er aber die Aussage 'auf dem Zweiten sieht man besser' wohl etwas missverstanden zu haben scheint. EISKALTE TYPEN AUF HEIßEN ÖFEN stellte somit nicht nur einen gebührenden Abschluss des fantastischen Festivalwochenendes dar, sondern entpuppte sich auch als ein erstklassiger Stimmungsgarant, der den verbliebenen Gästen nicht nur eine standesgemäße Unterhaltung bot, sondern auch dem allseits beliebten Ray Lovelock ein letztes Denkmal setzte, da dieser traurigerweise knapp eine Woche nach dem Festival völlig unerwartet von uns ging. Ruhe in Frieden Ray Lovelock (19.06.1950 - † 10.11.2017)
Nie hätte ich gedacht, dass drei Tage Poliziotteschi so anwechslungsreich sein können: Ein Mafiafilm, ein klassisches Gangster-Bio-Pic, ein Heist-Movie, ein Noir, ein archetypischer Poliziottescho, ein Giallo-artiger Krimi, eine Gangsterballade und ein Buddy-Movie. Sollte sich an diesen drei Tagen jemand gelangweilt haben, so sei ihm stattdessen das demnächst stattfindende Rosamunde Pilcher-Festival in Cornwall empfohlen. Oder natürlich das für das kommenden Frühjahr anvisierte Italowestern-Festival, wiederum im KommKino und präsentiert von Dirty Pictures und Italo-Cinema. Ich glaube, wer diese Tage in Nürnberg erlebte, der hat Erinnerungen an die er noch lange zurückdenken wird: Die schönen Trailershows (immerhin wissen wir jetzt endlich, dass mit Chloroform alles besser geht), die heiteren Verlosungen vor den Filmen, die entspannte und, ich erwähnte es, familiäre Atmosphäre, die so völlig stressfrei ist, die liebgewonnen alten Bekannten und die neuen Freunde, …
Und auch, wenn diese drei Tage so schnell vorbei rasten wie ein polizeigrüner Fiat 127 in voller Fahrt, so haben diese Tage tiefen Eindruck hinterlassen! Vielen herzlichen Dank an dieser Stelle an alle Verantwortlichen und Ausführenden: Die Veranstalter, die Betreiber des Komm-Kinos, die ehrenamtlichen Vorführer, den Layouter, und an alle hinter den Kulissen, von deren unermüdlicher Arbeit wir Filmfans nichts mitbekommen, und ohne die so ein Festival gar nicht möglich wäre.
Ich freu mich schon auf’s nächste Mal!!! Arrivederla …
Terza Visione, das bedeutete bislang immer einen überfüllten und überhitzen Kinosaal, in dem in familiärer und vertrauter Atmosphäre bekannte und neu zu entdeckende Höhepunkte italienischer Filmkunst ihrer Entdeckung auf 35mm harrten. Nach drei Veranstaltungen im Nürnberger Komm-Kino nun aus Platzgründen erstmals im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt, und die Spannung war groß was hier geboten wird. Das Programm verhieß im Vorfeld auf jeden Fall schon mal einiges, und die Erweiterung auf einen vierten Abend klang ja auch nicht schlecht.
Eines vorweg: Zumindest am ersten Abend gab es auch die bekannte Hitzeschlacht, da die Klimaanlage zu niedrig eingestellt und nicht auf solche Besuchermassen eingerichtet war. Offensichtlich gehört die Hitze einfach zu einem Festival italienischer Filme wie eine behaarte Männerbrust zu Maurizio Merli. (Was zu dem Gedanken führt, dass man sich vielleicht intensiver mit grönländischer Filmkunst beschäftigen sollte ...) Und auch einige Zuschauer mussten am Eröffnungsabend an der Abendkasse leider wieder abgewiesen werden. Was bedeutet, dass Filme abseits vom Mainstream beliebter ist als man denkt …
Das Museum selber ist groß und luftig, und bietet einen angenehmen, wenngleich auch etwas unpersönlichen Rahmen für solch ein Event. Das Café ist nicht ungemütlich und gut sortiert, der Museumsshop hat eine erschreckend reichhaltige Auswahl an bibliophiler und filmischer Auswahl, und insgesamt macht das Ambiente einen kühlen aber ordentlichen Eindruck. Das Kino selber ist gemütlich, wenngleich ich mit meinen 175 cm und 85 Kilo wenig Beinfreiheit und noch weniger seitliche Bewegungsmöglichkeiten hatte. Wie mag das für kräftigere oder gar größere Menschen sein? Andreas von Italo-Cinema hat mit seinem George Eastman-Gardemaß auf jeden Fall immer nur am Rand sitzen können …
In den letzten Jahren italienischer Filmfestivals haben sich Freundschaften und gute Bekanntschaften entwickelt, und es war schön die vertrauten Gesichter auch dieses Mal wieder zu sehen. Gemeinsam essen gehen, über Filme quatschen, sich zusammen wohl fühlen – ein wesentlicher Bestandteil eines Festivals, und Terza Visione macht da keine Ausnahme. Aber irgendwann mussten dann auch die intensivsten Diskussionen enden, denn nach den einleitenden Worten von Mitveranstalter Andreas Beilharz begann bereits einer DER Höhepunkte der gesamten Veranstaltung: GEFAHR: DIABOLIK von Mario Bava, von 35mm, und in einer Qualität wie soeben aus dem Kopierwerk gekommen. Frische Farben, keine Risse, kein Knistern und Rauschen, und der einzige Unterschied zu einer Blu-ray waren die leicht holprigen Aktübergänge. Der Film? Mmh, wie sag ich es, ohne alle Superlative gleich zu Beginn zu verschießen? Bunt, schrill, witzig, abgefahren, anarchistisch, erotisch, psychedelisch, … Diabolik (John Phillip Law) ist der Supergangster, der dem Staat das Geld stiehlt wo er nur kann, und sich mit seiner Gespielin Eva (hinreißend und sexy wie nie: Marisa Mell) damit in seinem unterirdischen Zufluchtsort ein Leben in Luxus gönnt. Doch er ist so erfolgreich, dass die Unterwelt in Form von Adolfo Celi (“Die Stadt San Francisco hat Sie aus dem Ärzteregister gestrichen. Ich sorge dafür, dass Sie aus dem Menschenregister gestrichen werden!“) ihre Geschäfte beeinträchtigt sieht und mit Inspektor Ginco (Michel Piccoli) zusammenarbeitet. Und da der Film nach einer Comicvorlage gestaltet wurde, ist das alles eingebettet in knallig-bunte und abgedreht-futuristische Settings, garniert mit allem was die Pop-Kultur des Jahres 1967 so hergab, und über allem liegt ganz klar die optische Handschrift des Meisters Mario Bava. Ein Riesenvergnügen, und im Nachhinein mein persönlicher Höhepunkt des gesamten Wochenendes!!
Sven Safarow von den Eskalierenden Träumen leitete dann weiter (“Ich brauche euch nicht zu erklären was ein Giallo ist, und auch nicht wer Lucio Fulci war. Das kann man auch googeln …“) zum nächsten Höhepunkt, der Deutschlandpremiere von UNA LUCERTOLA CON LA PELLE DI DONNA. Die Kopie war sehr gut erhalten, sehr sehr selten, und an dieser Stelle geht noch mal ein ganz großer Dank an die Cinémathèque Suisse, welche unter anderem die Kopien der beiden Donnerstags-Filme zur Verfügung stellte. Für alle Filmliebhaber ein echtes Erlebnis! UNA LUCERTOLA also: Florinda Bolkan macht Liebe mit Anita Strindberg, letztere wird ermordet, erstere träumt den Mord, und keiner glaubt ihr so recht dass sie den Mord nicht begangen hat. Jeder möchte ihr nun einreden dass sie einen an der Klatsche hat, nur der pfeifende Kommissar Stanley Baker hat da so seine Zweifel. Erinnert im Inhalt erstmal an den ein Jahr später entstandenen DIE FARBEN DER NACHT von Sergio Martino, ist aber vollkommen anders aufgebaut. Der psychedelische Beginn mit der starken Szene, wenn in einem Splitscreen das geile Sexleben der Anita und das dröge Amtischsitzenundschweigen der Familie Bolkan nebeneinander gestellt werden, die wilden Sexszenen (und in der gezeigten Version gibt Frau Strindberg wirklich absolut ALLES!), die Träume die an schlechte LSD-Trips erinnern, das alles zieht den Zuschauer in einen Strudel aus Drogen, Sex und Gewalt. Interessant, dass dann im Lauf der Geschichte die Bilder immer konventioneller werden, und die Wildheit sich peu a peu verabschiedet (bis auf die Verfolgungsjagd im Palast, die auf geniale Weise eine Hommage an Hitchcock mit psychedelischen Zooms und nervenzerfetzender Spannung verbindet) Das Ende kommt sogar recht zahm daher, dabei aber nicht minder spannend. Vielleicht, wenn Agatha Christie mit Drogen experimentiert hätte, vielleicht wäre dann so etwas dabei heraus gekommen. Spannend, interessant, … Anders! Leider machte die Technik dem Vergnügen einen Strich durch die Rechnung: Während einer dicht inszenierten Verfolgungsjagd fiel die Tonanlage aus und die Wiedereinrichtung dauerte 20 bis 30 Minuten, in denen auch gewahr wurde, dass die Klimaanlage, ich erwähnte es bereits, heiße südkalabrische Luft in den Raum schaufelte (zumindest vom Gefühl her, vielleicht war es ja auch heiße sizilianische Luft). Einige Zuschauer gaben in dieser Zwangspause auf und gingen, die bleibenden Zuschauer waren sich hinterher einige dass die Pause dem Film nicht wirklich gut getan hat. Trotzdem ein starker Film und eine starke Erfahrung den mal auf 35mm gesehen zu haben.
Irgendwann war es dann Samstag Morgen, der zweite Tag des Festivals war vorbei, und ich versuche im Nachhinein die Eindrücke zu sortieren. Da gab es einen Peplum, BLUTGERICHT, und da sind halt Dinge passiert die in Peplums so passieren. Knackige Männer in Bettlaken reiten dauergrinsend durch die antike Welt und retten mal eben die damals bekannte Menschheit. Man(n) rottet sich zu siebt zusammen um den pösen Tyrannen zu stürzen, die Holde aus den Griffeln eines bekannten Bösewichts zu retten oder einfach beim heiteren Raufen und Schwerteraneinanderschlagen Spaß zu haben und gemeinsam zu lachen. BLUTGERICHT ist ein typischer Peplum, und das einzige was ihn auszeichnet ist der geschlechterverbindende Schluss: Wenn nämlich die muskulösen Helden am Ende im Schlamm rangeln und sich benehmen als ob sie sich auf der Reeperbahn befinden, dann hat auch die Damenwelt im Publikum ihre Freude. Schlammcatchen belendenschurzter Männer als Höhepunkt einer Freitagmittag-Vorführung, der Rest ist unterhaltsam, aber eher unerwähnenswert.
Dann gab es (als Deutschlandpremiere) ein Melodram, WER OHNE SÜNDE IST …, und da sind dann halt Dinge passiert die in Melodramen so passieren. “Alles was einer italienischen Familie so zustossen kann“, wie Christoph Draxtra in seiner Einleitung resümierte. Frau liebt Mann, Mann liebt Frau, beide sind arm, also verlässt Mann das schöne Aostatal und geht nach Kanada, Geld verdienen. Sie machen eine Fernheirat (ein sehr humoriger Moment, wenn in der Heimat ein Hutzelmännchen den eigentlichen Bräutigam vertritt, und dessen Frau ihm erklärt dass seine Aufgabe nach der Trauung aber gefälligst beendet sei), aber ach, durch widrige Umstände und missgünstige Menschen landet die Frau im Gefängnis, weil sie das Kind ihrer kleinen Schwester an der Kirchenpforte in die Kinderklappe geworfen hat. Der Mann erfährt, dass er eine Knastjule geheiratet hat, und reicht die Scheidung ein. Na ja, da passiert schon noch einiges mehr, und der Film geht ausgesprochen zu Herzen und ist wunderschön fotografiert und macht wirklich Vergnügen. Muss man halt mögen, und für zu Herzen gehende Tränendrücker sollte man und frau was übrig haben. Seltsamerweise war das Kino recht voll, was ich überhaupt nicht erwartet hätte. In diesen aktuellen Zeiten sind wohl gefühlvolle Geschichten wieder angesagt, was ja durchaus für die Menschheit spricht. Auf jeden Fall kam der Film gut an, und wer mehr über den Regisseur Raffaello Matarazzo erfahren will sollte hier auf den Seiten von Italo-Cinema nach DAS SCHIFF DER VERLORENEN FRAUEN oder DAS REISMÄDCHEN schauen. Hochgradig lohnenswert, und mit Heulgarantie!
Nach einer großzügig gestalteten Pause und einer äußerst gelungenen und humorigen Videoeinführung von Christoph Huber passierte dann allerdings etwas Unerwartetes. Das Licht im Kino ging aus, ein Mann krabbelte aus einem Kanalschacht, Musik begann, und was dann kam war ein absolut verstörendes und eigentümliches Werk, das so wahrscheinlich niemand so erwartet hat: ARCANA von Giulio Questi, übrigens wieder eine Deutschlandpremiere. TÖTE, DJANGO war ja schon gänzlich anders als andere Western, und auch DIE FALLE deckt sich nicht im Geringsten mit den herkömmlichen Vorstellungen der Begriffe Giallo oder Krimi. ARCANA aber ist vollkommen anders als alles was ich bisher gesehen habe, das Spätwerk von David Lynch explizit ausgenommen. ARCANA ist groß. Dunkel. Wild. Leidenschaftlich. Böse. Intensiv. Komisch. Fremdartig. Ungewöhnlich. Und vor allem vollkommen anders. ARCANA hat die schwächeren Eindrücke der vorhergehenden Filme fortgewischt und durch etwas Neues und Komplexes ersetzt, was sich einer direkten Einordnung widersetzt und erst einmal verarbeitet werden muss. Entsprechend war der Applaus nach der Vorführung eher verhalten, zu andersartig waren die Bilder und das Zusammenspiel mit der hervorragenden Musik, zu komplex war das Geschehen auf der Leinwand, als dass frenetischer Applaus hätte erwartet werden können. Ein junger Mann lebt mit seiner Mutter in einer Hochhaussiedung in Mailand. Sie betätigt sich als Hellseherin, während der Sohn seine tatsächlich vorhandenen übersinnlichen Fähigkeiten einsetzt um … andere Dinge zu tun. Und das ganze nicht linear erzählt, sondern geradezu assoziativ, non-linear, mit der Verwendung alternativer Möglichkeiten. MULHOLLAND DRIVE goes Italy, damit man sich eine ungefähre Vorstellung machen kann.
Zum Film könnte ich jetzt einiges schreiben, aber das würde den Rahmen einer Festival-Rückschau sprengen. Ich möchte mich mit ARCANA beschäftigen, und werde das auf diesen Seiten auch tun, hier und in Kürze sei nur gesagt, dass ARCANA alle im Publikum sehr beschäftigt hat, polarisiert hat, und für Gesprächsstoff gesorgt hat. David Lynch trifft auf die Commedia all’Italiana …
Mir persönlich hat die Bilderflut von ARCANA sehr zugesetzt, und ich hatte keine Lust mir diese Eindrücke durch einen Mondofilm zerstören zu lassen, in dem nackte Frauen ihre Brüste schwingen und Piero Umilianis Musik die Sinne betört (oder umgekehrt). Darum habe ich SCHWEDEN - HÖLLE ODER PARADIES? geschwänzt und der Freund und Kollege Tobias Reitmann hat stattdessen ein Auge auf den Film geworfen:
„Der Mondofilm – eine beliebte Spielart von aufklärenden Reportagen, deren Inhalt oft allerlei Nischen sämtlicher Skurrilitäten und Tabubrüchen abzudecken versucht – erfreut sich schon seit Beginn des hier besprochenen Festivals größter Beliebtheit unter den delirierenden Feinschmeckern. Erst recht in Verbindung mit einer feschen Vertonung, welche im Glücksfall mit einem Offsprecher gesegnet ist, der seine mahnenden Worte mit erhobenen Zeigefinger parallel zum Gezeigten in das Publikum predigt, oder – wie in diesem Fall – seine Kommentare mit grob gestreuten Nuancen der Oberflächlichkeit würzt, um ein größeres Maß an Bestürzung, Erstaunen und Fassungslosigkeit zu erzeugen. Und so schippert Scattinis Schweden-Dokumentation dank herzerwärmender Lounge-Groovieness eines Piero Umiliani, betörenden Bildern von Claudio Racca, sowie den unglaublichen Diffamierungen des Ansagers gegenüber allen auftretenden Minderheiten und Randgruppierungen, in den Hafen der rauschenden Zerstreuung.“
Der Samstag entführte uns dann inmitten eines regen Flohmarkttreibens und bei bestem Einkaufswetter mit Michele Lupos EIN ACHTBARER MANN mit Kirk Douglas, Giuliano Gemma und Florinda Bolkan in das schmuddelige Hamburger Winterwetter des Jahres 1972. Ein Safeknacker wird aus dem Knast entlassen, wird von früheren Partnern gedrängt den nächsten Job anzunehmen, wird von seiner Lebensgefährtin gedrängt den Job an den Nagel zu hängen, und hat dabei doch ganz eigene Vorstellungen wie das Geldverdienen der nächsten Zeit aussehen soll. Ein Mann geht seinen Weg, und das Douglas’sche Kinn gibt dabei die Richtung vor: Straight geradeaus, immer dem eigenen Kopf nach, und alle Widerstände glatt bügelnd bis frontal an die Wand. Ein düsterer Krimi bei dem einfach alles passt: die erstklassigen Darsteller, das Hamburger Hafenkolorit, die starke Musik von Ennio Morricone, die einfache und gradlinige Handlung … Eine Gangsterballade wie sie auch von einem Franzosen hätte inszeniert werden können, und im Bereich des Gangsterfilms ist das als ganz großes Kompliment zu verstehen. Ein achtbarer Film, gewissermaßen, und zusammen mit den zuvor gezeigten Hamburg-Trailern ein weiteres Highlight des Festivals!
Knapp gefolgt von meinem persönlichen Tiefpunkt, LA SPOSINA von Sergio Bergonzelli. “Persönlich“ bedeutet, dass ich die an diesem Tag in Deutschland uraufgeführten Komödie um ein frisch angetrautes Ehepaar, wo er Potenzprobleme hat und sie das Objekt der Begierde von ganz Pescara ist, dass ich mit dieser Commedia Sexy nichts anfangen konnte, weil es ganz schlicht und ergreifend nicht mein Genre ist. Andere haben das entsprechend auch anders gesehen, die Stimmung im Saal war überschwänglich und der Film kam gut an. Für solche Klamotten bin ich einfach der Falsche, selbst wenn sie von Bergonzelli kommen. Einzig der politisch nicht ganz korrekte Adolf-Klon als Bruder des Ehemanns hat auch bei mir für einige Lacher gesorgt Selbst die von Gary Vanisian bei der Einführung erwähnte “somnambule Stimmung“ konnte ich nicht finden, wobei Halbschlaf durchaus das richtige Wort gewesen wäre … Sorry!
