Haus der tödlichen Sünden

Italien, 1972

Originaltitel:

Alla ricerca del piacere

Alternativtitel:

Hot Bed of Sex (GBR)

En busca del placer (MEX)

Leather and Whips (USA)

Maniac Mansion (USA)

Amuck!

Regisseur:

Silvio Amadio

Drehbuch:

Silvio Amadio

Inhalt

Die junge und bildschöne Greta (Barbara Bouchet)  tritt vor venezianischer Kulisse ihren neuen Job als Privatsekretärin des Erfolgsautors Richard Stuart (Farley Granger) an, der zusammen mit seiner nicht weniger bezaubernden Gattin Eleanora (Rosalba Neri) eine nette Villa in der Lagunenstadt bewohnt. Der eigentliche Grund für Gretas Interesse an der neuen Tätigkeit liegt allerdings darin, dass ihre spurlos verschwundene Freundin Sally zuvor die Sekretärin des reichen Schreiberlings war und Greta sich durch ihre Anwesenheit Hinweise auf den Verbleib ihrer Freundin verspricht. Und tatsächlich scheint sich Gretas Verdacht zu bestätigen, dass Sally irgendetwas Furchtbares in diesem Hause zugestoßen sein muss. Während der herbeigerufene Polizeiinspektor nicht so wirklich von einem Verbrechen überzeugt werden kann, verfällt Greta immer mehr den sexuellen Avancen des Schriftstellers und seiner liebeshungrigen Ehefrau, die gerne mal kleine Sex-Partys veranstalten und überhaupt auch gerne mal die Sau rauslassen. Als Greta schon selbst an ihrem Verdacht zu zweifeln beginnt, wird die entstellte Leiche einer jungen Frau in einem nahegelegen Weiher entdeckt...

Review

Regisseur und Drehbuchautor Silvio Amadio dürfte dem Genrefan vielleicht durch Filme wie  "Il Carabiniere" mit Fabio Testi oder "Quella età Maliziosa" mit Gloria Guida bekannt sein, der bei uns auch unter dem Titel "Flotte Teens und heiße Typen" im Kino zu genießen war. Sein "Können" bewies Amadio hauptsächlich mit Softsex-Streifen der Marke "Sonne, Sand und heiße Schenkel" oder "Leidenschaften einer Minderjährigen" und auch bei ALLA RICERCA DEL PIACERE ist letztlich nicht viel mehr herausgekommen, als Softsex mit sehr, sehr dürftiger Story in einem qualitativ im unteren Bereich liegenden Film.

 

Dass ALLA RICERCA dennoch immer wieder als Giallo gelistet wird, verdankt er zum einen der schwierigen Genrebestimmung per se,  zum anderen aber mit Bestimmtheit auch seinen drei Hauptakteuren, die ausnahmslos jedem Giallo-Liebhaber aus diesem Bereich sehr vertraut sind und die diesen Film dann doch sehenswert machen. Allen voran Barbara Bouchet, die zum Beispiel in Lucio Fulcis "Non si sevizia un paperino (Dont´Torture a Duckling)" oder Fernando di Leos "Milano Calibro 9" als bitterböses Flittchen überzeugte. Ihre Paraderolle als Kitty Wildenbrück in Emilio Miraglias "La Dama Rossa Uccide Sette Volte (The Red Queen Kills Seven Times)" von 1972 macht sie unvergesslich. Nicht minder schön zu betrachten ist Frau Rosalba Neri, die in ALLA RICERCA wie zuvor auch neben Giallo-Göttin Edwige Fenech  in Ottavio Alessis Yacht-Sex-Streifen "Top Sensation (Sklaven ihrer Triebe)", erneut das durchtriebene Miststück gibt. Farley Granger hatte bereits 1948 eine Hauptrolle in Alfred Hitchcocks "Rope (Cocktail für eine Leiche)" , spielte dann neben Erica Blank und Ivana Novak in dem stimmungsvollen Giallo "La Rossa Dalla Pelle Che Scotta (The Red Headed Corpse)" und wechselte dann später verstärkt in den TV-Bereich und spielte in Serien wie "Hawaii Fünf-Null", "Ellery Queen" oder "Der Unsichtbare".

 

Neben diesen drei Größen des Italo-Thrillers bleibt noch der locker-leichte Score von Teo Usuelli erwähnenswert, der nicht nur die hüllenlosen Eskapaden der Damen hervoragend unterstreicht, sondern auch den Geschehnissen in der Villa einen gewissen Kick gibt.

