Sleepless

Italien, 2001

Originaltitel:

Non ho sonno

Alternativtitel:

Le sang des innocents (FRA)

Insomnio (ESP)

No tengo sueño (MEX)

Sangue de Inocentes (POR)

I Can't Sleep

Regisseur:

Dario Argento

Musik:

Goblin

Inhalt

1983 geschehen in Turin drei grausame Frauenmorde. Kommissar Moretti (Max von Sydow) verspricht dem jungen Giacomo, dass er den Mörder finden wird, selbst wenn es sein ganzes Leben dauert. Und Moretti scheint schließlich den Mörder gefunden zu haben – den Kleinwüchsigen Vincenzo, der sich mutmaßlich selbst erschossen haben soll. Der Täter wird von den Medien der Killerzwerg genannt.

 

Turin im Jahr 2000. Bei einem schrägen Kunden lässt die Prostituierte Angela (Barbara Lerici) versehentlich eine blaue Mappe mitgehen. Als sie diese im Zug entdeckt und öffnet, findet sie beweise dafür, dass ihr Kunde der tatsächliche Killerzwerg ist. Sie will mit den Beweisen zur Polizei, doch sie und ihre Freundin werden von dem Unbekannten ermordet.

 

Kommissar Moretti ist längst im Ruhestand als die Polizei ihn wegen Informationen zu dem alten Killerzwerg-Fall besucht. Moretti ist allerdings herzkrank und leidet an beginnendem Alzheimer, weshalb er Probleme hat, sich noch an den Fall zu erinnern. Als nun eine neue Mordserie beginnt, bei der der Täter Tierfiguren aus Papier bei seinen weiblichen Opfern zurücklässt, begibt sich Moretti mit dem inzwischen erwachsen gewordenen Giacomo (Stefano Dionisi) auf Spurensuche. Moretti muss erkennen, dass er damals einen Fehler gemacht hat. Der Killer lebt und tötet grausamer als je zuvor.

Review

Achtung, der folgende Text ist voller Spoiler bis hin zur Auflösung.

 

Nach der Produktion von „Wax Mask“ (M.D.C. - Maschera di cera, 1997) und der Regiearbeit „Das Phantom der Oper“ (Il fantasma dell'opera, 1998) kehrte Dario Argento mit „Sleepless“ zum Giallo zurück. Und es wurde eine Rückkehr in vielerlei Hinsicht. „Non ho sonno“ wurde in Turin gedreht, wie sein Erfolgsfilm „Rosso – Die Farbe des Todes“ (Profondo Rosso, 1975). Auch Gabriele Lavia ist mit dabei, hat tatsächlich eine annähernd ähnliche Rolle wie in „Profondo Rosso.“ Dazu später mehr. Zurück kehrt Argento ebenfalls dazu, die Hauptrolle mit einem internationalen Star zu besetzen, hier in Person von Max von Sydow. Und wer sich damals gewundert hat, dass der in einem Argento-Film mitspielt, sollte nicht vergessen, dass Argento in anderen Ländern weitaus höheres Ansehen genoss als im kackkonservativen Deutschland.

 

„Sleepless“ ist für meinen Geschmack ein sehr starker Argento-Giallo. Kritiker meinten zwar, es sei ihm nicht gelungen, die Spannung und das Tempo der ersten zwanzig Minuten aufrecht zu erhalten, andere wiederum waren der Ansicht, dass gerade die ersten zwanzig Minuten wegen der zahlreichen Logikfehler die größte Schwäche des Films sind. Beginnen wir also mit der Story. Der junge Giacomo (Stefano Dionisio) den Mord an seiner Mutter mitansehen, kann den Täter aber nicht erkennen. Dafür hört er ein seltsames zischendes Geräusch, dessen Quelle offenbar der Mörder ist, dass er aber selbst Jahre später nicht einordnen kann. Ein typisches Argento-Element, eine flüchtige Erinnerung, die sich einfach nicht manifestieren will. Glaubwürdig ist das in diesem Fall nicht, angesichts der Auflösung. Giacomo muss dieses Geräusch schon sehr oft gehört haben, denn es stammt vom Inhalator seines besten Freundes. Auch dass er diesen beim Mord an seiner Mutter nicht sehen konnte, ist zwar flüchtig inszeniert, aber keineswegs einleuchtend.

 

Als Nächstes kommt der Mord an der Prostituierten Angela (Barbara Lerici) und deren Freundin Amanda (Conchita Puglisi), sehr temporeich inszeniert in einem Zug und am Bahnhof von Torino Dora. Die Szene ist sehr spannend und fetzig untermalt mit Musik von Goblin, aber problematisch, denn der Mord soll ja zufällig geschehen sein, und dafür weiß der Killer einfach zu viel. Als Angela aus seinem Haus flüchtet, steht er noch unbekleidet am Fenster und beobachtet ihre Flucht, wie kann er also nur kurz darauf im Zug sein? Er kennt sie nicht, woher sollte er also wissen, dass sie den Zug nimmt und von wo? Er kann nichts von ihrer Freundin Amanda wissen oder welches Auto sie fährt, und doch soll er während des kurzen Aufenthalts von drei Minuten (vermutlich blutüberströmt vom Mord an Angela) am Bahnhofspersonal vorbei und ihren Wagen umgeparkt haben, damit er sie ungesehen töten kann. Zu viel Wissen für einen zufälligen Doppelmord. Und dann ist da noch die Sache mit dem verlorenen Füllfederhalter aus Gold…aber dazu später mehr.

