Der letzte Zug nach Durango

Italien | Spanien, 1968

Originaltitel:

Un treno per Durango

Alternativtitel:

Un tren para Durango (ESP)

Un train pour Durango (FRA)

Train for Durango

Deutsche Erstaufführung:

06. September 1968

Regisseur:

Mario Caiano

Kamera:

Enzo Barboni

Inhalt

Die beiden Herumtreiber Gringo und Luca sind auf dem Rückweg von Honduras, wo sie vergeblich eine Platinmine ausbeuten wollten, zurück in die USA. Irgendwo in Mexiko verkaufen sie ihre Pferde und Waffen für 40 Pesos, um Fahrkarten für den Zug nach Durango kaufen zu können. In diesem Zug wird nicht nur eine Menge Gold transportiert, nein, es sitzt dort auch Helen, die schönste Frau die Gringo jemals gesehen hat. Doch der Zug wird überfallen, einer der Banditen raubt den Safe und ein anderer die Frau. Allerdings besitzen Gringo und Luca die Schlüssel zu dem Safe, und wollen natürlich an das Gold rankommen. OK, zumindest der eine von den beiden, der andere möchte eigentlich eher die Frau. Dummerweise sind die beiden nicht unbedingt die Hellsten, und sie kommen regelmäßig in ziemlich üble Situationen, wo ein geheimnisvoller Dandy mit seinem Automobil sie jedes Mal elegant herauspaukt. Was will der Mann? Welchen Plan verfolgt die schöne Helen? Und dann wäre da noch diese Platinmine in Honduras …

Autor

Maulwurf

Review

Dies ist Enrico Maria Salernos Film! Ich meine, Salerno war sowieso ein toller Schauspieler, und konnte alle Rollen in allen Genres bedienen: Ein kriminelles Mastermind in HETZJAGD OHNE GNADE genauso wie einen amoklaufenden Vater in MÄDCHEN IN DEN KRALLEN TEUFLISCHER BESTIEN, einen verzweifelten Polizisten in DAS SYNDIKAT ebenso wie den humorigen Großkotz Julius Cesar Fuller in DREI PISTOLEN GEGEN CESARE. Salerno war einfach immer eine Bank, und Komödien konnte er selbstredend ebenfalls, wenn auch eher selten. Neben der komödiantisch angelegten Rolle im erwähnten CESARE fällt hier vor allem DER LETZTE ZUG NACH DURANGO auf: Salerno witzelt, Salerno redet, Salerno schmollt, Salerno lacht, Salerno ist wütend … Er tänzelt durch den Film als ob er sich auf einem Ball befindet und mit allen Damen gleichzeitig flirtet. Er haut seine Sätze mit dem Tempo und dem Charme eines mexikanischen Mariachi raus, wechselt die Gesichtsausdrücke in einem Affenzahn, und hat am Schluss irgendwie immer dieses wahnsinnig entwaffnende und ansteckende Lachen im Gesicht. Dies ist definitiv sein Film! Und während ich die Screenshots für die Besprechung machte, habe ich mich ob seiner Mimik gleich nochmal beömmelt vor Lachen …

 

Und dann daneben Anthony Steffen. Der Inbegriff des hölzernen Schauspielers. Ich sehe Steffen sehr gerne, er ist ein absolut verlässlicher Darsteller, aber viel Abwechslung bringt er nicht ins Spiel. Mark Damon erzählt im Interview, wie er Steffen 2 Monate lang versucht hat beizubringen weniger hölzern zu sein, bis es für DURANGO dann auch tatsächlich funktioniert hat, dass er etwas lebendiger wirkt. Damon meint dann nur lakonisch: “Im nächsten Film war er dann wieder hölzern …“.

 

Aber die Chemie zwischen den beiden stimmt einfach! Der etwas steife Steffen und der quietschfidele Salerno, die beiden passen zusammen wie Arsch auf Eimer. Steffen ist definitiv locker, schleudert die Stichworte nur so raus, und Salerno zeigt die gesamte Bandbreite seines schauspielerischen Könnens. Was für ein Genie der Mann doch war! Und zusammen sind sie einfach unschlagbar: Man reitet zu dritt durch die Wüste. Salerno dreht sich um, bemerkt die Staubwolke hinter ihnen, und sagt in etwa “Wir werden verfolgt. Mindestens 20 Pferde.“ Steffen schaut kurz und meint nur “Eher 12 Pferde …“ Einige Zeit später rettet ihnen Mark Damon mit seinem Auto den Arsch, und nach dem Kampf bewundern sie das Auto. Steffen: “Schönes Auto! Wieviel PS hat es?“ Antwort von Damon: “12 PS.“ Steffen schaut nur kurz rüber zu Salerno “Siehst Du …?“ Der Blick von Salerno – unbezahlbar!

