Die Rache der Borgias

Frankreich | Italien, 1959

Originaltitel:

La notte del grande assalto

Alternativtitel:

Dans les griffes de Borgia (FRA)

La noche del gran asalto (MEX)

The Night of the Great Attack (USA)

Die Nacht der Rache (DDR)

Deutsche Erstaufführung:

29. Juli 1960

Inhalt

Wir schreiben das Jahr 1488. Die Romagna ist von den Schrecken des Krieges befallen, denn Cesare Borgia will seine Herrschaft ausweiten. Sein taktischer Plan inkludiert, das Schloss des Grafen Fabio zu besetzen, um von dort die Ländereien der Herzogin Katharina Sforza zu erobern. Der gerissene Borgia erhält Unterstützung vom ebenso verschlagenen Sanco di Monforte. Doch eines schönen Tages wird das durchtriebene Spiel des machtgierigen Duos von einem Fremden gestört.  

Review

Der amerikanische Ritterfilm erlebte in den 1950ern seine ganz große Zeit und sollte meines Erachtens, was diverse Filmkritiker freilich komplett anders sehen, die „Filmkritik“ sprach beispielsweise von „einem der langweiligsten Monumentalfilme, die jemals gemacht wurden“, (erst) 1961 mit dem Pathosdurchtränkten „El Cid“ seinen absoluten Höhepunkt erreichen. „El Cid“ orientierte sich - im Gegensatz zu vielen Rittervehikeln - nah an der historischen Wirklichkeit, zentralisierte einen zwischen Patriotismus, Heldenhaftigkeit und Verlierertum chargierenden Hauptcharakter und dokumentierte einhergehend das Ende des swashbucklers.

 

Anthony Manns Film war allerdings nicht allein wegen der Abwesenheit des swashbucklers ein Abschlussball, denn obwohl Charlton Heston und Franklin J. Schaffner 1965 für stolze 3,5 Millionen Dollar noch mal alle Hebel in Bewegung setzten, um „die Normannen antanzen zu lassen“, versank der Ritterfilm (aufgrund eines kontinuierlich abebbenden Zuschauerinteresses) bereits in den frühen 1960ern in der Zweitklassigkeit. Diese Entwicklung ist primär den italienischen Regisseuren und Produzenten geschuldet, die - wie auch innert der artverwandten Genres (Mantel-und-Degen-, Piratenfilm) - fortan im genannten Säkulum sowie im Eilverfahren kostengünstige Historienvehikel inszenierten, um an den Kinokassen noch ein paar Lire zu abzustauben.   

 

Einer dieser Vertreter ist Giuseppe Maria Scoteses „Die Rache der Borgias“. Eine Inszenierung, die sich als Mixtur aus Ritter- und Mantel-und-Degen-Film, welche en passant das amerikanische Westernkino zitiert, suggerieren lässt. So liefert das Sujet zwei verfeindete Familien, einen unbekannten Fremden und die Eroberung, also die Erweiterungsabsichten sowie die einhergehend provozierte Verteidigung der frontier. Die dabei in den Kampf ziehenden Kontrahenten sind keine Nomaden oder Gejagte, sondern loyale Soldaten, die ihr Schwert nur für eine Person, ihren jeweiliger Herrn, erheben und für dessen Willen streiten. Sie haben eine gefestigte - wenn auch aufgezwungene, denn Illoyalität würde den Tod zur Folge haben - Überzeugung und besitzen ein festes Domizil. Diese manipulierten Soldaten sind auf eine Führerfigur angewiesen und jederzeit bereit den Tod zum empfangen. Die wenigen, die sich dieser Brandmarkung entziehen konnten, führen ein Leben als Räuber und verkörpern demgemäß die Zivilisationsflüchtlinge.