Es folgte eine längere und angenehm warme Pause in einem der unzähligen kleinen Lokale ums Eck des Kinos. Von daher ist die Location schon gut gewählt, da keine langen Spaziergänge notwendig waren um eine reichhaltige Auswahl verschiedenster Verköstigungen zu finden. Sehr angenehm das! Erheblich angenehmer als das, was die Titelheldin dann im nächsten Film alles erleben musste, INGRID SULLA STRADA von Brunello Rondi, wieder einmal eine Deutschlandpremiere. Ingrid ist ein Mädchen vom finnischen Land, die sich irgendwann in einen Zug setzt und nach Rom fährt um Hure zu werden. Sie freundet sich mit Claudia an, und gemeinsam versuchen sie den merkwürdigen Sexgelüsten reicher Kunden, dem ständigen Problem der zu bekommenden Schlafunterkunft und dem Fascho-Zuhälter Renato ihre Freundschaft entgegenzusetzen.
Was hier jetzt soweit erstmal ganz nett klingt, und auch problemlos als Sexy Komödie hätte inszeniert werden können (oh nein, bitte nicht noch eine!), entpuppte sich als düsteres Drama mit einem Einwegticket in Richtung Abgrund. Rom im November ist weder besonders schön noch besonders warm, und nur die Freundschaft zwischen den beiden Mädchen sorgt für warme und angenehme Momente. Die sehr sture Ingrid lebt nach dem Motto “Lieber im Stehen sterben als auf den Knien leben“, meint immer dass sie ihren Kopf durchsetzen muss, und ich frage mich inwieweit die politischen Ansichten und persönlichen Erfahrungen Brunello Rondis hier vielleicht ihre Entsprechung finden. So oder so ein unglaublich reichhaltiger Film, der, Christoph Draxtra erwähnte es in seiner hervorragenden Einführung zu INGRID, mehrfach gesehen werden muss um in seiner Gänze erfasst werden zu können. Hier steckt so unglaublich viel drin: Sozialdrama, politisches Kino, Melodram, exploitative Elemente, … Ich habe den 12 Jahre später entstandenen VOGELFREI von Agnès Varda wiedergefunden, genauso wie Tonino Cervis DIE HEISSEN ENGEL und Rondis eigenen IL DEMONIO. Ein beeindruckender und beklemmender Film, eine absolute Entdeckung dieses Festivals!
Das Gegenstück zu Ingrid ist dann Rolf. Gewissermaßen. Wo Ingrid widerborstig ist und trotzdem (oder deswegen) immer weiter in den Dreck gestoßen wird, da schlägt Rolf zurück. Rolf hat eine hohe Leidensfähigkeit und sein christlicher Gleichmut im Ertragen von Qualen ist bemerkenswert, aber irgendwann reicht es dann mal, und zum Vergnügen des Publikums gibt es dann Blutwurst. Rolf ist ein Ex-Söldner, der mit seiner Freundin als Mini-Jobber in Nordafrika lebt. Seine früheren Kumpels wollen ihn für einen Auftrag anheuern, aber Rolf hat seinen Spaß an Armut und Arbeitslosigkeit und sagt ab. Die Kumpels wiederum haben ihren Spaß an Rolfs Freundin, was im Gegenzug zu Rumble in the Jungle führt. Sano Cestnik, der eine erstklassige und improvisierte Einführung an Stelle des verhinderten Pelle Felsch hielt, meinte dazu, dass “… ROLF ein reines Melodram [sei]. Hier leiden aber nicht die Frauen sondern die Männer, und wenn Männer leiden fließen keine Tränen, sondern Kugeln. So isses eben.“ Sano, für diese unsterblichen Worte wirst Du irgendwann in den Olymp der Filmhistoriker eingehen, versprochen!
Auf jeden Fall ist ROLF ein männlich-knackiger Abschluss des Samstags gewesen, und auch wenn hier nicht die deutsche Version mit ihrer Gute-Laune-Synchro gezeigt wurde sondern “nur“ die um 20 Minuten längere italienische Originalversion (mit von Christoph Draxtra erstellten, hervorragenden, Untertiteln), so war die Stimmung im Publikum auf jeden Fall prima. Anschließend wurde noch ein Video eines Interviews mit Fabio Frizzi gezeigt, dem Komponisten von ROLF, was aber zu der vorgerückten Stunde vielleicht doch ein klein wenig falsch platziert war. Sicher ein interessantes Gespräch, aber die wirklich spannenden Teile rund um seine Arbeit mit Lucio Fulci waren leider nicht dabei, und ein englischsprachiges Interview ohne Untertitel nachts um kurz nach 12 ist halt nicht ganz einfach. Trotzdem ein schönes Feature, was die Besonderheit des Festivals mal wieder unterstreicht.!
Tag 4 begann außerhalb des Kinos mit Temperaturen wie in Almería (34° in der Sonne, früh um 10 Uhr), und innerhalb des angenehm klimatisierten Kinos mit einem furiosen MIT FAUST UND DEGEN von Riccardo Freda. Brett Halsey hechtet über Tische, hat die härteste Faust westlich des Tiber, schafft Kunstwerke auf die selbst Michelangelo neidisch ist, fechtet mit mehreren Gegnern gleichzeitig, fälscht Goldmünzen, baggert alles an was bei drei nicht auf den Bäumen ist, und schafft es auch noch die persönliche Freundschaft des Papstes zu ergattern. Und das alles in 90 Minuten! Hier kommt keine einzige Sekunde Langeweile auf, und selbst in den Liebesszenen steckt so viel Ironie, dass die gute Stimmung der vielen Kampfszenen nicht vergeht. Das Publikum hatte riesigen Spaß und die Lacher waren reichlich. Ein gelungener Start in den letzten Tag!
Ebenfalls gelungen und für beste Laune sorgte nach einer ein wenig unglücklichen Zwangspause (ein anderer Film des regulären Programms wurde gezeigt) und einigen Originaltrailern DAS ENDE DER UNSCHULD aka ANNIE BELLE – ZUR LIEBE GEBOREN. Im Film zuvor turnte Brett Halsey über Tische und Bänke, hier turnt Annie Belle durch die Betten Hongkongs, wobei sie das nicht immer ganz freiwillig tut. Die deutsche Synchro lässt einige echte Perlen vom Stapel (“Immer wenn wir uns geliebt haben, habe ich danach Lust auf einen richtigen Mann.“), und Annie Belle ist die Lust am Spiel mit der Liebe und die Freude an der Entdeckung jederzeit anzusehen. Ein wunderbarer Film, der zwischen leicht komödiantischen Einschlägen und ernsthaftem Erweckungs-Drama pendelt und zusätzlich durch die schönen Bilder Südostasien punktet. Wer hier Spaß hatte sollte mal ein Auge auf EMANUELLE FÜR IMMER werfen, der thematisch nicht unähnlich gelagert ist. Die beiden Filme würden perfekt zueinander passen, so wie Annie Belle und Al Cliver …
Die letzte Essenspause bei unerträglichen Temperaturen, die letzten guten und längeren Gespräche mit neuen und alten Bekannten, und schon geht es zum tierischen Finale über. Nach einer ein klein wenig zu langen und ein klein wenig zu gespoilerten, dafür aber recht lustigen, Einführung des Filmemachers Till Kleinert stand als erstes ein seltener Western als Deutschlandpremiere auf dem Programm, DIE NACHT DER SCHLANGEN von Giulio Petroni. Eine Gruppe von Erbschleichern tut sich in einem kleinen Dorf in Mexiko zusammen, um an das Erbe eines Dorfbewohners zu kommen. Um den letzten echten Erben aus dem Weg zu räumen bringt der Polizeichef einen versoffenen Herumtreiber ins Spiel. Als der aber merkt wer das eigentliche Opfer sein soll ist Schluss mit versoffen, die alten Pistolen werden wieder herausgekramt, und für die Verschwörer öffnet sich die Hölle.
Der Film steht und fällt mit seinen Darstellern, denn vor allem die erste halbe Stunde wird sehr langsam und westernuntypisch mit wenig Action erzählt, was nach knapp 4 Tagen Festivalbetrieb ein wenig zum Einschlafen reizt. Aber sobald der US-amerikanische TV-Darsteller Luke Askew als einsamer Rächer erstmal dem Alkohol abschwört steppt der Bär, sowohl was die Action betrifft als eben auch die Darsteller. Askew hat einen Blick drauf der dem Zuschauer das Kalte über den Rücken jagt, Luigi Pistilli als Polizeichef ist gewohnt fies-brillant, und in den Nebenrollen lassen Magda Konopka und Guglielmi Spoletini nichts anbrennen. Das Showdown ist dann wiederum etwas gewöhnungsbedürftig, und an Petronis Klassiker TEPEPA kommt NACHT DER SCHLANGEN sicher nicht ran, aber als eher ungewöhnlicher Western auf den Spuren des ein Jahr früher entstandenen EL PURO auf jeden Fall ein sehenswerter und interessanter Film.
Und dann hob sich der Vorhang für das lang erwartete Ereignis des Festivals, PHENOMENA von Dario Argento, im Kino und auf 35mm. Eine erstklassige Kopie, satte Farben, keine Risse, ein paar marginale und nicht wirklich störende Schnitte, ein bombastischer Soundtrack, … Was soll man zu so einem Ereignis sagen? Wer dabei war wird sich noch lange an diesen Film erinnern, und wer nicht dabei war hat etwas verpasst. Die Geschichte der jungen Jennifer, die zusammen mit ihren Freunden den Insekten eine gruselige Mordserie aufklärt, ist im Heimkino bereits ein Klassiker, aber im Kino? Wow! Ein phenomenales Festivalfinale!!
Das vierte Terza Visione-Festival in Frankfurt. Die technische und inhaltliche Qualität der Filme war enorm hoch, das Kino ist schön, die Stimmung war sehr gut. Die Veranstalter Christoph Draxtra und Andreas Beilharz haben (wie immer) erstklassige Arbeit geleistet und ein echtes Event geschaffen an das man lange zurückdenken wird. Vielen Dank an dieser Stelle an die beiden! Eure Arbeit hat ein gigantisches Resultat erbracht, und die Leidenschaft, die ihr in das Projekt steckt, ist in jeder Sekunde zu spüren!!
Aber warum habe ich trotzdem das Gefühl, dass ich nächstes Jahr möglicherweise nicht wiederkommen werde? Es war klar, dass die Veranstalter den Schritt in ein größeres Kino gehen mussten, und die Anzahl der zentral gelegenen Kinos in Deutschland, die 35mm-Projektionen zeigen können, ist ganz klar begrenzt. Aber irgendetwas war diesmal anders. Das Familiäre, das Gemütliche, das hat dieses Mal gefehlt. War es weil der Saal größer war? Ist die Atmosphäre in der fränkischen Großstadt einfach angenehmer als in der hektischen Mainmetropole? Natürlich können die Veranstalter nicht für 130 Leute einen Tisch in einem Restaurant in der Nähe reservieren, aber das waren halt so die kleinen Dinge die in Nürnberg einfach gepasst haben, die Terza Visione in Nürnberg zu etwas Besonderem gemacht haben. Das Künstlerhaus hat im Gegensatz zum nüchtern-modernen Filmmuseum eine fast intime Ausstrahlung, und ich vermisse den gemütlichen Dachgarten und das Café mit dem Charme eines Programmkinos. Mir persönlich, und ich lege Wert darauf dass dies eine rein persönliche Meinung ist, hat dieses Mal ein wenig der Hunger auf die Filme gefehlt. Die Lust ins Kino zu gehen und sich in andere Welten entführen zu lassen. Der Müdigkeit zu trotzen und auch die nächtliche Vorstellung noch irgendwie durchzustehen, man könnte ja etwas verpassen. Aber ob dies an der Filmauswahl, an der Location, oder an meinen persönlichen Vorlieben lag, das kann ich nicht beurteilen. In Gesprächen mit anderen Zuschauern habe ich festgestellt, dass meine Meinung in Bezug auf die Örtlichkeit auch von anderen so empfunden wurde, gerade die fehlende Gemütlichkeit wurde oft erwähnt. Der fehlende Hunger war wohl eher etwas Persönliches, haben andere dieses Terza doch als das bislang Beste empfunden.
Von daher werde ich, selbstverständlich, und trotz aller Meckerei, auch nächstes Jahr wieder dabei sein. Der kurze Ausblick von Christoph am letzten Abend auf “Genres, welche ihr nie mit dem italienischen Kino in Verbindung bringen würdet“, dieser kurze Ausblick hat dann doch wieder Hunger gemacht. Genauso wie die insgesamt 6 Deutschlandpremieren dieser 4 Tage. Und allen anderen Anwesenden ging es sicher nicht anders. Also bis zum nächsten Jahr! Oder demnächst hier auf diesen Seiten …
Ein kleines Resümee zur 3-tägigen Filmsause vom 07.-09. Oktober 2016 in Nürnberg
Es sollte, wie so oft, mit einem saftigen Begrüßungsschmaus in irgendeiner Nürnberger Gastronomie beginnen, um das Wochenende im cineastischen Bilderrausch mit Freunden, sowie alten und neuen Bekannten im gemeinsamen Beisammensein einzuläuten: der beliebte Filmfestival-Marathon im KommKino. Dieses Mal wurde im Zuge des heißen Herbstes - so versprach es ein Flyer der Spielstätte - das zehnjährige Jubiläum von Italo-Cinema gefeiert. Gleichzeitig dürfte aber auch das einjährige Bestehen der gleichnamigen Website Grund genug gewesen sein, um deren andauernden Erfolg gebührend unter Fans und Weggefährten zu zelebrieren. Das gezeigte Filmprogramm schmückte sich mit einer exquisiten Auswahl an bekannten Krachern und bisher weniger beachteten Perlen - ein breitgefächerter Fokus also, der allerdings in keinster Weise die immense Vielfalt des italienischen Kinos abzudecken versuchte, aber dennoch für fast jeden Besucher die ein oder andere Neu-Entdeckung bereitstellen konnte, egal auf welchem Genre-Steckenpferd man im Moment sattelte. Abgerundet wurde die Filmselektion vor jeder Vorstellung mit zeitgenössischen Trailershows - welche so manch verborgene Rarität ans Tageslicht brachte - und einer kleinen Tombola mit feinsten Filmpreisen fürs Heimkino, bei der sich die teilnehmenden Labels nicht haben lumpen lassen.
Den Auftakt lieferte Ciro Ippolito mit seinem sonderbaren Höhlenkraucher »Alien - Die Saat des Grauens kehrt zurück« - Italiens völlig inoffizielle, aber trotzdem höchst erfolgreiche Antwort auf Ridley Scotts weltweiten Kassenschlager. Dieser Film besaß nach meinen erster Sichtung - um die Jahrtausendwende herum - noch keinen allzu guten Stand, was aber auch auf die Präsentation einer abgenudelten VHS-Kassette aus dem Hause Greenwood und der inszenatorischen Abstumpfung (inkl. reichhaltiger gebotenen Visualisierungen auf dem Gewaltsektor anderer Genre-Verwandten) dank heftigerer Kanonenschläge aus der damaligen italienischen Terrorspielwiese, zurückzuführen ist. Völlig zu Unrecht, noch einen kleinen Reibach über eine bekannte Online-Verkaufsplattform mit dem raren Tape gemacht, wurde bei einem kollektiven Filmabend derselbe Film via DVD (zu diesem Zeitpunkt noch auf Börsen von farbarmer VHS auf Silberling gemastert) ins Rennen geworfen - und enttäuschte abermals. Es schien fast so, als würden Ippolitos bekannteste Regie-Arbeit und meine Wenigkeit in diesem Leben keine Freunde mehr werden - zumindest bis zur High-Definition-Wiederveröffentlichung, welche den Film bei mir wider Erwarten massiv in der Gunst steigen ließ. Vermutlich braucht dieses Werk eine gewisse Zeit, um sich völlig ohne störende Nebenwirkungen entfalten zu können, aber mittlerweile ist mir dieses sinnentleerte Kleinod richtig dolle ans Herz gewachsen. Egal ob die synthetischen Country-Dudeleien der Onions, die tapsigen Schauspielversuche der Protagonisten oder das apokalyptische Potzblitz-Ende - mit den Jahren schätzt man das alles dann doch um einiges mehr, als noch zu seinen pubertären Nischenfilm-Anfängen. Hinzu kommt, dass Ippolitos Alien-Klon im Kino - sei es dank der klaustrophobischen Höhlenaufnahmen oder dem drolligen Screamathon am Ende - dermaßen an Flair gewinnt, dass es im Endeffekt eine helle Freude war, diesen Film in seiner originalen Farbgebung auf der großen Leinwand zu bestaunen, zumindest wenn man ausreichend Geschmack für solch einen her(z)lichen Unfug hegt.
Nach anschließender Kurzdiskussion unter den angereisten Fans, wartete nach der Verschnaufpause auch schon die nächste Vorstellung auf ihre Besucher. War die italienische Körperfresser-Variante für ihren Status doch recht gut besucht, hatte für einen Frauenknastfilm aus den Händen Bruno Matteis wohl nur noch die abgebrühte Dauerkarten-Elite Lust und Ausdauer. Das es zu einer derartigen Tour de Force ausarten würde, dieses Machwerk durchzustehen, hätte ich mir - trotz erheblicher Vorwarnungen aus dem eigenen Bekanntenkreis - dann doch nicht träumen lassen. Hier passt eigentlich so gut wie gar nichts zusammen, als ob zwei total verschlissene Zahnräder vergeblich versuchen ineinander zu greifen. Egal ob Story-Aufbau, Schauspielerei oder versöhnlich-stimmender Erotik-Anteil - hier kann man schon von Versagen auf ganzer Linie sprechen, lediglich in der musikalischen Untermalung konnten - dank Luigi Ceccarellis Gespür für düstere Bassgrooves - einige löbliche Akzente gesetzt werden. Manche Sequenzen muteten sogar nach einem derart verrauschten Trip an, sodass Kopf und Füße teilweise andächtig zum Rhythmus mitwippten. Leider blieb dies dann auch der einzige Pluspunkt an Matteis misslungenem Gefängnisdümpler, nicht mal Lorraine De Selle konnte mich in irgendeiner Weise ermuntern, sehe ich sie doch sonst eigentlich recht gern in ähnlich gelagerten Rollen. Hier ist sie mir erheblich zugeknöpfter als sonst - von Laura Gemser mal abgesehen, die Anfang der Achtziger Jahre zunehmend ihren Zenit überschritten hatte und mich hierbei ebenso wenig begeistern konnte. Und Franca Stoppi? Ich konnte sie noch nie so richtig leiden, was wohl auch damit zusammenhängen mag, dass sie immer wieder die gleiche Leier an unausstehlichen Charakteren aus dem Effeff herunter rattert - oder besser gesagt auslebt, denn was anderes scheint sie nicht zu können. Eine Wohltat für mich, wenn ihr - meistens gegen Ende - der längst überfällige Scheitel gezogen wird. Ansonsten war das meine dritte und voraussichtlich letztmalige Sichtung von »Laura - Eine Frau geht durch die Hölle«, kein Wunder das manche Leute Herrn Mattei nach diesem Film abschreiben, ohne seine besseren Ausschüttungen kennengelernt zu haben. Sogar die angekündigte Bonus-Sichtung musste danach entfallen, weil der Film mich und wohl fast alle restlichen Besucher kaputt spielte, nuff said!
