Der Tod zählt keine Dollar

Italien, 1967

Originaltitel:

La morte non conta i dollari

Alternativtitel:

A Morte não Conta Dólares (BRA)

De dood betaalt in dollars (NLD)

Death at Owell Rock (USA)

Death Does Not Count the Dollars

Gräv först, dö sen (SWE)

Johnny Yuma vender tilbage (DNK)

La muerte no cuenta los dólares (ESP)

No Killing Without Dollars (USA)

Quand l'heure de la vengeance sonnera (FRA)

Skarpe skudd i Owell Rock (NOR)

Deutsche Erstaufführung:

30. Mai 1969

Regisseur:

Riccardo Freda

Inhalt

Major White, ein angesehener Bürger in Owell Rock, wird auf heimtückische Weise getötet. Spuren werden verwischt, der Mord ad acta gelegt. 15 Jahre nach der Tat trifft Lawrence White, der Sohn des Majors, in Owell Rock ein, um den vergessenen Fall zu rekapitulieren, den Mord zu rekonstruieren und einhergehend dessen Hintergründe als auch die Hintermänner zu eruieren. Simultan zu Lawrences Eintreffen erscheint Harry Boyd auf der Bildfläche. Ein ominöser Fremder, der den Kontakt zu den einflussreichen Lesters sucht wie findet. Mittels einiger couragierter Schlagabtausche gewinnt Boyd gar die Sympathie sowie das Vertrauen des Lester-Clan-Oberhauptes Doc Lester, der den Fremden schon bald als neuen Sheriff einsetzt. Boyds Hauptaufgabe besteht von Stund an darin, Lawrence White einige Schandtaten anzuhängen, um ihn ein für alle mal aus dem Weg zu schaffen. Wird Harry den Anweisungen folgen oder verfolgt er ganz andere Ambitionen?

Review

Wer kann es wissen, wer kann es ahnen? Schauen Sie sich doch einfach Riccardo Fredas erste wie einzige Westernregiearbeit (DER TOD ZÄHLT KEINE DOLLAR) selber an und Sie werden nicht nur ein Stückweit schlauer sein, sondern um einen abwechslungsreichen als auch individuellen IW bereichert werden. Freda konstruierte seinen Western nämlich nicht routinemäßig nach dem etablierten Schema F. Er brachte stattdessen die Bestandteile anderer Genres in die Gestaltung ein. So kann man von einem Western mit gialloesker Färbung sprechen, der obendrein mit den Ingredienzien des Horrorfilms hantiert. Dem individuellen visuellen Ergebnis wurde kraft einiger hörenswerter Tondichtungen ein dito individueller auditiver Anstrich (aus dem kreativen Inventar von Nora Orlandi und Robby Poitevin) zur Seite gestellt. So schwingt der Score zwischen Ohrwurm- und Gialli-Mentalität und liefert obendrein einen Kindergesang, der mich etwas an „Creepy Lullaby“ oder „School at Night“ oder wie auch immer das in PROFONDO ROSSO interpretierte Kinderlied benamst ist, erinnert. 

 

Nachdem uns Freda während der ersten Filmminuten mit Mord und Verstümmelung konfrontierte, werden hernach viele (der genaue Zeitraum nicht beziffert) Jahre übersprungen. Das soll freilich nicht bedeuten, dass wir die zuvor erlebten Momente aus dem Gedächtnis streichen dürfen. Schließlich sind die erworbenen Vorkenntnisse unabdinglich für den weiteren Filmverlauf, auf das das anstehende Whodunnit als auch die damit verbundenen Identitätsdechiffrierungen entsprechend fruchten können. 

 

Das der Antiheld Harry Boyd dito wie John Fords Ringo Kid eine Postkutsche anhält und seine Reise nach Owell Rock via Stagecoach fortsetzt, ist nicht wirklich dem Zufall geschuldet. Für Freda war das Inszenieren eines Westerns Neuland und man kann aus einigen Filmmomenten simpel entschlüsseln, dass er Anregungen aus klassischen amerikanischen Western-Vehikeln zieht, um diese in DER TOD ZÄHLT KEINE DOLLAR einfließen zu lassen. Währenddessen wie darüber hinaus interessierte Freda die amerikanische Historie herzlich wenig. Freda erzählt (s)eine fiktive Geschichte und verlagert sie in einen längst nicht mehr so wilden Westen – nicht mehr und nicht weniger. 