 

ALLA RICERCA DEL PIACERE ist ein kleiner sleaziger Film mit Minimal-Handlung und von bodenständiger Qualität. Im Grunde bleibt Silvio Amadio seinem Genre der Sexfilmchen treu und versucht eine Reihe von Sexszenen mit einer Pseudo-Thriller-Handlung zu verbinden. Das wäre für den Giallo-Fan sicher zu wenig, wäre da nicht die hervoragende Besetzung und der eingängige Score, die den Film dann doch sehens- und hörenswert machen.

Review

Als »Alla ricerca del piacere« und ich uns vor fast zehn Jahren das erste Mal begegneten, wurden wir noch keine allzu guten Freunde. Dafür gab es zwei triftige Gründe, nämlich das mein Geschmacksempfinden gegenüber solchen nichtlinear konzeptionierten Genre-Beiträgen wenig ausgeprägt, bzw. man damals noch nicht mit dieser feinen Spürnase eines Trüffelschweins abseits der üblichen Cineasten-Pfade  gesegnet war. Hinzu kommt noch, dass »Alla ricerca del piacere« damals nur als schlechte TV-Aufnahme greifbar erschien, inkl. falsches Bildformat, gekürzt, ausgeblichene Farben – eben ein Graus, aber zu diesen Zeiten halt eine der wenigen Alternativen die man hatte, um in den Genuss solch seltener Genre-Ware zu kommen. Da mich Film und Präsentation anno 2008 nicht vom Hocker gerissen haben, wurde Amadios erster von zwei aufeinander folgenden Kriminalfilmchen mit exploitativen Einschlag tief in die eigene Dunkelkammer verschwendeter Filmzeit verbannt. Ein fataler Irrtum, wie sich neun vergangene Jahre später herausstellen soll!

 

Silvio Amadio startete seine Laufbahn als Director in den frühen 1950er Jahren als Regieassistent für die ausladenden Dramen von Raffaello Matarazzo, sowie zeitweise als Dokumentarfilmer, bevor er sich eigenständig dem italienischen Filmmarkt zuwandte. Da Amadio zu fast jeder Genre-Hochphase mindestens einen eigenen Beitrag hinzu steuerte, könnte man ihm gewiss unterstellen, bei der Filmauswahl auf Nummer sicher gegangen zu sein, um etwas vom gewinnbringenden Kuchen abzuzweigen. Wer allerdings einen Großteil seiner Werke kennt, wird bestimmt zu der Einsicht kommen, dass Amadio jedes verschiedene Genre-Abteil, welches er in seiner knapp 30 jährigen Schaffensperiode beackerte, mit seiner eigenen Note zu veredeln vermochte, egal ob Pepla, Italo-Western, Komödie, Krimi oder Erotik. Letzteres zog sich dann auch wie eine rote Linie durch die zahlreichen Werke Amadios der 70er Jahre, allen voran natürlich sein Viererpack mit Gloria Guida, wo sein oftmals verkannter, aber doch sehr herausragender »Quella età maliziosa« (Wenn bei süßen Teens die Hüllen fallen, 1975) diese Phase aus meiner Sicht völlig dominiert.

 

Nachdem ich mich also im Laufe der Jahre mit einigen Amadio-Filmen auseinandersetzen konnte, war nun endlich die Zeit für ein Wiedersehen mit »Alla ricerca del piacere« reif, vor allem nachdem bekannt wurde, dass seitens 88 Films und Camera Obscura eine Neu-Abtastung des Filmmaterials anstand. Und wie göttlich ist dieser Bildtransfer geworden! Man wird den Film in einem völlig neuen Licht sehen können, viele Details die damals auf VHS und DVD nahezu verschluckt wurden, sind endlich in voller Blüte zu entdecken. Ja, ich muss zugeben, dass ich mich nach dieser erneuten Sichtung in »Alla ricerca del piacere« total verliebt habe. Aber das hat vielerlei Gründe!

 

