Le Train - Nur ein Hauch von Glück

Frankreich | Italien, 1973

Originaltitel:

Le train

Alternativtitel:

O Último Trem (BRA)

El tren (ESP)

The Last Train (GBR)

Noi due senza domani (ITA)

O ultimo comboio (POR)

The Train

Deutsche Erstaufführung:

01. November 1974

Inhalt

Die deutschen Truppen marschieren 1940 in Frankreich ein. In einem kleinen Dorf nahe der belgischen Grenze lebt der Radiomechaniker Julien Maroyeur (Jean-Louis Trintignant), bis die Bewohner evakuiert werden müssen. Er flieht mit seiner schwangeren Frau Monique (Nike Arrighi) und seiner kleinen Tochter. Ein Zug soll die Flüchtlinge in ein nicht besetztes Gebiet bringen, doch Julien wird von ihnen getrennt, da er nicht im gleichen Abteil wie seine Familie mitreisen kann, und in einen Güterwaggon ausweichen muss, bis der Zug schließlich abgekoppelt wird. Auf der Fahrt lernt er die deutsche Jüdin Anna (Romy Schneider) kennen, die aus einem Lager entkommen konnte. Schnell fühlt Julien sich zu der schweigsamen und bildschönen Anna hingezogen, die wiederum dem schüchternen und sensiblen Mann näher kommt. Trotz aller Gefahr und allem Leid entwickelt sich eine Liebesromanze, die aber aufgrund der bestehenden Rahmenbedingungen keine Zukunft zu haben scheint. Als der Zug an seinem Bestimmungsort ankommt und Julien, der mittlerweile zum zweiten Mal Vater geworden ist, seine Familie wieder findet, verlieren sich Anna und er aus den Augen, bis ihn Jahre Später, im Winter 1943, die Gestapo zu einer Vernehmung vorlädt...

Autor

Prisma

Review

"Le Train - Nur ein Hauch von Glück" entstand unter der Regie von Pierre Granier-Deferre nach dem Roman des belgischen Schriftstellers Georges Simenon. Die französische Staatseisenbahn SNCF stellte der Produktion eine historische Lokomotive und die passenden Waggons zur Verfügung, was die Reise in die Vergangenheit nur noch authentischer werden lassen sollte. Die Fahrt, beziehungsweise die Flucht, wurde in mehreren Etappen inszeniert und überzeugt durch einen sehr klaren Aufbau. Original-Dokumentarszenen zeigen das hinterhältige Gesicht und die Unberechenbarkeit des Krieges in überaus beklemmenden Bildern, die immer wieder als Kontrast zur scheinbar idyllischen Landschaft eingefügt wurden. Beim Publikum und bei der Kritik gab es für die Umsetzung hauptsächlich wohlwollende Reaktionen. Die Hauptdarsteller Jean-Louis Trintignant und Romy Schneider standen nach "Le combat dans l'île" (1962) wieder einmal gemeinsam vor der Kamera und geben auch hier sehr überzeugende Protagonisten ab. Die Inszenierung wurde nahezu minimalistisch gehalten, trumpft nicht mit ausladenden Dialogen auf und verlässt sich auf die intensiven Bildstrecken, die das Wort erheben und das schwierige Thema mit Authentizität ausstatten. Die Aufnahmen wurden von Anfang Juni bis Ende August 1973 in Nordfrankreich und den Ardennen gedreht und entlang der Loire bis La Rochelle.



In "Le Train" ist alles auf die beiden prominenten Hauptdarsteller zugeschnitten, die ihre Rollen restlos ausfüllen und bemerkenswert formen werden. Jean-Louis Trintignant als Julien muss angesichts der sich aufbäumenden Situation und gegen sein Naturell immense Verantwortung übernehmen, vor der er sich aber aufgrund der außerordentlichen Umstände auch nicht scheut. Er erscheint wie ein Beschützer, dem aber wie jedem anderen auch, die Hände gebunden sind. Die Sorge um sein dreijähriges Kind und seine hochschwangere Frau, aber auch die Fürsorge für die zufällig kennengelernte Anna lassen ihn hin und her pendeln zwischen Pflicht und Verlockung. Der Zuschauer versteht schnell, dass, wenn er Anna unter anderen Umständen kennen gelernt hätte, es sicherlich zum gleichen Ergebnis gekommen wäre. Der Krieg, die Angst und die Suche nach Stützen, konstruieren diese Romanze nicht alleine, denn es besteht eine unsichtbare Bindung sowie eine natürliche Anziehungskraft zwischen beiden. Julien ist alles andere als ein Draufgänger, der die Situation ausnutzen würde. Beinahe schüchtern begegnet er der überaus angespannten Frau, traut sich nur in unbeobachteten Momenten Blicke auf sie zu werfen und es dauert lange, bis die erste Konversation entsteht, in der kein Wort zu viel verloren wird. Romy

 

