Der Denunziant

Italien, 1985

Originaltitel:

Il pentito

Alternativtitel:

El arrepentido (ESP)

The Repenter

Deutsche Erstaufführung:

25. Juni 1987

Inhalt

Im Wesentlichen existieren zwei unterschiedliche Mafiawelten nebeneinander. Da ist einmal die traditionelle Cosa Nostra - Die älteren Herren aus Corleone, die sich als Helfer des unterdrückten Arbeiters und Bauern verstehen und deren wichtigste Begrifflichkeiten Dinge sind wie Ehre und Anstand. Hier wird nicht sinnlos gemordet, hier wird rücksichtsvoll getötet. Im Gegensatz dazu steht die neue Welt der Mafia, die jungen Wilden aus Palermo, deren einziges Streben nach Geld und Macht gerichtet ist, und die dafür gnadenlos und ohne Rücksicht vorgehen. Durch den Bankrott des Bankiers Spinola und den dadurch entstehenden Wegfall der Geldwaschanlage entsteht zwischen diesen beiden Welten Krieg. Ein brutaler Krieg, durch den Salvo Lercara, der Boss der neuen Mafia, endlich Boss von ganz Sizilien werden will.

 

Im Zentrum dieses Krieges stehen zwei Männer: Auf der einen Seite Don Vanni Ragusa, der sich (auf der traditionellen Seite) vom Handlanger empor gearbeitet hat zu einer Respektsperson, auf dessen Wort gehört wird, und der nun von den schießwütigen Modernisten gejagt wird. Und auf der anderen Seite Richter Falco, der dem Blutbad fassungslos gegenübersteht und versucht, einen Weg zu finden das Gemetzel zu beenden.

Autor

Maulwurf

Review

Ein Pentito, das ist in der Mafiasprache einer der auspackt. Einer, der seine bisherigen Kameraden, denen er unverbrüchliche Treue geschworen hatte, jetzt verrät. Die wörtliche Übersetzung “Der Reumütige“ trifft es ganz gut, denn er zeigt Reue über seinen kriminellen Lebenswandel, oder zumindest tut er so. Ein bekannter Pentito der 80er-Jahre war der Mafiaaussteiger Tommaso Buscetta, der nach einem Selbstmordversuch in einem brasilianischen Gefängnis auspackte, und zwar gegenüber dem später ermordeten Richter Giovanni Falcone (und Paolo Borsellino, Ehre wem Ehre gebührt). Seine Aussagen brachten unter anderem den Unternehmer Antonio Salvo ins Gefängnis. Falco/Falcone, Antonio Salvo/Salvo Lercara - die Übereinstimmungen sind ein wenig zu ähnlich um Zufall zu sein. Die Ereignisse um den Pentito Buscetta fanden im Herbst 1984 statt, der Film hatte italienische Premiere am 15. November 1985. Zeit genug also, um eine spannende Aufarbeitung der tatsächlichen Ereignisse zu gestalten.

 

Aber irgendwie hat Pasquale Squitieri hier nicht so richtig den Bezug zu seiner eigenen Geschichte finden können. Die IMDB listet sechs(!) Leute die an Story und Drehbuch gebastelt haben, und dies dürfte auch das grundlegende Problem sein: Die Story ist viel zu kompliziert und unnötig umständlich aufgebaut.

 

Los geht es mit dem Bankrott des italienisch-stämmigen Bankiers Spinola, der in New York das Geld der italienischen Familien verwaltet hat. Bankier und Geschichte pendeln unentschlossen zwischen New York, Palermo und dem Amtssitz des Richters in Mailand hin und her, Namen und Gesichter werden immer schneller durch die Gegend geworfen, die Rolle von Ragusa, der mal in New York, dann wieder in Palermo, und dann ganz urplötzlich wieder in New York ist, bleibt vorerst unklar, und genauso plötzlich taucht Spinola in Palermo auf, wo er nach einiger Zeit mehr oder weniger aus der Geschichte kippt und vergessen wird. Und wem dieser Satz jetzt zu lang und zu verschachtelt war, der kann sich in etwa vorstellen wie der Erzählfluss des Films ist …

 

Bis zum Krieg der beiden Familien vergeht etwa eine Stunde, in der zwar viel Vorgeschichte breitgewalzt wird, aber ich frage mich ob man das nicht auch knackiger hätte erzählen können. Ich gebe gerne zu, dass vor allem in den ersten 20 Minuten viel Spannung aufgebaut wird, die dann aber leider mehr oder weniger verpufft um die zentralen Charaktere langsam und umständlich an die eigentliche Handlung heranzuführen. Die Musik Ennio Morricones ist, wie im ganzen Film, unauffällig und stellt sich ganz in den Dienst der Erzählung. Was zwar zu einigen starken düsteren Momenten führt, aber keine wahren Highlights produziert. Stattdessen kommen Tiefschläge wie die Verabschiedung Falcos von seinem Vater, die so auch in einer Rosamunde Pilcher-Verfilmung ihren Platz hätte finden können. Freilich ist es schön wenn die Regisseure sich Zeit nehmen und auch persönliche Hintergründe in ihre Figuren einflechten, aber wenn diese Vorgehensweise den Erzählfluss merklich stört, da werde ich zugegeben immer leicht fuchsig.

