Rocco - Der Mann mit den zwei Gesichtern

Italien | Spanien, 1966

Originaltitel:

Sugar Colt

Alternativtitel:

Kavallerie in Not (DDR)

Deutsche Erstaufführung:

14. Mai 1968

Regisseur:

Franco Giraldi

Inhalt

Unter überaus rätselhaften Umständen verschwindet ein komplettes Bataillon Nordstaatensoldaten spurlos. Nach langer Zeit scheint auch Gras über die Sache gewachsen zu sein, bis die Angehörigen plötzlich Erpresserbriefe erhalten, in denen Lösegeldforderungen formuliert sind. Um Licht in die mysteriöse Angelegenheit zu bringen, beauftragt die Regierung Sugar Colt (Jack Betts) mit der Klärung des Falls, der zuletzt ein Institut führte, in dem er Damen mit der Schusswaffe ausbildete. Die Spur führt in die berüchtigte Stadt Snake Valley, in der Sugar Colt ab sofort als Dokktor Tom Cooper auftritt, um in aller Ruhe inkognito ermitteln zu können. Mit Cleverness, Schlagfertigkeit und sehr unorthodoxen Methoden kommt er zu schnellen Erfolgen, gerät dabei allerdings auch in bedrohliche Situationen. Wird Sugar Colt die Gefangenen unbeschadet befreien können..?

Autor

Prisma

Review

Der italienische Regisseur Franco Giraldi inszenierte mit "Rocco - der Mann mit den zwei Gesichtern" seinen erst zweiten Kinofilm, der seinerzeit mit gemischten Eindrücken von der Kritik reflektiert wurde. Betrachtet man das Gesamtwerk ganz losgelöst von konventionellen Mustern, so bleibt zunächst einmal zu betonen, dass dieser Western, anders als viele seiner Konkurrenten, nicht hemmungslos auf dem Altar der aufkommenden Western-Welle geopfert und mit komödiantischen Unterton versehen wurde. Ein derartiger Tenor erscheint zunächst nicht besonders ungewöhnlich, für viele Zuschauer möglicherweise auch nicht besonders wünschenswert, allerdings ist hierbei tatsächlich lobend zu erwähnen, dass die Mischung und die Dosierung sehr gelungen ist, der Verlauf mit seiner feinen Würze somit nicht überfrachtet wirkt. Angesichts dieser lediglich unterstützenden Tatsache kommen derartige Inhalte den eigentlichen, ernst angelegten Geschichte nicht störend ins Gehege, sodass man sich auf einen Beitrag einlassen kann, dessen Stärken vor allem in der Variation und Symbiose zu finden sind. Die kriminalistischen Anteile verhelfen diesem Beitrag schließlich zum Status eines gelungenen, um nicht zu sagen extravaganten Gesamtpakets, das nicht vordergründig auf Brutalität, Rache und Missachtung aller Werte angelegt ist, obwohl auch nicht komplett ignoriert wird, dass die üblichen Zutaten des Italowestern nicht vollkommen fehlen dürfen und sich somit eine gelungene Mischung zwischen Unterhaltungsfilm und Ausreißer ausmachen lässt. Filme, die stringent in genau diese Richtung führen möchten, befinden sich erfahrungsgemäß auf recht dünnem Eis, da der Verlauf dem Empfinden nach jederzeit irgendwie umkippen könnte, was aber in "Sugar Colt", so der Originaltitel des Films, glücklicherweise ausbleibt.