 

Und was den Film als Westernkomödie zu etwas ganz Besonderem macht: Er ist nicht albern! DURANGO bietet trotz unblutiger Tode genügend harte Stimmung, um als bleilastiger Revolutionswestern durchzugehen, genauso wie dank der herrlich schrägen Sprüche für genügend Lacher gesorgt ist, ohne dass dabei die Atmosphäre zerstört wird. Ich meine, Western mit Auto, da gibt es schlimmere Beispiele (Duccio Tessaris FRISS ODER STIRB etwa), wobei mir auffällt, dass in Revolutionswestern öfters mal Autos durch die Gegend fahren (Orson Welles in TEPEPA oder die Panzerwagen in Sergio Leones TODESMELODIE). Ein wenig irritierend ist es allemal, aber mit dem geckenhaften Mark Damon und seinem vornehmen Getue passt es dann doch wieder irgendwie zu der herrlich absurden Handlung. Was Gringo und Luca erleben ist zwar aus den gängigen Mythen des Italo-Western extrahiert, aber dann nochmal extra überhöht worden. Das Wort Parodie passt aber trotzdem nicht, eher … Weiterführung der 08/15-Western-Schemata. Wenn Franco Franchi jemals eine ernste Rolle gehabt hätte, und diese mit dem ihm eigenen Humor veredelt hätte, dann wäre Salernos Rolle dabei herausgekommen. So in etwa jedenfalls …

 

Was auf jeden Fall passt ist die wundervolle Dominique Boschero, die trotz ihrer Rothaarperücke zum Hinknien schön aussieht (siehe Screenshot) und dem männlich-herben Manuel Zarzo in einer Szene sehr nachdrücklich den Begriff Frauenpower nahe bringt. Eine der wenigen stärkeren Frauenrollen in den Western der damaligen Zeit. Die Musik von Carlo Rustichelli, die wie meistens klingt und nicht besonders zur Stimmung beiträgt, beweist wieder einmal warum ich kein Rustichelli-Fan bin, José Bodalo macht als mexikanischer General (“Welcher General?“ “In Mexiko sind doch alle Generäle!“) Lust sich mal wieder DJANGO anzuschauen, und wenn Bodalo, Zarzo und Roberto Camardiel als dritter Bandit sich gegenseitig dreckig anlachen und ihren Männern Befehle erteilen, dann ist die Westernwelt definitiv in Ordnung und es wird für großes Wohlgefühl gesorgt. Der einzige wirkliche Schönheitsfleck ist die deutsche Synchro, die mit Manfred Schott und Gerd Duwner auf Steffen und Salerno meines Erachtens als eher fehlbesetzt gelten darf. Ich höre Gerd Duwner sehr gerne, und auf Jess Franco in DOWNTON – DIE NACKTEN PUPPEN DER UNTERWELT ist er so genial wie sonst nur als Ernie in der Sesamstraße. Aber auf Enrico Maria Salerno? Ich habe keine fünf Minuten gebraucht um auf den Originalton umzuschalten, und die italienischen Stimmen klingen so dermaßen wohltönend, dass man schnurren möchte …

 

Westernkomödien schaue ich gerne wenn ich krank bin und geistig nicht voll aufnahmefähig. Im Ernst, in dem Zustand hatte mir vor Jahren sogar Castellaris TEDEUM ganz gut gefallen. DURANGO passt auch gesund und nüchtern ganz hervorragend, was wohl auf seine Entstehungszeit zurückzuführen ist. 1967 gab es die Spencer/Hill’schen Prügelorgien noch nicht, und das ist genau das was dem Film letzten Endes seine Klasse gibt: Er nimmt sich, bei aller Kalauerei und allen abstrusen Situationen, selber ernst. Und wenn Damon und Steffen in der Wüste mit entsichertem Colt und entschlossenem Blick aufeinander zu gehen, und sich dann beide gleichzeitig … Nein, das verrate ich jetzt nicht, das muss jeder selber sehen. Was da passiert ist auf jeden Fall irre komisch, aber halt nicht albern. Und das macht diesen Filmes aus. Das, und Enrico Maria Salerno …

Autor

Maulwurf

Veröffentlichungen

Der Film ist als DVD innerhalb der Italo-Western Collection von Koch Media als Nummer 9 erschienen. Dass das Bild topp ist muss man bei Koch Media nicht mehr explizit erwähnen, oder? Der Ton liegt auf deutsch und italienisch vor, die zuschaltbaren Untertitel sind deutsch und englisch. Der Film ist ungekürzt und damit um schlappe 12 Minuten länger als die Kinofassung (und die VHS)! Als Extras gibt es je ein viertelstündiges Interview mit Mario Caiano und Mark Damon, den italienischen Trailer sowie eine Bildergalerie.

Autor

Maulwurf

Kommentare (1)

  • Maulwurf

    Maulwurf

    27 November 2017 um 17:31 |
    Richtigstellung:
    Selbstverständlich sind die beiden Interviews auf der DVD nicht 4 Stunden lang, sondern jeweils eine Viertelstunde!! Und nein, so langweilig sind beide Interviews nicht, dass einem die Zeit so lange vorkommt. Nur die Tastatur, die macht halt manchmal nicht das was sie soll ...

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