Der Cast: Die zugleich wichtigste Säule zum finalen Gelingen bildet Barbara Bouchet, welche hier einmal mehr unterstreicht, dass sie nicht nur zum hübschen Blondchen mit dem Aspekt der brodelnden Erotik minus fehlender Charakterstärke degradiert werden sollte, wie in den meisten ihrer unzähligen Rollen. Bouchet, die im selben Jahr ebenfalls eine ihrer intensivsten Schauspielleistungen in Brunello Rondis »Valeria dentro e fuori« (1972) absolvierte, pendelt in ihrer Darbietung als Sekretärin Greta wie eine enthemmte Nancy Drew-Variante zwischen Unsicherheit und Tatendrang bezüglich der Aufklärung verschiedener Mysterien, die sich an ihrem neuen Arbeitsplatz – einer Halbinsel nahe Venedig, nur über einen Seeweg erreichbar – ereignen. Der Hausherr Richard, ein begnadeter Schriftsteller und durchtriebener Verfechter künstlerischer Werte, wird von Farley Granger gespielt, einem gestandenen Hollywood-Mimen und bekannt aus amerikanischen TV-Serien, sowie etlichen Großproduktionen der 50er Jahre (darunter auch seine beiden Hitchcock-Auftritte). Ähnlich wie andere damalige Leinwandgrößen verschlug es den gebürtigen Amerikaner in den 70er Jahren nach Europa, wo die Anzahl an Filmauftritten etwas erhöht werden konnte. Granger zelebriert hier einen undurchsichtigen Reichen, der seine neue Aushilfe zeitig als drohende Gefahr wahrnimmt, zumindest wird das dem Zuschauer seitens Amadio so suggeriert. Ebenfalls schwer einschätzbar ist Rosalba Neri als Richards Maîtresse Eleanora, denn Neri kann halbseidene Charaktere nun mal mit einer beschwingten Leichtigkeit verkörpern, die es dem Zuschauer einfach macht, genussvoll ihrem Charme zu verfallen, nur um am Ende leblos in ihren Armen zu verenden. In Greta haben sie eine neue unfreiwillige Spielgefährtin für ihre finsteren Gelüste gefunden, quasi das Ventil für den stimulierenden Kick zerrütteter Fantasien. Dabei ist es vordergründig Bouchets Mimik, die den Zuschauer dieses unnachahmbare Gefühl des Unbehagens spüren lässt, während Neris Blicke fast immer der inneren psychischen Kontrolle einer drohenden Gefährlichkeit frönen. Mit ihrer verführerischen Maske schafft sie es, gewisse Leute nach eigenem Wunsch zu instrumentalisieren, auch wenn hin und wieder mal mit bewusstseinserweiternden Substanzen gemogelt werden muss. Im restlichen Cast stechen noch der Hüne Petar Martinovitch als benachbarter Fischer, Umberto Raho als zwielichtiger Butler, sowie Nino Segurini als ermittelnder Kommissar heraus, allerdings konzentriert sich Amadio fast vollständig auf die drei Hauptakteure, welche es äußerst beeindruckend schaffen, den gesamten Film mit ihrer Präsenz zu zentralisieren.

 

Die Musik: Für den Soundtrack konnte man den ehemaligen Partisanen Teo Usuelli gewinnen, der hier die volle Palette von loungigen Grooves bis hin zu düsteren Moog-Tönen abfeuert, zudem mit der »Piacere Sequence« und dem dazugehörigen Sexually-Sample im 25 Jahre später entstanden »The Big Lebowski« von den Coen-Brüdern zu hören war. Seine umtriebigste Phase für Filmmusiken dürfte wohl in den 60er Jahren gewesen sein, danach nur noch vereinzelt für Film und später TV-Serien. Zu seinem bekanntesten Credit dürfte neben »Alla ricerca del piacere« noch seine Komposition für Eriprando Viscontis »Der Kurier des Zaren« gehören. Usuellis Klänge treiben das Geschehen in subtileren Momenten vehement an und verstärken damit zusätzlich die Spannungsdichte, währenddessen in sinnesfreudigen Sequenzen die Musik mit einer anziehenden Leichtigkeit die Gehörgänge bezirzt.

 

Die Inszenierung: Ein riesengroßer Aspekt zum Wohlfühlen macht die Wahl der Location aus. Das Anwesen Richards – ein antikes Haus abseits der Lagunenstadt, umgeben von Gewässer, das Festland nur mithilfe eines Boots zu erreichen – ist prädestiniert für die ausschweifenden Exzesse mancher Protagonisten, umgekehrt klärt es ebenfalls die Abgeschiedenheit zur Gesellschaft ab und untermauert Gretas Hilfslosigkeit in den eigenen vier Wänden, wo ihr im Notfall keiner zur Hilfe eilen wird. Eingefangen wird dieser Sog von Kameramann Aldo Giordani, einem Routinier mit dem Amadio schon zehn Jahre zuvor Werke wie »Teseo contro il minotauro« (Theseus - Held von Hellas, 1960) oder »L'ammutinamento« (Meuterei, 1961) realisierte. Giordani legte hier besonders viel Wert auf Bildpoesie, dass wird gleich am Anfang klar ersichtlich dargestellt. Greta wird per Motorboot quer durch Venedig zu ihrer neuen Arbeitsstelle chauffiert, man bekommt annähernd das Treiben der Großstadt zu spüren und je mehr sie sich der Metropole bei hohem Wellengang entfernt, umso isolierter wird das Geschehen. Angekommen vor den Toren ihrer neuen Verpflichtung, scheint ihr beim stillen Abschied zum Wellentaxi vorerst ein letztes Mal die untergehende Sonne entgegen, bevor sie mit ihrem Gepäck – völlig unwissend, was auf sie zu kommt – durch den Eingang zum Anwesen schreitet, vielleicht der letzte vollkommen sichere Moment in dem Greta verweilt.

