Sein Wechselgeld ist Blei

Italien, 1967

Originaltitel:

I giorni della violenza

Alternativtitel:

Dias de Violência (BRA)

Furie au Missouri (FRA)

Les jours de la violence (FRA)

Os Dias da Ira (POR)

Days of Violence

Deutsche Erstaufführung:

31. Mai 1968

Regisseur:

Alfonso Brescia

Kamera:

Fausto Rossi

Inhalt

Eigentlich möchte sich der junge Johs {sic} Lee aus dem amerikanischen Bürgerkrieg heraushalten und hat nur das Ziel, die blonde Ranchertochter Christine zu ehelichen. Doch als sein Bruder samt Schwägerin von skrupellosen Soldaten der Nordstaaten ermordet wird, denkt er um. Er schließt sich der mit dem Süden sympathisierenden Bande um den gesetzlosen Butch an und wird alsbald ebenfalls steckbrieflich gesucht. Die Situation spitzt sich weiter zu, als Christine ausgerechnet mit dem Mann anbändelt, der Johs Bruder auf dem Gewissen hat...

Review

Ein dicker Wermutstropfen vorweg: Am Anfang des Films erwischt Uns Karl Otto Hyrenbach aka Peter Lee Lawrence den hinterhältigen Rancharbeiter Hank dabei, wie er der rassigen Rosalba Neri in der Scheune ungefragt an die Wäsche will. Peter zögert keine Sekunde und dämpft des Fieslings Libido gleich mit ein paar groben Schellen aufs Normalmaß hinunter. Soweit so gut. Nur dann beginnt Peter die hochverdiente Abreibung mit –hrhm- wüsten Beschimpfungen wie „Komm nur her, du Sonnenblume, du!“ oder noch vulgärer mit „Du trübe Tasse!“ zu untermalen. Und jetzt wird’s problematisch. Keine Ahnung, wer das verbockt hat: Die laut Synchronkartei für das deutsche Dialogbuch zuständige Ursula Buschow oder eben doch der übliche Verdächtige Rainer Brandt, der in der germanischen Fassung Peter Lee Lawrence seine Stimme leiht? Ich würde auf Kandidatin Uno tippen, denn „Du Sonnenblume du“ klingt dann doch eher nach Raufhändel im Pausenhof der Waldorfschule links vom Buchstabentanzparkett als nach schmissigem Brandt-Schnodder von höheren Gnaden.

 

Und selbst wenn Rainer Brandt, Ursula Buschow oder Weißdergeier hier von bester Muse geküsstes Schnodderdeutsch plaziert hätten; gepasst hätte es trotzdem nicht. Denn wenn die filmische Vorgabe als ernstes Western-Epos zwischen Liebe, Verrat, (Bürger-)Krieg und Tod angelegt ist, ist eigentlich keine lockermäulige Haudraufklamotten-Synchro gefragt. Dann nämlich ist das Thema verfehlt und der Zuschauer in Versuchung, sich den Film lieber auf italienischer Originaltonspur mit Untertiteln anzuschauen. Zur Ehrenrettung der deutschen Sprachfassung muss an dieser Stelle aber auch gesagt werden, dass sie durchaus ihre lichten Momente hat:

 

„An deiner Stelle würde ich mich wie eine Ratte verkriechen. Johs wird dich bis ans Ende der Welt jagen. Lieber würde ich hundertmal sterben als mit dir zu gehen...“ – „Warum hundertmal? Einmal genügt für die Hölle!“

 

Nachdem Bruder und Schwägerin von skrupellosen Nordstaatlern und einem Verräter feige ermordet wurden, probt Peter Lee Lawrence zwei Jahre vor GARRINGO DER HENKER schon mal die Yankee-Jagd. Steckt in GARRINGO noch mehr Serienmörder als Rächer in ihm, sind seine Motive in Brescias SEIN WECHSELGELD IST BLEI eher lautere. Hier steckt in der harten, mitunter trotzdem mörderischen Schale dann doch ein weicher Kern. Und Peter muss viel durchmachen: Der angesprochene Verlust von verschwägerten und blutsverwandten Angehörigen, dann bändelt die Verlobte, im Übrigen die liebreizende Beba Loncar ausgerechnet mit dem Todfeind, einem Captain der Regierungstruppen an. Im Land der Colts und Stricke kann einem da schon mal der Hut hoch- und die Kanone losgehen...

 

Auch wenn das dramatisches Element in diesem Western großgeschrieben wird und das Drehbuch unserem Helden neben den genannten Schicksalsschlägen auch noch der Verrat des besten Freundes ins Haus steht; angesichts der naiven und unkalibrierten Art und Weise, wie sowohl das romantische Moment als auch das andere Ungemach inszeniert wurden, muss auch der am nähesten am Wasser gebaute Italowesternfreund nicht befürchten, dass er hier zu Tränen ergriffen wird.

 

Alfonso Brescia, für einige schräge Sachen berüchtigt (Man denke nur an den Gaga-Peplum KAMPF UM ATLANTIS mit seinen atlantischen Tyrannen und bunten Zombies oder DIE BESTIE IM WELTRAUM, wo er Borowczyks erotisch-skandalöses-sodomistisches LA BÊTE kurzerhand ins All befördert und je nach Fassung pornös, aber immer campy verwurstet hat), belässt SEIN WECHSELGELD IST BLEI erstaunlich bodenständig.

 

Das ist Vor- und Nachteil zugleich. Zum einen ist das zweifelsohne grundsolides Handwerk mit schön choreografierten Schlagabtauschen (Lee Lawrence vs Nello Pazzafini) und dem obligatorischen Abschlussduell (Lee Lawrence vs Luigi Vannucchi) ; zum anderen hätte ich persönlich manchmal gerne mehr Western mit einer Extraportion Irrwitz gesehen. Abseits der STRANGER-Teile mit Tony Anthony oder Questis fiebrigen Höllenritt TÖTE, DJANGO! findet man in dieser Richtung ja nicht soviel. Brescia wäre so ein Kandidat für etwas Verrücktes abseits der Spur gewesen, doch wie gesagt bleibt SEIN WECHSELGELD IST BLEI durchgehend konventionell - und ist nach dem Geschmack einiger beinharter Spaghettiwestern-Fans sogar einen Ticken zu amerikanisch in Szene gesetzt. Ebenfalls etwas nach amerikanischen Western, aber auch stimmig klingt übrigens auch der Score von Bruno Nicolai.

 

SEIN WECHSELGELD IST BLEI ist keine Sternstunde der italienischen Westerngeschichte. Dafür plätschert der Film bisweilen etwas zu sehr vor sich hin und richtige Höhepunkte sind ebenfalls rar gesät. Ein Reinfall ist er allerdings auch nicht. Was er den vielen bekannten Gesichtern in der Besetzung und Brescias routinierten Inszenierung verdankt.

 

Fazit: Zwischen Göttergabe und Bodensatz liegt Brescias konventionell, aber sauber inszenierter SEIN WECHSELGELD IST BLEI ziemlich genau in der Mitte. Alles in allem mehr Durchschnittsware denn Pflichtlektüre. Für Mitglieder des Karl Otto Hyrenbach-Fanclubs, den zahlreichen Verehrern der süßen Beba (INTERRABANG) Loncar und IW-Komplettisten ist der Film jedoch definitiv nicht gänzlich ohne Belang.

Links

OFDb

IMDb

 

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