Der zweite Festivaltag bot dafür wieder einige Highlights mehr und nachdem wir gerade noch pünktlich den Kinosaal enterten, begann auch schon meine erste Neuentdeckung über den Screen zu flimmern, welche den akuten Schlafmangel schnell vergessen ließ. »Die heißen Engel« von Tonino Cervi war definitiv pure Lebenslust, die damals auf Zelluloid verewigt wurde. Vielleicht war die Kopie ein wenig rot-/braunstichig, aber das tat der zunehmenden Freude an diesem Spektakel keinen Abbruch. Zum Inhalt sei nur soviel verraten, dass zwei Frauen einen gestohlenen Ring mit ausreichend Gewinn an den Mann bringen wollen, dabei von einem Sprüche klopfenden Taxifahrer unterstützt werden und von einer Verrücktheit in die nächste stolpern. Dazu noch etwas Italo-Starpower mit Elisa Mainardi, Giancarlo Prete und Claudio Cassinelli, sowie einem traumhaft schönem Soundtrack von Vince Tempera (inkl. einem fetzigen Live-Gig der Ur-Formation von Goblin im Bixio-Studio) - fertig ist das zehn Jahre eher entstandene und frivole, italienische Pendant zu Martin Scorseses »Die Zeit nach Mitternacht«. Nur das im Mittelpunkt nicht Griffin Dunne durch eine verrückte Nacht hastet, sondern hier zwei adrette Mädels besetzt wurden, die beim Zuschauer von Beginn an die Sympathiepunkte einheimsen. Sara Sperati kennt der eingefleischte Italo-Crime-Fan bestimmt aus Luciano Ercolis »Killer Cop«, wo Stelvio Cipriani sie sogar mit einem äußerst hinreißendem Theme bedachte, sowie aus Stelvio Massis »Mark il poliziotto«. Reichhaltig an Produktionen war ihre Filmkarriere leider nicht gewesen, aber an ihre Performance aus »Die heißen Engel« wird man sich gerne zurück erinnern. Der wahre Stern am Himmel ist allerdings ihre Kumpeline Angela, gespielt von der wunderschönen Susanna Javicoli, die mit dieser Komödie ihr Leinwand-Debüt feierte. Den ganzen Film war ich am überlegen, woher ich diese Grazie denn kennen könnte und kam auf keine zufriedenstellende Lösung, also wurde nach der Vorstellung gleich mal das mobile Netzwerk angeworfen, woraufhin ich traurigerweise feststellen musste, dass die Gute vor über zehn Jahren an Nierenkrebs verstarb. Was für eine Ausstrahlung, was für ein Talent und dann muss man in ihrer Vita lesen, dass sie in ihrem wohl bekanntestem Credit - von »Suspiria« ist hier die Rede - nach nicht mal zehn Minuten gemeuchelt wird. Doch Cervi wusste zum Glück schon fünf Jahre zuvor wie man solche Damen richtig positioniert, denn mit »Queens of Evil« gelang ihm ein zutiefst schöner Grusler mit allerlei psychedelischen Anleihen, und hat man Silvia Monti, Ida Galli, sowie Haydée Politoff jemals umwerfender gesehen? Auch weiß der gute Tonino, inwieweit er dem Spiel der beiden Ladies vertrauen kann, und so tragen Javicoli und Sperati fast den gesamten Film alleine, egal in welch' schmierige Situation sie schlittern. Höhepunkt ist dabei sicher die private Transvestiten-Party, wo ich fälschlicherweise Claudio Undari als Tuntenchef identifizierte, wobei der Part an Giorgio Albertazzi ging, welcher mit Make-Up allerdings tatsächlich den grimmigen Hundar-Ausdruck im Gesicht hatte - verblüffend, absolut verblüffend. Leider ist der Streifen im deutschsprachigen Raum zu einer ziemlichen Rarität degradiert worden, existieren hierzulande wohl nur VHS- und Kinoauswertung. Da der Film jedoch total verzückend in unsere Muttersprache übersetzt wurde, möchte ich diese Fassung nicht missen und mit einer ausländischen Veröffentlichung ersetzen wollen - vielleicht erbarmt sich ja ein mutiges Label in Zukunft dieser Perle, zu wünschen wäre es definitiv.
Weiter ging es mit »Heroin«, einem mir bis dato noch unbekanntem Italo-Krimi mit Marc Porel, George Hilton, Anna Maria Rizzoli und Al Cliver. Regie führte Gianni Martucci, von dem ich aus seiner äußerst kurzlebigen Filmografie nur noch den schundigen Psychothriller »Trhauma« kenne, der in der Tat kein großer Wurf war. Doch dank der deutschen Schnoddersynchro wurde hier oftmals Tacheles gesprochen und ebenso so ohne Umschweife gehandelt, wobei die umwerfende Madame Rizzoli leider total verschenkt wurde. Diese spielt hier eine Dame aus dem leichten Gewerbe, doch der frisch aus dem Knast entlassene Porel will sie aus diesen Kreisen wieder raus hauen und macht daraufhin ein zwielichtiges Geschäft mit Don Ciccio, welcher die Fäden im örtlichen Drogen- und Prostitutionsbusiness zieht. Ihm zur Seite steht ein aalglatter Al Cliver, immer selbst überprüfend, ob die Pomade in seinem klebrigen Scheitel noch adrett sitzt, aber ebenso hemmungslos, wenn es darum geht, die Befehle vom Boss auszuführen. Die Story ist banal und die Laufzeit für dieses dünne Handlungsgeflecht definitiv zu lang, aber im Kinosaal spielte »Heroin« seine Trümpfe blendend aus und konnte die Anwesenden mit einer Menge an lustigen Ansagen beglücken, welche auch noch am späteren Abend als Gassenhauer mit Evergreen-Charakter zum Schmunzeln animierten. Kein Film für die Ewigkeit, aber als launiges Nachmittagsvergnügen im Kino oder vor der heimischen Flimmerkiste bestens geeignet - ich denke, so läßt man dieses Spätwerk aus der Poliziotteschi-Schublade treffend beschreiben.
Nach sättigendem Speis und Trank, sowie viel Gesprächsstoff unter den zahlreich mitgekommenen Kinobesuchern, ging es in die zweite Halbzeit des Abends, aber auch des Festivals. Mit Antonio Margheritis »Asphalt-Kannibalen« gab es sogar einen richtigen Blockbuster des italienischen Terrorkinos zu bestaunen, den ich auch schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr geschaut habe. Zwar konnte ich mich noch an wenige Handlungsfragmente erinnern, allerdings hätte die Aufführung insgeheim dennoch als Erst-Sichtung bei mir durchgehen können. Und ich war erstaunt, wie gut dieser Film doch über die letzten 35 Jahre gealtert ist. John Saxon war in dieser Epoche als Darsteller meistens eh' eine Wucht, aber als "Show Stealer" geht hier definitiv Giovanni Lombardo Radice durch, denn was der Gute hier mit wenig Mimik und Gestik abliefert, ist durch und durch als glanzvolle Verkörperung eines Traumata-geschädigten Soziopathen zu bezeichnen. Da reicht nur ein kleines Funkeln im Blick von ihm aus, um dem Zuschauer die schauderhafte Fratze des angekurbelten Wahnsinns aufzuzeigen, auch wenn Radice zu diesem Zeitpunkt noch auf sonderbare Rollen wie abonniert schien. Auch der Handlungsablauf trampelt nicht auf der Stelle herum, sondern schreitet - begleitend durch animalische Kriegsrückblenden - immerzu voran und gipfelt in einer mörderischen Hetzjagd quer durch eine amerikanische Großstadt. Das die Kinofassung in ihren bissigen Momenten leicht entschärft wurde, war vielleicht das einzige Übel was mir beim Wiedersehen von Margheritis apokalyptischer Action-Dramatik aufgefallen ist, denn ansonsten gefiel mir der Ansatz - von der Gesellschaft ausgestoßene Kriegsheimkehrer zu tollwütigen Bestien zu machen - verdammt gut. Neben dem ebenfalls hervorragendem Post-Warhammer »Jäger der Apokalypse«, ist dieser Film wahrscheinlich der letzte richtig große europäische Hit vom guten Antonio gewesen, welcher es bis dato genau wie Bava Senior glänzend verstand, aus einem minimalen Budget das maximale an Effektivität herauszuholen - nämlich pure Energie und grenzenlose Kinomagie.
Das mitternächtliche Schauvergnügen wurde in die Hände von Renato Polselli und seinem »Lusthaus teuflischer Begierden« gelegt. Zu gern erinnere ich mich noch an das erste Terza Visione - Festival, wo diesem verrauschten Kammerspiel in etwa derselbe Slot zugeteilt wurde, wahrscheinlich in heimlicher Hoffnung die übrigen Anwesenden komplett zu verstören. Damals spielte Polsellis Werk seine Trümpfe mit einer derartigen Fassungslosigkeit - in Bezug auf die Vertonung manch teilnehmender Darsteller - aus, sodass ich mich noch während laufenden Sichtung fragte, was denn zur Hölle hier los sei? Verantwortlich dafür - und ebenfalls einiger vorgenommener Änderungen in puncto Erotik und Handlungsablauf - war Alois Brummer, ein deutscher Produzent, Drehbuchautor und Regisseur zahlreicher schmuddeliger Filmchen. Heraus kam dann dieser pulsierende Thriller, der im kleinsten Raume seine psychedelische Poesie auf die Spitze trieb und schon zu diesem Zeitpunkt genauso viele Besucher verzücken und gleichzeitig total abnerven konnte. Ich gehörte da noch zu den Schwärmenden, hatte daraufhin in der Zwischenzeit ein paar Polsellis mehr gesehen - fand manche ganz gut, andere weniger - und kann deshalb behaupten, den Großteil seiner 70er Jahre Werke zu kennen, allerdings ohne diesen Bestandteil seiner Schaffensperiode gnadenlos abzufeiern, denn für mich gab es da mehr Schatten wie Licht - aber Geschmäcker sollen ja bekanntlich verschieden sein. Da Nikolas - ein sehr verdienstvoller Mitarbeiter des KommKinos - die ramponierte Kopie extra für diese und nachfolgende Vorstellungen restauriert hatte, war ich natürlich gespannt, inwieweit mich dieser Film wieder einnehmen könnte oder ob er dieses Mal doch an mir vorbeigehen wird. Beides traf nicht zu, viel eher war ich vom Hitchcock-mäßigen Aufbau angetan, welchen ich beim ersten Mal - dank der delierenden Zustände in der filmischen Konzeption und dem tropischen Klima im Kinosaal - komplett verdrängte. Den sprichwörtlichen Wahnsinn, welchen man Polselli gerne anzuhängen vermag, konnte ich dieses Mal nicht spüren und by the way, ich war - trotz fortgeschrittener Stund' und akutem Schlafmangel - hellwach. Dennoch verspürte ich weder Wiedersehensfreude, noch eine Art Repulsion gegenüber diesen Film, allerdings habe ich - dank nachwirkender Gespräche - zunehmend das Interesse an Renatos früheren Werken zurück gewonnen, zumindest dahingehend war das Wiedersehen im Lusthaus dann doch gewinnbringend für mich.
Mit etwas mehr Schlaf auf der Habenseite, ging es mit sonntäglicher Frische in den letzten Festivaltag, wo noch zwei kleine Breitbild-Highlights auf die hungrige Meute warteten. Zu erst konnte man »Venus im Pelz« von Massimo Dallamano auf der großen Leinwand bestaunen und zwar im Originalformat, welches im TV oder auf DVD immer elendig verkackt wurde. Das dieses (sado-)masochistische Drama in Scope noch zig mal besser als je zuvor abschneidet, sollte spätestens nach dieser Aufführung klar sein. Der Status eines innigen "Heartbreaker" wird dieser Film sicherlich nicht mehr bei mir erlangen, aber dank dieser Sichtung konnte Dallamanos Verfilmung von Sacher-Masochs berühmter Novelle, einiges an Wohlgefallen in mir auslösen. Mit dem Filmende kann ich mich dennoch nicht so richtig anfreunden, da stößt die hervorgerufene Message bei mir - dank zunehmender Realitätslosigkeit - größtenteils auf Unverständnis, erst recht im 21. Jahrhundert. Laura Antonelli legt hier übrigens eine stylische Gratwanderung aufs Parkett: Anbetungswürdig und in vielen Szenen mit einem noblen Anteil an stilsicherer Erotik ausgestattet, dafür in manchen Sequenzen auch irgendwie herunter gerockt ausschauend und mit derartig unsympathischer Spielweise gesegnet. Dennoch bleibt sie für mich die Balance-haltende Schlüsselfigur, auch wenn sie sich gegen Ende mit ihrer rebellierenden sexuellen Ausschweifung etwas verzockt. Régis Vallée spielt ihren Gemahl Severin, der schon seit seiner frühen Kindheit ein gestörtes Verhältnis zur normalen Sexualität hegt, was sich in anfänglichem Voyeurismus wieder spiegelt, aber im kommenden Filmverlauf mit immer mehr aufkeimenden Tabus einen Bruch mit seiner Herzdame heraufbeschwört, bis diese ihren Mann der eigenen Eifersucht überführen möchte und damit das Band der Treue durchtrennt. Was danach kommt, wird sicher keiner vergessen der den Film bis zum Ende gesehen hat - ein peitschender Faustschlag ins Gesicht des Betrachters. Neben Dallamanos eindringlicher Inszenierung, fiel mir noch die musikalische Untermalung von Gianfranco Reverberi sehr positiv auf, welche ich im andauernden Filmverlauf fälschlicherweise noch Morricone zugeschrieben habe, da hat mich wohl die grüne Stecknadel etwas zu sehr gepiekst. Ebenso hat Kameramann Sergio D'Offizi mal wieder großartiges geleistet, denn seine Bilder schmücken den ganzen Film mit technischer Raffinesse und traumhaften Einstellungen, in denen man augenblicklich auf Dauer verharren möchte.
Und schon ging es zum Showdown über, mit einem Western der wohl der bekannteste Film des Wochenendes gewesen sein dürfte, nämlich »Mein Name ist Nobody« von Tonino Valerii (R.I.P.). Der einzige Zuschauer, für den dieser italienische Spätwestern vermutlich absolutes Neuland bedeutete, war höchstwahrscheinlich ich selbst. Anhand der Mundpropaganda einiger Anwesenden, gab es bezüglich dieses Films wohl schon im Vorfeld etwas Unbehagen aus der Chefetage eines anderen Genrefan-Portals, welche ein paar Tage später denselben Film von der Kinorolle los flimmern lassen wollten - ja, werte Leser, das sind die kleinen Grabenkämpfe hinter den Vorhängen des enthusiastischen Fan-Zirkus. Allerdings bezweifle ich dennoch stark, dass die 35mm-Vorstellung in Nürnberg eine Woche zuvor, dem "benachbarten" Düsseldorf dermaßen viel Laufkundschaft abgekocht haben sollte, also calm down. Warum Andreas diesen Klassiker unbedingt zu seinem Festival proklamierte, erklärte er in seiner Abschlussrede, denn einzig dieser Film sollte es damals gewesen sein, welcher seine Leidenschaft zum italienischen Kino endgültig entfachen sollte. Und wenn ich nicht schon vollständig im cinephilen Facettenreichtum des Stiefellandes versunken wäre, würde es mir nach dieser Sichtung sicherlich ebenso ergehen, denn was war dieser Streifen bitteschön für ein grandioser Ritt über das einsetzende Todesröcheln des Italowestern-Genres?! Viel Humor, dafür wenig Klamauk, ein fescher Showdown, der Morricone-Soundtrack zum niederknien, ein rührendes Ende mit Augenzwinkern, dazu in feinstem Scope schmachtenden Kamera-Einstellungen und noch so vieles mehr, machten diesen Film von einer 1a Kopie zum definitiven Abschluss-Kracher des 1. Italo-Cinema Festivals (nach neuer Zeitrechnung wohlgemerkt, zuzüglich der neun vorbeigezogenen Jahre).
Nach dem finalen Schmaus im etwas kleinerem Kreise, war es dann schließlich doch vorbei, egal wie lange manch einer es noch zu strecken vermochte. Acht erlesene 35mm-Projektionen wurden in weniger als 48 Stunden bestaunt, ein Teil davon als absolut hochwertige und unverzichtbare Kost im jeweiligen Filmgenre einzuordnen. So etwas mit sympathischen Gleichgesinnten - egal ob neugewonnene Bekanntschaft oder alte Weggefährten und Freunde - zu erleben, ist immer ein besonderes Ereignis und regt jedes Mal aufs Neue an, wiederholt einige Strapazen auf mich zu nehmen, um mehrmalig diesen Zusammenkünften im Jahr beizuwohnen. Abschließend nochmal der Dank an Andreas und Familie, dem KommKino mit all seinen fleißigen Vorführern und Helfern über das Wochenende, den beitragenden Labels für ihren gelungenen Output an Gewinnausschüttungen und natürlich den - von nah und fern - angereisten Genre-Befürwortern, denen Nürnberg nicht viiiiieeel zu weit weg war.
Ich hörte zum Schluss noch etwas von "same time - next year"? Ich drück' die Daumen!
PS: Mauritia war mal wieder etwas schneller >>klick<<
Ein kleines Resümee zur 35mm-Sause vom 4. Juni 2016
„Gleich vorweg... ich hatte mich schon Wochen zuvor auf diesen Tag gefreut, nicht nur weil es vier knackige Streifen im allerschönsten Filmformat gab, sondern weil auch viele Filmfreunde und Gleichgesinnte zum besagten Event hin pilgerten, wobei sie dem Hindernis von langen Wegen und Fahrten regelrecht trotzten, um bei diesem Spektakel "live" mit dabei zu sein.“
Mit diesen Zeilen begann ich das Review zur letztjährigen Erstausgabe vom KultKino-Festival in Dillingen (an der Donau) und sie passen natürlich wie die Faust aufs Auge zur diesjährigen Wiederholung. Erneut gab es vier knackige Streifen von 35mm serviert, inklusive vielen Specials und genug filmhungrigen Besuchern - die Zeichen standen also wieder recht gut für eine amtliche Zelluloid-Sause.