 

Der Film legt mit Tempo los. Die Flucht eines Unbekannten, der von den Vasallen der Borgias gejagt wird, führt ihn (den Fremden), den wir kurz darauf als Marco da Volterra kennen lernen, zu einer kleinen Schar von Straßenräubern, denen er sich anschließt, um aus der Gruppe heraus sein intransparentes Spiel aufzunehmen. Das Tempo, welches die erwähnte Verfolgungsjagd liefert, geht allerdings nicht konform mit dem Handlungstempo. Der Storyaufbau und das einhergehende Vorstellen der Filmcharaktere wie -figuren nimmt das gesamte erste Filmdrittel in Anspruch. Scotese unterzieht sein Publikum halt einer ausgiebigen Vorbereitung, was den Zuschauern schlussendlich auch zu Gute kommt, da sie (die Zuschauer) die Charakter- und Figurenzeichnungen verinnerlichen und phasenweise gar relativ affektiv am Geschehen beziehungsweise an den illustren Intrigenspielen teilnehmen können.        

 

Die dabei auftrumpfenden Schlüsselcharaktere wurden stringent nach der üblichen Genreformel konstruiert: Graf Fabio di Fabi - der Gute. Cesare Borgia - der Böse. Zanco di Monforte - der Handlanger des Bösen. Marco da Volterra - der Fremde. Isabella di Fabi - das love interest. Einen eindeutigen Sympathieträger, der mir als die doch so innig gewünschte Reflektorfigur dient, konnte ich innert der Belegschaft jedoch nicht ausmachen. Der von Sergio Fantoni verkörperte Fremde, unterwirft sich zwar der erfolgreichen Zuschauerlenkung, wirkt auf mich allerdings zu hausbacken und facettenarm. Die dunkle Seite der frontier, Alberto Farnese als Cesare Borgia, Fausto Tozzi als Zanco di Monforte (den man schön süffisant auf seine bürgerliche Herkunft hinweist, sodass dessen Kragen dem Zerbersten nahe ist) und Gianni Rizzo als Malteser Schmierlapp, sagte mir schon eher zu. Was in letzter Konsequenz auch fraglos bereichernd wirkt, denn was wäre ein Historienvehikel ohne halbwegs gescheite Bösewichte? Es wäre ein Film für die Tonne! Als Highlight definiere ich Kerima in der Rolle der Maya, die aufgrund ihrer Biestigkeit sowie ihrer Verführungskünste als die allegorische Hure fungiert. Das eigentliche, von zwei Herren begehrte und bereits erwähnte love interest, Agnès Laurent als die Prinzessin Isabella, verkommt leider zu einer kleinen Schlaftablette.

 

Obwohl der Film keine sonderlichen Spannungsmomente offeriert und auf  spektakuläre Twists verzichtet, mag ich seine altbackene Verfahrensweise nicht als Einfallslosigkeit respektive Manko bewerten, denn die Story wird in ansprechender Manier vermittelt und liefert Gevatter Langeweile, dem Zerstörer eines jeden Filmvehikels, keine Gelegenheit sein mannigfaltiges Tranquilizerangebot an den Mann/die Frau zu bringen.

 

„Die Rache der Borgias“, fährt mit liebevoll gestalteten Kulissen, schick geschneiderten wie farbenfrohen Gewändern und einer ordentlichen Fotografie auf. Die Bildkompositionen von kargen Landschaften erinnern - wie in so vielen (Genreübergreifenden) stiefelländische Filmproduktionen - an das später erstarkende italienische Westernkino. Im negativen Rahmen bewegt sich die im Originaltitel so innig fokussierte und schlussendlich eher belanglos mutende Schlacht, dessen Nachtfotografie zudem nicht allzu viel erkennen lässt. Als kleine Entschädigung offeriert Scotese allerdings einen ordentlichen finalen Zweikampf, den der Gute (in einen roten Umhang gehüllt) und der Böse (in einen schwarzen Umhang gehüllt) begehen. Genreregeln sind halt da, um beachtet zu werden! Das gilt für Piraten und Musketiere sowie Tyrannen und Bukaniere und freilich auch für den Rittersmann, der ab und an auch Westerner sein kann.

Links

OFDb
IMDb

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