Unmoralische Novizinnen

Italien, 1978

Originaltitel:

Interno di un convento

Alternativtitel:

Atrás dos Muros do Convento (BRA)

Unmoralische Novizinnen hinter Klostermauern (DEU)

Interior de un convento (ESP)

Intérieur d'un couvent (FRA)

Within the Convent (GBR)

Zondige begeerten (NLD)

Freiras Perversas (PRT)

Behind Convent Walls (USA)

Deutsche Erstaufführung:

6. März 1978

Inhalt

In einem Kloster leiden die jungen Novizinnen unter den strengen Regeln der Mutter Oberin. Lachen ist gemeinhin verpönt, aber wer sich den harten Klosterregeln widersetzt, wird eh nichts mehr zu lachen haben. Folglich soll das Gebet über die zahlreichen Verbote wie begleitenden Entbehrungen hinweghelfen. Doch die Libido, das sexuelle Verlangen, lässt sich kraft der Bittgebete nicht ausblenden und agiert als der immer präsente Hauptprotagonist von wollüstigen Tagen wie schlaflosen Nächten, welche die Sündenbekenntnisse nähren und dem Beichtvater die Schamesröte ins Gesicht treiben. Die Novizinnen, die dereinst ihre langen Haare und ihre Augenbrauen dem Herrn opferten, haben sich in ihren bisweilen stillen Kämmerleinen ihren Lüsten hingegeben und einhergehend den Treueid gebrochen. Für die Mutter Oberin kommt das unzüchtige Verhalten einer Todsünde gleich, denn wer der Versuchung erliegt und sich der Fleischeslust hingibt, ist des Teufels! Doch wer die Gefahr erkannt hat, ist längst nicht gegen deren satanische Ausläufer immunisiert. Nachdem die Mutter Oberin tot aufgefunden wird, regieren innerhalb der Klostermauern fortan drei miteinander verknüpfte Fragen: War es Mord? Wenn ja, war es ein irdischer Täter? Oder hatte gar der Leibhaftige seine vergifteten Finger im Spiel?

Review

UNMORALISCHE NOVIZINNEN hat zwei Trümpfe im Ärmel, die in der Alles oder Nichts-Phase eines Pokerspiels den Pott in die Hände des kaltschnäuzigen Cheaters spielen könnten. Erster Trumpf: Ein mutiger Regisseur, der u. a. den großartigen LA BETE schuf. Zweiter Trumpf: Eine spannende Romanvorlage mit Namen "Promenades dans Rome", im Speziellen das Kapitel über die Kirche „Il Gesù“, in die der Teufel einzog. Die Geschichte entstammt der Feder von Marie-Henri Beyle, der im 18. Jahrhundert seine Theorien über das weite Gebiet der Sexualität in seinem Schriftwerk „De l'Amour“ kundtat. Jener literarische Stoff wurde 1964 von Jean Aurel, unter schauspielerischer Mitwirkung von Elsa Martinelli, Michel Piccoli und Jean Sorel, unter dem Namen DE L´AMOUR (Titel der bundesdeutschen Kinouraufführung: VERFÜHRUNGEN) verfilmt.

 

Wen der Name Marie-Henri Beyle nichts sagen sollte, der wird allerdings, da bin ich zuversichtlich, bei der Nennung seines Nom de Plume aufhorchen: Stendhal. Ein Pseudonym, das dem „Stendhal Syndrome“, welches unter Dario Argentos inszenatorischer Leitung in das italienische Genrekino einzog, seinen Namen schenkte.

 

Einer kulturellen Reizüberflutung, die man dem „Stendhal Syndrome“ gemeinhin zuschreibt, werden wir Zuschauer kraft Borowczyks Inszenierung nicht wirklich ausgesetzt. Stattdessen werden wir jedoch mit den Gelüsten diverser Novizinnen überflutet, welche die unmoralischen Klostermädels zur Masturbation und Geschlechtsakten verführen. Meines Erachtens versprühen die daraus resultierenden Bilder herzlich wenig erotisches Flair.

 

Das der Regisseur innerhalb dieser Filmmomente die Schärfe der Bildkonturen reduzierte und auf eine Weichzeichner-Optik setzte, ist für den Output erotischer Filmproduktionen dieser Zeit wie auch für Borowczyks späteres Werk nicht untypisch. Doch was David Hamilton mittels BILITIS wie ZÄRTLICHE COUSINEN als einen erotischen Traum auf die Leinwand projektierte, mag Borowczyk einfach nicht gelingen. Für weichzeichnerische Erotik ist das Gezeigte irgendwie zu „asi“ und für Sleaze alias Schmuddel wiederum zu brav.