Nachdem sich unser Grüppchen zuvor mit griechischen Speisen für die kommenden Stunden stärken konnte, ging es auch schon in Richtung Kino - wo man mit Festivalleiter Bernd gleich ein kleines Schwätzchen hielt und umgehend die Tickets einsacken konnte. Dieses Mal zog man in einen größeren Saal um, welcher mit nostalgischem Ambiente und pompöser Leinwand auftrumpfen konnte. Und dann ging es auch schon ruckzuck los - mit tollen Einfällen wie Gewinnspielen, stilechten Trailern vor dem Hauptfilm (und da waren einige fesche Highlights vertreten, ich sage nur »Die Magd vom Heiligenblut«, »Saison in Salzburg«, »Wargames« oder »Muttertag«), einer 2-minütigen Doku-Rarität aus den 40er Jahren über ein Ochsen-Rennen quer durch Dillingen und Florian Bahr hielt eine kurze (und zum Schluss sehr gesangsbetonte) Einführung zum 1. Film des Tages. Na dann, los geht's!
Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster (Gojira tai Hedora)
Japan 1971, dF, 35mm, R: Yoshimitsu Banno, D: Akira Yamauchi, Toshie Kimura, Hiroyuki Kawase, Keiko Mari, u.a.
Hydrox, ein fieses Monster welches durch die Aufnahme von Müll und Abfällen aller Art eine enorme Wachstumssteigerung erlangt, terrorisiert Japan. Das Militär ist machtlos - da muss schon Godzilla anrücken, um den umweltverschmutzenden Unhold in die Schranken zu weisen, aber die unbarmherzigen Kloppereien zwischen den beiden Riesenungeheuern, bringen leider keine nennenswerte Erfolge für die gute Seite. Ein Professor kann inzwischen herausfinden, dass Hydrox eine sehr hohe Empfindlichkeit gegenüber Elektrizität zu besitzen scheint...
Gleich vorweg, ich mag die meisten Kaijus ja wirklich sehr gerne, weil ich damit meist nostalgische Kindheitserinnerungen verbinde und diese Filme fast immer eine Menge Wohlfühl-Charme abfeuern können. Hier musste ich mich aber wahrlich durch die zweite Hälfte quälen, zu sehr zog sich die Inszenierung für meinen Geschmack in die Länge und konnte sich gegen Ende vielleicht mit ein paar lauen Schmunzeleien gerade noch so über Wasser halten, aber das Ruder wurde meines Erachtens dadurch dennoch nicht herum gerissen. Nun, wo lag die Wurzel der hervorgerufenen Langeweile denn begraben? Der Film fängt in der Tat vielversprechend an, es gibt eine fesche Hippie-Disko mit traumatischen LSD-Effekten, knallige Songs dudeln in die Lauschorgane, das Smog-Monster Hydrox (Hedorah im Original) ist ein emotionsloser Mutanten-Scherge, welcher äußerst bedrohlich daher kommt und mit seiner ruhigen Präsenz eine bedrückende Boshaftigkeit erlangt, das japanische Militär bekommt mal wieder so gut wie nichts gebacken und verballhornt sich damit auf amüsante Weise selbst. Ein taktisch-unterhaltsamer Schachzug, welchen die große Streitmacht aus den US of A in Situationen wie diesen sicher niemals wählen würde. Trotzdem schlug die Keule der Fadheit knallhart zu, was wohl auch gegen Ende der monotonen Inszenierung geschuldet sein dürfte, wo ich feststellen musste, dass der Geschichte doch arg die Ideen ausgingen - zu sehr wird die letzte halbe Stunde in die Länge gezogen um eine adäquate Gesamtlaufzeit zu erreichen. Vielleicht war ich auch noch nicht in a good mood für die Sichtung und die zahlreich angereisten Kaiju-Fans mögen mir diese doch eher schroffen Worte verzeihen, da ich insgeheim trotzdem ein Fan von feinstem asiatischen Zertrümmerungs-Kino bin - vielleicht schaut es bei der nächsten Sichtung schon wieder anders aus!
Die Rache der 1000 Katzen (La noche de los mil gatos)
Mexiko 1972, dF, 35mm, R: René Cardona Jr., D: Hugo Stiglitz, Anjanette Comer, Zulma Faiad, Christa Linder, u.a.
Hugo scheint von Beruf ein reicher Playboy zu sein - jedenfalls sieht man ihm im gesamten Film nur seinen Hobbys nachgehen, denn Kohle scheint er genug zu haben, dazu noch einen schicken Helikopter, ein riesiges Schloss fernab der Großstadt und jede Menge Charme um die holde Weiblichkeit zu verführen. Die schicke Idylle trügt allerdings, denn Hugo möchte seine Trophäensammlung, bestehend aus den enthaupteten Köpfen seiner beendeten Romanzen erweitern und seine unzähligen Katzen, welche in einem Verlies zusammen gepfercht worden, müssen ja schließlich auch noch gefüttert werden...
Das hätte ich mir niemals träumen lassen, diese mexikanische Schlonzperle mal auf der großen Leinwand zu sichten - aber KultKino macht's möglich! Im Grunde genommen ist Cardonas Film ein Flickwerk aus Belanglosigkeiten und unfassbaren Momenten der Bizarrerie. Frauen werden von Hugo erst betört, dann bedroht und später zu Mettgut für seine putzigen Haustiere verarbeitet - dazwischen behält geraspeltes Süßholz, ungewöhnliche Anbaggereien durch Stalking per Helikopter und Schachspielen mit dem geistig-zurückgebliebenem Hausdiener die Oberhand, während der Film wahllos und ohne jegliche Form der Stringenz von einer Unglaublichkeit zur nächsten hastet! Stiglitz spielt seinen Part ohne jeglichen Ansätze von Emotionen herunter und wurde in der deutschen Vertonung von Urgestein Hartmut Neugebauer synchronisiert, welcher von manisch-psychopathisch bis schmierig-berechnend alles in seinem Repertoire abdeckt. Ein Film, welcher die meisten Besucher mit Sicherheit massiv verstören konnte, aber sein Unterhaltungspotenzial auf jeden Fall vor dem Abendessen bestens auszuspielen vermochte - wir hatten zumindest unseren Spaß an diesem herrlichen Unfug. Auch darf ich nicht vergessen zu erwähnen, dass Cardonas Beitrag zum zweiten KultKino-Streich definitiv die hübschesten Ladies an Bord hatte, da war sich dann wohl doch jeder einig!
Harley Riders - Sie kannten kein Erbarmen (L'ambizioso)
Italien 1975, dF, 35mm, R: Pasquale Squitieri, D: Joe Dallesandro, Stefania Casini, Benito Artesi, Tony Askin, u.a.
Der Kleinkriminelle Aldo hat die Faxen dicke und will endlich selber fett abkassieren. Ein abhanden gekommener und bis zum Rand gefüllter Koffer mit weißen Schnüffeldrogen soll der große Wurf werden, aber der gehört dem ansässigen Don aus Neapel, welcher über diesen Umstand not very amused ist. Da Aldo nun Lunte an dem großen Zaster gerochen hat, trommelt er eine Truppe von Schlägern und kampferprobten Typen zusammen, um im Schutzgeld-Business erfolgreich Fuß fassen zu können und Don Enrico endgültig abzukochen...
Für mich schon im Vorfeld als Highlight des Tages gebrandmarkt, entpuppte sich Squitieris Crime-Drama zwar nicht als vollkommener Paukenschlag, aber dennoch als sehr unterhaltsame Genre-Kost aus Bella Italia. Schönling Dallesandro ist sowieso 'ne coole Sau, die Synchro aus dem Hause Schier-Film bleibt ein Volltreffer in Sachen Schmier, der Soundtrack rockt gewaltig zur grimmigen Szenerie und wurde sicher wieder in Eigen-Regie in der Vertonungsschmiede zusammen geklöppelt - zu oft traten wieder Songs aus anderen Streifen (sowie dem hauseigenen Backkatalog) auf, welche aber dennoch wieder glänzend zum Gezeigten passten. Wie so üblich in seinen Rollen als asozialer Krawall-Bruder, entgleitet Dallesandro auch hier wieder die Kontrolle über sein Handeln und dem dazugehörigen Machtfokus, sehr zum Bedauern von Madame Cassini, welche zwar wieder als Schönheit brillieren darf, aber im mittleren Handlungsverlauf etwas vernachlässigt wird. Auch stieß mir dieses Mal die Laufzeit von knapp 100 Minuten etwas übel auf, da man auch hier das Ganze um ein paar Minütchen hätte straffen können, um einen besseren Gesamt-Flow zu erzeugen. Allerdings sind auch gewisse Aufmerksamkeitsdefizite nach knapp drei Filmen am Stück nicht von der Hand zu weisen, dennoch war »Harley Riders« für mich persönlich der stimmungsvollste Film des Events - aber das dürfte als Fan des italienischen Films ja nicht wirklich überraschen!
Hier gibt es noch ein paar umfassendere Zeilen zum Film.
Party des Grauens (Death Weekend)
Kanada 1976, dF, 35mm, R: William Fruet, D: Brenda Vaccaro, Don Stroud, Chuck Shamata, Richard Ayres, u.a.
Zahnarzt Harry möchte mit dem Model Brenda ein zügelloses Wochenende in seinem schicken Landhaus verbringen. Auf dem Weg ziehen sie ein paar ortsansässige Rednecks beim Strassenrennen ab und laden so deren Missgunst auf sich. Auf dem Anwesen angekommen, ist Brenda ziemlich schnell von Harrys aufdringlichen Avancen genervt, woraufhin er ihr signalisiert wie der Hase hier laufen soll und dass sie die Koffer packen darf, wenn ihr das Rahmenprogramm nicht passt. Soweit, das jeder seiner eigenen Wege gehen kann, kommt es allerdings nicht, denn die Hinterwäldler vom verlorenen Road-Race nisten sich gewaltsam in der noblen Bude ein und wollen über das Wochenende von den beiden Stadtmenschen herzlich bespaßt werden - woraufhin es nicht lange dauert, bis die Situation endgültig eskaliert...
Kanada war schon immer ein Gütesiegel für grandiose Genre-Kost des unterschlagenen Films gewesen: David Cronenberg, Bob Clark und etliche Slasherfilme ab Ende der 70er Jahre seien hier mal nebenbei erwähnt. Mich persönlich faszinierte immer diese kalte Atmosphäre, welche die meisten Produktionen die in dieser Epoche da entstanden, ausstrahlten. Bei William Fruets Rape'n Revenge-Reißer »Death Weekend« verhält es sich ähnlich. Am Anfang herrscht noch eine positive Grundstimmung, wenn Brenda und Harry durch die Wälder cruisen und auch die Hillbillies wirken bis auf ihren Anführer Lep, gespielt vom großartigen Don Stroud, nicht sonderlich bedrohlich - aber die Stimmung schaltet von einem Moment zum nächsten schlagartig um und der gnadenlose Terror-Marathon beginnt. Während der materiell verliebte Kieferorthopäde denkt, die Sache mit ein paar Scheinchen aus der Portokasse wieder richten zu können, erkennt Brenda sehr schnell Ernst und Aushilfslosigkeit der Lage. Und plötzlich ist er da, der angesprochene Moment in dem die Stimmung ruckartig kippt und der menschenverachtende Trieb unaufhaltsam in einer seiner widerlichsten Form voran schreitet. Stroud spielt den Leader of the Gang sehr authentisch, dessen Schübe der Unberechenbarkeit mit fortgeschrittener Laufzeit zunehmen werden - was aber auch hier wieder glänzend von Hartmut Neugebauer bei der Stimmenvergabe der deutschen Fassung transportiert wird. Neugebauer also der Mann des Tages, wenn es um die stilsichere Vertonung abgedrehter Soziopathen ging (zumal wir ihn auch in diversen Trailern als Off-Sprecher vernommen haben). Das Ende war dann doch recht harter Tobak und somit alles andere als ein beschwingter Abschluss für die Besucher der zweiten KultKino-Ausgabe, aber definitiv ein nachhaltiger - so viel steht fest!
Mit derart nihilistischen Zügen sollte eine solche Fete natürlich nicht enden, also sind wir noch in einem benachbarten Dillinger Pub abgesackt, wo ungeplant, bis zum sanften Rausschmiss dank Lokalschließung, noch bis in die frühen Morgenstunden erheiternd geplauscht wurde.
An dieser Stelle nochmal vielen Dank an Bernd und das Team vom Filmcenter Dillingen, welches mit absolut freundlichen, kompetenten und enthusiastischem Personal (wie schon im Jahr zuvor) aufwartete. Die ganzen feinen Gimmicks, wie der leckere (eigens fürs Festival kreierte) Hedorah-Eisbecher, die schicken Trailer und Gewinnspiele vor den Filmen, sowie die grandiose Atmosphäre über die gesamte Festival-Dauer, lassen natürlich auf eine baldige Wiederholung hoffen - auch wenn ich zum Schluss noch ein kleines Wermutströpfchen absondern muss: Bitte die Veranstaltung nächstes Jahr (falls der VVK nicht völlig aus den Nähten platzt) wieder im Dilli 1 stattfinden lassen. Es ist mit Abstand der gemütlichste Saal mit dem tollstem Komfort in der gesamten Republik, auch der Sound gefiel mir letztes Jahr darin etwas besser (natürlich wurde auf meinen Wunsch die Volume immer brav nachgeregelt, vielen Dank an die Junior-Chefin) und diese Nischen-Filme entfalten in einem (etwas) kleineren Saal meines Erachtens einfach viel besser ihr Potential, da die Reihen kompakter bestückt sind und sich der Gute-Laune-Faktor nicht erst durch die (uns völlig unverständlich) leeren-gebliebenen Plätze nach hinten kämpfen muss. Ansonsten natürlich wieder beide Daumen nach oben - es war mir wieder eine große Freude die schlauchende (Rück-)Reise für so eine schöne Veranstaltung mit in Kauf zu nehmen. Großes Lob an Euch!
Ein kleines Resümee zur 3-tägigen Filmsause vom 01.-03. April 2016 in Nürnberg
Zum dritten Mal wurde nach Nürnberg gerufen zum Festival des italienischen Genrefilms, und zum dritten Mal kamen die Massen um eigenartige, vergnügliche und spannende Perlen des italienischen Films zu entdecken.
Wie immer war das Programm auch dieses Jahr eine gelungene Mischung aus Bekanntem und Vergessenem, aus altbekannten Klassikern und obskuren Merkwürdigkeiten. In den letzten Jahren war die Mischung jedes Mal erstklassig, und auch dieses Mal las man die Ankündigungsliste der Filme mit wachsender Erregung. Argentos VIER FLIEGEN AUF GRAUEM SAMT auf der großen Leinwand? Als Eröffnungsfilm? Und ein merkwürdig klingender KILLER VON MANHATTAN als Abschluss? Wow …
Los ging es bei schlotternden Außentemperaturen allerdings erstmal mit einer Hiobsbotschaft, nämlich dass die VIER FLIEGEN aufgrund des Essigsyndroms leider nicht mehr spielbar sind, und stattdessen die 2D-Version von Argentos DRACULA gezeigt werden würde … Ein Aprilscherz, aber der Schock hat gesessen! Kompliment an Christoph Draxtra, danach waren alle wach!
Mehr Schocks (im filmischen Sinne) gab es dann im Film, der in 35mm und auf der großen Leinwand geradezu eine Neuentdeckung war. Entsprechend war das Publikum gebannt, und mehr als einmal konnte man im Saal geradezu eine Stecknadel fallen hören. Die Geschichte um den Schlagzeuger Roberto, der aus Versehen einen Mann tötet und danach von einem geheimnisvollen Erpresser bedrängt wird, diese Geschichte ist nach all den Jahren immer noch packend und stark umgesetzt. Nun ja, einer von den großen Argentos halt …
Anschließend hatten die Veranstalter eine längere Pause für ein Abendessen vorgesehen und in zwei Restaurants in der Nähe Plätze für fast alle bestellt. Ein Rundum-Sorglos-Paket, bei dem man sich als Zuschauer richtig wohlfühlen konnte, zurücklehnen und genießen durfte.
Nach der Pause ging es mit einer Peplum-Trailershow und Michele Lupos SIEBEN GEGEN ALLE weiter, einem Sandalenfilm aus der Spätphase des Genres. Entsprechend Lupos großem komödiantischem Talent war der Film auch alles andere als bierernst, und die Stimmung im Publikum erinnerte fast an Fasching. Die Handlung ist peplumtypisch eher uninteressant, im Gegensatz zum Zwerg Goliath und seinen Augenbrauen. Christoph Draxtra ist der Ansicht, dass Filme mit Zwergen gute Filme sind. Ich befürchte, er hat Recht …
Der Irrsinn der antiken Muskelmänner ließ sich aber noch steigern mit dem darauf folgenden ATLANTIS INFERNO von Ruggero Deodato, einem Trash-Galopp durch die Genres des späten italienischen Films. Nein, richtiger: DER Trash-Galopp durch ALLE Genres! Kai Krick bereitete mit einer gelungenen und launigen Einleitung auf diesen wilden Mix aus Agenten, Endzeit, Biker, SciFi und Unaussprechlichem vor. Im Film konnte man dann richtig männliche Männer, quietschende Mädels die beschützt werden müssen sowie einen Schwarzen namens Washington („Ich heiße MOHAMMED!“) bestaunen, und die überbordende Stimmung im Publikum sorgte für den ersten Höhepunkt des Festivals. Worum es hier geht? Ääh, in etwa um das Wiederauftauchen von Atlantis in Form von karnevalistisch eingefärbten Endzeitrockern, und den heldenhaften Kampf einer kleinen Gruppe von MÄNNERN (in Großbuchstaben) und einer Frau gegen die atlantidischen Unruhestifter. Ein Party-Film allererster Sahne!
Der zweite Tag brachte dann nach viel zu wenig Schlaf schon ausgesprochen frühlingshafte Temperaturen, die es nicht leicht machten sich den Tag mit vielen anderen Menschen zusammen in einen dunklen Raum zu pferchen. Ein schöner Biergarten wäre auch in Ordnung gewesen! Angenehmerweise konnte der Opener des Samstags mit MALIZIA von Salvatore Samperi solche Gedanken schnell vertreiben. Eine leise und stilvolle Coming-of-Age-Komödie mit unglaublich schönen Settings und starken Schauspielern, die eine ausgesprochen zauberische Atmosphäre auf die Leinwand brachte. Im Wesentlichen ging um die erwachende Zuneigung eines Jungen aus gutem Hause, der sich in das attraktive Hausmädchen verliebt und versucht mit einer typischen Backfisch-Mischung aus Herrentum und Scham zu seinem ersten Geschlechtsverkehr zu kommen. Einen Nebenbuhler hat er allerdings auch – Seinen Vater … Leider sahen Teile des Publikums die ruhige und angenehme Stimmung anders und bejubelten den zarten Humor als ob es um einen Schenkelklopfer Bombolo’scher Provenienz ging, was der Aufführung einiges von ihrer Atmosphäre nahm. MALIZIA ist aber auf jeden Fall ein ganz großer Geheimtipp für zu Hause, zum Genießen in stillen und einsamen Stunden!
