Der große Kampf des Syndikats

Italien, 1979

Originaltitel:

I contrabbandieri di Santa Lucia

Alternativtitel:

Opium-Way (BRD)

Todesdroge Heroin (BRD)

The New Godfathers (GBR)

Regisseur:

Alfonso Brescia

Inhalt

Don Vizzini will eine große Lieferung Heroin von der Türkei über Neapel nach Amerika befördern, wo ihm der Dank der amerikanischen Paten gewiss sein wird. Den türkischen Mittelsmann schaltet er nach der Übergabe des Stoffs mehr oder weniger elegant aus, und in Neapel reißt er sich das Zeug ebenfalls gewaltsam unter den Nagel. Konkurrenz ist einfach nicht seines, und sein Kollege Don Francesco, der eines Tages mit einem Schnüffler vom Zoll bei ihm auftaucht, schon gleich gar nicht. Dieser Schnüffler, Capitano Radovich, macht nämlich einen auf Verbrüderung mit Don Francesco und sichert diesem zu, seinen florierenden Zigarettenschmuggel eine Zeitlang unbeachtet zu lassen, wenn dieser ihm dabei hilft, an die Hintermänner des Heroinschmuggels zu kommen. Was, und da schließt sich der Kreis, Don Vizzini ganz ernsthaft nervt. Und was macht ein Don, der zum einen die Karriereleiter hinauffallen will, und zum anderen dabei genervt wird? Richtig, Feuerzauber …

 

Autor

Maulwurf

Review

Ein schöner Herbsttag 1979 in Scampia, einem Vorort von Neapel. Dino und Matteo gehen ins Kino. Terza Visione, es wird I CONTRABBANDIERI DI SANTA LUCIA gezeigt. Dino und Matteo sehen Leute die sie selbst sein könnten. Die kleinen Arbeitslosen, die ihr Geld mühsam mit dem Verkauf geschmuggelter Zigaretten verdienen. Die jeden Tag auf der Straße sitzen und die Stangen anbieten, während die Mamma ein paar Ecken weiter oben sitzt, und die kleinen Geschwister am Ende der Gasse ebenfalls. Sie hören die Neapolitaner in ihrem gewohnten Dialekt reden (was bedeutet, dass die letzten Silben immer verschluckt werden), sie sehen die Gassen in denen sie sich selber tagein tagaus herumtreiben, und sie sehen die Männer von Santa Lucia. Wie sie in ihren Motorbooten übers Meer brausen, die Gischt im Gesicht, lachend, Kisten auf dem Meer entgegennehmend, dem Zoll Schnippchen schlagend. Sie hören, wie Mario Merola, einer aus ihrer Stadt, ihr Tagesgeschäft verteidigt und aller Welt von der Leinwand herab erklärt, dass sie halt auch irgendwie überleben müssen, aber deswegen noch lange nicht kriminell sind, sondern einfach nur hungrig. Und sie sehen den Reichtum von Don Vizzini, der mit nackten Frauen und feinen Cocktails in einem grünen Garten sitzt und es sich mit schmutzigen Geschäften gut gehen lässt. Das wäre ein Leben …

 

Man merkt schon, CONTRABBANDIERI ist kein gängiger Poliziotto, in dem ein beschnäuzerter Cop mit dem Großstadtgesindel aufräumt. Stattdessen wird hier das Alltagsleben in den schmutzigen Gassen Neapels gezeigt. Wie man sich zurechtfindet, wie man überlebt, und wie man sich dafür rechtfertigt, dass eben nicht immer alles so ist wie es hätte sein können. CONTRABBANDIERI ist dreckiges und banales Alltagsgroßstadtkino unter dem Vesuv, und Dino und Matteo können sich hier problemlos wiederfinden. Was wahrscheinlich auch den Erfolg des Films ausgemacht hat, spielte er doch im Jahr 1979 über 342 Millionen Lire ein. Hey, die Schmuggler von Santa Lucia – Jedes Kind in Italien weiß, dass Santa Lucia der Hafen von Neapel ist, und dass dies damals DER Schmugglerhafen schlechthin war. Also quasi ein Heimatfilm …

 

