Totò Baby (Totò), Sohn eines Zuhälters, Diebes und einer Prostituierten, macht zusammen mit seinem leicht dümmlichen Halbbruder Pietro (Pietro de Vico) Rom unsicher, klaut alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Dabei schreckt er nicht mal davor zurück, alten Damen, die ihren Rentencheck abholen, einen Knüppel über den Schädel zu ziehen. Sein Bruder Pietro hingegen lässt sich bei einem Coup auf dem Bahnhof Termini von einer alten Dame einen Koffer andrehen, in dem sich eine Leiche befindet.
Bei dem Versuch, die Leiche auf dem Land zu entsorgen, nehmen sie die deutschen Touristinnen Inga und Helga (Ivy Holzer und Alicia Brandet) mit, und es kommt zu einer Verwechslung. Die beiden „Nazi-Schnittchen“ (O-Ton) bekommen den Koffer mit der Leiche, Totò und Pietro einen Koffer mit Damenunterwäsche. Die Diebe wollen die Leiche zurück, und brechen in das Castello ein, in dem sie die beiden Mädels abgesetzt haben, und wieder kommt es zu einer Verwechslung. Anstelle der Leiche packen sie den zugekifften Schlossherren Miscia Auber (Mischa Auer) in den Koffer und werfen ihn in einen Brunnen auf dem Gelände.
Doch der Schlossherr erwacht und macht den Dieben ein Angebot. Er entsorgt die Leiche, wenn sie dafür seine herzkranke, hässliche, übergewichtige, bösartige und steinreiche Ehefrau zu Tode erschrecken. Doch der Dragoner ist keineswegs schreckhaft. Schließlich gelingt die Tat, und Totò beginnt den Hausherren zu erpressen, da er sich im Schloss recht wohl fühlt. Nun will Auber die beiden Diebe umbringen lassen, diesmal sollen Inga und Helga die Drecksarbeit für ihn erledigen. Doch als Totò einen Salat aus Marihuana-Blättern verzehrt (eine Verwechslung nebst Wortspiel mit Majoran), wird dieser zum wahnsinnigen Mörder.
Na, wenn das nicht mal eine schräge Inhaltsangabe für eine Komödie ist. Der Wahnsinn regiert, und natürlich ist das Ganze eine Persiflage auf damalige zeitgenössische Thriller. Ein bisschen von Hitchcocks „Immer Ärger mit Harry“ und Aldrichs „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“ und viele andere Motive werden kombiniert mit dem alten Armer-Dieb-Konzept des Komikers Totó. Bisweilen wird es gar unheimlich, wenn Filme parodiert werden, die zum Entstehungszeitpunkt noch gar nicht existierten, aber künstlerische Verbeugungen funktionieren eben in beide Zeitrichtungen. Da wären etwa die Verwirrspiele um drei Koffer, einer mit Leiche, einer mit Damenunterwäsche, einer mit Marihuana-Samen. „Oscar“ lässt grüßen. Wenn Alicia Brandet den Toten im Koffer findet, wird ein Bava-Film nebst Musik ins Gedächtnis gerufen, welcher erst zwei Jahre später entstand.
Zu Totò sei gesagt, dass der in Italien damals sehr populäre Komiker bekannt für einen gewissen anarchischen Komik-Stil war, es hier aber wirklich auf die Spitze treibt. Tatsächlich eignet sich „What ever happened to Baby Toto?“ ganz hervorragend als Einstieg in die Welt dieses Künstlers, nicht zuletzt deshalb, weil er eben den Genre-Film des Thrillers parodiert und in gewisser Weise auch zu den Vorreitern des Giallo gezählt werden kann, ohne wirklich ein Giallo zu sein. „What ever happened to Baby Toto?“ zeigt von Anfang an einen recht unbekümmerten Umgang mit Gewalt. Totò piesackt seinen Bruder mit Schlägen, Tritten, spuckt ihm ins Auge, malträtiert ihn mit Zangen. Mit Ankunft im Schloss des Barons eskaliert die Story zusehends. Um bleiben zu können, zertrümmert Totò seinem Bruder das Bein mit einem schweren Hammer. Später „kümmert“ er sich um den Versehrten, serviert ihm zu den Mahlzeiten einen lebenden Frosch und schließlich gar einen abgetrennten Kopf. Lustig.
