Sommersprossen

Deutschland | Italien, 1968

Originaltitel:

Sommersprossen

Alternativtitel:

Freckles (GBR)

I gangsters dalla faccia pulita (ITA)

Beyond Control (USA)

Sex and Violence Beyond Control (USA)

What a Way to Die (USA)

Tommy Gun Story

Deutsche Erstaufführung:

09. Oktober 1968

Kamera:

Igor Luther

Inhalt

Deutschland im Jahr 1934. Die brutalen Verbrecher Waldemar Velte (William Berger) und Kurt Sandweg (Helmut Förnbacher) entgingen nur knapp der Todesstrafe. Zu lebenslanger Haft verurteilt, sitzen sitzen sie nun im Gefängnis, doch sie tüfteln bereits einen Plan aus, um das Weite zu suchen. Als ihnen der Ausbruch schließlich gelingt, müssen sie irgendwie an Kapital kommen, um unbehelligt verschwinden zu können. Bei einem Banküberfall erbeuten sie nicht nur Geld, sondern auf ihr Konto gehen auch einige Todesopfer. Die beiden von der Polizei Gehetzten schaffen es, gemeinsam mit dem von Sandweg aufgelesenen Ganovenliebchen Brigitte (Giorgia Moll), das Land zu verlassen und kommen bis Basel. Es sieht sogar so aus, dass die beiden dem kriminellen Dasein den Rücken zukehren, denn Velte lernt die Schallplattenverkäuferin Monika (Helga Anders) kennen, in die er sich verliebt. Doch dann geht ihnen plötzlich das Geld aus...

Autor

Prisma

Review

Bei "Sommersprossen" handelt es sich um das Kinodebüt des Baseler Regisseurs Helmut Förnbacher, dem anhand der Hochwertigkeit dieser Produktion zu attestieren ist, dass er seinerzeit nicht umsonst als Hoffnungsträger für den deutschsprachigen Film gehandelt wurde. Wenig später sollte er sein Talent allerdings in deutschen Erotik-und Sexklamotten vergeuden, sodass seine Spielfilmkarriere bereits 1970 beendet war, wenngleich er bis Mitte der 2000er Jahre immer wieder für das Fernsehen inszenierte und selbstverständlich auch hauptsächlich noch als gern gesehener Schauspieler aktiv war. "Sommersprossen" leitet zunächst und nicht zuletzt wegen des alles- oder nichtssagenden Titels in die Irre, daher ist es nicht von der Hand zu weisen, dass eine Klamotte nach Art des deutschen Hauses zumindest in Erwägung gezogen werden könnte. Überraschenderweise zeigt sich eine vollkommen andere Marschrichtung, die ganz offensichtlich im Fahrwasser des internationalen Erfolgs der ein Jahr zuvor entstandenen Hollywood-Produktion "Bonny und Clyde" entstanden ist, aber dennoch ein sehr eigenständiges Profil präsentiert. Gedreht wurde mit viel Aufwand und Finesse, außerdem Witz und Ironie und der Thematik entsprechend selbstredend auch mit brutalem Raub und Mord. Helmut Förnbacher entschärft die teils drastischen und ungemütlich wirkenden Bilder durch eine konträr eingesetzte musikalische Untermalung, die zunächst fremd und deplatziert wirkt, dem Ganzen aber keinesfalls den doppelten Boden raubt. Vielmehr lässt sich sagen, dass es zu angemessen integrierten Atempausen und einer raffiniert ausbalancierten Geschichte mit komödiantischen Untertönen kommt, die vor allem durch zahlreiche rasante Szenen und den Variantenreichtum glänzt. Abwechslung wird innerhalb der eigentlich isoliert wirkenden Grundvoraussetzung, in Form einer determinierten Geschichte, ganz groß geschrieben, was durchgehend und vielleicht sogar wider erwarten für hochwertige Eindrücke sorgen kann.

