Einladung zum Totentanz

Italien, 1968

Originaltitel:

...e venne il tempo di uccidere

Alternativtitel:

And Then a Time for Killing (USA)

Chegou o Tempo de Matar (BRA)

La loi des colts (FRA)

Serif zvani cutura (YUG)

Tequila Joe (ESP)

Time and Place for Killing (USA)

Deutsche Erstaufführung:

1. Oktober 1971

Regisseur:

Enzo Dell'Aquila

Inhalt

Ein Fremder (Burt) kommt nach Rio Venado (so die Schauplatzinfo auf dem VHS-Einleger), um seinen Dienst als Hilfssheriff anzutreten. Kraft seiner flinken Inspektion stellt der Fremde fest, dass an seinem neuen Arbeitsplatz das Gesetz missachtet wird und ein Menschenleben nicht einmal den oft zitierten Bewertungsmaßstab mit Namen Pfifferling wert ist. Der Grund liegt in einem Streit zwischen den Trianas und den Mulligans, der bereits unbeteiligten Stadtbürgern das Leben kostete. Der Sheriff (Joe) kümmert sich schon lang nicht mehr um die Aufrechterhaltung der Ordnung und der einhergehenden Verbrechensverhütung, denn der Verlust eines Familienangehörigen führte ihn in die Abgründe von Frustration und Depression. Zwei emsige Spielgefährten, deren Überaktivität nur mit hochprozentigen Gesöffen gedämpft werden kann, was Joe den Namen Tequila Joe einbrachte. Burt will nun seinen Vorgesetzten dazu motivieren, die außer Kontrolle geratene Situation ins Gleichgewicht zu rücken und zwischen den verfeindeten Familien zu vermitteln. Doch aus der gut gemeinten Absicht wird eine Einladung zum Totentanz… 

Review

Enzo Dell'Aquila verfasste die Drehbücher zu den beiden McGregor-Filmen und war an den Skripten zu FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR, EINE PISTOLE FÜR RINGO und DJANGO – SEIN GESANGBUCH WAR DER COLT beteiligt, was zugleich die Glanzlichter seines cineastischen Schaffens reflektiert. An die Regie hat sich Dell'Aquila gemäß der ofdb zweimal rangetraut. Inwieweit er an dem Episodenfilm ERSTENS, ZWEITENS, DRITTENS allerdings tatsächlich inszenatorisch beteiligt ist, konnte ich nicht eruieren. Was dafür spricht, ist ein Auszug aus einer Filmkritik des Spiegels von 1964: […] gute Geschichten, schlecht inszeniert […]. Daraus lässt sich simpel lesen, dass ich Dell'Aquilas inszenatorische Fähigkeiten nicht wirklich schätze, denn seine 1968 in Italien debütierende, vermutlich zweite und definitiv letzte Regiearbeit konnte mich nicht überzeugen.

 

Dafür sorgt u. a. sein gemeinsam mit Fernando Di Leo verfasstes unausgegorenes Drehbuch. Dieses klärt uns nicht über Grund und Ursprung der thematisierten Fehde zwischen den Trianas und den Mulligans auf. Ich mag den Familien allerdings nicht absprechen, dass sie den Anlass evt. vergessen haben. Mark Twain schreibt nämlich in diesem Kontext (vergleiche „Leben auf dem Mississippi“): […] Niemand weiß heute mehr, wie der erste Ärger entstand – es ist zu lange her; die Darnells und die Watsons wissen es nicht. […] 

 

