Howlers of the Dock

Italien, 1960

Originaltitel:

Urlatori alla sbarra

Alternativtitel:

Les hurleurs (FRA)

Ritmo romano (MEX)

Metti, Celentano e Mina...

Regisseur:

Lucio Fulci

Inhalt

Nachdem die Blue Jeans Company aufgrund des schlechten öffentlichen Image der sogenannten Teddy Boys an Umsatz einbüßt, will man den Ruf der jungen Leute aufpeppen. Die Gruppe um Joe Il Rosso (Joe Sentieri), Mina (Mina) und Adriano (Adriano Celentano) beschließt nun, gute Taten zu vollbringen. Doch das Vorhaben gestaltet sich als schwierig, denn das Misstrauen der Älteren ist groß.

 

Joe verliebt sich indessen in Giulia (Elke Sommer), die Tochter des RAI-Programmchefs Giomarelli (Mario Carotenuto). Und gerade Letzterer wird nun – im Namen seiner politischen Partei – zum größten Gegner der Teddy Boys, denen er das Image von Urlatori (Schreihälsen) verpasst und sie aus dem Fernsehen verbannt. Doch am Ende wird er Umdenken müssen, denn die jungen Leute erhalten überraschend Unterstützung aus Amerika.

Review

Ja, ich bespreche schon wieder ein Musicarello – und diesmal ein sehr musik-lastiges. Aber es ist ungerecht. Gestandene Filmkritiker bescheinigen Fulci, URLATORI ALLA SBARRA sei ein Schnellschuss gewesen, altbacken und heute somit kaum noch ansehbar. Leckt Fett.

 

Fulcis HOWLERS AT THE DOCK war seinerzeit wegweisend, zusammen mit dem unmittelbaren Vorgänger RAGAZZI DEL JUKE-BOX. Zwar hatten Künstler wie Mina und Adriano Celentano ihre ersten Filmauftritte bereits zuvor in Mauro Morassis JUKE BOX, URLI D’AMORE (1958), dieser war aber noch nicht so übermäßig erfolgreich. Der Erfolg kam mit der Zusammenarbeit zwischen Lucio Fulci und – ganz wichtig – Piero Vivarelli. Vivarelli arbeite bereits seit den 50er Jahren für Radiosender und war ab den 60er Jahren Redakteur des Musik-Magazins „Big“, dessen Editorial er stets selbst verfasste und welches von Jugendlichen, die auf der Suche nach guter Musik waren, regelmäßig verschlungen wurde. Vivarellis Meinung hatte Gewicht, wen er für gut befand konnte berühmt werden, wen er ignorierte, ignorierte auch das Publikum.

 

Piero Vivarelli ist bei beiden genannten Fulci-Musicarelli als Drehbuchautor und Regieassistent gelistet, war aber viel mehr. Das Konzept entwarfen sie gemeinsam, einige von Celentanos Texten, die eine seltsame Diskrepanz zwischen rockigen Rhythmen und schmalzigen Texten aufwiesen, wurden von Vivarelli und Fulci neu getextet. Der Stil der gefilmten Musikeinlagen war wegweisend, denn nicht nur wurde die Yéyé-Musik in das Genre Musicarello kolportiert (tatsächlich mischen Fulci und Vivarelli noch modernere und kommerziellere Künstler), auch die Musikvideo-ähnliche Art der Umsetzung würde ihren Weg in die sogenannten Scopitones finden, eine Art Juke Boxes, die 16mm-Filme von etwa drei Minuten Länge projizierten. Wie viele Darstellerinnen und Tänzerinnen Vivarelli während der Dreharbeiten flachlegte, ist dagegen nicht überliefert, Vivarelli war aber bekanntlich ein ziemlich schlimmer Finger, er selbst war der Letzte, der daraus ein Geheimnis machte.

 

Apropos Schnellschuss – URLATORI ALLA SBARRA weist weitgehend eine sorgfältige und sehr schön anzusehende Photographie auf, die ein besonderes Augenmerk auf die Gesichter der Protagonisten legt. Für die Kameraarbeit war Gianni di Venanzo verantwortlich mit Erico Menczer als Operator, beide hatten aber nur die dominanten Vorstellungen Fulcis und Vivarellis umzusetzen. Für den Score zeichnete Piero Umiliani, in den Credits wird die Unterstützung von Chet Baker erwähnt. Was die Songs betrifft, so sind diese ebenso zahlreich wie unterschiedlich:

 

Joe Sentieri – Ritroviamoci, Moto Rock, Milioni di Scintille, Non so parlare

Mina – Vorrei saper perché, Nessuno, Whisky, Tintarella di Luna

Adriano Celentano – Rock Matto, Blue Jeans Rock, Nikita Rock, Impazzivo per te, Il tuo Bacio è come un Rock

Chet Baker – Arrdividerci

Brunetta – Precipito, Beby Rock

Umberto Bindi – Odio

Gianni Meccia – Soldati delicati

Corrado Lojacono – Carina

I Brutos – Io, Brivido blu

 

Die Struktur des Films ist sehr episodisch, und freilich gibt es auch Rückschläge. Als heutiger Zuschauer wünscht man etwa, Leute wie Adriano Celentano oder Mina hätten mal zwei Cent in Choreographen investiert, die ihnen beibringen, sich etwas stilsicherer zu bewegen. Celentanos Gezappel mag damals sein Markenzeichen gewesen sein, aber man kann auch professionell zappeln. Besonders unangenehm beginnt dies aufzufallen, wenn man neben den Genannten die junge Elke Sommer (Gott, war die damals sexy!) viel körperbewusster und trotzdem wild tanzen sieht.

 

Fulci begann selbstredend schon früh in seiner Regie-Karriere mit dem Provozieren, und URLATORI ALLA SBARRA ist ein perfektes Beispiel hierfür. Er wählte als Thema das Teddy Boys-Phänomen, um in diesem Zusammenhang mit der verlogenen Moral der Christdemokraten und deren Einfluss auf den TV-Sender RAI abzurechnen. Auch dass die Teddy-Boys ein wichtiger Wirtschaftsfaktor waren, findet Berücksichtigung.

 

Mit Chet Baker hatte man in URLATORI ALLA SBARRA laut Piero Vivarelli große Probleme. Er spielt einen Amerikaner in der Gruppe, der ständig überall einschläft. Leider entsprach dies der Realität, Baker war so schwer auf Drogen, dass er tatsächlich ständig am Einnicken war, einmal vergaß man ihn gar im Studio unter einer Couch. Dafür gehört ihm einer der schönsten Momente des Films, wenn er im Park für seine schmusenden Freunde „Arrividerci“ performt. Mein persönlicher Favorit ist aber das schmissige „Nessuno“ von Mina, ebenfalls ein jazziges Stück mit tiefem Saxophon.

 

Für Elke Sommer war URLATORI ALLA SBARRA bereits der dritte Filmauftritt in Italien, ihre Debuts haben dagegen Marilù Tolo, Lino Banfi, Lars Bloch und Carlotta Barilli. In Cameos sieht man Piero Vivarelli, Lucio Fulci und Mario Landi, viel Spaß beim Suchen, sind halt alle noch sehr jung. Mir persönlich hat das Ansehen von URLATORI ALLA SBARRA jedenfalls viel Vergnügen bereitet.

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