 

Um die Besprechung hier nun besser zum Abschluss zu bringen und ohne mich jetzt in weiteren Superlativen zu verfangen, muss ich zugeben, dass Liebe auf den zweiten Blick sehr gut möglich ist – das hier vorliegende Beispiel beweist es auch blendend. Amadio läuft in seiner Karrierehalbzeit nochmal zu absoluter Hochform auf, dass Ensemble tut ihr Übriges, die Musik bezaubert nicht nur im Film, die Kamera mischt gekonnt Poetik mit Suspense und auch die restlichen Faktoren heben »Alla ricerca del piacere« in die naheliegenden Kreise des Genre-Olymps, sofern man diesen nicht immer mit den üblichen Konventionen kombiniert.

Veröffentlichungen

In relativ kurzem Abstand erschien »Alla ricerca del piacere« neu in Bild+Ton abgetastet von den beiden Anbietern 88 Films (aus GB) und Camera Obscura. Als Sammler der IGCC habe ich mich natürlich für deutsche Ausgabe entschieden, denn das schicke IGCC-Layout in der hochglänzenden Pappbox, sowie die Nummerierung laden immer wieder aufs Neue zum Sammeln ein. Hinzu kommt noch, dass Camera Obscura bisher ein astreines Händchen bei der filmischen Auswahl ihrer Kollektion hatte und demnach so einige italienische Genreperlen ins digitale Zeitalter gerettet werden konnten. An unsinnigen Debatten bezüglich der Erstellung einer deutschen Synchronisation werde ich mich nicht großartig dran hängen und begrüße den Weg, den das Label schon seit Jahren eingeschlagen hat, denn wer Filme auslässt, nur um der eigenen Gemütlichkeit in der Rezeption nachzugeben, ist in meinen Augen kein wahrer Filmfan. Die deutschen Untertitel passen vom Timing haargenau und sind entsprechend einfach zum Bildlauf goutierbar, sowie aus meiner Sicht äußerst ansprechender als eine versteifte Retrosynchro, die heutzutage in keinster den Kolorit damaliger Vertonungskünste einzufangen vermag. Das Bild ist ein waschechter Traum geworden und das sage ich, auch wenn ich bisher nicht vollends mit jeder CO-VÖ bezüglich der Kolorierung zufrieden war. Aber hier stimmt einfach alles, die Farben sind warm, die Hauttöne wirken nicht ausgebleicht, das detailfreudige Anwesen rund um das Gewässer Venedigs erstrahlt in einem nie zuvor gesehenem Glanz – ein Fest für die Augen!


Zudem enthält die Scheibe noch drei sehr informative Interviews mit damaligen Beteiligten, welche eine zusätzliche Laufzeit von knapp einer Stunde ausmachen, sowie den kompletten Soundtrack zum dahinschmelzen auf Audio-CD, außerdem ein interessantes Booklet von Marcel Barion, indem der Autor auf den Hitchcock-Aspekt in Amadios Film anspielt. Der englische Trailer, sowie eine schicke Fotogalerie komplettieren die Bonussektion. Okay, es gibt noch einen Audiokommentar der Herren Felsch, Naumann und Stiglegger, den ich aber leider nur knapp 20 Minuten durchgestanden habe, denn dann musste ich – meiner Gesundheit zuliebe – abbrechen, weil es mir mit Bezügen zu Argento (wtf?), Gebrabbel über Meta-Giallo und dergleichen echt zu bunt wurde. Angeblich soll der AK zu fortgeschrittener Zeit noch kräftigst abgehen, aber das kann ich aus obigen aufgeführten Gründen bisher nicht bestätigen. Da ich zu den Leuten gehöre, die sowieso keinen Wert auf solche Analysen gewisser selbsternannten Filmgelehrten legen, ist es für mich in solchen Fällen dennoch nicht störend, dieses Gimmick zu ignorien, denn es gibt ja genug Fans, die gerne den Experten lauschen – somit haben diese audiophilen Filmreflexionen ja dennoch einen Nutzen.


Nichtsdestotrotz ist das hier definitiv die bisher beste Veröffentlichung eines italienischen Genrefilms in diesem Jahr, da gibt es absolut nichts zu rütteln, vielleicht bis dato sogar die beste Veröffentlichung des Labels überhaupt. Dank der hier vorliegenden Präsentation, ist Amadios Beitrag sofort in meine persönliche Top 20 der gelblichen Kriminalriege gehopst, wofür ich Camera Obscura unglaublich dankbar bin – nicht zu vergessen die beigelegte Soundtrack-CD, die seitdem immer wieder im Player kreist!

Filmplakate

Links

OFDb
IMDb

 

 

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.