Mit Blick auf den Ursprung der Fehde sind wir Rezipienten also während wie auch nach unserer Sichtung von EINLADUNG ZUM TOTENTANZ ebenso kenntnisarm wie die Darnells und die Watsons, und ggf. ist den Trianas und den Mulligans (dem literarischen Beispiel Mark Twains folgend) die Wurzel des beidseitigen Hasses dito entfallen. Das Problem an dieser offenen Konstellation ist jedoch, dass man einfach keinen Bezug zu den rivalisierenden Personen aufbauen kann. Und wenn ich die Darstellerriege genau betrachte, liefert mir diese einfach keinen Sympathieträger. Der in diesem Zusammenhang vermutlich oft genannte Dragomir Bojanic macht seine Sache als versoffener Sheriff Tequlia Joe zwar relativ ordentlich, aber irgendwann konnte ich die sich selbst bemitleidende Fresse nicht mehr sehen sowie das daraus sprudelnde Gejammer nicht mehr ertragen. Wenn ich zum Vergleich an Dean Martin in der Rolle des Dude in RIO BRAVO denke, wow, was hat Dino als versoffener Hilfssheriff für eine geile Show abgezogen. Das war, als wenn Heiligabend und Silvester auf einen Tag fallen. Fortwährende Feierlaune und knisternde Spannung vor und ein Feuerwerk von Mimik und Rhetorik in der Glotze. Vielleicht lieferte der tolle Western von Howard Hawks ja den Grund, warum der Schauplatz von EINLADUNG ZUM TOTENTANZ auf den Namen Rio Venado getauft wurde. 

 

Von einem Feuerwerk, wie es Dude in Rio Bravo abfackelt, ist EINLADUNG ZUM TOTENTANZ übrigens so weit entfernt wie die schneebedeckte Spitze des Mount Everest zum feuerspeienden Kīlauea auf Hawaii. Auch die zumeist recht feurige musikalische Einleitung eines Italo-Westerns ist diesmal sehr kühl geraten. Dabei klingt der Auftakt gar nicht mal so übel und transportiert jenes akustische Gitarrenspiel, das wir aus „Walk by my Side“ (DJANGO, EIN SARG VOLL BLUT) kennen. Doch auf einen ähnlich herzerfrischen Refrain warten wir vergeblich, denn das von Raoul interpretierte und von Francesco De Masi komponierte Leitmotiv „A man alone“ (nicht mit dem gleichnamigen Song aus DJANGO - SEIN GESANGBUCH WAR DER COLT zu verwechseln) ist eine äußerst fade Angelegenheit. 

 

Denke ich an Franzosen im Italo-Western, so fallen mir umgehend Jean-Louis Trintignant und Johnny Hallyday ein. Bei EINLADUNG ZUM TOTENTANZ bekommen wir es mit dem Franzmann Jean Sobieski zu tun, der gar gemeinsam mit Trintignant für Giulio Questis abgefahrenen und ziemlich geilen Film DIE FALLE (FRA, ITA / 1968) vor der Kamera stand. Sobieskis Filmografie ist überschaubar. Bei deren Inspektion stößt man allerdings auf Filme, die ich verflucht gern mal schauen würde. Doch leider haben es DAS MÄDCHEN ARIANE (hier wirkte Nico von Velvet Underground mit) und PLAYGIRL 70 bisher nicht ins bundesdeutsche Heimkino geschafft, so dass ich dem persönlichen Interesse leider keine Abhilfe schaffen kann. In EINLADUNG ZUM TOTENTANZ gibt Sobieski den Hilfssheriff Burt, der die Aufgaben seines versoffenen Vorgesetzten übernimmt und damit zusätzlichen Ärger anrichtet, was Joe´s Tequila-Konsum ins Unermessliche steigen lässt. 

 

Was Joe nicht besitzt, besitzt Burt in einem üppigen Ausmaß. Doch geht dieses Selbstbewusstsein mit einer Selbstüberschätzung einher, die dafür sorgt, dass er oftmals was aufs Maul bekommt. Aber mit jedem eingesteckten Schlag wächst seine Unverwundbarkeit, auf das er schon bald (als IW-Supermann) konkurrenzlos und von unsichtbaren Schutzengeln flankiert, dem finalen Gefecht entgegen schreitet. Was Burt von den ganzen Trianas und Mulligans unterscheidet, ist, dass man zu ihm einen Bezug aufbauen kann und ihn als Reflektorfigur akzeptiert. 

