Frauen hinter Gittern

Italien, 1955

Originaltitel:

L'angelo bianco

Alternativtitel:

O Anjo Branco (BRA)

La femme aux deux visages (FRA)

Die andere Frau

The White Angel

Deutsche Erstaufführung:

12. April 1957

Inhalt

Rückblende: Guido Caranis Mutter ist tot, seine große Liebe Luisa ist Nonne. Er lebt (noch) mit seiner Frau Elena und Tochter Alda auf dem Familienanwesen in Carrera, verwaltet das Familienunternehmen (Marmor-Steinbruch und Fabrik). Sohn Bruno kam bei einer Sprengung ums Leben.

 

Guido (Amedeo Nazzari) kann seiner Frau Elena (Enrica Dyrell) nicht vergeben, dass sie mit ihrem Schweigen den Tod seines Sohnes Bruno verschuldet hat, den er mit seiner großen Liebe Luisa (Yvonne Sanson) gezeugt hat, die inzwischen zu Schwester Addolorata geworden ist. Guido will die Besitztümer der Familie (mal wieder) verkaufen und sich von Elena scheiden lassen. Elena stimmt der Scheidung zu, allerdings bekommt Guido das Sorgerecht für deren gemeinsame Tochter Alda (Paola Quattrini).

 

Elena hat panische Angst davor allein mit ihren Schuldgefühlen zurückzubleiben und entführt Alda. Da der Chauffeur gerade den Wagen zerlegt hat, tritt sie die Flucht mit einem Motorboot an. Doch der Himmel verzieht sich, es naht ein Unwetter, und Elena und Tochter Alda können nur noch tot geborgen werden.

 

Guido versinkt in einer tiefen Depression. Da sieht er vom Fenster eines Zuges auf dem Nebengleis eine Frau, die seiner einstigen großen Liebe Luisa zum Verwechseln ähnlich sieht. Er stellt der Frau nach und findet heraus, dass es sich um die Varieté-Tänzerin Lina Mercolin (Yvonne Sanson) handelt. Mehrfach trifft er sich mit ihr, dann erleidet er einen Zusammenbruch nebst Fieberschub, und Lina nimmt ihn mit zu sich. Im Fieberwahn spricht er Lina mit Luisa an, so dass Lina anschließend zumindest einen kleinen Teil von Guidos Vergangenheit erfährt.

 

Lina ist in Komplizenschaft mit dem Messerwerfer Mario La Torre (Philippe Hersent), einem Geldfälscher. Der interessiert sich sehr dafür, wer dieser Guido Carani ist und überredet Lina, Geld aus Guido herauszupressen. Zudem hat Lina für Mario einen Koffer mit Falschgeld in ihrer Wohnung aufbewahrt. Die Polizei ist Mario allerdings bereits auf den Fersen, und als dieser verhaftet wird, kommt die Polizei auch zu ihr. Lina wird als Komplizin des Geldfälschers verhaftet und muss ins Gefängnis.

 

Lina ist schwanger und gerät in Konflikt mit ihren Zellengenossinnen, vor allem mit deren Anführerin Flora (Flora Lillo), einer notorischen Ausbrecherin. Als die Frauen Lina angreifen, wird sie schwer verletzt und ein Arzt wird gerufen. Dottore Marini (Virgilio Riento) kennt Schwester Addolorata (Yvonne Sanson) und bemerkt genauso wie Guido Linas große Ähnlichkeit ihr. Lina soll notoperiert werden, spürt aber, dass sie sterben wird und bittet den Doktor, Schwester Addolorata zu rufen, da sie sie kennenlernen möchte. Schwester Addolorata wiederum lässt nach diesem Treffen Guido rufen, um ihn wissen zu lassen, dass er einen Sohn hat.

 

Lina möchte, dass ihr neugeborener Sohn mit Vater und Mutter aufwächst und so soll das Kind bei Guido bleiben, und es kommt im Gefängnis zu einer Vermählung zwischen Guido und der sterbenden Lina, auf deren letzten Wunsch. Kann es noch tragischer werden? Natürlich, denn Flora und andere Insassinnen nutzen diese bizarre Vermählungs-Zeremonie zu einem Fluchtversuch - mit Linas und Guidos Baby als Geisel.

Review

„Frauen hinter Gittern“, die berüchtigte Sleaze-Bombe von...nein, nicht wirklich. „L’Angelo Bianco“ ist die Fortsetzung von „Mutterliebe, Mutterleid“ (was für ein Titel) - in Italien als „I figli di nessuno“ bekannt – beide Filme von Raffaello Matarazzo.