Mario Monicelli beschrieb Totò in etwa so: „Mit Totò haben wir alles falsch gemacht. Er war ein Genie, nicht nur ein großartiger Schauspieler. Und wir fesselten ihn, reduzierten ihn, zwangen ihn zu einem gemeinsamen menschlichen Kontext und schnitten ihm so die Flügel ab.“ Totò wurde am 15. Februar 1898 als Antonio Vincenzo Stefano Clemente in Rione Sanità, einem Armenviertel von Neapel als unehelicher Sohn einer Sizilianerin und eines Marquis geboren, welcher die Vaterschaft erst später anerkannte. Totò nutzte 1950 eine Gesetzeslücke, um seinen Namen mit dem Titel zu integrieren, und so war sein „bürgerlicher“ Name fortan Antonio Griffo Focas Flavio Angelo Ducas Comneno De Curtis di Bisanzio, oder ganz genau, Flavio Ducas Komnenos Gagliardi de Curtis von Byzanz, Seine Kaiserliche Hoheit, Pfalzgraf, Ritter des Heiligen Römischen Reiches, Exarch von Ravenna, Herzog von Mazedonien und Illyrien, Prinz von Konstantinopel, Kilikien, Thessalien, Pontus, Moldau, Dardania, Peloponnes, Graf von Zypern und Epirus, Graf und Herzog von Drivasto und Durazzo. Er ließ gar eine Goldmünze prägen, auf dem sein Konterfei im Stil eines römischen Kaisers dargestellt war. Hintergrund dieses Unterfangens war freilich das dahinterstehende ad absurdum, ein unehelicher Junge aus einem neapolitanischen Armenviertel mit solch einem Namen und Titeln. Anarchisch eben.
Totò hatte den Ruf eines Playboys. Er war zwei Mal verheiratet, seine Tochter benannte er nach einer Geliebten, die aus Liebeskummer seinetwegen Selbstmord verübt hatte. Ein Sohn starb kurz nach der Geburt. Bereits während einer Tournee im Jahre 1956 verlor Totò aufgrund einer Augenentzündung den größten Teil seines Sehvermögens. Er starb 1967 im Alter von 69 Jahren an einer Reihe von Herzinfarkten. Als Komiker war er außerhalb Italiens kaum bekannt geworden. Späte internationale Anerkennung erfuhr er durch seine Hauptrolle in Pasolinis „Große Vögel, kleine Vögel“ (Uccellacci e uccellini, Italien 1966), in dem er an der Seite von Ninetto Davoli und Femi Benussi zu sehen war.
Ein interessanter Gast in „What ever happened to Baby Toto?“ ist Mischa Auer. Der 1905 in St. Petersburg geborene Immigrant legte zunächst eine frühe Hollywood-Karriere hin, war etwa in Filmen wie Frank R. Strayers „The Monster Walks“ (USA 1932) oder „Das Haus der sieben Sünden“ (USA 1940) zu sehen. Mit Beginn des 2. Weltkriegs und dem folgenden Kalten Krieg legte Hollywood Auer jedoch immer mehr auf die Rolle des „verrückten Russen“ fest, und schließlich hatte er die Nase voll. Auer ging nach Europa und wirkte in zahlreichen italienischen und französischen Komödien - meist ebenfalls nur als Supporting Actor wie zuvor in Hollywood – mit. Er starb im März 1967 in Rom, im Alter von nur 61 Jahren.
Ein lustiger Fehler findet sich in der IMDb. Als Darstellerin der hässlichen Ehefrau des Barons wird Alicia Brandet benannt, die Rolle der blonden Helga dagegen mit Edy Biagetti. Nun, Edy Biagetti ist ein Kerl, und die bezaubernde Alicia Brandet (das Hausmädchen aus Fulcis finaler Episode von „The Maniacs“ (I maniaci, 1964) spielt natürlich die Helga.
Neuste Kommentare
Simon
24. Februar, 2024 | #
Hallo.
Wenn ich den Film im O-Ton schauen möchte, verstehe ich es richtig, dass die Originalsprache Englisch ist, obwohl es sich um...
KLAUS SCHMITZ
12. Februar, 2024 | #
ICH SUCHE DIESEN FILM UND MÖCHTE IN UNBEDINGT NOCH EINMAL SEHEN-BIN EIN RIESEN FAN
Angela
06. April, 2023 | #
Ich wollte fragen ob man diesen Film,,Inzest ,,auch als DVD kaufen kann. Liebe Grüße
DF
15. Januar, 2023 | #
Wenn ich fragen darf, wo gibt es eine Kopie des Films? Irgendwelche Online-Ressourcen?
André
26. Dezember, 2022 | #
Ich suche den schon länger vergeblich. Gibt es irgendeine Möglichkeit, den auf DVD zu bekommen?
Gerald Kuklisnki
19. Dezember, 2022 | #
Inzwischen gibt es eine französische Blu-ray von Pulse. Die Disk enthält "Je brule de partout" in Französisch mit englischen...