 

Wer allerdings seine Lauscher aufsperrt und einigermaßen gut kombinieren kann, der kann die Grundkonstellation des Films mit dem Jahr der großen Dürre in Verbindung bringen. Die Zeit der großen Dürre bedeutete für viele Kleinrancher das Ende. Die wenigen Wasser- und Grasvorräte befanden sich in den festen Händen von Großranchern, die jene Kostbarkeiten mit teils mehr als 1.000 Kilometer langen Stacheldrahteinzäunungen schützten. Bei der DER TOD ZÄHLT KEINE DOLLAR reichte das kostbare Flusswasser nicht aus, um zwei Gebiete (das der Whites und das der Lesters) zu bewässern. Die Lesters schalteten schneller oder besser gesagt: Sie waren bereit über Leichen zu gehen, errichteten einen Damm und einen Kanal, der von Stund an einzig ihr Gebiet bewässerte. Für die Whites blieb fortan nur noch das schäbige Abwasser übrig, was für eine erfolgreiche Viehzucht freilich den Overkill bedeutet. Da sich das Vorgehen jenseits der Legalität bewegt(e), evozierte es Bestechung und Mord, was nun nach Aufklärung und Rache schreit. 

 

In diese Konstellation tritt der Antiheld Harry Boyd. Ein pfiffiger wie schwer durchschaubarer Zeitgenosse, der gern Kautabak konsumiert und den beim Kauen erzeugten Saft mit Wonne auf den Boden rotzt, was nicht wirklich den Benimmregeln des Knigge genüge tut und erst recht nicht Lisabeth Pearsons Vorstellungen von einem Gentleman entspricht. Auch wenn Harry ein passionierter Kautabakrotzer ist, lässt er sich ums Verrecken nicht in die Suppe rotzen. Und sollte ihm jemand krumm kommen, dann gibt es postwendend was auf die außer Kontrolle geratene Fresse. Harry ist gleichermaßen tapfer wie schlagfertig - aber auch voreilig und somit verwundbar. Denn Harry wirkt und werkt vorrangig derart selbstverliebt, dass er die Gefahr um ihn herum nicht registriert, in brenzlige Situationen gerät und auf die Obacht und Unterstützung anderer angewiesen ist. Harry Boyd wird übrigens von Harald Juhnke gesprochen. Und diese - zweifelsohne tolle - Stimme ist in Verbindung mit Mark Damon eher gewöhnungsbedürftig. In verbinde Damon primär mit der Stimme von Eckart Dux. Die nach meinem Dafürhalten beste Synchronisation eines von Damon verkörperten Filmcharakter lieferte Rainer Brandt, der gemeinsam mit Mark Damon den Charakter Ferguson (MÖGEN SIE IN FRIEDEN RUH´N) zu einem der spannendsten Bösewichte im IW-Kosmos kürt. 

 

Darstellerisch reißt Mark Damon als Harry Boyd freilich keine Bäume aus. Es gelingt ihm allerdings problemlos dem dubiosen Harry eine smarte als auch sympathische Aura zu verleihen. Stephen Forsyth besitzt als Lawrence White keine Möglichkeit, um zwischen Drecksack und Charmeur zu chargieren, da seine Rolle eindeutig definiert und von jeglicher Anrüchigkeit befreit ist. Nello Pazzafini gibt als Doc Lester jenen Bösewicht, den er innerhalb seiner Karriere unzählige Male auf die Leinwand brachte und Ignazio Spalla hat in der üblichen Fernando Sancho-Rolle, die des mexikanischen Lumpenhunden Pablo Rodriguez, zu wenig Spielzeit, um auf sich aufmerksam zu machen. 

 

Das im IW gern praktizierte Rachethema rückt peu à peu in den Hintergrund, da es bei DER TOD ZÄHLT KEINE DOLLAR vornehmlich darum geht, Morde aufzuklären und Identitäten zu dechiffrieren. Wer verbirgt sich hinter Harry Boyd? Warum verhöhnt er Laurence White? Welches Ereignis verbindet die Lesters und die Whites, wie kam es zum beidseitigen Hass? Wer ist der nächste Kandidat auf der internen Todesliste? Fragen, die einem clever verfassten Drehbuch geschuldet sind, welches eine dito clevere Aufklärung wie Inszenierung liefert. 

 

DER TOD ZÄHLT KEINE DOLLAR lässt sich als ein italienischer Western beschreiben, der mit den Ingredienzien des Giallo-Thrillers und denen des Polizeifilms kokettiert und diese erfolgreich in seine Gestaltung einbringt, sodass Sie sich auf einen schwer unterhaltsamen IW freuen dürfen.

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