Die schmutzigen Dreizehn

Italien | Spanien, 1967

Originaltitel:

15 forche per un assassino

Alternativtitel:

Dirty Buster's (BRD-Alternativtitel)

Quince horcas para un asesino (ESP)

Fifteen Scaffolds for a Murderer (USA)

The Dirty Fifteen (USA)

Deutsche Erstaufführung:

18. April 1969

Regisseur:

Nunzio Malasomma

Inhalt

Bill Mack und Sandy Cassel sind in denselben Positionen wie Branchen tätig. Sie sind die Leader von zwei Banden, die sich mit Pferdediebstählen und sonstigen Gaunereien über Wasser halten. Nachdem Sandy und seine Lumpenhunde Mack und seinen beiden compañeros, Jim und Benny, beim Zossenklau zuvor kamen, treffen die Ganoven kurze Zeit später auf der Ranch von Anne Cook und ihren beiden Töchtern zusammen. Doch die Colts bleiben mit Rücksicht auf die Hausherrin im Halfter und man beschließt (zumindest vorübergehend) zusammenzuarbeiten. Ihre neuunternehmerischen Ambitionen werden jedoch bereits am Folgetag erheblich beeinträchtigt, denn Steve, der zukünftige Ehemann von Liz Cook, findet seine Schwiegermutter in spe samt ihrer beiden Töchter leblos auf dem Boden des Farmhauses. Für die Bürger des nahe liegenden Städtchens ist die Beweislage eindeutig. Folglich machen sie sich postwendend auf die Jagd nach den flüchtigen Deperados, deren Ziel jenseits der Grenze liegt und sich als das Eldorado der Gesetzlosen ausbuchstabieren lässt: Mexiko. Doch die beschwerliche Flucht nagt an ihren Kräften, wie einst Zeus Adler an der Leber Prometheus, und die Gesetzlosen müssen sich zwecks Kräftesammelns in einem Fort verschanzen. Nebst der externen Gefahr durch die lynchgeilen Belagerer spitzt sich auch die interne Lage weiter zu, da das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Billy und Sandy den beidseitigen Hass stets weiter wachsen lässt.

Review

Nunzio Malasomma ist nicht gerade der Name, den der emsige Konsument von italienischen Genrefilmen rausposaunt, wenn er nach seinen zehn, ihm als erstes in den Sinn kommenden, stiefelländischen Filmregisseuren gefragt wird. Malasomma hatte trotz seines geringen Bekanntheitsgrads allerdings ein recht bewegtes Leben als Filmschaffender. Er inszenierte einige Stummfilme in Deutschland und arbeitete gar mir Luis Trenker zusammen. Nachdem der Tonfilm ehern und siegreich durch die Lichtspielpaläste zog, zog es Malasomma etappenweise zurück nach Italien, um auch in seiner Heimat den ein oder anderen Beitrag zum neuen Medium, dem Tonfilm, beizusteuern. Im Alter von 67 Jahren lieferte Malasomma seinen ersten und einzigen Filmbeitrag, DIE SKLAVEN ROMS, zur einst florierenden Peplum-Welle und legte rund sechs Jahre später seinen ebenfalls ersten und einzigen Beitrag innert des italienischen Westerngenres nach, um anschließend in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen. Der Originaltitel (15 FORCHE PER UN ASSASSINO) dieser Bleioper bedeutet ins Deutsche übersetzt soviel wie „Fünfzehn Galgen für einen Mörder“. Der bundesrepublikanische Verleih zauberte daraus den nicht minder reißerisch klingenden Titel DIE SCHMUTZIGEN DREIZEHN. Hinter dieser marktschreierischen Firmierung verschanzt sich allerdings nicht mehr als ein durchwachsener Italo-Western, der mittels einer bescheidenen - jedoch nicht unweigerlich spannungsarm inszenierten - Story sowie einigen genreübliche Gewaltspitzen und etwas whodunnit mit dem Zuschauer kommuniziert.

 

Die Expositionsphase des Films konfrontiert uns mit Pferdediebstahl und zwei rivalisierenden Banden, deren Köpfe (Bill Mack und Sandy Cassel) sich prompt in den Vordergrund drängen und klarstellen, wer in der Folgezeit vornehmlich die Zügel führen wird. Die beiden Halunken verbindet darüber hinaus eine Art Hassliebe, die interne Spannungen erzeugt und es dem Zuschauer bei der Suche nach seiner Identifikationsfigur nicht einfach machen. Denn obwohl Mack, gespielt von Craig Hill, geradezu in diese Rolle hineingedrängt und dem Zuschauer nahezu aufgezwungen wird, kann es passieren, dass Bill im wahrsten Sinne des Wortes über die Stränge schlägt. Um es konkreter zu veranschaulichen: Bills vom Zuschauer positionierte Hemmschwelle sinkt ex abrupto, kickt simultan die Skrupel aus dem Überwachungsareal und besetzt die vorübergehend vakante Stelle mit demonstrativer Brutalität.