Anschließend ging es in die vollen mit Vittorio Salernos FANGO BOLLENTE, einer Studie über junge Männer denen - langweilig ist. Die informative und hochgradig unterhaltsame Einleitung von Pelle Felsch (Pelle: Beim nächsten Mal singst Du das Lied aber, OK?) konnte das Publikum hervorragend auf die nachfolgenden 90 Minuten einstimmen, in denen es in erster Linie um Sex und Gewalt ging, um das Totschlagen von Zeit und LKW-Fahrern, und um das Penetrieren von reichen Damen mit Hilfe eines Gabelstaplers. Das mag jetzt auf den ersten Blick sehr asozial und sleazig klingen, tatsächlich aber ist FANGO BOLLENTE ein Höhepunkt der Gattung Terrorfilm, der auf sehr geschickte Art und Weise eine genauso einfache wie auch schreckliche Geschichte aus der Gegenwart (des Jahres 1975) erzählt, nämlich um drei Männer, die mit ihrem Dasein so rein gar nichts anfangen können und gerne wissen möchten wie sich Leben anfühlt. Und zwar in Form von Schmerz und Gewalt, was dann natürlich bevorzugt anderen zugefügt wird. Joe Dallessandro als gelangweilter Informatiker und Enrico Maria Salerno als Kommissar mit Menschenkenntnis sind hier (wie immer) erstklassig und konnten dem grundlegend recht räudigen Streifen einen soliden ethisch-intellektuellen Unterbau geben. Für mich persönlich war FANGO BOLLENTE mit seiner fast durchgehend misanthropischen und düsteren Grundstimmung einer der Höhepunkte des gesamten Festivals. Interessanterweise war der Film keine Deutschlandpremiere, wurde die gezeigte Kopie(!) doch tatsächlich bereits in den 70ern italienischen Gastarbeitern in Deutschland gezeigt. Ob die nach dem Genuss des Films wirklich wieder zurück nach Turin wollten?
Nach einer angenehm langen Pause hatte Sergio Bergonzellis CRISTIANA DIE BESESSENE es dann erstmal nicht leicht. Zu schwer wog das Abendessen im Magen, zu stickig wurde die Luft im Kino, aber schon die ersten Bilder eines nackten Paares beim Liebesspiel in einem Linienflugzeug brachten das Publikum auf andere Gedanken. Mit knalliger Musik unterlegt wird die Geschichte eines jungen und äußerst … lebenshungrigen … Mädchens erzählt, dass während eines Flugzeugabsturzes Gott um Hilfe bittet im Tausch gegen ein Leben als Nonne. Gott willigt in den Deal ein, und Cristiana ist ja auch durchaus willig. Aber das Fleisch ist schwach, verdammt schwach, und die Verlockungen von Männchen und Weibchen sind gar so süß … Wunderschöne Bilder, gute Musik, klasse Darsteller, und der typische Bergonzelli-Irrsinn, aber irgendwie ist der Film bei mir nicht über ein „Nett“ hinausgekommen, was vielleicht auch an der zunehmenden Müdigkeit gelegen haben mag. Trotzdem hat irgendwie ein wenig der Schmiss gefehlt, das gewisse Etwas, das den Film in die Nähe etwa eines IN THE FOLDS OF THE FLESH gebracht hätte. Leider wird man aber, um sich eine genauere Meinung bilden zu können, keine Möglichkeit haben CRISTIANA ein zweites Mal in seinem Leben so zu sehen, im richtigen Bildformat und mit erstklassigen Farben, da die Kopie schon in keinem allzu guten Zustand mehr war, und mit wundersam auftauchenden anderen Kopien wohl eher nicht zu rechnen ist. Christoph Draxtra erzählte uns in der Einleitung wie er zu dieser Kopie gekommen ist, und in welch mühevoller und langwieriger Kleinstarbeit er sie so weit wie möglich zu restaurieren versuchte. Diese Geschichte hörte sich an wie ein spannender (und hervorragend erzählter) Thriller, aber leider leider war eben auch herauszuhören dass CRISTIANA das Schicksal so vieler Filme erleiden wird: Sie wird vergessen werden ... Forgotten Film Entertainment, übernehmen Sie!
Den anschließenden LSD – PARADIES FÜR 5 DOLLAR konnte ich mir dann nicht mehr geben. Zu groß war die Müdigkeit, und der Wunsch am Sonntag alle vier Filme zu sehen ließ den Gedanken an ein kuscheliges Bett übermächtig werden. Mir wurde aber erzählt, dass die Stimmung auf Party-Niveau gewesen und die Aufführung ein voller Erfolg gewesen sein muss, unter anderem auch dank der durchgeknallten deutschen Synchro. Trotz ein paar Nickligkeiten alles in allem also ein gelungener zweiter Festivaltag, der die Vorfreude auf den dritten Tag bereits gewaltig steigen ließ, waren am Sonntag doch mit unter anderem DANZA MACABRA und dem NEW YORK RIPPER zwei richtige Knaller am Start. Und mit DREI PISTOLEN GEGEN CESARE ein Italo-Western der ganz besonderen Art …
Und bei geradezu sommerlichen Temperaturen war ebendieser CESARE dann am Sonntag nach einer kleinen und feinen Trailershow ein Opener allererster Kajüte. Die Story ist simpel, es geht um eine Goldsuche und einen Schurken der eine Stadt beherrscht. Aber was aus dieser 08/15-Geschichte nicht alles herausgeholt wird! Einer der Helden hat eine 4-läufige Pistole, die auch aus dem Kolben heraus schießen kann, ein anderer hypnotisiert seine Gegner damit sie gar nicht erst nicht schießen können. Der Schurke nennt sich Julius Cäsar Fuller, wird gespielt von Enrico Maria Salerno, und residiert in der Wüste mit Leibwache, Jacuzzi und natürlich in Bettlaken gewandet. Er lässt sich von einem Professor das Leben Cäsars vorlesen und Femi Benussi tanzt Hula (was in dieser gekürzten Kinoversion leider nicht zu sehen war). Gut und ernsthaft inszenierte Actionszenen wechseln sich ab mit mehreren Gesangsnummern und gehobenem Irrsinn, der so auch von Renato Polselli hätte stammen können, um mal einen Vergleich zu bringen. CESARE ist für mich nach MALIZIA der nächste absolute Höhepunkt des Festivals gewesen, und die Kopie aus dem Archiv des Dirty Pictures-Forums wirkte wie am ersten Tag. Es wurde erzählt, dass der Streifen demnächst auf Deutsch erscheinen soll, was spätestens nach dieser Sichtung mit großer Ungeduld erwartet wird.
KAMELIENDAME ’53 von Vittorio Cottafavi hatte es danach erwartungsgemäß sehr sehr schwer. Draußen lockten hohe Temperaturen, und CESARE war ein grandioser Lach- und Actionerfolg, da konnte dieses düstere Melodram nur schwerlich ziehen: Ein Junge aus besserem Hause verliebt sich in eine stadtbekannte Hure, was auch und gerade im Italien der frühen 50er-Jahre nicht wirklich gerne gesehen wurde. Die Geschichte einer Liebe die von Beginn an unter einem schlechten Stern steht ist heutzutage vielleicht auch zu oft erzählt worden, weswegen der Mut des Terza Visione-Teams, diesen Film bei solch einem Event zu zeigen, gar nicht genug zu bewundern ist, und ich nur sagen kann: Klasse gemacht!! Der Film hat alles was einen guten Film ausmacht: Schöne Bilder, eine tiefgehende und gut erzählte Geschichte, erstklassige Musik, … Ein Hauch von Neorealismus blitzte hier und da durch, und vor allem im letzten Drittel wurden grafische Highlights präsentiert, die den Film aus dem Durchschnitt deutlich heraushoben. Vielen Dank an die Veranstalter für diese vergessene Perle des italienischen Kinos!!
Eine Perle anderer Art war die Königin der Nacht, die in weiß-goldener Robe und langen schwarzen Haaren höchstpersönlich vorbeikam um unsere Sinne auf Antonio Margheritis gespenstischen LA DANZA MACABRA mit Barbara Steele vorzubereiten. Hui, was für ein schöner Film - Ein Gothic-Grusler wie er im Buche steht. Zwischen Nebel, Spinnweben und alten Gemäuern bewegen sich ein Lebender, mehrere Tote, und mindestens eine Person von der in der anschließenden Diskussion niemand genau sagen konnte ob sie lebt oder tot ist. Ein Journalist wettet, in einem Spukhaus eine Nacht lang zu überleben. Dort angekommen stellt er fest, dass eine äußerst attraktive junge Frau, ihre eifersüchtige Schwester und ein verschollen geglaubter Wissenschaftler im Haus leben. Leben sie wirklich? Aber Tote können doch nicht zurückkommen. Oder etwa doch? In Rückblenden wird eine tiefschwarze und traurige Geschichte erzählt die in einer spannenden und gruseligen Verfolgungsjagd gipfelt. Die Kopie war erstklassig, der Film schien erst gestern aus der Kopieranstalt gekommen zu sein, und auch hier konnte man die Spannung im Publikum oft mit Händen greifen. Margheritis eigenes Remake DRACULA IM SCHLOSS DES SCHRECKENS hat sicher auch seine Vorteile, aber grusliger und atmosphärischer ist auf jeden Fall LA DANZA MACABRA.
Quak Die Reihen lichteten sich ein wenig, die Beine konnten ausgestreckt werden Quak Quak, und der NEW YORK RIPPER begann sein blutiges Quak Quak Quak Handwerk Quak Quak Quak Quak Quak. Zu Lucio Fulcis Slasher-Klassiker selbst muss man wohl nicht viel sagen, außer: Was für ein Erlebnis diesen Film auf 35mm zu sehen! Allen Anwesenden war bewusst was für einem seltenen Schauspiel sie beiwohnen durften, und entsprechend gut war die Stimmung. In der Einleitung wurde erzählt, durch welchen Zufall das Kommkino in den Besitz der Kopie kam, eine spannende und unterhaltsame Anekdote aus dem Leben einiger Filmliebhaber. Der Streifen war somit ein außerordentlicher Abschluss eines außerordentlichen Festivals. Ich persönlich empfand den dritten Tag als den besten und schönsten Tag, weil alle vier Filme etwas Besonderes waren und die Stimmung ausgesprochen relaxt war. Mit ein wenig mehr Schlaf hätte es so wie an diesem Tag gerne noch länger weitergehen können.
So, was habe ich noch nicht erwähnt? Die Einführungen von Christoph Draxtra, Pelle Felsch, Kai Krick, Udo Rotenberg, Christoph Huber, Bennet Togler und Sano Cestnik waren durch die Bank unterhaltsam, informativ, spannend, lustig, lehrreich, und immer erstklassig! Die Organisation der Veranstaltung wiederum ist mit dem Wort „erstklassig“ schon nicht mehr zu beschreiben, da fehlen irgendwie die Superlative. Christoph Draxtra hat in mehreren Einführungen angedeutet, wie viel Arbeit in diesem Festival steckt, bis hin zu „Gestern Nacht haben wir noch die Untertitel an den Film angelegt den ihr jetzt gleich sehen werdet“. Den Organisatoren und dem gesamten Team von Kommkino möchte ich an dieser Stelle ein riesiges Danke Schön aussprechen – Praktisch alle, mit denen ich gesprochen habe, waren zufrieden, waren glücklich, haben sich rundum wohl gefühlt und freuen sich auf das nächste Mal.
Ich bin jetzt mal so frech und zitiere die wunderbare Mauritia Mayer aus ihrem Schattenlichter-Blog, und zwar ihre Zeilen zum Ende des zweiten Terza Visione aus dem Vorjahr:
"Was? Ist es wirklich schon vorbei? Wir können es fast nicht fassen. Der Abschied vom Kino, von der Festival-Stimmung und von den lieben Menschen, mit denen wir die Pausen verbracht haben, fällt schwer."
Besser kann man es nicht ausdrücken!
Ein kleines Resümee zur 4-tägigen Filmsause vom 07.-10. Januar 2016 in Nürnberg
Das Hofbauer-Kommando lud nach einem Jahr Pause endlich wieder zu einem ihrer berühmt-berüchtigten Kongresse im Nürnberger KommKino ein. Ein Jahr lang war es still um diese extravagante Filmtagung gewesen und auch ich muss reumütig gestehen, mich vor dem Jahre 2015 auf keinem der vorherigen Kongresse eingefunden zu haben. Im Januar letzten Jahres wurde ich dann dennoch neugierig und musste mir das Spektakel, wenn auch nur für magere zwei Kongresstage, mit meinen eigenen Äuglein begutachten - danach gab es auch für mich kein Zurück mehr, viel zu sehr ist man in die dort herrschende nette Atmosphäre vernarrt und leckt sich die Finger nach den exquisiten Filmperlen, welche vom analogen Bildprojektor auf die Leinwand geworfen werden. Von da an war klar, dass ich, genau wie die vielen anderen über die Jahre hin pilgernden Stammgäste, wieder kommen werde. Am Donnerstag, dem 7. Januar 2016 war es dann endlich soweit: Das Hofbauer-Kommando lud zu ihrem 15. außerordentlichen Filmkongress und ich war dabei - vom Anfang bis (fast) zum Ende!
Ein fettes Programmpaket wurde von den Kommandanten schon im Vorfeld geschnürt, denn mit 15 Hauptvorstellungen von 35mm-Perlen über 4 Tage verteilt, ist man schon gut mit dem Verarbeitungsprozess bedient. Für Schlaf-Allergiker und die ganz Harten ging es nach der täglichen Hauptversammlung noch in die Nachspielzeit, um den Morgen mit einem digitalen Überraschungsfilmchen einzuläuten. Ich muss an dieser Stelle aber schweren Herzens zugeben, dass ich nach den Main-Features bis tief in die Nacht nicht mehr die Standfestigkeit für solche "After Hours" habe – vielleicht werde ich alt, vielleicht habe ich den Willen nicht mehr dazu oder vielleicht siegte über die Jahre hinweg dann doch endlich mal die Vernunft bei mir - wer weiß?
Kongresstag #1 (Donnerstag, 07.01.2016)
Die Vorfreude war schon immens groß, als ich das KunstKulturQuartier betrat und die Treppen zu den Lichtspielhäusern hinaufstieg. Schnell die Dauerkarte eingesackt, ein kleines Schwätzchen mit alten Bekannten im Foyer gehalten und hinein in den schon gut gefüllten Saal. Der inoffizielle Eröffnungsfilm stand auf dem Programm, welcher in vorherigen Ankündigungen nur mit Die Einäugige angepriesen wurde - aber der gewiefte Filmfan konnte sich schon denken, welcher schwedische Kracher hier die Tagung einläuten sollte und somit öffnete sich der Vorhang und Bo Arne Vibenius' "Thriller - Ein grausamer Film" flimmerte los.
Das es von diesem Film je eine deutsche Vertonung (samt Kinostart) gab, war mir bis vor kurzem noch unbekannt. Umso verblüffter war ich über den dt. Kinotrailer auf einer der letzten Grindhouse-Editionen aus dem Subkultur-Lager. Jedenfalls war es doch ein straffer Opener, welcher die Kongressgäste etwas spaltete. Sicher ist Vibenius' Film nicht mit Hochglanzoptik versehen, auch die Slow-Motion-Einsätze könnte man bemängeln und als Laufzeitstreckung auslegen, allerdings trugen diese für mich auch maßgeblich zur Intensivierung der gezeigten Gewalt bei, welche qualvoll wie ein Höllenritt an dem Schicksal der Hauptprotagonistin vollzogen wird und eben nicht mit Präzision in Sachen Schnellschnitt-Technik überzeugen muss. So ist die Geschichte von Frigga (Christina Lindberg) tragisch genug, wird sie doch schon in jungen Jahren vom einem Zuhälter ihrem Elternhaus entrissen, mit Heroin gefügig gemacht um die Kohle unfreiwillig mit ihrem Körper ranzuscheffeln und darüber hinaus noch Peinigungen aller Art über sich ergehen lassen muss. Da ist klar, dass das Fass irgendwann überläuft und so nutzt sie ihre Ersparnisse um Selbstverteidigung zu erlernen, eine rasante Fahrschulausbildung hinzulegen und in Sachen Schusswaffen eine gewisse Trefferquote abzufeuern - alles natürlich nur dienlich dem Hintergedanken, es gegen die Peiniger irgendwann mit Erfolg anwenden zu können. Die Gewalt eskaliert gegen Ende dann wahrlich und man drückt Frigga insgeheim auch beide Daumen, dass sie das gesamte Lumpenpack wegputzt. Auf alle Fälle ein sehr kühler Einstieg in das frivole Festivalprogramm - aber ein gelungener war es auf alle Fälle, wobei die deutsche Vertonung auch den ein oder anderen unfreiwillig-komischen Spruch zum Besten gab und somit diesen in Nihilismus-getauchten-Minimalismus etwas auflockern konnte.
Nach einer zweistündigen Verschnaufpause begann dann das offizielle Programm mit dem Vorwort zweier Hofbauer-Kommandanten, einer feschen XXX-Trailershow, welche den Saft in der Hose aufkochen ließ (u.a. durch "Scharfe Schwedenhäppchen"), damit man bestens auf den nächsten Film eingestimmt werden konnte: "Love in Action - Zieh' mich aus Herzchen". Dieser entpuppte sich als sehr launiger Porno mit Handlung, quasi ein Dirty Noir - wo wie in den klassischeren Film Noirs ein Privatschnüffler von einer gutaussehenden Frau angeheuert wird um einen Fall aufzuklären, nur das hier die Romantik an vielen Stellen etwas ausufernder gezeigt wurde, als in den 40er Jahren. Das die deutsche Vertonung dann auch noch Elmar Wepper und andere bekannte Sprecher an Bord hatte, konnte ich dem Streifen gleich noch mehr abgewinnen, denn bis auf die eingestreuten Hardcore-Sequenzen, verlief die Handlung doch recht straight und selbst die angesprochenen Harterotik-Einschübe vermochten irgendwie nicht zu langweilen, denn unterlegt mit grandioser Synchro, wechselnden Akteuren (und Stellungen), adretter Weiblichkeit und einem Plot-Twist, der mich förmlich in den Sitz presste, kam man bei der Sause gut auf seine Kosten und konnte den harten Schweden-Tobak von zuvor etwas besser verdauen.
Bevor die letzte Hauptpräsentation des Abends startete, bekam das Kongresspublikum noch einen schmackhaften Vorfilm präsentiert: "Bevor der Strip stirbt" - ein Kurzfilm der sich mit den Strip-Betrieben in der BRD auseinandersetzte, dabei zwar sehr zugeknöpft rüber kam, aber dennoch mit lustigen Blicken oder verheißungsvollen Statements wie „Der Straps – eine Erfindung aus Amerika! Wie so vieles!“ den Kongress vehement erheitern konnte.
