Nosferatu in Venedig

Italien, 1988

Originaltitel:

Nosferatu a Venezia

Alternativtitel:

Drácula em Veneza (BRA)

Nosferatu, príncipe de las tinieblas (ESP)

Nosferatu à Venise (FRA)

Vampire in Venice (USA)

Nosferatu in Venice

Deutsche Erstaufführung:

01. September 1988

Kamera:

Tonino Nardi

Inhalt

Zu Zeiten des Karnevals kehrt der Vampir Nosferatu nach Venedig zurück, um sich am Blute der schönen Frauen der fluchbeladenen Adelsfamilie Canins zu laben. Weder der auf dem Gebiet des Okkulten bewanderte Professor Catalano noch die Geistlichkeit und auch nicht der verliebte Doktor Barneval scheinen den Untoten aufhalten zu können...

Review

Willkommen zurück in Venedig, meine Freunde! Im Morgengrauen. Bei Nebel. In der Dämmerung. In tiefster Nacht, wenn die Straßenlaternen nur wenig Licht in die stygische Finsternis bringen und Vampire ihre Schatten auf das marode Mauerwerk werfen.

 

Alle Jahrhunderte wieder verlässt der ruhelose Nosferatu sein Grab und kehrt in die Lagunenstadt zurück, um die adelige Familie derer von Canins heimzusuchen. Er labt sich am Blute schöner Frauen. Er lässt die Kruzifixe in den Händen seiner Feinde schmelzen. Er durchstreift die Nacht wie ein Raubtier. Und doch ist er nur auf der Suche nach Vergänglichkeit und der einen ewigen Liebe...

 

NOSFERATU IN VENEDIG ist nur scheinbar das von Werner Herzog gewiß nicht autorisierte Sequel zu dessen NOSFERATU - PHANTOM DER NACHT (dem 1979 entstandenen Remake des Murnau'schen Stummfilmklassikers aus den frühen Zwanzigern). Tatsächlich ist dieser im Spätherbst des italienischen Horrorkinos entstandene Film ein eigenständiges Werk, das neben den Grundmotiven nur noch den Titel und den Hauptdarsteller mit Herzogs Variation der SYMPHONIE DES GRAUENS teilt.

 

Anders wie bei Herzog ist Kinski diesmal nicht das leichenblasse, spitzohrige, nagezahnbewehrte Abziehbild des originären - vom schaurigen Max Schreck verkörperten - Nosferatu. Der Schädel ist nicht mehr kahl, sondern von einer graublonden Mähne bedeckt; die Finger keine spindeldürren Krallen, sondern nach üppigen Frauenbrüsten gierende Hände. Die Loslösung ist nicht nur äußerer Natur; auch in seinem Spiel orientiert sich Kinski kaum noch an Schreck (so wie er es noch bei seiner ersten Vorstellung als Nosferatu getan hat), sondern viel mehr an seiner selbst. Eindringlich und beunruhigend als triebgesteuerter, mal rasender, mal versuchender Vampir. In dieser teuflischen, aber auch irgendwie tragischen Rolle des insgeheim nach Erlösung strebenden Vampirs offenbar mehr zur Vermittlung tieferer Gefühle befähigt als im wahren Leben...

 

NOSFERATU A VENEZIA ist dem Arthaus längst nicht mehr so verpflichtet wie es Herzogs NOSFERATU gewesen war. Dieser dritte und bislang letzte NOSFERATU ist aber auch weit davon entfernt, jene typische Genrekost zu sein, die man von einem italienischen Horrorfilm Ende der Achtziger erwartet hätte. Sicher, da ist viel Nudity; es fließt auch Blut (und gar zwei, drei derbere Szenen lassen grüßen) – aber vor allem ist dies eine etwas atypische Übung in Sachen morbidem Schauder.

 

Auf den ersten Blick ist NOSFERATU IN VENEDIG alles andere als perfekt; auch nicht wirklich spannend im üblichen Sinne. Trotzdem köchelte da eine subtile düstere Faszination im Heimkino. Was mich veranlasst hat, den Film gleich zweimal (!) hintereinander zu schauen.

 

Dass NOSFERATU IN VENEDIG nicht wie aus einem Guß wirkt, verwundert kaum: Die Produktion verschließ gleich drei Regisseure, die nach wenigen Drehtagen entweder das Weite suchten oder suchen mussten. Darunter solch illustre Namen wie Mario (NIGHTMARE CASTLE) Caiano und Maurizio (DER TODESENGEL) Lucidi. Der Sage nach beteiligten sich desweiteren neben dem unerfahrenen Produzenten Augusto Caminito und dem umtriebigen Luigi Cozzi gar Klaus Kinski selbst an dieser bizarren "Reise nach Jerusalem" um den Regiestuhl.

 

Das dürfte so manche Wirren in der Handlung erklären. Oder warum einige Sequenzen nicht so richtig mit den Vorangegangenen harmonieren wollen. Auch der Schnitt ist holprig. Nicht oft, aber manchmal hat das etwas vom chaotischen Geist von Kinskis unglaublich exzentrischen PAGANINI. Nicht wenige Szenen scheinen nach dem First Take-Prinzip entstanden zu sein; andere wiederum wirken merkwürdig unpassend. Wie etwa jene Minute, in der man Kinski durch eine Reihe von Hundezwingern gehen und wie ein Tobsüchtiger gegen die Gitter treten sieht, bis sich die eingepferchten Tiere in einer ähnliche Raserei wie er selbst befinden. Tatsächlich steht in den Produktionsnotizen geschrieben, dass es sich hierbei um einen von Kinskis berüchtigten cholerischen Anfällen handelt - welcher freilich nicht im Drehbuch vorgesehen war...

 

Dennoch (oder gerade deswegen) ist NOSFERATU A VENEZIA ein ungewöhnlicher, höchst stimmungsvoller Vampirfilm geworden. In dem im Grunde unfertigen und bisweilen holprigen Stückwerk wabert überraschend prächtig die morbide Poesie. Es rauscht das Jungfrauenblut, klagt leise die Melancholie und bebt der üppige Busen von Anne Knecht, während der grausame wie tragische Vampir auf der Suche nach Erlösung durch die verwinkelten, dunklen Gassen Venedigs streift.

 

Dabei hat es Luigi Ceccarelli im Zusammenspiel mit Vangelis (wie dereinst die New Age-Krautrocker von Popol Vuh) meisterhaft verstanden, Nosferatu in Noten zu kleiden. Diesmal weniger sphärisch, dafür wuchtig orchestral. Last but not least ist da natürlich Venedig; in seiner immer währenden Düsternis. Immer eine Reise wert.

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