 

Die erste Phase der Geschichte ist mit der Vorstellung der wichtigsten Charaktere und der beinahe ausschließlichen Konzentrierung auf komödienhafte Töne zugegebenermaßen etwas kopflastig ausgefallen, könnte angesichts des weiteren Verlaufs somit natürlich auch in die Irre führen, geschweige denn, etwas strapaziös werden. Die originelle Regie fährt allerdings gleich mehrere Doppelstrategien, die von Spannung über Tragik, bis hin zu Heiterkeit alles hergeben möchten, was insgesamt einen reichhaltigen und letztlich hohen Unterhaltungswert anbietet. Das Szenario ist nicht wie so häufig von universeller Abgebrühtheit und Kälte geprägt, wofür noch nicht einmal primär die humorvollen Töne verantwortlich sein wollen, sondern in erster Linie der pragmatische Aufbau der Geschichte, der sich ungewöhnlich stark an Krimi-Formaten dieser oder vergangener Zeit orientiert. Ein klarer Aufbau tut erfahrungsgemäß jedem Film gut und ein solcher kristallisiert sich nach einiger Spieldauer auch zielstrebig heraus, was im Endeffekt vielleicht ein wenig auf Kosten eines ultimativen Überraschungsmoments passiert, aber im Gegenzug für progressive Eindrücke sorgen kann. Die Inszenierung ist technisch einwandfrei, es stellt sich der Eindruck gehobenen Standards ein, und das gleich in mehreren Bereichen. Interessant sind und bleiben die Anleihen aus dem Kriminalfilm, sodass die Geschichte einen überaus eigenständigen Charakter transportieren kann.

 

Mit Hauptdarsteller Jack Betts, der hier unter seinem Pseudonym Hunt Powers zu sehen ist, steigt ein regelrechtes Zirkuspferd in die Manege, und der US-Amerikaner charakterisiert den deutschen Titel des Films ziemlich nachhaltig und genau. Dies liegt nicht nur an seiner vielfältigen Maskerade, die den Weg für ungehinderte Ermittlungen ebnet, sondern an seinem überaus flexiblem Schauspiel, das für einen breiten Facettenreichtum steht. Integriert als Aussteiger, der kultivierten Damen Schießunterricht gibt, wenn sie beispielsweise ihre unbequemen Männer beseitigen wollen, wird er schnell als Retter in der Not auserkoren, der das verschwundene Bataillon wieder ausfindig machen soll. »Wie sich ein Mensch verändern kann. Es ist aber auch gar nichts von Rocco übrig geblieben!« Selbst mit derartigen Aussagen lässt sich der Mann sein zweites Gesicht nicht entlocken und schließlich wird es der Tod, beziehungsweise ein feiger Mord sein, der ihn umstimmen kann, in das berüchtigte Snake Valley zu fahren. Schlagfertig in Wort und Tat, bedient er sich der günstigen Voraussetzung, dass er von seinen Gegenspielern maßlos unterschätzt wird, wozu man als Zuschauer hin und wieder auch neigen möchte. Im Ganzen charakterisiert Jack Betts den deutschen Titel schließlich sehr gut und in diesem Zusammenhang lässt sich unabhängig vom Film eine interessante Brücke zur weiblichen Hauptrolle schlagen.

 

Soledad Miranda ist in gewisser Weise ebenso eine Darstellerin mit zwei Gesichtern, da man um eine Trennung zwischen ihren Auftritten unter ihren Namen Soledad Miranda und dem Jess-Franco-Pseudonym Susann Korda eigentlich kaum vorbeikommt. Es ergibt sich demnach eine eigenartige Unterteilung bezüglich des jeweiligen Anspruchs ihrer Rollen, der überhaupt nicht in diese oder jene Schublade gezwängt werden soll, sondern einfach auf den Einsatz und die jeweilige Bereitschaft der Spanierin anspielt. Nur ein Gesicht und trotzdem zwei; eine durchaus interessante Mischung. In "Rocco - der Mann mit den zwei Gesichtern" ist sie eher in, wenn man so sagen darf, seriöserem Fahrwasser zu begutachten, was ihre typische Art zu interpretieren allerdings nicht ausschließt. Mirandas Darbietung fußt in dieser Produktion weniger auf Körpereinsatz, als auf einer unverkennbaren Ausstrahlung, die man stets bei ihr wahrnehmen konnte: ein vornehmlich stolzes und möglicherweise halsstarriges, aber zumindest eigensinniges Wesen, das mit den klassischen Waffen einer Frau umzugehen wusste. Franco Giraldi setzt die attraktive Interpretin mit den dunklen und noch viel tieferen Augen dem Empfinden nach effizienter als viele Kolleginnen aus dem Italowestern ein, sodass ihre Rolle und die damit verbundenen kratzbürstigen Anwandlungen in lebhafter Erinnerung bleiben, wenngleich Soledad Miranda dem Protagonisten aus guten Gründen stets untergeordnet bleibt.

