Der Koloss von Rhodos

Frankreich | Italien | Spanien, 1961

Originaltitel:

Il colosso di Rodi

Alternativtitel:

A rodoszi kolosszus (HUN)

Colosul din Rodos (ROU)

El coloso de Rodas (ESP)

Kolos sa Rodosa (SVN)

Kolos z Rodos (POL)

Kolossen på Rhodos (SWE)

Kolossens hemmelighed (DNK)

Le colosse de Rhodes (FRA)

O Colosso de Rodes (PRT)

Taistelu Rhodoksesta (FIN)

The Colossus of Rhodes (USA)

Velikan z Rodosa (YUG)

Deutsche Erstaufführung:

26. Januar 1962

Regisseur:

Sergio Leone

Inhalt

Dareios, ein gefeierter griechischer Heros, ist in Rhodos zu Gast, um an der Einweihungsfeier des (von Antipatros zu einem der sieben Weltwunder erklärten) Koloss von Rhodos teilzunehmen. Die imposante Bronzestatue soll Rhodos zum sichersten Hafen im gesamten Mittelmeer erklären. Doch der Jubel (bezahlte Jubler wie beim Schah-Besuch in der BRD?) täuscht, denn Wohlstand (der Mächtigen) und zierender Prunk kosteten einen hohen Preis und sind somit allein dem geknechteten Volk geschuldet. Folglich rumort es im Untergrund, wo sich die Geknechteten sammeln und auf den richtigen Zeitpunkt warten, um gegen die Herrschenden das Schwert zu erheben. Die Sicherheit der Herrscherkaste wird derweil auch mittels interner Querelen bedroht, denn des Königs offizieller Berater, der gerissene Tireo (Thar), plant gemeinsam mit den Phöniziern einen Umsturz. Für den geschwätzigen Dareios ist es übrigens ein Leichtes zwischen die Fronten zu geraten und tüchtig an Klatsch und Tratsch sowie Intrigen und Eitelkeiten mitzuwirken. Gibt es noch Hoffnung für die versklavten Rhodier? Oder ist Rhodos dem Untergang geweiht? 

Review

Nach einigen Regieassistenzarbeiten und dem Leiten einiger second units debütierte Sergio Leone 1961 als alleinverantwortlicher Regisseur (erste Einheit!) mit dem neomythologischen Film DER KOLOSS VON RHODOS. Der gebürtige Römer sammelte bereits während seiner Lehrjahre eifrig Erfahrungen in diesem zwischen 1958 und 1964 florierenden Filmgenre, das den Neorealismo ablöste. Aber um es gleich vorweg zu nehmen: Leones Regiedebüt besitzt zwar einen populären Rufnamen, aber inhaltlich ist der Film bestenfalls mittelprächtig geraten. Ein ausschlaggebender Grund ist das behäbige Tempo der Narrative, die obendrein jedem halbwegs erfahrenen Filmfreund keinerlei Überraschungen offeriert. 

 

Die bundesdeutsche Synchronisation balanciert zu Beginn zwischen Poesie und Prosa. Was einer der Sprecher gar wortwörtlich bestätigt. Ferner will uns das Dialogbuch weiß machen, dass die Rhodier ihr kolossales Weltwunder dem Gott Apollo widmeten. Freilich lässt sich Apollo auch in der griechischen Mythologie finden, aber der Koloss wurde in facto dem Sonnengott Helios gewidmet, nach dessen Abbild man die berühmte Bronzestatue auch errichten ließ. Die für Leones Film hergestellte Statue erinnert allerdings tatsächlich an die überlieferten Abbilder des Apollo(n). Und als ich mir kürzlich den gezeichneten Koloss von Rhodos in Geschichtsbüchern anschaute, fielen mir Ähnlichkeiten mit der Statue of Liberty auf. Dessen siebenstrahlige Krone übrigens den überlieferten Bildnissen und Statuen des Gottes Helios verpflichtet ist.

 

In DER KOLOSS VON RHODOS besitzt die gleichnamige Bronzestatue zwei Aufgaben. Sie soll einerseits mittels ihrer entflammten Schale als Leuchtturm fungieren, ergo die Schiffe in der Nacht sicher durch die tückischen Fluten des Mittelmeers leiten. Andererseits soll sie als Sicherung vor den Feinden von Rhodos dienen und unerlaubtes Eindringen als auch Flucht verhindern. Man spricht stolz vom sichersten Hafen im gesamten Mittelmeer. Doch warum eigentlich Flucht? Weil der Wohlstand der Mächtigen von Rhodos der Korruption sowie der Ausbeutung und Versklavung des Volkes geschuldet ist. Während sich die Schönen und Reichen an ihren Fress- Sauf- und sonstigen Orgien erfreuen, lebt das Volk von Rhodos in Knechtschaft. Wer dagegen aufbegehrt, empfängt umgehend den Tod. Mag sein, dass der jeweilige Aufrührer während seiner Transgressionsphase den Status eines Heiligen erlangt, aber dadurch wird die untragbare Gesamtlage auch nicht verbessert, denn das Volk braucht Waffen und nicht nur Märtyrer! Auch wenn keine Lösung in Sicht ist, liegt der Aufstand in der Luft. Diese brenzlige Situation wird jedoch nicht ausgenutzt, um den Zuschauer kraft des Schwebezustands zum Film zu verführen. Es wird viel gequatscht wie taktiert, aber Spannung mag mittels dieser Methode nicht entflammen. Damit hat DER KOLOSS VON RHODOS bereits eine wichtige Schlacht verloren. 