 

Die Genre-Klassifizierung geht trotz dieser Stilmittel nicht in die halbe Richtung der klassischen Komödie, denn vielmehr bleibt der Eindruck eines gewitzt voranschreitenden Kriminaldramas, das vielleicht zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Die eigentlich negativ angelegten und durch ein Gericht beinahe zum Tode verurteilten Protagonisten stecken die Moral und bestehende Gesetze kurzerhand in die Tasche, um sich ein besseres Leben zu erwirtschaften. Obwohl diese kurzerhand angeeignete Lebensphilosophie stets auf Kosten anderer geht und reichlich Köpfe rollen lässt, nimmt man die beiden Hauptdarsteller William Berger und Helmut Förnbacher nicht als den letzten Abschaum wahr, sondern beinahe sympathische Zeitgenossen, die leider auf der falschen Seite stehen. Hier ergibt sich der interessante Kniff, dass man die beiden Männer beinahe verstehen möchte, auch wenn man ihnen dies aufgrund ihres Handelns einfach nicht zubilligen kann. Die beiden Gauner und Mörder nehmen eine Etappe nach der anderen und unterscheiden sich vom Wesen her sehr stark voneinander, auch wenn sie untrennbare partners in crime sind. Das vornehmlich unsentimentale Vorgehen wird hauptsächlich von William Berger zum Besten gegeben; außerdem gewinnt man den Eindruck, dass hinter dieser mürrisch wirkenden Fassade nicht nur ein profaner Aggressor steckt, sondern ein Zeitgenosse, der sich eigentlich zu Höherem geboren sieht. Sein Pendant wird sehr eingängig vom Regisseur selbst gezeichnet, der sich mit Vorliebe weltlichen Freuden hingibt und sich in dieser Konstellation nicht gerade als der Denker herauskristallisiert. Dementsprechend geht es selbstverständlich auf sein Konto, dass sich das kriminelle Duo um eine reizende Kumpanin namens Brigitte alias Giorgia Moll erweitert, die die beiden ab sofort bei ihren Raubzügen mit zahlreichen Todesfolgen begleitet. Die italienische Schauspielerin und Sängerin weicht die Brutalität dieser Konstellation etwas auf, und überrascht mit einer leichtfüßigen Performance.

 

Ähnliches lässt sich über Schauspielkollegin Helga Anders sagen, die Ende der 60er Jahre zweifellos ihre beeindruckendste Phase hatte, da man anfing die zierliche Interpretin generell so einzusetzen, dass sie so schnell nicht mehr vergessen werden konnte. Zwar ist Anders auch hier als unwiderstehliche Verführung zu sehen, doch unter der einfallsreichen Regie kommt es zu einem konsequenteren Abruf ihres Facettenreichtums; außerdem sorgt sie zusätzlich für Tiefe. Als Monika greift sie erst sehr spät in das Geschehen ein, nicht aber ohne sich ihren festen Rang im Geschehen zu erarbeiten. Weitere ansprechende Wiedersehen gibt es beispielsweise mit Grit Boettcher, Benno Hoffmann oder Alt-Star Willy Birgel, und es ist im Endeffekt dem Aufbau sowie der beinahe ausschließlichen Zentrierung auf Waldemar Velte und Kurt Sandweg geschuldet, dass die jeweiligen Auftritte ziemlich knapp ausfallen. Im Ganzen hat man es in Helmut Förnbachers Debüt, dessen Titel zunächst ein wenig verspielt anmutet, aber gleich zu Beginn sehr plastisch erklärt wird, mit einem sehr guten Crime-Vertreter zu tun, der obendrein sehr unterhaltsam geworden ist. Aufgrund der Charakterzeichnungen und des gut dosierten und immer wieder angebotenen Tiefgangs, hat man es unterm Strich nicht nur mit einer kurzweiligen Räuberpistole zu tun, sondern mit einem Beitrag, der sich auch Zeit für entsprechende Untertöne nimmt. Inszenatorisch gesehen wirkt "Sommersprossen" sehr ausgefeilt und es ist erkennbar, dass ein recht hoher Aufwand betrieben wurde. Neben der Musik ist vor allem die extravagante Kamera-Arbeit von Igor Luther zu erwähnen, der auch in Förnbachers folgenden zwei Kinofilmen "Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh" und "Beiß mich Liebling" für die Bebilderung und das auffällige Spiel mit Nähe und Distanz verantwortlich war. Alles in allem handelt es sich um einen sehenswerten Film, bei dem der Schweizer Regisseur sein tatsächliches Talent unter Beweis stellen konnte, und dessen Vorzüge sich gleich aus mehreren Komponenten ergeben.

Autor

Prisma

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