Palermo Milano - Flucht vor der Mafia

Italien, 1995

Originaltitel:

Palermo Milano solo andata

Alternativtitel:

Palerme-Milan aller simple (FRA)

Camino sin retorno (ESP)

Palermo-Milan One Way (USA)

Regisseur:

Claudio Fragasso

Inhalt

Der Buchhalter, Turi Leofonte, ist bereit gegen die Mafia auszusagen. Zu diesem Zweck soll er unter Begleitschutz nach Mailand überführt werden. Doch trotz Polizeischutz werden Leofontes Lebensgefährtin sowie sein vierjähriger Sohn während der Anreise erschossen. Da die Überführung streng geheim war, ist es dingfest, dass die Mafia ihre Leute bei der Polizei eingeschleust hat. Somit wird ein Routineauftrag für alle Beteiligten zu einem Himmelfahrtskommando.

Review

Claudio Fragasso, Drehbuchbuchautor und Regieassistent von Bruno Mattei! Tja, wer im engen Kreis von und mit Mattei arbeitete, der hat innert der Filmfanszene auch postwendend (s)einen speziellen Ruf eingetütet. Und wenn derjenige dann noch ein Vehikel Marke „After Death“ durch die italienischen Lichtspielhäuser sowie die deutschen Videotheken jagt(e), dann ist das Negativimage mit Brief und Siegel bestätigt.

 

Ich mag den Stoff, den Fragasso als Regieassistent sowie als allein verantwortlicher Regisseur geliefert hat, was natürlich auch meiner Faible für spezielle (mit einigen inszenatorischen Fehlern und diversen Kuriositäten ausgestatteten) Filmproduktionen geschuldet ist. Diese speziellen Inszenierungen sowie deren Ausdrücke beziehungsweise Eindrücke behält man natürlich im Hinterkopf, denn als ich den Silberling „Palermo Milano - Flucht vor der Mafia“ in den Player einlegte, machte ich mich auf einen exploitatives Konstrukt mit viel Brutalität und wenig Hirn gefasst. Aber Pustekuchen, denn was ich anschließend durchlebte, stellte sich als ein spannend inszeniertes Drama über Korruption, Verrat und menschliche Schicksale vor, dass mich fortwährend mitfiebern ließ.

 

Die deutsche Firmierung lässt bereits erahnen, dass ein wichtiger Bestandteil des Films die Bewegung ist. Der Weg von A nach B respektive von Palermo nach Mailand, begleitet von Gefühlsbewegungen (Annährung und Erwiderung sowie resultierender Verlust). Instanzen, die sich mithilfe ihres harmonischen Zusammenspiels gegenseitig stärken und gemeinsam eine Kraft erzeugen, der es gelingt, den Zuschauer zu packen, um ihn mit Haut, Haaren und was sonst noch dazugehört zum Film zu verführen, sodass er (der Zuschauer) an den Schicksalen der Filmcharaktere nahezu authentisch teilnehmen kann.

 

So rücken eine beidseitige Sympathie (Chiara Leofonte und Tarcisio Proietti), welche zur Zuneigung wächst, sowie das gestörte Verhältnis zwischen Chiara und ihrem Vater, Turi Leofonte, in den Fokus, begleitet von seelischem Schmerz und Verlust. Dabei übernimmt der Dialog eine tragende Funktion, da er uns Informationen aus der Vergangenheit sowie über die momentanen (und chargierenden) Gemütslagen der Charaktere liefert. Neben diesen Reibungspunkten und Schicksalen erhalten wir einen Einblick in einen knallharten Polizeialltag, der uns schnell registrieren lässt, dass der Tod immerzu an der Seite der Ordnungshüter spaziert, um wie aus heiterem Himmel die frisch geschärfte Sense zu schwingen und reiche Beute einzufahren.

 

Da die Polizisten einer menschlichen Färbung unterzogen sind, werden dem Publikum demgemäß keine exploitativen Superbullen offeriert, die jegliche Gefahren mit einer von einem feisten Grinsen begleiteten Brutalität beantworten. Fragassos´ Charaktere und Figuren werden von natürlichen Ängsten dominiert und divergieren eindeutig von jenen rücksichtslosen Anarchisten mit Polizeimarke, die das italienische Genrekino liebend gern hervorzauberte. Die damit einhergehenden und sehr gut inszenierten (man denkt an Castellari, man denkt an Peckinpah) Actionsequenzen lassen keinerlei Selbstzweck dechiffrieren, distanzieren sich strikt von einer Verherrlichung der Gewalt und lassen stattdessen schmerzende Affektbilder resultieren.

 

Wie ich bereits ansprach, spielt bei „Milano Palermo - Flucht vor der Mafia“ der Dialog eine große Rolle. Währenddessen geht es nicht nur um die Schicksale der beteiligten Personen, sondern auch um das Nord-Süd-Gefälle in Italien. Auf der einen Seite der gut situierte Norden (Milano), auf der anderen Seite der von Misswirtschaft, Mafia und Korruption dominierte Süden (Palermo). Auch hier lässt sich die eingangs erwähnte Formel der Bewegung aufrufen. Die Handelsdrehscheibe (Genua), das Börse- und Modezentrum (Mailand), die Automobilindustrie (Turin) sowie eine höhere Kaufkraft und eine damit einhergehende Verbesserung der Lebensverhältnisse sorgen für Bewegung im Norden, Mangel an Rohstoffen, hohe Arbeitslosenzahlen und geringere Kaufkraft bezeugen den krass zum Norden divergierenden Stillstand im Süden Italiens.

 

Die Darsteller/innen wurden meines Erachtens bestens ausgewählt und glänzen mit einem intensiven Spiel, das den Zuschauer fortwährend packen kann. Deren Spielgestalter setzen sich aus routinierten Mimen wie Giancarlo Giannini (der hat ihn so vielen tollen Filmen mitgespielt) sowie eher unbekannten Gesichtern (Romina Mondello) zusammen. Zudem ist Ricky Memphis, der mir als Red in „Blutiger Sonntag“ außerordentlich gut gefiel, Teil dieses ausgezeichneten Ensembles. 

 

Fazit: Ich fühle mich innert der italienischen Filmjahrzehnte, den 1960ern, den 1970ern sowie den frühen 1980ern pudelwohl und wage nur selten einen Sprung über deren Grenzen. Infolgedessen wird mein Ausflug in das Jahr 1995 in zweierlei Hinsicht unvergesslich bleiben, denn „Palermo Milano - Flucht vor der Mafia“ ist einfach ein geiler Film, dessen Sichtung ich uneingeschränkt empfehle.

Links

OFDb
IMDb

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.