Im Anschluss darauf folgte "Tabus der Nackten" (auch bekannt unter dem Titel "Sex mal Sex") von José Bénazéraf, eine Art Mondofilm mit einem Amerikaner zu Gast in Paris, wo dieser nach seinem langweiligen Büro-Job durch die Nachtclubs in der Stadt an der Seine tingelt – immer auf der Suche nach der großen Liebe und etwas Verruchtheit. Die Szenen mit dem Hauptprotagonisten waren sehr erheiternd, da er meist kein Fettnäpfchen ausließ und den Kinosaal damit in Entzückung versetzte, allerdings streckte Bénazéraf den Film mit ellenlangen Striptease- und Burlesqesequenzen, sodass ich doch schon etwas mit dem Schlaf ringen musste. Vielleicht war es auch die falsche Uhrzeit um mich mit solchem Stoff zu catchen, aber ich war leider nicht so wie das restliche Publikum vom Film begeistert.
Kongresstag #2 (Freitag, 08.01.2016)
Der 1. Film des zweiten Kongresstages avancierte im Nachhinein auch gleich zu meinem Festival-Highlight – gemeint ist "Die spanische Fliege" von Carl Boese, welcher sich als äußerst launiger Schwank aus der Nachkriegszeit präsentierte und so einige grandiose Kalauersalven mit hoher Trefferquote ins Publikum abfeuerte. Es geht um vier hochrangige Herren aus der kleinen Gemeinde Daxburg, die unabhängig und ohne das Wissen der Anderen einen monatlichen Unterhalt an eine Tänzerin abdrücken müssen, damit der Skandal eines unehelichen Kindes nicht publik wird und ihr Ansehen gefährden könnte. Und bis sich der ganze Kuddelmuddel aufklärt, passiert noch so Einiges, wobei das Zwerchfell Höllenqualen durchleiden muss, da wirklich fast jede Witzelei sitzt - von den schauspielerischen Meisterleistungen der damaligen Zeit ganz zu schweigen, denn selten gingen Mimik & Gestik in Zeiten des deutschen Tonfilms nach dem Kriegsende so genial Hand in Hand.
Und weil der beste Film des Festivals eben erst gesichtet wurde, folgte danach ausgerechnet schon der schlechteste Streifen des Wochenendes, zumindest für mich. Altmeister Joe D'Amato musste diesen Mist mit Namen "Skandalöse Emanuelle – Die Lust am Zuschauen" verbocken und immerhin wäre er dieses Jahr runde 80 geworden, hätte ihn nicht eine fiese Herzattacke im Jahre 1999 dahingerafft. Zum Glück nahm sich das Hofbauer-Kommando diesen imaginären Geburtstag zum Anlass, dem Meister zu Gedenken und zu feiern, wobei sie drei extravagante Filmchen aus D'Amatos Pre-Porn-Ära für den Kongress auswählten. Leider weckte aber die skandalöse Emanuelle eher die Lust am Wegschauen bei mir, zu dröge war die Inszenierung, zu lasch der Erotik-Anteil und zu unspektakulär die gezeigte Geschichte. Enttäuscht war ich ebenfalls darüber, dass der Film in den 30er Jahren spielte und nicht in den feschen 80ern - da hätte man aus der Voyeur-Handlung sicher noch einiges machen können, aber so plätschert alles nur dahin - da vollbrachten die Endcredits dann einen so richtigen Befreiungsschlag!
Nach Speis und Trank ging es in die zweite Halbzeit des Kongress-Tages und es wurde wieder deutsches Kulturgut auf die Leinwand geworfen: "Das Spukschloss im Salzkammergut". Schon beim letztjährigen Buio Omega-Gastspiel im Münchner Werkstattkino flimmerte der Trailer zu diesem Prachtstück über den Screen und verzauberte unsere Sehorgane. Hans Billian drehte dieses amüsante Grusical in Zusammenarbeit mit Rolf Olsen, welcher am Anfang auch eine kleine Nebenrolle inne hatte. Allerdings stießen mir zwei Sachen doch etwas sauer auf, nämlich das Hannelore Auer nur zur erzählenden Nebenrolle degradiert wurde, obwohl sie wieder herrlich wie ein Bond-Girl gestylt ihre wenigen Filmmomente zelebrieren durfte und das sich der gruselige Anteil eigentlich nur auf eine klitzekleine Sequenz beschränkte, welche auch schon bei den einleitenden Credits am Anfang Verwendung fand und dadurch irgendwie später verpuffte. Von diesen zwei Kritikpunkten einmal abgesehen, war es wieder eine gemütliche Gaudi mit vielen zündenden Gags, bei der Udo Jürgens unfreiwillig den Unsympathen raushängen lassen darf, indem er seiner Angebeteten deren Karriere vermiesen will, damit sie ihm auf seiner Tournee begleiten soll. Natürlich sieht Udo am Ende seinen fiesen Schabernack ein, aber bis dahin wird viel getanzt und noch mehr gesungen - gute Unterhaltung aus deutschen Landen eben und das Kinopublikum war doch größtenteils very amused.
Auf zur letzten Hauptvorstellung des Tages, nämlich "Papaya - Die Liebesgöttin der Cannibalen". Es war Jahre her, seitdem ich die letzte Sichtung dieses stimulierenden Inselkrimis das letzte Mal vollzog und irgendwie stand er schon seit einiger Zeit wieder auf meinem Menüplan, wobei es mir dann doch sehr recht kam, dass "Papaya" zu Ehren D'Amatos auf dem vergangenen Kongress als trister Überraschungsfilm gezeigt wurde. Auch wenn die Farben der gezeigten Kopie sicher nicht mehr die frischesten waren, so konnte ich doch sofort wieder in diesen beschwingten Zauber eintauchen und mich vom unspektakulären Geschehen treiben lassen, wobei auch Aristides filmischer Aussetzer "Skandalöse Emanuelle" sofort wieder vergessen werden konnte. Jedenfalls besaß "Papaya" auch in dieser Nacht wieder die besondere Magie vorheriger Male, welche mich entschlackend im Kinosessel zurückließ. Deshalb habe ich diesem Film hier ein paar Zeilen mehr gewidmet.
Kongresstag #3 (Samstag, 09.01.2016)
Die Halbzeit beim offiziellen Programm des 15. Filmkongress des Hofbauer-Kommandos lag nun hinter uns, weiter ging es also am Samstag Nachmittag mit "Hörig bis zur letzten Sünde" von Lothar Gündisch und Hans Billian, ebenfalls eines meiner diesjährigen Kongress-Highlights. Ein Bankraub missglückt, zwei Ganoven werden dabei umgenietet und der Dritte im Bunde muss jetzt die Beute verstecken. Jetzt müssen die gebunkerten Kohlen natürlich wieder ran geschafft werden und es tauchen neben der Polizei noch allerhand andere dubiose Figuren auf, die großes Interesse an dem erklauten Zaster haben. Somit langweilt diese vergnügliche Räuberpistole zu keinem Zeitpunkt, wie auch, wenn die sensationellen Momente den ganzen Film überdauern - egal ob durch Vertonung, unfassbaren Szenen wie das schlecht gespielte Handgemenge zweier Damen, den einfühlsamen Charme eines Doppelspiel-betreibenden Anwalts oder die zahlreichen Nuditäten, welche in diesem Film absolut selbstverständlich eingefangen worden. "Hörig bis zur letzten Sünde" wurde frenetisch vom Publikum bejubelt und konnte sich auch in meiner Kongress-Bestenliste ganz weit vorn manifestieren.
Mit "Die Girls vom Crazy Horse" ging es auch gleich in die nächste Vergnügungsstätte und auch allgemein hatte ich das Gefühl, das sich dieser Kongress als heimliches Leitthema ein bisschen den Nachtclubs aus aller Welt widmen wollte, denn nach diesem Film folgten am selben Tag noch zwei anderer Vertreter mit vergleichbarer Branchenthematik und der Bénazéraf vom 1. Kongresstag versprühte ebenfalls eine sehr ähnliche Atmosphäre. Das "Die Girls vom Crazy Horse" eher wie eine Dokumentation mit komödiantischem Einfluss rüberkam, hätte ich anfangs sicher nicht erwartet. Eher dachte ich an eine konforme Stripsequenzen-Aneinanderreihung wie beim "Tabus der Nackten" - aber zu Glück lag ich falsch. So war es doch recht frivol mit anzusehen, wie der Reporter, welcher den Etablissement-Besitzer und seine weibliche Crew interviewt, immer wieder von den Grazien abgelenkt wird und seine Aufmerksamkeit somit fast nie auf seinen eigentlichen Job richten kann. Sicher gab es zwischendurch auch öfters fesche Tänze oder andere erotische Darbietungen, wobei der Höhepunkt der Kurzweil sicher der Auftritt des Bauchredners mit seiner (bemalten) Hand war – unfassbar mit was für einer köstlichen Stimmung diese Szene dann den Saal flutete und wir uns dabei in den Sitzen kugelten.
Zur Primetime gab es dann Peter Baumgartners "...und noch nicht sechzehn", welcher mir recht gut gefiel und einige stimmungsvolle Momente aufweisen konnte, auch wenn ich in diesem Film etwas Struktur vermisste. Dennoch konnte sich der titelgebende Song "Sexy und noch nicht sechzehn" von Helen Vita dank Dauerbeschallung als kleiner Ohrwurm entpuppen, den meine Sitznachbarin immerhin schon nach dem dritten Mal frei mitsingen konnte. Sympathieträger wird man in dieser Tristesse dennoch keine finden, auch wenn Oberchauvi Johnny hier wieder sensationell von Arne Elsholtz vertont wurde, was dem Film noch zusätzlichen Zunder auf der Schundskala einbringt, auch wenn der Erotikanteil sich doch dezenter als erwartet präsentierte - gerade bei so einem Titel und erst recht bei einem Produzenten wie Erwin C. Dietrich. Crime, Liebelei und unerfüllte Träume am Rande des Nachtclub-Geschäfts, welches seinem tragischen Showdown auf einem kalten Güterbahnhof entgegen schippert.
Nach dieser geballten Ladung Psychotronik hätte es meinetwegen ruhig wieder etwas gemächlicher zur Sache gehen können, aber Joe D'Amatos letzter Kongressbeitrag "Blue Angel Café" driftete eher in eine dramatische Lifestyle-Kerbe. Angie (Tara Buckman) verguckt sich in einen Senator, eine heiße Liebelei entbrennt zwischen den Beiden, aber der dadurch ausgelöste Scheidungsskandal kostet den Guten sein Amt und damit auch seine Karriere. Nun muss Angie die Kohlen ran schaffen, denn ihr Liebhaber ist dermaßen von Selbstmitleid zerfressen, dass es auch den Zuschauer langsam anwidert. Tja, das sind die Schattenseiten solcher Affären - da muss die Prunkvilla bald gegen ein stinknormales Apartment eingetauscht werden, so was kann Rockröhre Angie schon mal missfallen. Der Anfang vom Ende quasi - aber ich mag solche fiesen Beziehungskisten, erst recht wenn sie aus Italien kommen und die seltene Fadheit der schrillen 80er Jahre einfangen. Zudem ist der Titelsong ein richtiger Hit geworden, welcher sich auch gut als Lückenfüller zwischen den beiden älteren 007-Songs von Carly Simon und Sheena Easton gemacht hätte, nur mit zehnjähriger Verspätung. Aber wir wippten dennoch andächtig mit den Köpfen zum Takt, auch wenn uns das gezeigte Schicksal der Protagonisten größtenteils kalt ließ. Allerdings konnte ich diesem D'Amato immerhin etwas mehr abgewinnen als das restliche Publikum, dessen Mehrheit sich über diese Dramatik aus der Distanz eher enttäuscht zeigte - und ja, Tara Buckman sah mal wieder very fantastic aus.
Bevor der stählerne Überraschungsfilm startete, erklärte Hofbauer-Kommandant Andreas in einer berauschenden Rede die Bedeutung dieser Klassifizierung und riss das Publikum, aber auch sich selbst dermaßen mit, sodaß wir mit großer Spannung auf die Titelauflösung via Screen warteten. Auch wenn ich bei den vorherigen Andeutungen erst fälschlicherweise annahm, es könnte sich um einen Franco & Ciccio Streifen handeln, so war ich doch sehr beruhigt, dass es nur Alfonso Brescia's "Zwei Halunken im alten Rom" war. Auch wenn ich diesen historischen Klamauk-Gammlern aus Italien bisher nie allzu viel abgewinnen konnte, war dieser Streich zumindest noch mit der ansehlichen Femi Benussi besetzt, welche blank zu ziehen versucht, wo es nur geht. Kurzweil tritt zwar vereinzelt auf, wird aber sofort wieder im Dunst der albernen Hohlheiten erstickt. Allerdings gibt es auch noch schlechtere Werke aus dieser Epoche, weswegen mich Brescia's geschichtlicher Kalauer nicht gänzlich kaputt gespielt hat, für mich aber dennoch etwas weiter weg vom Rande der Erträglichkeit war - ähnlich wie beim restlichen Publikum, welches bis zum Ende ausharrte und nicht schon vorzeitig wie so manch ungestählte/r Zuschauer/in aus der Sichtung verschwand.
Kongresstag #4 (Sonntag, 10.01.2016)
Traurig, aber war - der letzte Kongresstag ist angebrochen, aber er hatte noch so manches Highlight zu bieten.
Den Anfang machte am späten Nachmittag Manfred Stelzer's "Die Perle der Karibik" von 1981, welcher sich als ein schier unfassbar-toller Genuss für viele Besucher entpuppte. Diethard muss als Bücher-Vertreter die Klinken putzen um seine Ware an den Mann zu bringen. Bei einem Kunden wird er auf dessen ausländische Gemahlin aufmerksam, die, wie ihm der Ehemann versichert, keine Probleme macht und zudem Gehorsam befolgt - nur deren Lächeln dem männlichen Ehepartner etwas zuwider ist, aber darüber kann getrost hinwegsehen, denn ansonsten scheint die Beziehung bestens zu funktionieren. Das es so einfach sei, sich eine Frau zu halten und damit mit dem gesellschaftlichen Ideal der Masse gleich zu ziehen, entzückt Diethard immer mehr. Schnell wird ein schmieriger Heiratsvermitteler (köstlich Alfred Edel) aufgesucht, der Frauentyp aus fernen Ländern festgelegt und schwupss wird die Exotin Banani von irgendeiner fernen Insel in die BRD importiert. Allerdings funktioniert das Zusammenleben mal so gar nicht nach Diethards Vorstellungen, womit der Ärger nicht lange auf sich warten läßt.
Zwar wird es im Filmtitel schon vorweg genommen, aber Stelzers in kalte Plattenbau-Ästhetik eingebettetes Sittenbild entpuppt sich als wahre Perle. Hier werden schauspielerische Glanzleistungen durch Lethargie und fehlende Emotionen hervor gerufen, Humor durch gesellschaftliches Unverständniss kalkuliert, um diese Tragödie mit einer satten Portion Unfassbarkeit zu mischen, welche bei den meisten Zuschauern wie ein Meteorit auf die Lachmuskulatur einschlug. Man muss es wirklich gesehen haben um es zu glauben, da helfen auch nicht die besten Zitate aus dem Film, um nur den geringsten Ansatz dieser kopfschüttelnden Sagenhaftigkeit davon erhaschen zu können. Ein unglaublicher Moment jagt den nächsten, Diethard Wendtland spielt den Hauptprotagonisten durch seine Unbedarftheit so glaubwürdig - es fängt schon damit an, wie steif er seinen Text ableiert, aber endet genauso gut in seiner aufbauenden Frustration Banani gegenüber, welche ihre Bräuche natürlich in die damalige BRD mitnimmt, sehr zum Missfallen Diethards, welcher erfolglos damit bemüht ist, seine neue Angetraute mit Erziehungs-Maßregelungen zu torpedieren. Für mich war dieser Film eine der schönsten Zelluloid-Erfahrungen des 15. Hofbauer-Kongresses.
Nach erfolgreicher Stärkung des Magens, wurde so langsam das Finish eingeläutet - aber was für eines. "Die Spalte" von Gustav Ehmck stand auf dem 15-gängigem Menüplan und er erschwerte wohl fast jedem Ansässigen die Verdauung. Ich selbst habe selten zuvor einen Film erlebt, welcher schon während der Sichtung diesen Katalysator der Verabscheung des Gezeigten in Gang setzt. Auch im Publikum musste das Ventil der Bestürzung nicht nur einmal lautstark aufgedreht werden. Ich selber bin mir auch nicht sicher, ob ich Ehmcks Werk noch einmal sehen möchte, was man diesem aber in jedem Fall zu Gute halten muss, denn die Message welche hier erzielt werden sollte, verfehlt das Gewissen des Zuschauers um keinen Millimeter – es ist dieses kompromisslose Zeigen des sehr bedauernswerten Schicksals einer jungen Frau, welche unfreiwillig in die allerfiesesten Prostitutionskreise die ich bisher im Film gesehen habe, hinein gezogen wird und diesen auch nicht mehr entfliehen kann, auch wenn sie es keinesfalls unversucht lässt. Ich erblickte selten zuvor einen dermaßen aufwühlenden Film, welcher einen so sehr in den Bann der Abscheu zog. Inszenierung, Schauspiel, Storytelling – alles top, keine Frage. Aber wer möchte freiwillig nochmal in diesen Sumpf der ungeschönten Widerlichkeit baden?
(Ich hatte diesen Film aufgrund seines niederschmetternden Effekts anfangs etwas schwächer bewertet, was ich allerdings im nach hinein als ungerecht dem Werk selbst gegenüber empfand, wobei man sicher einige Momente brauchen wird, um einen klaren Gedanken nach der Erstsichtung zu fassen.)
So düster wie der Kongress am Donnerstag mit "Thriller" begann so schien er wohl auch zu enden, aber zum Glück hatte Ernst Hofbauer entschiedend etwas dagegen. Sein Reportfilm "Mädchen beim Frauenarzt" ließ uns die zuvor servierte Erschütterung schnell wieder vergessen und trieb das Publikum in einen lang anhaltenden Freudentaumel des Überschwangs. Die kessen Episoden aus der Praxisarbeit eines Gynäkologen waren weitesgehend von Kurzweil und Jubelei unter ihrem Deckmantel der Aufklärung geprägt, welche sich bei mir auch sofort unter den besseren Dokumentationen ähnlich gelagerter Tabuthemen der damaligen Zeit manifestieren konnte. Hofbauer gelingt hier dieser feine Spagat zwischen Unterrichtung einer Allerwelts-Thematik und der frivolen Unterhaltung, welche man im richtigen Kontext dazu ziehen kann. Somit konnte man bestaunen, wie besorgte Eltern ihrer minderjährigen Töchter mit Verdacht auf Schwangerschaft einweisen lassen oder unfreiwillig fiese Geschlechtskrankheiten in Umlauf geraten – allerdings immer mit einer augenzwinkernden Methode an den Zuschauer gebracht. Ein sehr gelungener (offizieller) Abschluss des letzten Kongresstages.
Im Anschluss folgten allerdings noch die 16mm-Zusatzfilme der FWU (Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht), welche bei den Hauptspielzeiten mangels Projektionstechnik leider unter den Tisch fallen mussten. So bekam man dennoch die entfallenen Vorfilme präsentiert, halt nur zum Ende.