2021, wenn dieser Text entsteht, schaut die Welt ein wenig anders aus. Mit den Bildern von CAMORRA – EIN BULLE RÄUMT AUF und DIE VIPER im Kopf als Erwartungshaltung, mit Antonio Sabato und Gianni Garko auf der Besetzungsliste, da erwartet man ein großes Fest, bestehend aus jeder Menge Schießereien, Prügeleien und nackten Frauen. Die Enttäuschung ist also quasi vorprogrammiert, wenn man stattdessen den etwas hölzern wirkenden Mario Merola und den blass erscheinenden Gianni Garko dabei beobachtet, wie sie durch Neapel fahren, und Don Merola dem Schnüffler Garko erklärt, was hier gerade abläuft. Dazu immer wieder Bilder neapolitanischen Familienlebens, knuffig-nervige Kinder, und viel Geschrei. Alltag eben, aber sowohl Action wie eine vernünftige Geschichte fallen dabei leider vom Tisch. Nein, nicht ganz – Action hat es durchaus, auch wenn manche der Bilder aus dem 1972er THE OPIUM CONNECTION stammen, und andere sogar aus einem Werbespot für den Fiat 127. Die Musik stammt unter anderem aus MILANO ROVENTE, die Oliver Onions-Brüder werden an einer völlig unpassenden Stelle ebenfalls gerippt, und man möchte dem Regisseur beim Zusehen einfach ständig zurufen, doch nicht so einen Unfug zu machen und das hübsche Drehbuch nicht so dermaßen zu verschandeln. Gianni Garko, ich erwähnte es, wirkt recht blass und kann kaum Akzente setzen (weswegen er möglicherweise für die zweite Filmhälfte auch weitgehend verschwindet, und irgendwann wie ein Teufelchen aus der Kiste *plopp* plötzlich wieder auftaucht), Jeff Blynn kann als vieles durchgehen, gerne auch als eieressender Commissario, aber niemals niemals niemals als ärmlich lebender Neapolitaner, und Lorraine De Selle hat sowieso viel zu wenig Screentime. Über den nervigen Lucio Montanaro möchte ich dann lieber gleich den Mantel des Schweigens decken, ein Blödelkomiker in einem ernstgemeinten Poliziotto? Nein, das geht nicht gut, und die deutsche Fassung, in der alle seine Szenen herausgeschnitten wurden, funktioniert, vermute ich jedenfalls, etwas besser. Aber mei, der Film zielte damals beim Dreh auch sicher nicht auf deutsche Filmnerds ab …

 

Das Mischungsverhältnis ist einfach ungünstig, und wie bei jedem Motor passiert dann halt eines: Es zündet nicht. Oder erst sehr spät, wenn nämlich die Handlung am Ende mehr oder weniger unvermittelt nach New York springt (hier kommt dann THE OPIUM CONNECTION ins Spiel – Ciro Ippolito wurde gebeten, Szenen aus diesem Film in das Drehbuch zu schreiben), und Don Francesco Rache nehmen will. Und was passiert, wenn ein Don unter den anderen Dons aufräumen will? Falsch gedacht – Es passiert sehr wenig. Wir wohnen lange Zeit einer italienischen Hochzeit bei, die von einer einzigen zu Tode genudelten Musik begleitet wird, und bei der außer jeder Menge Lachen und Tanzen nicht viel geboten wird. Es schließt sich eine Verfolgungsjagd an, welche die Topographie New Yorks schlichtweg ignoriert und auch sonst eher unaufregend in Szene gesetzt wurde, und plötzlich stottert das Motörchen wieder und die Spannungskurve ist vorbei. Kein Fiat 127 in voller Kurvenfahrt – Eher ein Fiat 500 am Ende seines Lebens …

 

Nein, ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Dino und Matteo hatten sicher ihren Spaß, aber der Maulwurf ist 40 Jahre später ein wenig enttäuscht ob der Unaufgeregtheit dieses Films. Der ein Jahr später entstandene DAS SYNDIKAT DES GRAUENS, der macht sehr viel mehr richtig und befriedigt den (modernen!) Genrefan in erheblich höherem Maße. Von daher sollte man mit Vorsicht an die Sache rangehen, und sich vielleicht eher auf eine nostalgische Reise in unterprivilegierte Stadtviertel vorbereiten als auf die Bleiorgie, die man von Filmplakat und Entstehungsjahr her erwarten könnte.

Autor

Maulwurf

Links

OFDb

IMDb

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