 

Es geht weiter mit Kommissar Morosetti, der sich inzwischen im Ruhestand befindet. Er ist herzkrank und leidet an Alzheimer. Diese Rolle wird sehr sympathisch und glaubwürdig von Max von Sydow verkörpert, niemand muss aber befürchten, dass Argento in Bezug auf die Leiden seines Hauptprotagonisten – neben Giacomo – zu sehr ins Detail geht. Ja, Giacomo. Stefano Dionisi gelingt als traumatisiertem Giacomo eine glaubwürdige Performance, und eigentlich ist er ja die Hauptperson des Films, der zudem noch das Finale miterleben darf. Aber er ist eben kein Max von Sydow, und so wird er für den Zuschauer schnell zum Sidekick.

 

Es geht weiter mit einer neuen (nach den 3 Morden von 1983) Mordserie, und der Killer tötet nach einem Kinderreim. Dieser stammt aus der Feder von Asia Argento, welche nicht im Film mitspielt. In dem Kinderreim geht es um einen – offenbar durchgeknallten Bauern – der nach und nach seine Tiere meuchelt. So macht es auch der Killer, kopiert die jeweilige Tötungsmethode aus dem Reim und hinterlässt am Tatort eine Papierfigur mit dem jeweiligen „Tier“, welches er getötet hat. Und so kommen wir zu dem durchaus augenzwinkernden Motiv des Mörders, bzw. hinter der Story.

 

1983 gab es einmal eine Gruppe von Jugendlichen und Kindern in der Gegend, welche eine gemeinsame Faszination teilten. Diese Faszination ging von einem Mann aus, dem kleinwüchsigen Vincenzo. Dieser schrieb unter einem Pseudonym Gialli, aus welchen er den Kindern vorlas, ebenso wie aus Kinderreimen. Eines dieser Kinder ist offenbar nicht ganz richtig im Kopf und kombiniert diese zwei Lesestoffe in seinem Kopf – um sie nachzuleben. Zuerst tötet er eine Reihe von Tieren, doch das befriedigt ihn nicht. Und so beginnt er schließlich – im Alter von 12 Jahren! – Frauen zu töten. Was Gialli doch so alles anrichten können. Interessant ist hierbei ebenso, dass in einer Kneipenszene (gedreht im heute nicht mehr existenten Barbican's Pub an der Piazza Vittorio), in der die damalige Gruppe komplett versammelt ist, der Älteste (Fausto) andeutet, dass bei den Tiertötungen teils noch die GANZE Gruppe mitgemacht hat. Umso erstaunlicher, dass niemand von ihnen später Verdacht geschöpft hat. Egal.

 

Kommen wir zu Gabriele Lavia. In „Profondo Rosso“ schien er zunächst der Mörder zu sein, deckte aber in Wahrheit seine Mutter. In „Sleepless“ spielt er den Vater des Mörders, und wenn mich die Argento-Filmlogik nicht täuscht, gehen zumindest zwei Morde auf sein Konto, begangen, um seinen Sohn zu schützen. Am Ende versucht er wie schon in „Deep Red“ den Mann zu töten, der der Lösung des Rätsels immer näher kommt, und kommentiert dies mit den gleichen Worten: „Das ist alles deine Schuld“ – und wieder scheitert er.  Apropos „Profondo Rosso“ – der Mord an der Balletttänzerin in „Sleepless“ wurde im Teatro Carignano gedreht, in dem einst die Hellseherin Helga (Macha Méril) in „Profondo Rosso“ eine folgenschwere Erscheinung hatte.

 

„Sleepless“ wird in einigen Quellen als finanzieller Erfolg bezeichnet. Nun, geht so. In Italien spielte der Film fast sein Budget wieder ein, ob er in anderen Ländern im Kino gezeigt wurde, vermag ich nicht zu sagen. Die Gewaltdarstellungen hatten es im Heimkino-Bereich zunächst schwer. In den USA erschien 2001 eine ebenso gekürzte Fassung (R-Rated) auf VHS und DVD wie in Deutschland. Letztere wurde zunächst indiziert, die Indizierung erst 2016 aufgehoben. Die deutsche Synchro ist problematisch, denn offenbar ging man davon aus, dass die Zuschauer des Films ein bisschen doof sein würden. Und so wurden die Originaldialoge ein wenig dahingehend verändert, dass dem Zuschauer ein paar Dinge mehr erklärt würden. Leider produzieren diese Veränderungen zusätzliche Logik-Fehler, also wer ist hier doof?

Links

OFDb
IMDb

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