Das Haus unter den Bäumen

Frankreich | Italien, 1971

Originaltitel:

La maison sous les arbres

Alternativtitel:

Unico indizio: una sciarpa gialla (ITA)

La mansión bajo los árboles (ESP)

The Deadly Trap (USA)

Death Scream

The House Under the Trees

Kidnapping - Das Haus unter den Bäumen

Deutsche Erstaufführung:

05. November 1971

Regisseur:

René Clément

Inhalt

Jill (Faye Dunaway) und ihr Mann Philippe (Frank Langella) leben mit ihren Kindern in Paris. Das unauffällige und geregelte Leben gerät allerdings zusehends aus den Fugen, da Philippe, der als Forscher der Mathematik arbeitet, von der Vergangenheit heimgesucht wird und es außerdem so erscheint, dass seine Frau langsam aber sicher ihr Gedächtnis verliert. Eines Tages werden Jill und ihre Kinder in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt, den aber jeder unbeschadet übersteht. Doch hängt dieser Unfall mit der immer schlechter werdenden Verfassung der beunruhigten Mutter zusammen? Als ihre Kinder eines Tages auch noch spurlos verschwinden, droht Jill ihren Verstand zu verlieren. Die gefährliche Suche nach der Wahrheit beginnt...

Autor

Prisma

Review

»War ihre Frau vielleicht in den letzten Wochen besonderen emotionellen Belastungen ausgesetzt?« Früh werden derartige Zweifel über den mentalen Zustand der Protagonistin aus René Cléments Thriller-Drama aufgeworfen, in dem sehr lange nicht zu unterscheiden ist, ob man allen gesammelten Eindrücken trauen kann, oder besser abwartend aus der zweiten Reihe beobachten sollte. Szenen eines scheinbar ganz normalen Familienalltags definieren die frühe Phase dieses mit einem überaus mystisch klingendem Titel ausgestatteten Films, der mithilfe trister Optik und sporadisch auftretender Signalfarben zunächst für trügerische Akzente sorgt, die zusätzlich versuchen, eine depressive Stimmung andeuten. Eine Frau wie vielleicht jede andere bewerkstelligt ihren Alltag, erzieht die Kinder, wo sie nur kann, hält sie ihrem Mann den Rücken frei und gönnt sich selbst nur das Nötigste. Ihre intakten sozialen Strukturen geben erste Hinweise darüber, dass Jills mentale Kapazitäten möglicherweise dem Ende nahen, was sie selbst allerdings nicht so einschätzt. Der Zuschauer verlässt sich daher auf die Fremdeinschätzungen bestimmter Personen ihres Umfeldes, außerdem auf das eigens Wahrgenommene, das sich hier oft subtil und beinahe versteckt in Randnotizen verliert. Philippe, ihr Mann, sorgt für den Lebensunterhalt der Familie, doch ein plötzliches und vollkommen unfreiwilliges Rendezvous mit Gespenstern der Vergangenheit führt zu einem harten Bruch in der Geschichte, den man zunächst überhaupt nicht begreifen kann. Der Originaltitel der Produktion vermittelt sowohl die Gewissheit von etwas unbestimmt Verheißungsvollem und Mysteriösem, aber gleichzeitig völlig Gegensätzlichem, da andere Impressionen in Form eines lebhaften Großstadtpanoramas das Szenario dominieren.

 

Nach einer eigenartigen Begegnung, die Jills Ehemann mit einem bekannten Fremden hatte, nimmt "Das Haus unter den Bäumen" schlagartig an Fahrt auf und die normale Familienidylle droht in Stücke zu zerfallen. So agieren die Protagonisten plötzlich gehemmt oder hysterisch, treffen fatale oder gar keine Entscheidungen, lamentieren über Wahrscheinlichkeiten sowie das Schicksal und beginnen, dies alles hinterfragen. Um für kontrastreiche Abwechslung zu sorgen, prägen hochwertige Bilder den Verlauf, der sich langsam aber sicher einem Scheideweg nähern wird. Im Mittelpunkt des Geschehens steht die attraktive Jill, ihres Zeichens Hausfrau und fürsorgliche Mutter zweier Kinder, die zwischen die Mühlsteine konspirativer Machenschaften gerät, oder möglicherweise selbst für diese verantwortlich ist. Aufgrund uneindeutiger Schilderungen und weit voneinander entfernt liegender Informationen sowie geschickt platzierter Bildeindrücke provoziert René Clément eine merkliche Skepsis beim Publikum, da alle angedeuteten Möglichkeiten plausibel erscheinen möchten und man einfach im Hinterkopf behält, dass die Geschichte besondere Wendungen und Überraschungen verspricht. So bestimmt die natürlich aufkommende Spannung den weiteren Verlauf sehr nachhaltig, ebenso wie das als hervorragende Einheit agierende Duo Faye Dunaway und Frank Langella, welches hier nahezu stilprägend sein wird. Hollywood-Star Faye Dunaway wirkt zunächst ein wenig unscheinbar in diesem von nebligen Bildern beherrschten Szenario, jedoch wandelt sich genau dieser Eindruck zur großen Stärke um, da Jill aus ihrer Komfortzone herausgezwungen wird. Natürlich bot sie als Mutter und Ehefrau auch genügend Rückhalt für die doch sehr normal wirkende Familie, allerdings verliert sie gezwungenermaßen ihre auffällige Fragilität, die nur außerhalb dieses geschützten Rahmens sichtbar wurde.

 

In abgewandelter Form wirkt es ab einem gewissen Zeitpunkt beinahe schon so, als ob man schlafende Mütter besser nicht hätte wecken sollen, denn plötzlich geht eine verstärkte Initiative und Agilität von der Frau aus, die nicht nur ihre persönliche Familienidylle zu retten versucht, sondern sich gleichzeitig von dem Verdacht einer diffusen mentalen Schwäche zu rehabilitieren versucht. Die unsichtbaren Fallstricke in dieser Geschichte sind jedoch so präzise platziert worden, dass es keinen Leichten Weg für sie und etliche andere Personen dieser Scharade geben kann, was ebenso für ihren Mann gilt, von dem man permanent glaubt, dass er Licht ins Dunkel bringen könnte beziehungsweise dies besser hätte tun sollen, um Schlimmeres zu verhindern. Der US-Amerikaner Frank Langella positioniert sich somit nicht nur als Schlüssel oder als potentielle Lösung dieses verzwickten Rätsels, sondern dem Empfinden nach auch als vollkommen unberechenbares Element. Weitere gute darstellerische Leistungen runden das Thema sehr zielführend ab, vor allem jene der unverbrauchten Kinderdarsteller, die im späteren Verlauf noch für spannende Sequenzen und denkwürdige Szenen sorgen können. Die Polizeiarbeit wird unter René Clément erneut sehr plastisch dargestellt, rückt dabei aber nie in den Brennpunkt. Wenn die Beamten schließlich ihren Holzweg verlassen haben, zieht sich die Schlinge für gewisse Personen der Veranstaltung gnadenlos zu. "Das Haus unter den Bäumen" gibt die Quelle des Verbrechens und damit verbundene Intentionen im Endeffekt vielleicht zu zaghaft preis, punktet jedoch mit einen unübersehbar mysteriösen Element, welches die Wahrheitsfindung manchmal zu einem Kraftakt werden lässt. Herrlich atmosphärische Schauplätze, greifbare Stimmungen, verständliche Emotionen sowie besondere Überraschungsmomente lassen diesen subtilen Thriller daher zu einem ganz besonderen Erlebnis werden.

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