 

Ich finde solcherlei Spielereien durchaus bereichernd, da man sich urplötzlich von der Identifikationsfigur abwendet und postwendend allein, von Gott und allen guten Geistern verlassen, auf weiter Flur steht. Jene skizzierte Neigung zur Brutalität ist in Cassel (George Martin) um ein Vielfaches stärker ausgeprägt und ein wesentlicher Teil seiner Souveränität, die man als Leader eines solchen Lumpenpacks wohl zwangsläufig an den Tag legen muss, um nicht die bereits erwähnten Zügel aus den Händen gleiten lassen. Ungeachtet ihrer Gewaltsamkeiten besitzen beide Personen eine Ausstrahlung, die sie – auf die ein oder andere Weise - sympathisch macht und ebendarum von ihrer schäbigen Gefolgschaft, u. a. mit José Manuel Martín in der Rolle eines ehemaligen Pfaffen (!) namens Benny besetzt, divergieren lässt.

 

Über ihren Häuptern, denen der Bandenleader und ihren gehorsamen Schurken, schwebt immerzu der Schatten des Galgens (man denke an den Originaltitel 15 FORCHE PER UN ASSASSINO), der sie zur Flucht wie zur späteren Verbarrikadierung bewegt beziehungsweise zwingt und einhergehend das Thema Lynchjustiz auf den Plan ruft. Eine Thematik, die ihre rezidivierenden Einsätze im Westernkino erhielt und zu einem festen Genrebestandteil reifte. In der realen Geschichte Amerikas brachten Goldrausch wie Goldrush (den Unterschied habe ich in meiner Besprechung von KNIE NIEDER UND FRISS STAUB definiert) eine zwar unorganisierte, aber nicht minder gefährliche Kriminalität nach Kalifornien. Die dereinst noch nicht vorhandene Rechtsordnung ließ die Selbstjustiz erblühen, die selbst nach dem Einzug von Recht und Gesetz ihre Popularität, freilich auch über die Grenzen Kaliforniens hinaus, behielt, was sich mit einem Misstrauen gegenüber der Staatsautorität und die begleitende Schwäche dessen Gewaltmonopols begründen lässt. Zudem fungierte die Lynchjustiz neben dem Auspeitschen zu einer Attraktion, die zu einem Kollektiv-Event avancierte, das dementsprechend die Massen bewegte. Samuel Brannan, ein mit allen verseuchten Wassern des Wilden Westens überschütteter Pionier und Mormone, unterstütze 1851 in San Franzisko die Gründung des Committee of Vigilance und zeichnet somit für die Verbreitung des Vigilantismus mitverantwortlich. In den US-amerikanischen Westernlichtspielen war die Bereitschaft zum Lynchen für die bevorzugt puritanisch gezeichneten Bürger eine Selbstverständlichkeit. Dieses Schema erfuhr 1943 mit RITT ZUM OX-BOW eine deutliche Abkehr, da dessen Regisseur, William A. Wellman, die Mitglieder des waltenden Lynchmobs als skrupellose Faschisten entlarvt und die als Täter verschrienen Personen zu ihren wehrlosen Opfern erklärt. In diesem Kontext wäre es sicherlich überaus interessant abzuklären, wie sich die Lynchjustiz innert der amerikanischen Lichtspiele während der McCarthy-Ära gestaltete, aber das würde den Rahmen einer Kurzbesprechung sprengen, sodass ich mehr oder minder flink wie gelenk zur Headline zurückkehre.

 

Malasommas Western provoziert die angesprochene Lynchjustiz nicht mittels des eingangs umrissenen Pferdediebstahls, sondern mit den Morden an Anne Cook und ihren beiden Töchtern. Der Entdecker der Leichen, Steve, Annes einst angehender Schwiegersohn, hätte im Anschluss an seine grauenvolle Entdeckung sehr wohl die Möglichkeit, als jener Ermittler zu fungieren, der uns sukzessiv mit Indizien, die uns bei der Aufklärung der Morde helfen, zu versorgen. Dieses funktioniert jedoch so gut wie gar nicht. Demgemäß wird die Chance, die das erwähnte whodunnit-Motiv offeriert, quasi verschenkt. Die internen Querelen sowie die Reibereien der beiden Bandenbosse drängen die Suche nach dem Mörder immerzu aus dem Fokus wie, was noch deutlich schwerwiegender ist, aus den Gedankengängen des Zuschauers. Es ist nichts Halbes und nichts Ganzes, was Malasomma uns da auftischt und eben diese Unentschlossenheit ist nach meinem Dafürhalten ein Filmmanko, das mithilfe einer klaren Ansage, ergo mehr Zielstrebigkeit, durchaus vermeidbar war. Wie eine solche Konstellation, das Verschmelzen von Western und whodunnit, funktioniert, können Sie in Henry Hathaways TODFEINDE austesten. Sollten Sie partout die italienische Varianten vorziehen, dann halten Sie mal nach Primo Zeglios sowie Alfonso Brescias, beide mit Peter Lee Lawrence besetzten Western: KILLER ADIOS respektive STIRB ODER TÖTE Ausschau.

 

So steht unter dem Strich ein durchschnittlicher Western, der mit den ordentlichen Leistungen seiner beiden Hauptdarsteller: Craig Hill und George Martin (in LANKY FELLOW - DER EINSAME RÄCHER funktioniert ihr Zusammenspiel ebenfalls gut) sowie denen der beiden Hackfressen: Aldo Sambrell und José Manuel Martín punkten kann.

Links

OFDb

IMDb

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