 

Weitere ansprechende Leistungen bieten beispielsweise noch ein immer gerne gesehener Giuliano Raffaelli in seiner Paraderolle, oder eine sehr greifbare und klassisch agierende Gina Rovere, die der ohnehin interessanten Geschichte einen überzeugenden Schliff mitgeben. Vielleicht überwiegt im Endeffekt der Eindruck einer ordentlichen Trefferquote der Regie, weil die Geschichte nicht nur andere Ansatzpunkte offeriert, sondern auch professionell bearbeitet wurde. Humor und Slapstick beweisen eine gute Dosierung und schießen nur selten über das anvisierte Ziel hinaus, auch das Vermischen mit Brutalität, Tragik und einer immer wieder aufblitzenden düsteren Atmosphäre sorgt für ausgewogene Momente, in denen es nicht langweilig wird, auch wenn Tempo und Spannung phasenweise etwas gedrosselt wurden. Im Endeffekt bleibt der Film jedoch vollkommen auf die Hauptperson zugeschnitten, die sich, wie bereits erwähnt, sehr überzeugend profilieren kann und von Western-Dandy bis zum gut skizzierten Tollpatsch alles glaubhaft herzugeben weiß. Erwähnenswert sind überdies die herrlichen Landschaftsaufnahmen, die dem Zuschauer ein regelrechtes Panorama in die Welt der Helden und Schurken anbieten und selbstverständlich die gut angepasste Musik von Luis Enríquez Bacalov, die in vielen Szenen für zusätzliche Emotion und Dramatik sorgt. Insgesamt gesehen punktet "Rocco - der Mann mit den zwei Gesichtern" vor allem aufgrund der alternativ eingeschlagenen Marschrichtung, deren Stärken sich aus der Berücksichtigung klassischer Motive und einer sehr sehenswerten Variation ergeben. Gesegnet mit überzeugenden Charakteren und einer cleveren Regie, besitzt der Film das Potential, den geneigten Zuschauer kurzweilig zu unterhalten und darüber hinaus vielleicht sogar restlos zu überzeugen.

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Prisma

Veröffentlichungen

"Rocco - der Mann mit den zwei Gesichtern" stellt die HD-Premiere in der Westernhelden-Reihe von Koch Media dar, und zunächst sollte die Auswahl des Films lobend erwähnt werden, da es sich einfach um einen originellen Start handelt. Erschienen in einem 2-Disc-BD/DVD O-Card Schuber, sorgt die angenehm schlichte, aber ansprechende Präsentation in der passenden Signalfarbe für einen sehr guten Eindruck und steigert die Vorfreude darauf, die Reihe im eigenen Regal wachsen zu sehen. Versehen mit mehreren Ton-Optionen zwischen DDR- und westdeutscher Synchronisation, sowie der italienischen oder englischen Tonspur mit optionalen Untertiteln, kann der Hauptfilm aufgrund der breiten Auswahl schon alleine in diesem Bereich mehrere Gesichter preisgeben. Zusätzlich wird ein Interview mit Hauptdarsteller Jack Betts und ein Featurette mit Regisseur Franco Giraldi angeboten, von weiteren kleinen Extras ganz zu schweigen. Die #1 der Reihe überzeugt wegen des sehr guten HD-Transfers und insgesamt besticht die Blu-ray durch satte Farben und gute Kontraste, sodass man einfach nur von einem optimalen Start sprechen kann.

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Prisma

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