Der Ritt nach Alamo

Frankreich | Italien, 1964

Originaltitel:

La strada per Forte Alamo

Alternativtitel:

Arizona Bill (FRA)

The Road to Fort Alamo (USA)

Deutsche Erstaufführung:

8. Oktober 1965

Regisseur:

Mario Bava

Inhalt

Der ehemalige Soldat Bud Massidy (im Original Bill Mannerly) entdeckt auf seinem Weg durch die endlose Prärie die Leichen einiger Unionssoldaten. Die Blauröcke waren nach Wagon City unterwegs, um bei der örtlichen Bank 150.000 Dollar in Empfang zu nehmen. Das die Geldübergabe nicht zu Stande kam, ist den Osage-Indianer geschuldet, da die stets niederträchtigen Rothäute die zumeist tugendhaften Bleichgesichter erbarmungslos abschlachteten. Bill bemächtigt sich, clever wie er nun mal ist, des Geldübergabeschreibens. Trifft kurze Zeit später auf Slim Kincaid, der ihn Kid (Darsteller Michel Lemoine zählte zu dem Zeitpunkt bereits 42 Lenze) Carson und seinen Halunken vorstellt. Gemeinsam schlüpft man in die Kleider sowie die Rollen der (toten) Unionssoldaten und lässt sich das Geld in der Bank von Wagon City auszahlen. Freilich geht dieses nicht ohne Komplikationen und den obligatorischen Toten über die Bühne. Auch Bud und Slim müssen ihren Preis zahlen, werden von den Halunken niedergeschlagen und zurückgelassen. Entdeckt werden die Betrogenen von drei Indianern, die das Duo fesseln und den unbarmherzigen Sonnenstrahlen aussetzen. Gerade rechtzeitig kommt ein Trupp Soldaten, die einen Siedlertreck eskortieren, vorbei und erspart Bill und Ted den qualvollen Tod des Verdurstens. Sergeant Warwick Carter, ein erfahrener Unionssoldat, diagnostiziert, dass mit den beiden „Soldaten“ etwas nicht stimmen kann. Da die Osage auf dem Kriegspfad sind, die Siedler in großer Lebensgefahr schweben und demgemäß jeder Colt hilfreich ist, behält er seinen Verdacht für sich. Doch zu allem Überfluss taucht urplötzlich Kid Carson auf…

Review

DER RITT NACH ALAMO ist der erste von drei Western, die Mario Bava im Laufe seiner Karriere als Filmregisseur inszenierte. Wie NEBRASKA JIM und 3 HALUNKEN UND EIN HALLELUJAH konnte mich auch diese Regiearbeit nicht wirklich zufrieden stellen. Die Außenaufnahmen zu diesem bestenfalls durchschnittlichen Western entstanden weitestgehend, wie Lamberto Bava es bestätigt, in Manziana. Ein landschaftlicher Augenschmaus mit schönen Hügeln und dito schönen Tälern, die später zu den optischen Attraktionen eines Nationalparks wurden. Die atmosphärischen Nachtaufnahmen wurden hingegen nicht in freier Wildbahn, sondern im Studio fotografiert.

 

Die Filmhandlung spielt nach dem Ende des Sezessionskriegs (also nach 1865) und hat mit der Belagerung und dem Fall des Alamo (1836) überhaupt nichts zu schaffen. Es gibt keine Festung, es gibt keine Belagerung, es gibt keine Santa Anna-Armee, es führt kein Weg nach Texas. Stattdessen schlängelt sich die Reiseroute durch das Gebiet der Osage-Indianer. Diese lebten ab 1839 in einem Reservat, inmitten von Oklahoma, und galten, zumindest ab diesem Zeitpunkt, als friedliches Volk. Mitte der 1850er zogen zahlreiche Siedlertrecks durch ihr Gebiet. Die selbst gegründete Osage-Polizei, die sich in der Reservation um die Einhaltung der geltenden Regeln kümmerte, achtete drauf, dass diese Siedler sicher durch ihr Areal reisen und demgemäß nicht in die schmutzigen Hände marodierender Banditen fallen konnten.

 

Wie Sie nun richtig vermuten, spielte die Historie für Mario Bava und seine drei Drehbuchautoren keine Rolle. Für den RITT NACH ALAMO mussten sich die „Osage“, unter denen sich notabene drei native americans befanden, auf den Kriegspfad begeben. Und wenn die Statistenschar in ihren feschen Outfits, begleitet von unnachgiebigen, den Puls beschleunigenden Trommelschlägen, in Low Key-Fotografie getaucht, auf den Hügeln von Manziana auftauchen und sich auf einen anstehenden Überfall einstimmen, dann sieht das irgendwie richtig klasse aus. Dann sieht das nach Mario Bava aus, der wie so oft auch hier die Kamera in die eigenen Hände legte. An der Fotografie gibt es nach meinem Ermessen eh nichts auszusetzen. So führt unser Filmeintritt durch die bereits genannte, schöne Landschaft von Manziana. Begleitet von einem hörenswerten, von Tony Wendall interpretierten, Leitmotiv mit Namen „The Road to Fort Alamo“. Analog erspähen wir eine attraktive, kursive, in die Farbe Gelb getauchte Typografie, die an die Titel nennenden Schrifttypen bekannter Groschenromane erinnert.

