Blutiger Freitag

Deutschland | Italien, 1972

Alternativtitel:

Blodig Fredag (DNK)

Bloody Friday (USA)

Freies Geleit oder die Geiseln sterben (BRD)

Krwawy piątek (POL)

Vendredi sanguinaire (FRA)

Violent Offender (USA)

Violenza contro la violenza (ITA)

Deutsche Erstaufführung:

28. April 1972

Regisseur:

Rolf Olsen

Inhalt

Am Tage seiner Verurteilung gelingt dem Straftäter Heinz Klett (Raimund Harmstorf) eine spektakuläre Flucht aus dem Gerichtsgebäude, da er hatte Hilfe von seinen Komplizen hatte. Um an das nötige Kleingeld für die Flucht zu gelangen, hat sein Kumpel Luigi (Gianni Macchia) alles für einen Banküberfall vorbereitet. Seine Freundin Heidi (Christine Böhm) und ihr Bruder Christian (Amadeus August) schließen sich dem Coup an, da sie ihr altes, karges Leben hinter sich lassen wollen. Doch der vermeintlich todsichere Plan nimmt sich etwas zu wortwörtlich und eskaliert in einer katastrophalen Art und Weise. Plötzlich befinden sich die Bankräuber in einem Krieg mit der Polizei und insbesondere Klett scheint zu allem bereit... 

Autor

Prisma

Review

Verbrechen ist so ansteckend wie die Pest. Niemand kann ein solches begehen ohne dafür bezahlen zu müssen. 

 

Regisseur Rolf Olsen ist vielleicht einer der wenigen auffällig physischen und pragmatischen "Realos" des deutschen Films, der sich immer dann mehr traute, wenn die Umstände, die jeweilige Welle, die Klimperkasse und das Ausgangsmaterial es zuließen. Seine Handschrift ist somit immer sehr eindeutig und gerne auch einmal sehr blutig wie in diesem Film, dessen Titel die Richtung bereits unmissverständlich ankündigt. BLUTIGER FREITAG ist einer der selteneren Spezies deutscher Filme, der sich seiner blutverschmierten Seele und politischen Unkorrektheit bewusst ist und nicht schämt, sie darüber hinaus als essentiell betrachtet, um an das anvisierte Ziel und ein bisschen weiter zu kommen. Olsen überlässt dabei nichts dem Zufall, denn er versammelt die richtigen Leute vor und hinter der Kamera, außerdem verfügt die Geschichte über einen sehr hohen Anteil an Action, zügelloser Brutalität und Tempo, außerdem halsbrecherischer Passagen, die den Zuschauer außer Atem halten und schockieren sollen. Ausgestattet mit einem italienischen Produktionspartner, kommt es zu einer schärferen Weichenstellung, zumal die Regie auch zu wesentlich mehr bereit ist, als es bei Kollegen und normalerweise der Fall war. Im Vordergrund steht das Visualisieren einer Idee, die sich beim gegenseitigen Einreden in die Köpfe der Gruppe wie Gold anhört, am Ende aber in Stroh oder Scheiße verwandeln muss, da alleine die maßlose Gewaltbereitschaft nicht über das völlige Manko einer greifenden Strategie hinweg täuschen kann und nach und nach chaotische bis hysterische Züge annehmen wird. Da Rolf Olsen einen ungefilterten Raimund Harmstorf ohne Kette, Maulkorb und Moral in die Arena lässt, ist von vorne herein klar, wo diese wie auf Schienen gebettete Story hinlaufen wird. Dass man wissentlich auf eine Katastrophe zusteuert, nimmt die Spannung keineswegs vorweg, denn es werden die 100+ Möglichkeiten der Ausarbeitung sein, die für Überraschungen sorgen. 

 

In der Tat ist es erstaunlich, welche Gewaltorgie hier in Intervallen angeboten wird, die sich aufgrund ihrer Anlegung immer weiter hochschaukeln muss. Heraus aus der Groschen-Existenz, so lautet das Credo der einzigen weiblichen Stellschraube dieses Himmelfahrtkommandos, allerdings sind sich alle Beteiligten einig, dass ihr Vorhaben - das beim genauen Betrachten so mancher Einzelheit nahezu absurd wirkt - schon irgendwie klappen wird, weil es klappen muss. Der Leidensdruck einer unter immensem Stress und Druck stehenden, außerdem zu wenig zurückgebenden Gesellschaft erscheint ab einem bestimmten Zeitpunk einfach zu groß geworden zu sein, wenngleich jemand wie Heinz Klett wohl immer schon kriminell at heart gewesen sein muss. Rolf Olsens Leidenschaft für gesellschaftskritische Analysen halten sich schließlich - und hinter vorgehaltener Hand glücklicherweise - in Grenzen und alles muss nur nach seinem persönlichen Gusto gewürzt sein. Das Schicksal spielt in dieser turbulenten Geschichte den Helden, denn viele der Vorhaben werden einfach durch Unvorhersehbarkeiten, schlechte Logistik, ungenügende Abstimmung, blank liegende Nerven und einfach zu unterschiedliche Charaktere gestört bis unterwandert. Es bleibt also nicht aus, dass die Liste der Leichen, die diesen blutigen Weg pflastert, immer mehr wird. Zunächst entsteht eine in sich immer enger verlaufende Gewaltspirale, die ab einem gewissen Zeitpunkt kein Zurück mehr zulässt, da auch nichts mehr zu verlieren ist. Das völlig konträre Trio kann sich nur bedingt aufeinander verlassen, da bei Klett der Hass auf Obrigkeiten und die ihn krank machende Gesellschaft im Vordergrund steht. Die anderen Gauner wollen eher heraus aus einem einheitsklatschigen Sumpf, der nur Durchschnitt für sie bereit hält, weil sie durchschnittlich sind. Dabei lässt die Regie sogar offen, ob sie sich nicht irgendwann selbst die Köpfe einschlagen könnten, da der Zuschauer ein paar waschechte Hahnenkämpfe geboten bekommt. 

