Dracula 3D

Frankreich | Italien | Spanien, 2012

Alternativtitel:

Dario Argento's Dracula

Dracula de Dario Argento

Dracula

Regisseur:

Dario Argento

Inhalt

Wenig Neues im Lande Transsylvanien: Graf Dracula (Thomas Kretschmann) möchte sich ein wenig runderneuern und bittet einen Immobilienmakler im fernen London ihm einen Abgesandten mit den Verkaufsunterlagen für ein Haus zu schicken. Also macht sich der Buchhalter Jonathan Harker (Unax Ugalde) auf die lange Reise, nur um vor Ort zum Gefangenen und Abhängigen des Grafen zu werden. Harkers Braut Mina (Marta Gastini) reist Jonathan schon bald voller Unruhe nach, nur um ebenfalls in die Fänge des Grafen zu geraten. Nun kann nur noch der Vampirjäger van Helsing (Rutger Hauer) helfen…

Autor

Maulwurf

Review

 

Dario Argento war mal ein verdammt guter Regisseur. OK, sein Oeuvre ist im Laufe der Jahre unbestritten schwächer geworden, und mit Filmen wie THE CARD PLAYER oder MOTHER OF TEARS hat er viele seiner alten Fans endgültig enttäuscht. Aber unabhängig davon, dass er offensichtlich seine künstlerische Vision aus den Augen verloren hat, unabhängig davon hat er ein ganz großes Problem: Er wird immer immer immer an seinen alten Filmen gemessen werden! Jeder der SUSPIRIA gesehen hat wird sich zukünftig bei der Bewertung von MOTHER OF TEARS auf ersteren beziehen, und es wird immer heißen „Früher …“. Das ist ungefähr so, als würden die Beatles auf Revolver beschränkt werden, und da das Weiße Album nicht so klingt wie Revolver, kann es per Definition nur schlecht sein. Einem Alfred Hitchcock, der in seiner Spätphase auch nicht mehr so ganz auf der künstlerischen Höhe war, würde MARNIE niemals vorgeworfen werden, aber bei Argento ticken vereinte Fans und Kritiker einfach anders: Schaut der neue Film aus wie PROFONDO ROSSO, so ist es ein Plagiat. Und schaut er nicht so aus dann ist er Scheiße. Eher letzteres …

 

Ich für meinen Teil kenne (noch) nicht alle Klassiker seiner frühen Jahre, und finde gleichzeitig einige der Sachen aus den 90-er Jahren gar nicht schlecht, das STENDHAL-SYNDROM halte ich sogar für eines seiner absoluten Meisterwerke. Und da ich gleichzeitig nicht so der Horror-Buff bin, und die entsprechenden Klassiker wie INFERNO oder OPERA noch nie gesehen habe, stehen denke ich die Chancen ganz gut, die alten, schattenwerfenden Monumente zu übersehen und mich auf den neuen Argento zu konzentrieren …

 

Nun also Dracula, die x-te Verfilmung eines x-mal durchgekauten Stoffes. Argento muss sich hier dummerweise nicht nur an seinem eigenen Frühwerk messen lassen sondern auch zusätzlich noch an einigen Meisterwerken der Filmgeschichte: James Whale, Hammer, Werner Herzog, … Da hätte er schon einiges auffahren und ein erheblich besseres Budget haben müssen um hier mitzuhalten. Vielleicht hätte es aber auch einfach nur eine liebevollere Regie getan.

Gut, das Drehbuch war eigentlich in Ordnung. Die Grundzüge der Geschichte stehen sowieso fest, und die Idee, die gesamte Handlung in das Dorf zu verlegen, kamen dem Budget und der erzählerischen Linie durchaus entgegen. Architektonisch orientiert an alten italienischen Bauernhäusern (gedreht wurde u.a. im Piemont) wirkt das altertümliche und leicht verfallene sehr atmosphärisch und dicht. Zumindest würde ich diesen Satz so gerne schreiben, jedoch: die katastrophale Ausleuchtung und die Verwendung eines offensichtlich falschen Filmmaterials (ich bin da kein Experte) zeitigen eine Videospiel-Optik zum Davonrennen. Zu Beginn des Films habe ich längere Zeit mit den Einstellungen des Fernsehers gespielt (sogar die 3D-Optik habe ich ausprobiert), aber es half nichts: Der Film sieht immer aus wie ein 3D-Filmchen im Internet, eines von den billigen und belanglosen. Wäre Argento mit der Helligkeit runter, hätte mit den Schatten gespielt, hätte seine berühmten Kamerafahrten durch ein Dorf der Düsternis und des Bösen veranstaltet, das Ergebnis wäre bestimmt erstklassig ausgefallen. Aber so war mir nie wirklich klar, ob der Hintergrund gerade unter minimalstem Einsatz von Zeit und Aufwand am Computer entstanden ist, oder einfach nur Scheiße ausgeleuchtet und gefilmt ist. Einige Szenen, etwa wenn die Mutter versucht aus dem Ort zu entkommen, wirken vom filmischen Standpunkt wie das Werk eines Filmstudenten, der gerade billiges Videomaterial günstig erstanden hat.

Die Optik hat Argento dabei durchaus noch drauf: Wenn van Helsing den Pfaffen in der Kirche einlädt auf seinen Kreuzzug mitzukommen, ist die Perspektive von schräg oben geschickt gewählt – Einmal aus der Sicht des Kruzifix, aber auch aus der (möglichen) Sicht eines Insekts das im Auftrag seines Meisters an der Wand hängt. Andere Beispiele sind Dracula im Verlies Renfields oder die Kamerafahrt durch die Bibliothek – Ja, er kann es noch! Bitte mehr davon …!