 

Üblich sind im gängigen Mafiafilm 2 Muster: Entweder der Zuschauer wird über persönliche Anteilnahme eingebunden, oder es regiert das knallharte Gangstergeballer. Squitieri versucht irgendwie beides, mit pittoresken Bildern von Festnahmen einfacher Bürger in Corleone, einigen blutigen Shoot-Outs sowie dem Einflechten menschlicher Schicksale, meistens aus Sicht der kurz darauf trauendern Witwen. Aber spätestens hier klappt das ganze nicht so recht, weil die Figuren einfach zu kurz dabei sind um zu berühren. Was ich meine ist das Beispiel Sonny Corleone: Sonny hat einige Screentime und darf sich in Coppolas DER PATE bei allem Jähzorn als feiner Kerl präsentieren, weswegen sein Tod dem Zuschauer entschieden nahe geht und die Sympathien auf die Seite des rächenden Michael Corleone legt. Die Söhne Vanni Ragusas hingegen bleiben Staffage, genauso wie ein überführter Staatsanwalt dem Zuschauer irgendwie am Arsch vorbei geht. Ein Kollege von Falco ist korrupt? Na und! Der Mann tauchte bislang noch nicht auf, sein Name fiel auch noch nie, warum also sollte sein abruptes und vor allem gefühlsorientiertes Ableben mich als Zuschauer interessieren? Und als Actioner klappt es halt auch nicht so ganz, weil dafür zu viel Wert gelegt wird auf die Dialoge, und die Actionszenen zwar gut und prägnant, aber eben auch recht kurz sind.

 

Ein Wort zur Besetzung: Tony Musante ist gut wie immer, und kann seine männliche Ausstrahlung erstklassig in Szene setzen. Im Gegensatz zu Franco Nero, der oft sehr theatralisch wirkt und eher wie ein Schauspielschüler bei seiner ersten Rolle agiert. Max von Sydow spielt recht zurückhaltend, Claudine Auger ist alt geworden (Hey, das ist die schöne Tote aus ESCALATION, aber hier sieht sie richtig alt aus …), und die Überraschung des Films ist definitiv Erik Estrada, den man am ehesten aus der Fernsehserie CHIPS kennt. Estrada spielt Salvo Lercara, den Boss der „aufständischen“ Jungen, der die alten Bosse abservieren und selber Kapo werden will, am Besten von ganz Sizilien. Dafür ist er zu allem bereit, und man nimmt Estrada diese Kälte und Entschlossenheit jederzeit ab. Eine klasse Performance!

 

Ansonsten gibt es noch die sehr leckere Rita Rusic mit ihrer Bikinifigur, Ivo Garrani schaut aus wie Sepp Blatter (und benimmt sich auch so), und Rik Battaglia soll auch dabei sein (ich muss aber gestehen ihn nicht gesehen zu haben).

 

Nein, einen handelsüblichen Mafiareißer hat Pasquale Squitieri hier nicht abgeliefert, sondern er hat versucht mit Qualität und Köpfchen an die Sache ranzugehen. Aber weniger wäre hier vielleicht eher mehr gewesen, der Unterhaltungswert hält sich doch einigermaßen in Grenzen. Damiano Damiani hat außerordentliche Mafiadramen auf sehr hohem Niveau gedreht, und beispielsweise Umberto Lenzi hat erstklassige Ballerfilme mit extrem hohem Mitreiß-Faktor abgeliefert. Squitieri setzt sich mit DER DENUNZIANT zielsicher zwischen diese beiden Stühle und präsentiert somit weder Fisch noch Fleisch, sondern eher ein etwas halbgares Soja. Der Ablauf der originalen Ereignisse mag wahrscheinlich relativ gut getroffen sein, aber ein wenig Ausschmückung hätte dem Film auf jeden Fall gut getan.

Autor

Maulwurf

Veröffentlichungen

Gesehen wurde die deutsche DVD von PK Movies. Vollbild mitsamt jeder Menge fehlender Bildinformation, deutsche und italienische Sprache ohne Untertitel und keine Extras machen so richtig Lust auf den Film. Aber immerhin ist das (Rest-) Bild in sehr guter Qualität …

Autor

Maulwurf

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