 

Bemisst man Olsens Filme alleine an der Tatsache, dass er sich gerne selbst einen Cameo-Auftritt innerhalb seiner eigenen Storylines verschaffte, ist er spaßeshalber schnell mit Hitchcock verglichen, was natürlich keinen ernst gemeinten Vergleich darstellen soll, aber einen Hinweis darauf, dass seine Arbeitsauffassung und entsprechende Färbung im deutschen Kino doch seinesgleichen suchen darf. Hier geschehen Dinge, die für das teils mit einheitlichem Material eingeschläferte deutsche Kinopublikum wie eine Kulturrevolution ausgesehen haben muss - zumal Olsen an diesem Zustand hin und wieder aktiv mitarbeitete. Das Blut sprudelt in Fontänen, ein aggressiver Heinz Klett schlägt alles und bevorzugt Knochen kurz und klein, und seine Hose droht bald zu platzen, sodass er zu gegebener Zeit seinen Anti-Charme spielen lassen wird. Um die Dame seiner Wahllosigkeit gefügig zu machen, bedarf es lediglich einiger Schläge und übler Beschimpfungen, und manchmal wirkt das Angebot schon sehr unappetitlich, aber ebenso wie bei einem Unfall, bei dem man einfach nicht wegschauen kann. Ein Film wie dieser ist in jeder Hinsicht ein Freibrief und lässt auch sämtliche Ansätze der Interpretation und Beschreibung zu, was schließlich zu einem kaum zu beschreibenden Spaßfaktor führt - und ja, BLUTIGER FREITAG darf trotz einiger grenzwertiger Einfälle und Veranschaulichungen Spaß machen, auch wenn man etwa herausquillende Organe auf einem Silbertablett serviert bekommt, oder Töne hört, die einem beinahe die Ohren schlackern lassen. Rolf Olsen spielt die Karte eines Allround-Programms clever und fast schon rücksichtslos aus, da er sich an den möglichen Sentiments, Wünschen und Ängsten eines jeden Zuschauers festbeißt, um dabei herkömmliche Sehgewohnheiten ein Stück weit zu überschreiten oder je nachdem zu bestätigen. Um schließlich bei der Wahrheit zu bleiben, warum der Film so glänzend funktioniert, muss man auf Hauptdarsteller Harmstorf verweisen, der bereits für so manches Kabinettstückchen gut war. 

 

Trotz einer Vierer-Kombi bekommt man im Endeffekt eine denkwürdige One-Man-Show präsentiert, zumal die übrigen Gruppenmitglieder fast zu human Züge besitzen. Somit stellt Klett ein Musterbeispiel der Brutalität, Impulsivität, Gewaltbereitschaft, Triebhaftigkeit und Kompromisslosigkeit dar, dessen Kamikaze-Allüren in einigen Fressen der Unbeteiligten landen, bis es kein Zurück mehr gib. Harmstorfs Leistung ist und bleibt das Maß aller Dinge, doch alleine kann diese Show nicht geschmissen werden, sodass es tatkräftige Unterstützung von einem zu seinen sonstigen Einsatzgebieten völlig konträr wirkenden Amadeus August als Christian gibt, außerdem von Gianni Macchia als Luigi. Für beide fühlt es sich so an, als seien sie in ausweglosen (gesellschaftlichen) Strukturen und Isolation gefangen, und nur so lässt sich die Kollaboration mit Heinz Klett vielleicht restlos erklären. Abgerundet von weiblicher Finesse, die hier eher von Naivität und Zuneigung bestimmt ist, liefert die bis dato eher unbekannte Österreicherin Christine Böhm treffsicher. Weitere Rollen im Radius der Überzeugung übernehmen beispielsweise Gila von Weitershausen, Ernst H. Hilbich oder Daniela Giordano. Angefangen im Gerichtsgebäude über die Bankfiliale und etliche Verfolgungsjagden, hinterlässt das Quartett nichts als verbrannte Erde, zertrümmerte Köpfe, und durchschossene Körper, was auf einen fulminanten Showdown hindeutet. Rolf Olsen lässt das unter großer Erwartung stehende Publikum in keiner Beziehung im Stich, sodass man auf einen Beitrag blicken kann, der den Titel Reißer mehr als verdient hat. Am Ende fährt man mit dieser Interpretation von Klett, Sex & Crime außergewöhnlich gut, denn das Ganze wirkt noch nicht einmal besonders stumpfsinnig, da die Regie die Geschichte zu keiner Zeit mit fremden Federn schmückt oder vorgibt, etwas anderes sein zu wollen, was man ungetarnt und gewaltverliebt vor die Linse bekommt. BLUTIGER FREITAG ist und bleibt ein besonderes Juwel drastischer deutsch-italienischer Zusammenarbeit. 

Autor

Prisma

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