 

Guidos Leidensweg geht weiter, die Tragik erreicht neue (und zahlreiche) Höhepunkte, und es gibt ein paar interessante Verbesserungen zu vermelden. Amedeo Nazzari – unser Titelheld Guido – ist reifer geworden, und das wirkt sich auf sein Schauspiel aus. Insgesamt wirken die Charaktere tiefer als im ersten Film. Das gilt ebenso für Guidos Frau Elena, deren Motive zuvor eher im Dunkeln blieben. Yvonne Sanson wiederum diesmal in einer Doppelrolle, und die Tänzerin Lina unterscheidet sich naturgemäß sehr von Schwester Addolorata.

 

Die Fotografie des Films ist ebenfalls eine Verbesserung, kein Wunder, diesmal hatte man immerhin Tonino Delli Colli am Start, unterstützt von Sergio Bergamini. Regie-Assistent war Silvio Amadio. Insgesamt gibt es weniger Außenaufnahmen, dafür gut beleuchtete Studiosettings. Wie auch der erste Film ist „Frauen hinter Gittern“ eine Co-Produktion zwischen Goffredo Lombardo Titanus und Matarazzos Labor Films.

 

Diese Fortsetzung beruht nicht auf der Romanvorlage von Ruggero Rindi sondern setzt die Geschichte mit denselben und einigen neuen Charakteren fort, das Szenario entworfen von Raffaello Matarazzo selbst, geschrieben von Giovanna Soria, Piero Pierotti und Aldo De Benedetti. Mit allen Stärken und Schwächen. Zu den Schwächen des Drehbuchs ein Beispiel:

 

Nach dem tragischen Tod von Ehefrau Elena und Tochter Alda ist Guido am Boden zerstört. In seiner Depression findet er Lina, das optische Ebenbild seiner großen Liebe Luisa. Er entwickelt eine manische Besessenheit zu dieser Lina und – auch wenn er das erst mal nicht weiß – schwängert sie. Das würde ich schon für eine wichtige Begebenheit halten. Doch dann erzählt ihm Schwester Addolorata später von dieser Schwangerschaft und fragt ihn zuvor, ob er eine Frau namens Lina kenne. Und er schaut an die Decke, überlegt erst mal eine Runde angestrengt und kommt dann lahm und zögerlich mit Ja, ich glaube, ich erinnere mich. Hallo? Mensch, Guido. Wohl schon wieder eine Neue am Start.

 

Zu den Stärken des Drehbuchs: die Dramatik erreicht hier völlig neue Höhepunkte. So sind auch einige Kontexte im Hintergrund recht heftig. Man stelle sich die Situation vor. Guido heiratet im Gefängnis eine schwangere und sterbende Insassin, die von ihm schwanger ist und zudem das optische Ebenbild seiner einstigen Geliebten Luisa. Und eben jene Luisa – inzwischen Schwester Addolorata – wohnt dieser bizarren Eheschließung in Nonnentracht bei! Also ein Sensibelchen ist unser Guido nicht.

 

Es sei mal dahingestellt, ob Guido wirklich die beste Wahl für das Aufziehen von Luisas Sohn ist, immerhin hat er schon zwei Kinder unter die Erde gebracht, Frau No 1 ins Kloster und Frau No 2 auf den Meeresgrund. Aber das weiß Lina ja (vermutlich) nicht. Der Zuschauer erfährt nie, wie viel Guido ihr von seiner Vergangenheit erzählt hat. Auch dieser Kontext ist irgendwie heftig, Guido hat einen Sohn von seiner großen Liebe verloren, doch hat ihm das Schicksal einen neuen Sohn geschenkt, von dem optischen Ebenbild seiner großen Liebe. Und damit das Ganze funktioniert, muss dieses Ebenbild halt auf der Strecke bleiben, war ja sowieso bloß irgendeine kleine Tänzerin. Heftig.

 

Da liegt übrigens noch eine der Schwächen der Story, denn wir erfahren nie, wie es zu der Ähnlichkeit zwischen Luisa und Lina kommt, es sei denn, man möchte diese für die Schlussszene sehr wichtige Ähnlichkeit als Zeichen Gottes deuten. Oder Luisas Vater hat es einfach mit der Treue nicht so genau genommen.

 

Wie unser Guido. Drei Frauen, drei Kinder. Leider endet damit Guidos Geschichte, und während des Bootsunglücks in der ersten Hälfte dieses Films habe ich mich doch tatsächlich bei dem Gedanken ertappt, was wäre wenn Guidos Frau Elena gar nicht wirklich tot ist sondern wiederauftaucht? Womöglich war sie zum Zeitpunkt des Unglücks sogar schwanger und hat jetzt auch einen Sohn für Guido? Da wäre doch glatt Material für eine Fortsetzung drin gewesen. „Guido am Scheideweg“ wäre doch ein schöner Titel...?

Links

OFDb

IMDb

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.