 

Mir ist klar, dass auch ein Dario Argento heute Probleme hat Geld für seine Filme zu bekommen. Die letzten Filme waren alle keine so großen Erfolge mehr, der US-amerikanische Film-Moloch umklammert die gesamte Welt mit seinen Big-Budget-alles-muss-explodieren-Filmen, und die paar Hanswurste, denen beim Film Schnittstakkato und Action-Showdown zuwider sind, die bringen nicht genügend Geld in die Kasse. Umso erfreulicher ist es, dass überhaupt Geld zur Verfügung steht, und dass damit nicht die ganz großen Schauspieler ins Boot geholt werden können ist nachvollziehbar. Asia spielt bei ihrem Vater wahrscheinlich mit Verwandtenrabatt und ist gigantisch gut wie immer. Eigentlich wird sie, je älter sie wird, immer besser, und selbst ihre relativ kurze Screentime ist (auch ohne die wundervolle Badeszene) Belohnung pur. Thomas Kretschmann hat zwar einen Namen, ist aber keiner der ganz großen Superstars, hat bereits mit Argento gedreht, und ist wahrscheinlich schlicht und ergreifend bezahlbar. Hinzu kommt, dass er im STENDHAL-SYNDROM das personifizierte Böse war, und ich vermute mal schwer dass dies auch der Grund für Argentos Wahl war. Als Serienmörder und –vergewaltiger ist er böse, abgrundtief böse, aber als Dracula sehr gehemmt und irgendwie nicht wirklich unheilvoll. Er wirkt manchmal fast wie ein schlimmer Finger, als ob ihm die ganze Zeit klar ist mit welchen Schauspielern er zwangsläufig verglichen werden wird, und ihn diese Vorstellung ausgebremst hat. Seine ersten Szenen haben mir noch gefallen (die Ankunft Harkers im Schloss, das Abendessen, die Besichtigung der Bibliothek), aber irgendwann, spätestens mit dem Massaker im Wirtshaus, hätte ich ein wenig mehr Präsenz erwartet. Die kleine Flamme auf der Kretschmann da köchelt zieht zumindest mich nicht in ihren Bann. Die anderen Schauspieler sind zum Teil sehr gut gewählt (die Dörfler sind starke Typen mit einprägsamen Charakteren, Rutger Hauer macht seine Sache durchaus gut, wenngleich auch etwas müde), zum Teil ordentlich (Marta Gastini schlägt sich als Mina sehr gut und hat nur das Problem, dass sie gegen die Präsenz Asia Argentos einfach keine Chance hat), zum Teil fragwürdig (in der OFDB lerne ich gerade, dass ich Unax Ugalde, den Darsteller des Jonathan Harker, in bereits 3 Filmen gesehen habe, ohne dass jegliche Erinnerung an ihn existiert. Entweder ich schaue zu viele Filme an, oder er schafft es nicht einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen …).

 

Beim Thema Geld fallen dann auch irgendwann die Effekte auf. Sicher, in Italien sitzt nun mal nicht das große Effekt-KnowHow wie in Hollywood, aber warum müssen denn auf Teufel komm raus solche Effekte integriert werden, wenn sie dann so mäßig wirken? So viele gute Filme der letzten 20 Jahre zeigen dass auch ohne CGIs gutes (Genre-) Kino gemacht werden kann, und die Wirtshausszene zeigt doch ganz deutlich, dass a) Argento immer noch dynamische Szenen hinbekommt die b) hervorragende Effekte haben, auch ohne ganz offensichtliche (sic!) CGIs. Somit störe ich mich nicht an der Gottesanbeterin an sich (nette Idee), sondern an deren Umsetzung. Oder alternativ wird auf den 3D-Hype verzichtet und das Geld lieber einem guten CGI-Studio gegeben. Aber so, Entschuldigung Signore Argento, so ist das nichts ganzes und nichts halbes, sondern wirkt wie der Versuch, neue Zuschauerschichten zu bekommen durch Einsatz moderner Technik, der aber scheitern muss weil man die Technik von vor 10 Jahren verwendet.

 

Bleibt für mich die Frage übrig, was sich der Regisseur dabei gedacht haben mag, wie er diesen Film begonnen hat. Dachte er sich, dass er mit der bekannten und beliebten Geschichte um Dracula schnelles Geld verdienen kann? Dass er neue Akzente im Bereich Special Effects setzen und seinen Ruf somit erneuern kann? Ich meine, was ist die Intention eines Regisseurs (und Drehbuchautors), einen Film zu beginnen? Er möchte eine Geschichte erzählen, und er hat einen großen Teil des fertigen Films vor Augen und möchte diese Vision zum Leben erwecken. Ob ihm dies in seinen Augen gelungen ist? Asia Argento sagt im Interview zu SCARLET DIVA, dass sie sehr sehr froh sei, dass sie ihre Vision dieses Films zu 75% umsetzen konnte, und dass sie bei 50% nicht glücklich gewesen wäre. Mich würde ganz ernsthaft interessieren, wie diese Rate bei Dario Argento und DRACULA ausfällt. Ist das Ergebnis wirklich das was er wollte? Oder ist die Summe der Kompromisse größer geworden als seine ursprüngliche Vorstellung?

 

Leider mag ich nur magere 5 von 10 Knoblauchzehen vergeben, für mich als Zuschauer ist das Ergebnis nicht wirklich überzeugend. Zu wenig Stimmung und zu viele störende Computereffekte ergeben ein Bild, mit dem zumindest ich nichts anfangen kann. Aber, versprochen Signore Argento, beim nächsten Mal bin ich wieder dabei! Und wenn es wirklich der Sandmann wird, dann wünsche ich mir (trotz anderer Quellenlage) auf jeden Fall Neil Gaiman als Art Director…

 

Autor

Maulwurf

Links

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