 

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Reflektorfiguren, die Antihelden der italienischen Westernlichtspiele, bevorzugt mit dem gängigen Rufnamen (welcher könnte das wohl sein?) ausgestattet wurden. Das der bundesdeutsche Verleih als auch das Münchener Videolabel VMP jedoch keine Anstalten machten EINLADUNG ZUM TOTENTANZ den Django-Stempel aufzudrücken, juckte Savoy herzlich wenig. Demgemäß schmuggelte man (wie unsinnigerweise auch bei ICH BIN EIN ENTFLOHENER KETTENSTRÄFLING, DIE TODESMINEN VON CANYON CITY, DIE IM STAUB VERRECKEN) den Namen Django in die deutsche Firmierung als auch in die fesche Artwork, welche die Frontseite des DVD-Einlegers vollumfänglich attraktiv erscheinen lässt.

 

Ob sich die Verantwortlichen den Film überhaupt geschaut und sich nähere Gedanken darüber gemacht haben, wer denn schlussendlich Django sein soll, lasse ich dahingestellt. Das Label hat ja auch einige Eastern veröffentlicht, auf deren Backcover Bildmaterial integriert wurde, das nichts mit dem eigentlichen Film zu tun hat. Man muss allerdings kein Sherlock Holmes sein, um der Figur Burt und nicht dem Suffkopf Tequila Joe den publikumsträchtigsten aller IW-Rufnamen zuzuschustern. 

 

Und wo wir gerade beim Thema Titelheld sind, ist Burt nach meinem Dafürhalten irgendwie und sowieso mehr Held als Antiheld. Er versucht Tequila Joe von der Flasche wegzubringen. Er versucht zwischen den verfeindeten Parteien zu vermitteln. Seine Ansprachen sind von Diplomatie durchzogen und wenn trotz alledem nichts fruchtet sollte, dann droht er nicht mit Tod und Teufel, sondern mit den Bundestruppen. Eigentlich ist Burt viel zu brav für einen Italo-Westerner. Er lässt sich auch gleich zu Beginn von den Dorfblagen verarschen! So etwas hätte sich bei Jonny Madoc oder den dreihundertzweiundachtzig Djangos, die in den stiefelländischen Bleiopern ihr Unwesen treiben, keine Rotznase getraut. 

 

Wer mehr als eine Handvoll Western geschaut hat, der wird wissen, dass Kinder hin und wieder auf den Straßen der jeweiligen Westernstädte bestimmte, bleihaltige Ereignisse nachspielen. Gelegentlich kann dabei der Schuss nach hinten losgehen und der Sheriff, dessen Tod man soeben imitierte, steht plötzlich inmitten des Spielgeschehens, siehe Bill Kane in ZWÖLF UHR MITTAGS. Neben spielenden Kids taucht dann und wann auch ein Bettler oder eine Bettlerin auf, der/die vermutlich das zweite Gesicht besitzt oder zumindest weitaus mehr auf dem Kasten hat als man annehmen könnte, sodass man ihm/ihr nicht abweisend oder beleidigend entgegentreten sollte, denn so etwas kann (wie beim berühmten Spiegel- oder Doppelgängermotiv) sehr wohl mit dem Tod vergolten werden. Ja, ja, das sind so Kleinigkeiten, an denen ich mich schon mal hochziehe, wenn ein Film zielstrebig in die Bedeutungslosigkeit steuert. 

 

 

Fazit: EINLADUNG ZUM TOTENTANZ ist vor vorn bis hinten absehbar. Spannung ist ebenso inexistent wie jene Twists, mit denen ein Film den enttäuschten Zuschauer ggf. auch noch im allerletzten Moment auf seine Seite ziehen könnte. Auch wenn ich prinzipiell dagegen bin, einen Italo-Western dem Gutdünken bornierter Vollstrecker wie denen des Filmdiensts auszuliefern, mag ich deren Urteil („Öder Italo-Western“) ausnahmsweise nichts entgegensetzen. 

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