 

Die zentrale Figur (Dareios), die in der betuchten Hautevolee als auch bei den Aufständischen mitmischt, wird von Rory Calhoun verkörpert, der vornehmlich als Quatschkopf und weniger als Held und Hoffungsträger agiert. Der Kopf der Rebellen, Piliokles (gespielt von dem Franzosen Georges Marchal), nennt Dareios (zum Ende des Films) gar Feldherr. Obwohl Dareios vornehmlich quatscht, kann man ihm (s)ein einhergehendes Taktieren nicht absprechen. Dareios will den einen gegen den anderen ausspielen und hin und wieder kann es während dieser/seiner Mission passieren, dass nicht nur die angesprochenen Filmfiguren und Filmcharaktere, sondern auch der Zuschauer selbst die Übersicht über Dareios´ eigentliche Absichten (auf welcher Seite steht der Dampfplauderer denn nun?) verliert. 

 

Wie Rory Calhoun konnte mich auch Lea Massari (Diala) in ihrer Doppelrolle als Biest und love interest nicht überzeugen. Leas Gesicht erinnert mich etwas an das von Ingrid Bergmann. Aber im Gegensatz zu Ingrid Bergmann hat Massari nur den einen, den fortwährend gequälten, Gesichtsausdruck parat. Ich traute ihr zu keinem Zeitpunkt die für ihren Part erforderlichen Fies- und Gemeinheiten zu. Ich hätte den Part der Diala mit der charismatischen Belinda Lee besetzt, die einige Monate nach dem Erscheinen von DER KOLOSS VON RHODOS als Messalina in Vittorio Cottafavis gleichnamigem Peplum-Vehikel zu überzeugen wusste. 

 

Lea Massari bestätigt, dass halt nicht jede/r Schauspieler/in von Lee Strasberg geschult wurde und dass einige von ihnen auch niemals was von method acting gehört, geschweige denn daraus gelernt haben. Macht ja auch nichts! Man muss schließlich keine schauspielerischen Glanzleistungen erbringen, um sich im italienischen Genrekino einen Namen zu machen. Gelegentlich reicht bereits eine sympathische Aura aus, um - zumindest mich - zu saturieren. Georges Marchal als der etwas voreilig agierende Piliokles und Mimmo Palmara als der tapfere und leichtathletisch begabte Ares passen in diese Kategorie und können nach meinem Dafürhalten einige Pluspunkte einfahren. 

 

Palmara war in vielen Sandalenfilmen (ich mag diesen Begriff überhaupt nicht!) aktiv und spielte an der Seite der bekanntesten Muskelmänner. Er ruhte sich allerdings nicht auf den Lorbeeren aus und verschlief somit auch nicht den Wandel der italienischen Filmindustrie. Tauschte die ausgelatschten Sandalen gegen die mit blitzblanken Sporen bestückten Cowboyboots und spielte unter dem Pseudonym Dick Palmer in einigen Italo-Western. Dort traf er mit Sicherheit auch hin und wieder Nello Pazzafini, der beim KOLOSS einen Kurzauftritt (im wahrsten Sinne, er schlägt kurz und schmerzlos gegen einen mächtigen Gong) hat. 

 

Aber diese Filmografien sind ja eh alte Geschichten, die Ihnen mit Sicherheit bekannt sein werden. Diese Geschichten sind allerdings beileibe nicht so alt wie das Kabinettstückchen mit dem (in Leones Regiedebüt) eine Wärter respektive ein Wächter von einer femininen Schönheit ausgetrickst wird. Der angewandte Trick ist gar älter als die Zeit (ca. 292 v. Chr.) in der DER KOLOSS VON RHODOS beheimatet ist. Da darf man sich schon mal wundern oder seinen Lippen gar ein überhebliches Lächeln zugestehen. 

 

Über die dereinst anprangerungswürdigen Folterszenen werden sich die meisten Rezipienten heutzutage dito amüsieren wie über die zuvor erwähnten, antiquierten Kniffe und Tricks. Meines Erachtens sind diese Momente - für die damalige Zeit - ausreichend unangenehm geraten, um schlussendlich die Pein der Gefolterten nachvollziehen zu können. 

 

Ich kann nicht eruieren, wie viel Gelder den Verantwortlichen bei der Herstellung des Films zur Verfügung standen. Wahrscheinlich nicht genug, um derartige Massenaufläufe, wie sie beispielsweise in KARTHARGOS FALL dargeboten werden, zu realisieren. DER KOLOSS VON RHODOS liefert keine opulenten Bilder von Schlachten und Massenaufläufen. Alles wirkt überschaubar. Einzig bei der Visualisierung des Erbebens, dem Untergang von Rhodos und dem Sturz seines Kolosses hat man etwas tiefer in die Tricktaschen gegriffen, um den Kinozuschauern einen bleibenden Eindruck als auch einen gelungenen Filmabschluss zu liefern. 

 

 

Fazit: Einerseits kann man, besonders mit Blick auf die Vielzahl der beteiligten Produzenten und Drehbuchautoren, resümieren, dass viele Köche der Geschmacksqualität eines gemeinsam angerührten Breis schaden. Andererseits hat Jimi Hendrix ja auch nicht gleich mit „Purple Haze“ losgelegt! So firmiert DER KOLOSS VON RHODOS das mittelprächtige Regiedebüt jenes Mannes, der schon bald ein gesamtes Filmgenre revolutionieren sollte. 

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