Schneider als Anna fasziniert schon alleine wegen ihrer optische Erscheinung und der damit verbundenen, hauseigenen Körpersprache. Vollkommen in schwarz gekleidet, mit streng zusammengestecktem Haar und gezielten Blicken entsteht eine Ausstrahlung, die den gesamten Verlauf prägen kann. Anna wirkt innerlich angespannt, trägt jedoch eine bemerkenswerte Contenance nach außen . Ihrem Schicksal konnte sie zwar noch einmal davon laufen, doch sie transportiert eine permanente Furcht und ein  Blick in ihr trauriges Gesicht genügt, um zu verdeutlichen, dass die latente Gefahr, die dem Zug nachzueilen scheint, immer greifbarer wird. Romy Schneider wirkt trotz allem sanft, sehr sensibel und sie skizziert eine Person, die man als Zuschauer zu verstehen glaubt. Man erahnt, was sie bereits durchgemacht haben muss. Wieder einmal solidarisiert sich Romy Schneider mit ihrem zu interpretierenden Charakter in erstaunlicher Art und Weise. Im Krieg herrschen bekanntlich andere Regeln und diese Umstände werden in den Beziehungen der anderen Flüchtlinge im Waggon  intensiv verdeutlicht. Eine Lebedame, die einige der Herren mit ihren Diensten erfreut, ein alter Mann, der trotz allem seine moralischen Vorstellungen nicht ablegen kann, ein anderer der nur egoistisches Motive verfolgt, ein Pessimist, der sich darin gefällt, Ängste schüren, oder ein notorischer Unruhestifter, der den Zusammenhalt gefährdet.

 

Immer wieder bahnen sich Spannungen zwischen den eingepferchten Passagieren an, doch letztlich sitzt man im selben Boot, beziehungsweise Zug, und kommt sich aufgrund dieses Vakuums insgesamt näher. Als man bei einem Zwischenstopp des Zuges in einem verlassenen Haus Lebensmittel und Wein findet, wird sogar auch einmal entgegen der angespannten Stimmung gefeiert, und die Ausgelassenheit überlagert die latente Angst. Es wird getanzt, man singt und lacht zusammen. Hierbei schließt sich eine der intensivsten und erschreckendsten Szenen des gesamten Films an und zeigt Granier-Deferres Gespür, den Verlauf mit gezielten Pointen, oder wenn man so will, Schocks auszustatten. Für einen kurzen Moment scheint alles vergessen, man sieht Menschen, die am Leben hängen und es lieben, die heiter sind und gemeinsam lachen. Plötzlich kommt eine Schwarz-Weiß-Einblendung mit Originalaufnahmen von Adolf Hitler und seiner Gefolgschaft, die ebenfalls in Gelächter ausbrechen, aus dem Off hört man immer noch die Stimmen der Flüchtlinge, die die Bilder untermalen und es folgt der erste Luftangriff. Die Regie beschränkte sich fast vollkommen darauf, Bilder, Gesten und Mimik sprechen zu lassen, die Archiveinblendungen vermitteln einen harten, grausamen Realismus und wirken wegen der stetigen Wiederkehr bald schon fast unerträglich.

 

"Le Train - Nur ein Hauch von Glück"  bietet ein langsames Erzähltempo an und beschränkt sich auf eine übersichtliche, wenn auch ausgezeichnet strukturierte Handlung, auf die er sich in jeder Sekunde verlässt. Die Hauptdarsteller lassen große Momente entstehen und sprechen den Zuschauer unmittelbar und unmissverständlich an. Mit Philippe Sardes melancholischer und bewegender Musik treibt es einem unangenehme Schauer über den Rücken, die insbesondere im Finale des Films eines der intensivsten Zusammenwirken zwischen Bild und Musik entstehen lassen. Vor dem Hintergrund mit dem sich dieses Werk beschäftigt, kommt man eigentlich mit herkömmlichen Einschätzungen und Analysen nicht wirklich weiter, denn es geht nur um die Frage, ob sich der Zuschauer bewegt fühlt oder nicht. "Le Train - Nur ein Hauch von Glück"  entlarvt sich nie als ein Beitrag der falschen Untertöne und erspart sich unangebrachte melodramatische Anflüge, oder gar den Zeigefinger zu erheben. Man verspürt eine sehr hohe Zuschauergewalt, die sich bei derartigen Aufarbeitungen immer als eine der besten Lösungen  herausstellen konnten. So bleibt ein ernster und erschreckender, wenn auch feinfühliger Film, der Emotionen herausfordert und zur Reflexion zwingt. Die Frage jedenfalls, ob Liebe stärker sein kann als alles andere, wird wieder einmal von Romy Schneider höchstpersönlich beantwortet werden können.

 

Insgesamt handelt es sich um einen sehr bemerkenswerten Beitrag, der mit der zeitgenössischen und schönen Einschätzung des " Le Nouvel Observateur" den Punkt trifft: »Die Österreicherin Romy Schneider in der Rolle der deutschen Jüdin ist zur Zeit eindeutig die beste Schauspielerin der französischen Leinwand. »Le Train« ist darum ein mehr als gelungener Film, weil es ein guter Film mit Romy Schneider ist.«

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Prisma

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