Zuerst gab es mit "Die Pfütze" einen warnenden Lehrfilm über Pädophilie, welcher toll gespielt war und eine ungewoht heftige Intensität zu erzeugen vermochte. In kalten Schwarzweiss-Bildern sieht man wie ein anständig wirkender Erwachsener an einem Schulhof einen kleinen Buben anspricht, ihm in Form eines ausländischen Modellflugzeugs den Himmel auf Erden verspricht und ihn daraufhin in sein Auto locken kann, womit dessen traumatische Erlebnisse seinen Gang nehmen werden. Verbüffend mit welcher Durchlagskraft diese knapp 15 Minuten inszeniert wurden und man mitfühlend dem Kleinen die Daumen drückt, sich aus den Klauen des drohenden Unheils zu befreien. Aber es ist ein FWU-Film, welcher mit Happy-End sicher nicht dieselbe Wirkung in der Penne erzeugt hätte. Danach folgte "Von Liebe ganz zu schweigen", wo es darum geht, welche Probleme im sozialen Umfeld durch eine frühe Schwangerschaft enstehen können. Etwas trist wurde uns dieser verändernde Lebensabschnitt eines weiblichen Teenagers nahe gebracht, welches aber von seiner damaligen Aktualität im heutigen Zeitalter sicher nicht allzu viel eingebüßt haben dürfte, aber ich war irgendwie froh, dass dieser Kurzfilm vor Hofbauer's "Mädchen beim Frauenarzt" nicht gezeigt werden konnte - er hätte (bei mir) die nachfolgende Sichtung des Reportfilms sicher in irgendeiner Weise beeinträchtigt.
Als Abschiedsgeschenk mit den mahnenden Worten: „Da müßt ihr jetzt durch!“ wurde den Willigen und Unkaputtbaren noch mit "L.A. Tool & Die" ein Vintage Gay Porn der frühen Achtziger von digitaler Projektion serviert. Allerdings beflügelte der Film nach knapp 20 Minuten meinen Appetit auf etwas Nahrhaftes, womit allerdings ein schmackhafter Kebab aus dem fränkischen Istanbul-Restaurant gemeint ist, welches löblicherweise immer bis in die Morgenstunden geöffnet hat.
Bleibt als Fazit also mal wieder mein allergrößestes Lob an die Veranstalter, Beteiligten und Publikum, sowie absolute Begeisterung für das Gesehene. Ja, es war schon hart – 15 Filme plus etwaige Specials verlangen einem schon was ab, aber der Lohn dafür ist umso wertvoller, egal ob man seinen filmischen Horizont um ein Vielfaches erweitern konnte, mit vielen netten Kongressanten in Plauschereien verstrickt wurde oder auch einfach nur der Wirklichkeit für knapp 90 Stunden entfliehen durfte. Und wie ich auch schon anfangs erwähnte: Wer einmal einem außerdordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos beiwohnen durfte, der wird definitiv wiederkommen wollen – soviel steht fest!
Danke für die schöne Zeit ❤
PS: Da mit Andreas, Pacific Nil und meiner Wenigkeit gleich drei Leute von Italo-Cinema.de diese feine Veranstaltung besuchten, haben wir uns entschlossen auch hier den Listen-Fetisch etwas zu bedienen, weshalb man unten stehend unsere jeweilige Kongress-Hitparade mit aufsteigender Benotung einsehen kann. Zudem hat der gute Pacific Nil in seinem Filmtagebuch bei Dirty Pictures alle Sichtungen des Festivals etwas ausführlicher gewürdigt - einfach in seiner Rangliste auf den jewiligen Film klicken und man gelangt direkt zu der von ihm verfassten Besprechung.
Andreas Rick
15 Skandalöse Emanuelle - Die Lust am Zuschauen (4)
14 Tabus der Nackten (4)
13 Zwei Halunken im alten Rom (5)
12 Die Girls vom Crazy Horse (6)
11 Das Spukschloss im Salzkammergut (6)
10 Mädchen beim Frauenarzt (6)
09 Papaya - Die Liebesgöttin der Cannibalen (7)
08 Blue Angel Café (8)
07 Love in Action - Zieh mich aus, Herzchen (8)
06 …und noch nicht sechzehn (8)
05 Die Perle der Karibik (8)
04 Hörig bis zur letzten Sünde (8)
03 Die Spalte (8)
02 Die spanische Fliege (8)
01 Thriller - Ein unbarmherziger Film (9)
Pacific Nil
15 Blue Angel Café (1)
14 Papaya - Die Liebesgöttin der Cannibalen (2)
13 Skandalöse Emanuelle - Die Lust am Zuschauen (2)
12 Zwei Halunken im alten Rom (4)
11 Thriller - Ein unbarmherziger Film (4)
10 Die Girls vom Crazy Horse (5)
09 Love in Action - Zieh mich aus, Herzchen (6)
08 …und noch nicht sechzehn (6)
07 Mädchen beim Frauenarzt (6)
06 Die spanische Fliege (6)
05 Hörig bis zur letzten Sünde (7)
04 Tabus der Nackten (7)
03 Das Spukschloss im Salzkammergut (7)
02 Die Perle der Karibik (8)
01 Die Spalte (8)
Tobias Reitmann
15 Skandalöse Emanuelle - Die Lust am Zuschauen (2)
14 Tabus der Nackten (3)
13 Zwei Halunken im alten Rom (5)
12 …und noch nicht sechzehn (6)
11 Blue Angel Café (6)
10 Die Girls vom Crazy Horse (7)
09 Die Spalte (7)
08 Love in Action - Zieh mich aus, Herzchen (7)
07 Mädchen beim Frauenarzt (7)
06 Papaya - Die Liebesgöttin der Cannibalen (7)
05 Thriller - Ein unbarmherziger Film (8)
04 Hörig bis zur letzten Sünde (8)
03 Das Spukschloss im Salzkammergut (8)
02 Die Perle der Karibik (8)
01 Die spanische Fliege (8)
Ein kleines Resümee zum 35mm-Triple Feature vom 28. November 2015 in Nürnberg
Ein trauriger Tag für viele Filmfans war es gewesen, der 1. Sonntag im Juni diesen Jahres - denn mit Sir Christopher Frank Carandini Lee verabschiedete sich ein ganz Großer von der Bühne des Lebens, auch wenn die Erinnerungen an zahlreiche Stunden mit ihm vor dem Bildschirm dennoch auf ewig bestehen werden. So beschlossen die Nürnberger Filmbuben vom Kino im Komm e.V. der einstigen Ikone des Grauens ein ganzes Wochenende lang zu widmen und somit unvergessliche Momente erneut zu würdigen und genießen zu können. Nachdem vor über 3 Wochen schon das KARACHO-Festival durch die Kinosäle des KunstKulturQuartiers trümmerte, war es nun an der Zeit für ein kleines Creepy-Weekend mit verschiedenen europäischen Gruselklassikern, welche entweder mit kurzer oder längerer Präsenz des gebürtigen Briten veredelt wurden. Ich pickte mir den Samstag raus, da er für mich mit seinen drei 35mm-Features den interessantesten Tag der gesamten Zeremonie bildete, denn mit EIN TOTER SPIELT KLAVIER, DAS SCHLOSS DES GRAUENS und DAS GRAB DER LEBENDEN PUPPEN wurde nicht nur die Brücke vom Vereinigten Königreich zum heißgeliebten Stiefelland geschlagen, sondern auch in verschieden Genre-Archetypen des unterschlagenen Films innerhalb von dreizehn Filmjahren gewildert, währenddessen schon am Donnerstag + Freitag gekonnt mit Terror aus Großbritannien seitens der Veranstalter aufgetrumpft wurde. DRACULA - NÄCHTE DES ENTSETZENS und DER SCHÄDEL DES MARQUIS DE SADE standen nämlich an diesen Tagen auf dem Menüplan und Gerüchten zufolge entfachten diese beiden grauenerregenden Klassiker schon angenehme Grusellaune im neuen KommKino-Saal, womit ich auch gleich zum vielversprechenden Samstag überleiten werde, wo kurz nach 17:00 Uhr der Zelluloid-Akt des Gedenkens mit SCREAM OF FEAR eingeläutet wurde:
Ein Toter spielt Klavier (Taste Of Fear)
Großbritannien 1961, OV, 35mm, R: Seth Holt, D: Susan Strasberg, Ronald Lewis, Ann Todd, Christopher Lee, u.a.
Die an den Rollstuhl gefesselte Penny (Susan Strasberg) kehrt nach einigen Jahren zu ihrem Vater in das Familienhaus an der französischen Riviera zurück, auch wenn der Kontakt zwischen den Beiden schon seit Ewigkeiten auf Eis zu liegen scheint. Auf dem prunkvollen Anwesen wird Penny von ihrer Stiefmutter (Ann Todd) in Empfang genommen, welche sich zukünftig um das Kind ihres Gatten kümmern möchte. Unterdessen ist der Papa merkwürdigerweise abgereist und auch sonst bekommt es Penny mit allerlei sonderlichen Ereignissen zu tun, welche die Gute schon bald an ihrer geistigen Verfassung zweifeln lassen, erst recht als sie überzeugt davon ist, die Leiche ihres Vaters vor sich gesehen zu haben...
Hach...ein Traum diesen Film endlich mal auf der großen Leinwand bewundern zu dürfen, denn SCREAM OF FEAR (so der Alternativtitel der gezeigten Kopie) ist zurecht einer der großen Klassiker der britischen Hammer-Schmiede, welcher eben nicht auf urbanen Mythen oder Fantasiegeschichten beruht oder diese aufzugreifen versucht, sondern vielmehr nach seichtem Psychothrill anmutet, welcher sich immer weiter in den Wahnsinn spiralisiert und gegen Ende den Zuschauer eiskalt im Nacken packen dürfte - zumindest bei der Erstsichtung. Altmeister Seth Holt, welcher für die Hammer-Studios zehn Jahre später nochmal mit DAS GRAB DER BLUTIGEN MUMIE die Horrorkeule schwang, inszenierte hier einen zauberhaften Suspense-Reigen, welcher passenderweise noch in schwarz/weiß gedreht wurde und auf der großen Leinwand seinen vollkommenen Glanz entfalten kann. Darstellerisch gibt es keinen Aussetzer, egal ob mit Susan Strasberg die junge Penny mit ihrer Behinderung und ihrem immer stärker ausgeprägten Selbstzweifeln langsam in die Schlucht des Wahnsinns zu gleiten droht, oder Ann Todd in der Rolle der Stiefmutter sofort stilles Unbehagen beim Zuschauer auslösen dürfte, auch wenn ihr Charakter keine offensichtliche Verwerflichkeit vorbringt, aber dennoch das zwiespältige Verhältnis von Schwiegermutter vs. Stieftochter beim Zuschauer (zumindest in Gedanken) auslösen wird. Zudem noch Christopher Lee als undurchsichtigen Charakter des Arztes Dr. Pierre Gerrard, sowie Ronald Lewis in der Rolle des Chaffeurs Robert und hier kann ich mir nicht helfen, denn der gute Mann besitzt vom Gesicht her eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Schauspieler David Hasselhoff (siehe Bild #3). Ebenfalls ein merkwürdiger Zufall ist, dass Lewis in den 70er Jahren massiv an Popularität verlor, sich daraufhin in den finanziellen Ruin verlor und in Folge dessen am 11. Januar 1982 Suizid beging, während Hasselhoff sich gerade zu dieser Zeit mitten im Dreh zur 1. Staffel seines kommenden TV-Durchbruchs mit der Serie KNIGHT RIDER befand.
Aber was macht EIN TOTER SPIELT KLAVIER außer den Akteuren noch so besonders? Zum einen die tollen Location-Settings rund um das angesprochene Familienanwesen, welches malerisch, aber bedrohlich zugleich wirkt, sowie grandiose Innen- und Außenaufnahmen von Kameramann Douglas Slocombe, der ja in seiner späteren Werkschau noch so einige Meilensteine des Kinos mit seiner Präzision am Objektiv adelte. Als ich diesen Film mit dem Erscheinen der damaligen DVD hierzulande das 1. Mal sah, schlug er bei mir wie eine Splittergranate ein, viel zu sehr fesselte mich der ganze Aufbau, das konstruierte Personengeflecht um Misstrauen, Wahnsinn und Angst und ich kann hiermit behaupten, dass EIN TOTER SPIELT KLAVIER nichts von seiner Intensität über die ganzen Jahre eingebüßt hat - eine grandiose Wiederentdeckung.
Das Schloss des Grauens (La Vergine di Norimberga)
Italien 1963, dF, 35mm, 78 Min., R: Antonio Margheriti, D: Rossana Podestà, Georges Rivière, Jim Nolan, Christopher Lee, u.a.
Mary (Rossana Podestà) begleitet ihren Mann Max (Georges Rivière) nach Nürnberg auf dessen Schloss, wo sie eines Nachts durch den qualvollen Schrei einer Frau erwacht und sich daraufhin auf die Suche nach dem hallenden Gelärme durch die dunklen Gänge begibt. Unten in der altertümlichen Folterkammer angekommen, erspäht sie in der "eisernen Jungfrau" eine Leiche weiblichen Geschlechts, woraufhin Mary ohnmächtig zu Boden sinkt. Natürlich fehlt am nächsten Morgen von der angeblichen Toten jede Spur, womit Marys unheimliche Nachtwanderung zwar von ihrem Gatten als schlechter Traum gedeutet wird, aber das Grauen in der Krypta weiter in Form eines mittelalterlichen Vollstreckers wartet, welcher sein blutrünstiges Handwerk schleunigst wieder ausüben möchte...
Nachdem der werte CSK (seines Zeichens 1. Vorstand vom KommKino) eine kurze Einführung über den sogleich beginnenden Film hielt, sowie auf seine Zensurgeschichte hierzulande und auch über Margheriti's Schaffen außerhalb des gothischen Horrorfilms einging, ratterte der Projektor hinter uns schon los und wir kamen in den Genuss der ''raren'' dt. Fassung von DIE GRUFT DER LEBENDEN LEICHEN (einen zugegebenermaßen echt dämlichen und irreführenden Alternativnamen aus der germanischen Titelschmiede). Schöne Farben, manchmal etwas seichter Grieselschauer und liebevolle Vertonungskunst ließen nostalgische Gefühle in uns brodeln, mal davon abgesehen das der Film allein dieses sowieso schon vollbracht hätte. Ich kann mich sowieso nicht an den 60er-Gruselwerken aus Bella Italia satt sehen, zu sehr betteln frische Details mit jeder erneuten Sichtung darum, vom Zuschauer entdeckt zu werden, was natürlich auch dem damaligen Einfallsreichtum der nicht gerade Budget-begünstigten Inszenatoren zu verdanken ist und so wechselt sich auch hier beispielsweise in der zum Ende angesetzten Höhepunkt-Sequenz, eine Set-Attrappe mit realen Drehort im Schnitt ab und suggeriert dem Zuschauer damit eine gelungene Illusion, welche aus heutiger Sicht natürlich etwas leichter zu durchschauen ist, man aber dennoch als Fan von solchen liebevollen Behelfchen in schwärmende Verzückung geraten kann.
Über die Zensurgeschichte möchte ich nicht näher eingehen, denn es wäre ohne spoilernden Nebeneffekt sicher unsinnig darüber zu informieren, jedoch funktionierte die dt. Schnittfassung auch ohne den angestrebten Hintergrund des Regisseurs, welcher DAS SCHLOSS DES GRAUENS damit in ein bedrückend-ernsthafteres Licht rückt, wobei dieser Nebeneffekt den Film zu keinem Augenblick seiner unendlich vielen Wohlfühlmomente beraubt. Und davon gibt es so einige, egal ob traumhaftes Setting rund um die schöne Burg, den Folterkeller mit allerlei Schmerzinstrumenten oder dem jauchzend-schönen Soundtrack von Riz Ortolani, welcher zwar eher mit Bedacht im Hintergrund dudelt, aber zu den Spannungsmomenten immer mit einem Paukenschlag ausholend die Szenerie erschüttert.
Und Christopher Lee? Wieder zur Nebenrolle degradiert und mit per Make-Up eine Fratzenhälfte modifiziert bekommen, wird ihm der Part eines mysteriösen (und offensichtlich furchteinflößend-wirkenden) Diener zugeschrieben und Lee wäre nicht Lee, wenn er auch aus dieser Kleinstrolle nicht das Beste herausholen würde. Rossana Podestà erhielt dagegen den weiblichen Hauptpart und lässt den geneigten Zuschauer öfters an ihren ermittlerischen Gedankengängen teilhaben - mal nervend, mal amüsant, aber keinesfalls unpassend zur damaligen Zeit - ob man nun dem einstigen Publikum nicht zugestehen wollte, selber die jeweilige Situation zu erfassen, möchte ich mir an dieser Stelle nicht anmaßen, aber es fällt gegen Ende schon arg auf, auch wenn es keinesfalls von mir als negativ gewertet werden soll!
Nach Abschluss der doch nicht so schlecht besuchten Vorstellung, wurden die Zensurschnitte dennoch per DVD für das artig-sitzengebliebene Publikum auf die Leinwand übertragen, womit auch der filmhistorische Anspruch vom KommKino an die Gäste abermals gewahrt wurde. Sollte irgendwann eine HD-Veröffentlichung in unseren Breitengraden stattfinden, so plädiere ich dennoch dafür, dass die dt. Ur-Fassung mit auf den Silberling verewigt wird - als Bonus neben Margheritis präferierter Originalversion versteht sich.
Wer allerdings noch mehr über den Film lesen möchte, dem sei natürlich der Eintrag von Mauritia Mayer auf ihrem Schattenlichter-Blog ans Herz gelegt.
Das Grab der lebenden Puppen (Dark Places)
Großbritannien 1973, dF, 35mm, 91 Min., D: R: Don Sharp, D: Robert Hardy, Christopher Lee, Joan Collins, Herbert Lom, u.a.
Edward Foster (Robert Hardy) saß einst mit Andrew Marr in der Psychiatrie, wo ihm der sterbende Mitinsasse seine alte Villa (inklusive gebunkerten Vermögen) vermacht. Auf den Mammon sind natürlich auch andere Gestalten wie der Arzt Mandeville (Christopher Lee), seine attraktive Schwester Sarah (Joan Collins) oder der Anwalt Prescott (Herbert Lom) scharf. Doch Edward erliegt sehr schnell der psychologischen Wirkung des Hauses, welches ein schlimmes Geheimnis zu bergen scheint und Foster vehement zu immer länger andauernden Transformationen seiner eigenen Persönlichkeit verleitet...