 

Die Wort Gelb (giallo) spielt in Mario Bavas Œuvre bekannterweise eh eine bedeutende Rolle, was freilich von THE GIRL, WHO KNEW TOO MUCH und BLUTIGE SEIDE herrührt. Der unverkennbare Expressionismus des erstgenannten und die Farbgewalt wie die einhergehende Beleuchtungstechnik des zweitgenannten Geniestreichs lassen sich auch in Bavas erster Westernarbeit entdecken. Gemeint sind die Nachtaufnahmen, welche im Studio fotografiert wurden und den Zuschaueraugen nicht unbedingt imposante, aber sehr wohl interessante Weiden liefern. Mittels dieser Fotographie (eine prächtige Präsentation der Farben Blau und Gelb im Stile der einst vornehmlich nachkolorierten bundesrepublikanischen Kinoaushangfotos) und der einhergehenden Phonographie (der monotone wie beunruhigende Klang der Indianertrommeln) kann beim geeigneten Zuschauer ein gewisses Unbehagen aktiviert werden. Das immerwährende Lauern von etwas Unheimlichen, von etwas Bedrohlichen, dass urplötzlich aus dem Dickicht hervorspringen kann, um seine Opfer mit Tod und Verderben zu überschütten. Dieser zarte Hauch von implizitem Gothic-Horror ist meines Erachtens eines der eher rar gesäten Filmhighlights.

 

DER RITT NACH ALAMO entstammt der ganz frühen Phase des italienischen Westernkinos und feierte ungefähr einen Monat nach FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR seine Premiere in den italienischen Lichtspielhäusern. Ergo orientierte sich Bava am amerikanischen Westernkino und arbeitete demzufolge auch mit dessen Versatzstücken. Als da wären: Die bösen Indianer - die guten Blauröcke. Der gute Westerner - der böse Westerner. Die symbolische (rothaarige!) Hure und angebliche Mörderin Janet. Die herablassende Puritanerin und Ehefrau eines Offiziers. Der Offizier, der sich strikt an die Vorschriften hält und dadurch viele Menschenleben in Gefahr bringt. Die bedrohten Siedler. Das verängstigte Kind und seine beschützende Mutter. Die Postkutsche. Letztgenanntes Substantiv mag den Anschein erwecken, es würde aus dem Schema der vorhergegangenen Aufzählung ausbrechen, da es sich um eine Sache und nicht um eine Person handelt. Nicht wirklich, da die Postkutsche als Konnotation zu RINGO (USA, 1939) gedacht ist. Jener großartige Western unter der künstlerischen Leitung von John Ford, der eine Reisegesellschaft zentralisiert, die aus unterschiedlichen Vertretern der amerikanischen Gesellschaft besteht und verdeutlicht, dass sich hinter biederen wie puritanischen Bürgerfassaden dunkle Geheimnisse und hinter den Fassaden der Marginalisierten wertvolle Menschen verbergen. So ist Bavas Janet nach dem Vorbild von Fords goldherziger Dallas, die von der „Law and Order League“ aus dem Städtchen Tonto vertrieben wurde, kreiert. Und Bud Massidy erinnert etwas an Ringo Kid. Weitere Affinitäten wie die zur naserümpfenden Lucy Mallory (die Offiziersehefrau, die eine harte puritanische Schule durchlief), zum zwielichtigen Bankier Henry Gatewood, zum versoffenen Dr. Josiah Boone, können Sie bei Bedarf selbst entschlüsseln. Es ist stets ergiebig, sich RINGO alias STAGECOACH anzuschauen.

 

DER RITT NACH ALAMO wurde einer kostengünstigen Inszenierung unterzogen und offeriert drei Bretterverschläge als die Ortschaft Wagon City. Von der geringen Budgetierung war auch Ken Clarks Hemd betroffen, welches an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten und vermutlich auch noch heute beim Textil-Discounter KIK für 2,99 Euro zu erwerben ist. Unter dem Hemd trägt der gebürtige Amerikaner, der mir in seinen Peplum- und Eurospy-Beiträgen stets unterhaltsame Minuten schenkte, einen Brustpelz, den man dito vermutlich nur mit der Heckenschere bewältigen kann. So etwas war halt mal schwer angesagt, sodass sich Ken zumindest einmal seines Hemdes entledigen musste.

 

Obendrein muss sich Ken in der Rolle des Hauptcharakters Bud Massidy mit Indianern, Gesetzlosen sowie einem arroganten, stur nach Vorschrift waltenden Offizier rumschlagen. Solche Charaktere gibt es im Kino zuhauf. Sie gefährden den Erfolg einer Mission sowie die Leben der Soldaten und Zivilisten. Jene doktrinären Offiziere tauchten bereits in den frühen amerikanischen „Luftkampffilmen“ auf. Und mit Eintritt der Amerikaner in den 2. Weltkrieg präsentieren die US-Lichtspiele nur allzu oft den deutschen Offizier als ein überhebliches, brutales und dummes Individuum. Eigenschaften mit denen sich Buds Gegenspieler, der zuvor genannte Offizier, bestens arrangieren kann.

 

 

Fazit: Auch wenn das beleuchtungstechnische, vom Expressionismus speisende Spiel von Licht und Schatten funktioniert, reflektiert DER RITT NACH ALAMO generell weniger Licht als Schatten. Der Film legt zwar mächtig los. Präsentiert den angesehenen Bürger als Falschspieler und lässt einen Pokerstreit blutig enden. Thematisiert den Geldbetrug, den Verrat und die indianische Folter, aber anschließend wird es doch sehr verhalten und der Film leidet vornehmlich unter seiner fortan regierenden zähen Inszenierungsweise.

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