 

Für die Mutter Oberin sind die Novizinnen alles andere als brav. Für sie (die Mutter Oberin) besteht das gesamte Kloster aus vergnügungssüchtigen wie verachtenswürdigen Sünderinnen. Schließlich haben sich die Novizinnen doch den Geboten der jüdisch-christlichen Religion unterworfen, zur Askese bereit erklärt und von jeglichen fleischlichen Gelüsten losgesagt. Demgemäß firmiert nach dem dafürhalten der Mutter Oberin die Unterdrückung jeglichen Vergnügens als die heiligste aller Tugenden. Der Verstoß, der im Kloster an der Tagesordnung ist, gilt demgemäß als das Böse schlechthin, das kraft des mutmaßlich anwesenden Satans versucht, sich immer weiter auszubreiten.

 

Womit ich auch die Gunst der Sekunde nutze, um den Bezug zur Romanvorlage (Stendhals 1929 in Paris erstveröffentlichtes Werk "Promenades dans Rome") zu konkretisieren. Das Buch enthält eine Passage (im bereits genannten Kapitel über die Kirche „Il Gesù“), welche uns darüber aufklärt, dass um die Mauern besagter Jesuitenkirche fortwährend der Wind streicht. Stendal schreibt in diesem Zusammenhang: Eines Tages ging der Teufel in Rom im Winde spazieren. Bei Gesù angekommen, sprach er zum Winde: "Ich habe da drin was zu tun, warte hier auf mich. Seitdem ist der Teufel nicht wieder herausgekommen, und der Wind wartet noch vor der Tür ..."

 

Da Borowczyk dem Satan ein besonders verruchtes Heim gestalten will, nutzt der Regisseur den kleinsten Alarmzustand, um seine Novizinnen nackt über die Klosterflure zu hetzen, was den Anweisungen eines Jess Franco entsprechen könnte.

 

Ungeachtet dieser (s)exploitativen Momente setzt Borowczyk jedoch auch auf deutlich interessantere und wesentlich aussagekräftige Parallelmontagen, die einerseits betende und andererseits masturbierende Nonnen bei ihren jeweiligen Passionen zeigen. Die Masturbationen symbolisieren das Verschwenden von überschüssigen Energien. Und Verschwendung wie Verkommenheit werden gemeinhin zu den Vorbereitern respektive Begleitern der Dekadenz gezählt, was mittels dieser Erkenntnis simpel den symbolischen Abstieg der katholischen Kirche entschlüsseln lässt.

 

Im Kontext der Bildkompositionen sei gesagt, dass einige mit der Handkamera fotografierten Szenen in der Klosterkapelle keinen guten Eindruck hinterlassen, da die verwackelten Bilder eher zum Verdrehen der subjektiven Augen animieren als den Sehwerkzeugen ein turbulentes wie unkeusches Sittengemälde vorzugaukeln. Ich möchte allerdings nicht ausschließen, dass es sich hierbei um Archivaufnahmen handelt.

 

Borowczyks Inszenierung schwingt zwischen Bahnhofskino (Wie ich diesen verschlissenen Begriff, der gern von Schreiberlingen verwendet wird, die aufgrund ihres Baujahrs niemals ein solches Kino von innen gesehen haben, mittlerweile hasse!) und Arthouse. Der Regisseur jongliert mit der Exploitativität wie phasenweise Naivität eines Jess Franco-Films und kokettiert mit den weichgezeichneten Bildern, wie sie nahezu jeder von David Hamilton kennen wird.

 

Jene Weichzeichnung kann dem Zuschauer zumeist vorgaukeln, dass er sich in einem Traum befindet. Da sich der Film zieht wie Kaugummi und dem ein oder anderen Rezipienten eh die Augen zufallen könnten, sind die Erfolgsaussichten dieser Taktik gar nicht mal so schlecht. Dieser zarte Hauch Sarkasmus rührt von den ersten beiden Filmdritteln, die mich alles andere als zufrieden stellen konnten und anstatt mit prickelnder Erotik vornehmlich mit ennui belieferten.

 

Aber: Auch wenn mich UNMORALISCHE NOVIZINNEN phasenweise langweilte, lässt sich zu keiner Zeit leugnen, dass der Film seine kritisierende Mission erfüllt, ergo zahlreiche Giftpfeile in Richtung katholische Kirche abschießt und einen einhergehenden Libertinismus anklingen lässt. Innert der letzten rund 15 Minuten gibt Borowczyk nämlich Vollgas, und es wird kraft mancher resignativer Spitzen, auch wenn sie freilich nicht das Ausmaß eines Buñuel oder eines Pasolini besitzen, tatsächlich noch mal richtig schön böse.

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