Hui, die Überraschung des Abends - keine Frage, aber zur eigentlichen Bewunderungserklärung muss ich etwas weiter ausholen. Denn ich kam vor längerem schon einmal während eines Filmabends unter Freunden in den Genuss dieses Films. Allerdings hielt die Freude nur kurz, denn er wurde quasi als After-Midnight-Nastie eingestreut und da konnte er zum damaligen Zeitpunkt nur versagen, denn die Kräfte waren für diesen leisen Psycho-Trip arg erschöpft und ich musste dem Schlaf nachgeben. Bedauerlich, wie ich erst gestern erfahren musste, denn der Film kann so einiges und ich muss mich ehrlich gesagt wundern, warum dieser feine 70er GB-Thriler noch nicht in den Genuss einer digitalen Veröffentlichung hierzulande kam, denn soweit ich mich erinnere ist die einzige bisherige dt. Auswertung eine VHS aus dem Hause IMV/Bavaria, welche in grässlichem Vollbild auf das Magnetband aufgespielt und somit sämtliche Farben ihrer eigentlichen Wirkung beraubt wurden - glaubt mir, das sah' aus wie eine TV-Produktion ohne jegliche Ambitionen. Umso erstaunter war ich gestern über die strahlend-kalte Farbgebung der Kinokopie, welche sicherlich nicht einwandfrei von Mängeln zu bestaunen war, dennoch dem Originalformat bedeutend näher als das einstige Tape kommt und eben keinen billigen Verschleierungseffekt in der Präsentation beinhaltet.
Okay, zurück zum Film, denn dieser zog wohl viele (der leider wenig-verbliebenen) Restbesucher in seinen Bann - wer weiß, vielleicht übte Marr's Haus ja auch Einfluss auf den Kinosaal aus? Spaß beiseite, denn Hauptdarsteller Robert Hardy verblüffte mich zunehmend mit seiner in den Wahnsinn-abrutschenden Figur und spielte diese Charaktermodulation absolut glaubhaft mit Passion, dazu kommen noch einige seltsam-anmutende Kamerawinkel von Ernest Steward, welche das verworrene Schauspiel Hardy's beflügeln und in kurzen Momenten eine morbide Stimmung verbreiten, die man in ähnlichen britischen Genrevertretern aus dieser Entstehungsdekade leider vergeblich suchen wird. Christopher Lee ist als gieriger Medizinmann unterwegs und besitzt hier von allen drei gezeigten Filmen womöglich die meiste Screentime. Ihm zur Seite steht Joan Collins, welche als verführerische Schlange auftritt, aber bald Gefühle für den neuen Hauserben entwickelt, die natürlich auch seinerseits erwidert werden. Und da muss ich auch gleich wieder die Feierstimmung in gewissen Momenten im KommKino loben, denn in der Sequenz wo Madame Collins dem Zuschauer als putzende Hausfrau freie Sicht bis zum unbekleideten Oberschenkel gewährt und den lüstern und schmachtend dreinblickenden Foster somit alle Sinne vernebelt, ja...das sind die Momente wo das kollektive Schmunzeln und Lachen ausbricht und das Publikum miteinander beim Betrachten vernetzt wird - unbezahlbar, solche Augenblicke!
Fest steht jedenfalls, das dieser Film förmlich nach einer digitalen Veröffentlichung schreit, denn Regisseur Don Sharp (DER FROSCH) schunkelt hier ganz prächtig im Fahrwasser ähnlicher britischer Früh-70er-Psycho-Kapriolen von Inselkollegen wie Jimmy Sangster oder Freddie Francis, vielleicht nur tiefgründiger...aber auf seine ganz spezielle Art!
Nunja, auch wenn der Hintergrund in diesem Fall doch eher trauriger Natur war, so könnten solche 35mm-Werkschau-Happenings meinetwegen ruhig öfters über den Screen flimmern, womit ich abschließend auch nochmal ein dickes Lob an das KommKino mit den jeweiligen Organisatoren, Vorführern und sonstigen Involvierten dieser extrem gelungenen Memorial-Celebration aussprechen möchte.
Tobias Reitmann
Ein kleines Resümee zum DP-Forentreffen am 29. August 2015 in Köln
Schon zum 3. Mal lud das Something Weird Cinema, welches im Kölner Filmhaus sein cineastisches Unwesen treibt, zum Forentreffen der Dirty Pictures-Gemeinde ein - seines Zeichens ein beliebtes Eurokult-Forum und Anlaufstelle zahlreicher Indie-Labels rund um den unterschlagenen Film.
Zugkraft des Ganzen war natürlich auch die Sichtung zweier älterer 35mm-Perlen und so entschied man sich für einen schlüpfrigen Italo-Sleazer, sowie einen amerikanischen Überraschungsfilm zu mitternächtlicher Stunde - neben diesen beiden Präsentationen und der Zusammenkunft gleichgesinnter Filmfans, natürlich Grund genug für die Italo-Cinema-Gang, der Domstadt einen Besuch abzustatten.
Nachdem der Magen gut gefüllt wurde und die ersten Plauschereien hinter uns lagen, begab sich der Trupp' gegen 21:00 Uhr in Richtung Maybachstrasse, wo das Filmhaus seinen Sitz hat. Im Foyer prangt auf einem SWC-Plakat hinter der Bar, durchströmt von grellem Licht der Spruch: "One Man's Garbage Is Another Man's Gold" und mit solchen Phrasen in Bezug auf Cinephelie hat man mich ganz schnell an den Eiern. Viel Platz zum Plauschen konnte der Vorraum bieten und zwei alte Projektoren wurden ebenfalls stilvoll platziert - ein wonniges Gefühl keimte in mir auf und so ging es nach etwas Smalltalk endlich rein in den gemütlichen Saal.
Nach einer kleinen Trailershow für kommende Attraktionen, startete endlich der Film, nämlich Silvio Amadio's Schundbombe "Wenn bei süßen Teens die Hüllen fallen". Unvermeidlich denkt man sofort an ähnlich-gelagerte Filmtitel aus der "Flotten Teens"-Reihe oder vergleichbare Werke aus dieser Filmepoche, aber mitnichten sollte man Amadio's lüsternes Liebesdrama zu diesen klamaukhaften Reigen mit dazuzählen, denn dieser Film schmiert wie eine ölige Fahrradkette und kann damit durchaus ein maximales Unterhaltungspotential verbuchen. Mit Teenie-Schnuckelchen Gloria Guida in der Hauptrolle, sowie Anita Sanders als Mütterchen mit lasterhaften Gelüsten, gibt es zwei adrette Ladies zu bestaunen, welche das männliche Publikum vehement bei der Stange halten dürften. Nino Castelnuovo übernimmt die Rolle des Berufsversagers, dem sich eine neue Aufstiegschance in der Gärtnerbranche bietet. Frau Sanders scheint dem Ungelernten blind abzukaufen, dass er gewillt ist, den Familiengarten in Küstennähe fachmännisch zu betreuen. Aber da ist noch Mimmo Palmera, welcher nur Augen für Frau Guida hat und dementsprechend ausflippend agiert. Absoluter Höhepunkt ist dann aber, als Palmera einen epileptischen Ekstase-Tanz par excellence aufführt, bei dem ich fast aus dem Kinosessel geflogen wäre - ja, Palmera ist hier der heimliche Star, dicht gefolgt von Roberto Pregadio's Easy-Listening-Gedudel, welches eingängig in bester Cipriani-Manier in die Hörritzen gleitet und dem Film (aus meiner Sicht) noch ein bisschen mehr Flitterprestige verleiht. Erwähnte ich schon die dt. Synchronisation aus dem Hause Schier? Nein? Okay, dann sei auch an dieser Stelle nochmal gesagt, dass Uwe Schier's galante Vertonungskünste Amadio's Werk in ungeahnte Sleaze-Sphären schleudert - ob die Akteure in der Urspungsversion verbal auch so hemmungslos zu Werke gingen? Auf alle Fälle wurde meinerseits wieder eine kleine Perle entdeckt, welcher ich mich sicher noch öfters hingeben werde.
Kurzer Plausch zu einem aufputschenden Getränk, dazu etwas frische Luft um die benebelten Sinne wieder etwas auf Vordermann zu bringen und schon ging's in die zweite Runde pünktlich zur Geisterstunde, was sich als sehr treffend erwies - denn die Beschreibung "Midnight Nastie" passte zum nächsten Film wie die Faust auf's Auge. Zuvor noch eine aufschlussreiche und amüsante Einführung des SWC-Spielleiters, wo man über die versteckte Bildung in Bezug auf Fremdsprachen beim damaligen Importieren holländisch-untertitelter VHS-Kassetten von Filmen sinnierte, welche in der BRD (meist zu Unrecht) einen schweren Stand hatten. Ich kannte dieses Phänomen selbst noch, denn in meiner VHS-Sammlung befanden sich mit "Freitag der 13. - Das letzte Kapitel" und "The Texas Chainsaw Massacre" ebenfalls zwei niederländische Tapes in meinem Besitz, wo man beim Schauen unbewusst die untertitelten Textpassagen aus dem Tulpenland wahrnehmen konnte. Aber zurück zum Mitternachts-Schlocker, dessen Sichtung in diesem Fall schon die unzähligste sein müsste - zu oft flog VHS oder DVD davon schon in den heimischen Player. Leider aus meiner Sicht kein Film, dem man das Prädikat "absolut zeitlos" verleihen kann, zu sehr lahmt doch der Mittelteil, welcher zwar gewisse "tromatische" Tendenzen aufweist, aber nicht mehr die schwarz-humorige Intensität vergangener Male (zumindest meinerseits) aufweisen konnte, auch wenn ich den Anfang und das erbarmungslose Ende immer noch extrem stimmig finde, vielleicht war ich auch in einer schlechten Verfassung oder die süßen Teens haben meine Sinne davor zu stark ge-blurred, wer weiß? Trotzdem eine schöne Sache, diesen damaligen Eltern-Empörer mal auf der großen Leinwand zu sehen!
Danach ging's mit den restlichen Verbliebenen noch in eine kleine köll'sche Trinkspelunke, um nochmal den Abend Revue passieren zu lassen und über eventuelle zukünftige Sausen zu philosophieren.
Einen kleinen Wermutstropfen gab's aus meiner Sicht dennoch, nämlich die miserable Beteiligung seitens der User des doch so hochgelobten "besten Forums des italienischen Genrefilms". Da werden zwei absolute Knaller von 35mm in stimmiger Atmosphäre serviert und der (zumindest nicht von mir) erwartete Ansturm blieb erneut aus. Was ist los mit der eingeschworenen Italo-Front? Lieber zu Hause vor der Glotze hocken? War das Wetter zu straff für solche kontrastreichen Filmexperimente? Jedenfalls sehr schade, dass die Nachfrage für solche internen Events nicht so groß zu sein scheint - zudem es sich um ein schönes Kino mit netten Leuten drumherum, sowie absolut schicken Ambiente handelt. Das IC-Grüppchen fand es jedenfalls schön im SWC-Korsett vom Filmhaus und kommt bestimmt irgendwann mal wieder (spätestens zum "Besonders Wertlos" - Festival im März nächsten Jahres) - auch an dieser Stelle nochmal vielen Dank an das Filmhaus, Something Weird Cinema, DirtyPictures und den angereisten Enthusiasten von nah und fern!
PS: Hat zwar mit dem italienischem Genrefilm rein gar nix zu tun, aber etwas Sightseeing und Kontrastprogramm muss ja trotzdem sein, zumindest wenn man schon knapp 900 Kilometer im Auto an einem Wochenende verkutscht. So trieb es uns auf der Rückfahrt durch den Spessart und da nicht zuletzt, durch den unermüdlichen Einsatz des Münchner Werkstattkinos, mein Geschmacksempfinden für den Heimatfilm etwas feiner geschult wurde, machten wir einen kurzen Abstecher zum Schloß Mespelbrunn (im gleichnamigen Ort). Filmhistorische Verwendung fand dieses Wasserschloss übrigens in Kurt Hoffmann's "Das Wirtshaus im Spessart" mit Liselotte Pulver von 1958 und wir waren von der idyllischen Ruhe der Ortschaft und vom schönen Burganwesen absolut verzückt!
Ein kleines Resümee zur 35mm-Sause vom 13. Juni 2015
Gleich vorweg... ich hatte mich schon Wochen zuvor auf diesen Tag gefreut, nicht nur weil es vier knackige Streifen im allerschönsten Filmformat gab, sondern weil auch viele Filmfreunde und Gleichgesinnte zum besagten Event hinpilgerten, wobei sie dem Hinderniss von langen Wegen und Fahrten regelrecht trotzten, um bei diesem Spektakel "live" mit dabei zu sein.
Pünktlich vor'm Kino angekommen, versammelte sich auch schon eine Schar von Filmliebhabern, um endlich ihre begehrten Tickets (und ganz besonders die Vorbesteller ihre Serum Schwarz-Brause) in Empfang zu nehmen. Es hieß uns ein sehr freundliches Personal willkommen, welches wohl nicht mit so einem Andrang an einem sonnigen Samstagnachmittag gerechnet hatte und nachdem jeder ein Los für's Gewinnspiel vor jeder Vorstellung eingesackt hatte, ging's in den großen Saal hinein, welcher schon anständig mit beschwingtem Gedudel von damals beschallt wurde - natürlich stilecht von einem alten Tonbandgerät, denn wenn man sich schon darauf einläßt, einen langen Abend in der Vergangenheit zu verbringen, dann aber richtig!
Eingeläutet wurde die Festivität vom Spielleiter Bernd, welcher ein paar Worte über das KultKino-Event verlauten ließ, sowie einen herzlichen Dank an's Publikum ausrichtete, weil es so zahlreich erschienen war - nur lieber Bernd, haben wir Dir in erster Linie zu danken, dass Du uns so eine leckere Filmauswahl kredenzt hast und natürlich auch vom Gesamtkonzept, sowie dem ganzen reibungslosen Ablauf - es war wunderschön.
Und endlich fing der Projektor hinter uns zu rattern an...FILM AB! Der erste von vier Streichen war "King Kong gegen Godzilla" - ein japanischer Kaijū-Film von Regisseur Jun Fukuda. Eine tolle Kopie verzückte unsere Augen und das Story-Geflecht um die außerirdischen Invasoren, welche mit ihrer mechanischen Superwaffe King Kong den Erdenbewohnern, sowie den Monstern Godzilla, Rodan und König Caesar mächtig einheizen. Die deutsche Vertonung war natürlich wieder total fesch und hatte wohl das ABC der damaligen Sprecher-Elite an Bord, sehr zum Gefallen des Kinopublikums. Eine feine Sause und erst recht ein gelungener Auftakt, aber keine Angst - die nachfolgenden Filme sollten der asiatischen Monsterklopperei vom Unterhaltungsfaktor in keinster Weise nachstehen!
Weiter ging's nach kurzer Pause, Gewinnspiel und ein paar feinen Trailern mit "Quintero - Das As der Unterwelt", in unseren Breitengraden aber auch schlicht und einfach unter "Der Killer" bekannt. Klaus Kinski prangerte fett mit maschineller Puste auf dem Plakat, aber zog in diesem italienischen Gangster-Thriller nur die Nebenrolle, welche aber trotzdem viel Rabatz machen darf. Mit Nello Pazzafini, Franco Citti und Maurice Poli wurde das Treiben mit bekannten Gesichtern besetzt und konnte so in der ersten Stunde das Publikum in einen Rausch ziehen - vielen beinharten Sprüchen und unfreiwilligen Lachsalven inklusive. Auch hier wieder wunderschöne Farben und überhaupt waren die Filmkopien, daraufhin betrachtet, das sie schon mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel haben, in bester Verfassung - kein Rotstich, ein paar kleine Verunreinigungen, aber sonst wurde uns ein sehr knackiges Bild präsentiert.
Nach einem kurzen Snack zum Abend, ging's in die 2. Halbzeit, welche mit Lee Frost's "Sadomona - Insel der teuflischen Frauen" angestimmt wurde. Hui...was war denn das bitteschön für eine grindhousige Bombe? Dicke Sprüche, hübsche Bräute und ein regelrechtes Verlangen nach Gewaltexzessen - wir waren im 7. Schundhimmel. Sondra Currie heizt hier als Polizistin Lacy Bond (ja, über ihren Nachnamen machen sich auch schon die Kollegen von der Sitte lustig - aber ihnen vergeht das Lachen ziemlich schnell wenn Lacy im Rauf-Modus ist) dem Verbrechergesindel hier mächtig ein und schreckt nicht davor zurück, das elende Pack in ausufernder Notwehr zu malträtieren, welche hier in Form von rebellischen Babes, angeführt von einer älteren Dame, Unruhe stiften wollen. Ein Film, wie gemacht für Subkultur's Grindhouse Collection und eine wahre Partyrakete, der Saal war teilweise am ausflippen, aber staunte auch ab und zu nicht schlecht, mit welche Vehemenz hier gewaltmäßig zugeschlagen wurde - nunja, anscheinend ist auch Mr. Tarantino ein großer Fan von Frost's Werk, wie wir in der Vorrede erfahren durften.
Bevor dann Mario Mancini's Gruselheuler "Frankenstein '80" - ein unfreiwillig-wahnwitziges Horrorschmankerl aus Bella Italia, den Abschluss machte, gab es noch eine kurze Danksagung vom Kinobesitzer, welcher wohl auch nicht mit so einer Resonanz gerechnet hatte und auch für ihn dürfte der Kurztrip in die Vergangenheit geglückt sein, denn er hatte wohl schon seit ein paar Jährchen keinen 35mm-Projektor bedient. Wir waren berührt von seiner Ansage und konnten uns nun, nach heftigen Applaus in's letzte filmische Schundabenteuer stürzen. Nun sah' ich "Frankenstein '80" schon zum vierten Mal, aber trotzdem die Laufstreifen gelegentlich auf und ab tanzten, konnte ich diesen Film in seiner schönen Farbenpracht endlich einmal auf dem großen Screen erblicken und ja...es hat sich vollends gelohnt. Sicher ist, das Mancini etwas holprig zum Ende hin inszenierte, auch musste die Laufzeit mit unwichtigen Kram gestreckt werden - aber was hier in der ersten Stunde für ein Feuerwerk abgefackelt wird, sucht seinesgleichen. Was wäre dieser Film ohne unsere deutsche Vertonung, welche hier vollends auf die Tube drückt, unfreiwillige Mimik - und Vertonungslacher im Minutentakt werden serviert, sowie die obskuren Momente rund um das zusammengeschusterte Monster Mosaic und das berühmte Serum Schwarz - nach der Vorstellung zeigten sich so einige Besucher von diesem rüpeligen Grusler begeistert.
Tja...ein letztes Mal Applaus und dann war es auch schon wieder rum, das schöne Festival im bayrischen Outback - aber wir kommen gerne wieder!
Abschließend auch hier nochmal ein großer Dank an die Veranstalter, das Filmcenter Dillingen, dem freundlichen Personal und natürlich den zahlreich angereisten Fans dieser "leicht angestaubten" Perlen - es war mir wie immer ein großes Vergnügen, einem so feinen Kreis an Filmliebhabern beizuwohnen.
PS: Die gute Mauritia Mayer hat auf ihrem Schattenlichter-Blog ebenfalls ein paar schöne Zeilen zum Event verfasst.