Auch Killer müssen sterben

Italien, 1973

Originaltitel:

La mano nera

Alternativtitel:

L'emprise de la main noire (FRA)

Prima della mafia, più della mafia

The Black Hand

Das Geheimnis der schwarzen Hand

Regisseur:

Antonio Racioppi

Inhalt

New York Anfang des 20. Jahrhunderts: Antonio Turrisi kommt aus Sizilien in das gelobte Land, und muss schnell lernen, dass für kleine Würstchen wie ihn die Straßen auch hier nur mit Scheiße gepflastert sind. Und dass, im Gegensatz zu den Männern, zumindest die Frauen eine Möglichkeit haben, ein halbwegs geregeltes Einkommen zu erwirtschaften. Bei einer Prügelei mit ein paar Iren retten ihm andere Italiener das Leben, denen er daraufhin verpflichtet ist: Er lernt die Organisation der Schwarzen Hand kennen, ein Racket, das sich auf Schutzgelderpressung, Prostitution und Mord spezialisiert hat. Durch die Blutsbrüderschaft mit einem “Professor“ genannten Unterführer steigt er in der Gang schnell auf. Doch einer ist ihnen dicht auf den Fersen: Joe Petrosino, Lieutenant bei der New Yorker Polizei, hat schon früh erkannt, dass Antonio eigentlich ein guter und weicher Mensch ist, und setzt an dieser Stelle an um die Bande hops zu nehmen.

Autor

Maulwurf

Review

Eigentlich wollte ich diesen Film ja verreißen. So richtig nieder machen, von wegen Lindenstraßenniveau und so. Doch dann kam mir kürzlich Terence Youngs DIE VALACHI-PAPIERE unter, die Geschichte von Joe Valachi, der 30 Jahre in der Mafia Dienst getan hat. Der Film ist 1971 gedreht worden und beschreibt vor allem die frühen Mafia-Jahre ab 1930 recht ausführlich. LA MANO NERA wiederum ist 1972 entstanden, und die Vermutung liegt nahe, dass der “Erfinder“ der Geschichte, Carlo Infascelli, sich von Joe Valachi inspirieren lies um noch weiter zurück zu gehen, und die Zeit vor den “offiziellen“ Anfängen zu schildern. Und dabei ist er dann, so könnte man sich das durchaus vorstellen, über die Story von Joe Petrosino gestolpert.

 

Joseph Petrosino, ein eingewanderter Italiener aus Kampanien, war in seinem Leben unter anderem Leiter der New Yorker Mordkommission, und hat ab 1908 die sogenannte Italian Squad geleitet, eine Spezialeinheit, die versuchte der organisierten Kriminalität in den italienischen Vierteln New Yorks Herr zu werden. In diesem Zusammenhang deckte er unter anderem auch die Verbrechen der sogenannten Black Hand Gang auf, eines Schutzgeld-Rackets, welches heute als frühe Mafia-Vereinigung gilt, und die Grundlagen für die spätere Gründung der Genovese-Familie legte. Diese wiederum wurde ab den 30er-Jahren eine der mächtigsten Mafiafamilien New Yorks – und wird, womit sich der Kreis schließt, in DIE VALACHI-PAPIERE durch Lino Ventura verkörpert.

Petrosino wurde im Jahre 1909 während einer Ermittlungsreise nach Sizilien von Auftragskillern erschossen. Sein Leben dürfte Stoff für einige spannende Krimis hergeben, was dann zu dem Film LA MANO NERA führt, und der extremen Dehnbarkeit des Begriffs spannend.

 

Denn der Film (und mit ihm der Zuschauer …) leidet im Wesentlichen unter drei Aspekten. Da wäre einmal das sichtlich beschränkte Budget. Die Kulissen wirken wie schlecht gefilmte Bühnenkulissen, und die wenigen Außenaufnahmen zeigen oft, zu oft, die immergleiche Studio-Häuserzeile aus verschiedenen Blickwinkeln mit verschiedenen Beleuchtungszuständen. Oder das Zementwerk, erkennbar an seinen zwei Türmen. Darum verwende ich den Begriff Lindenstraßenniveau sehr bewusst, denn auch dort waren die Außenaufnahmen eher selten und studio-like. Zugute halten  kann man LA MANO NERA, dass das vorhandene Geld offensichtlich in die Gagen der Schauspieler geflossen ist, denn hier treiben sich einige hochkarätige Namen herum: Vor allem Luigi Pistilli als aalglatter Don hinter den Kulissen und Philippe Leroy als Professor sind zu nennen, aber auch Darsteller wie Annie Carol Edel und Corrado Gaipa treten auf. Michele Placido hat eine seiner ersten Filmrollen (wobei interessant ist, dass die IMDb seinen ersten Cast in einem Fernseh-Vierteiler namens JOE PETROSINO angibt), und last but not least glänzt Lionel Stander als ebendieser Petrosino.

 

Was zum meinem zweiten Kritikpunkt führt: Wäre die Geschichte aus Sicht Petrosinos erzählt worden, dann wäre sie bestimmt um einiges spannender ausgefallen. Was aber nicht ging, weil erwähnte Fernsehserie (übrigens mit Adolfo Celi als Joe Petrosino!) da gerade mal ein Jahr alt war (und sicherlich eher als Inspiration Infascellis gedient hat …). Weswegen aus Sicht des fiktiven Antonio Turrisi erzählt werden muss, eines armen, kleinen und stolzen Einwanderers, der unter die Fuchtel der Schwarzen Hand gerät. Dumm nur, dass Turrisi geistig nicht einer der Hellsten einer ist (wie auch, als kleiner sizilianischer Einwanderer?), weswegen er in die haarsträubendsten Situationen gerät. Denn mal ehrlich: Sich mit mehreren Iren anzulegen, die durch die Bank alle mindestens 2 Meter breiter sind als man selbst, dazu gehört neben viel Stolz auch eine gehörige Portion Blödheit. Oder Todessehnsucht. Und leider leider bin ich kein Freund von Filmen mit Dummen in der Hauptrolle …

So oder so geht der Zuschauer den Weg Turrisis mit, und schlägt dann auch entsprechend des Öfteren mal die Hände über dem Kopf zusammen ob dessen Kurzsichtigkeit: Was, die neuen Freunde begehen Verbrechen? Gar Morde? Das ist ja furchtbar! Nein, mit denen möchte ich nichts mehr zu tun haben. Obwohl: Es sind doch meine Freunde … Versteht ihr was ich meine?

 

Sicher kann die Sicht Turrisis eine spannende Sicht sein, wenn denn das Außenrum passt. Und das passt eben nicht, siehe Kritikpunkt 1. An der Stelle kommt dann aber auch Kritikpunkt 3 zum Tragen, nämlich die deutsche Synchro (die man, das ist mir vollkommen klar, dem Film nicht vorwerfen kann. Aber ich tu es trotzdem …). Wir reden hier von einer Video-Synchro im klassischen Sinne (im deutschsprachigen Raum ist der Film nie im Kino gelaufen), und fast alles, was man über Video-Synchros jemals Negatives gehört oder gelesen hat trifft hier voll zu: Unpassende Stimmen, desinteressiertes Ablesen vom Blatt, trotz des Einsatzes hörbar bekannterer Namen eine schlechte und sterile Atmosphäre – All das macht eine eventuell vorhandene Neugierde auf den Film schnell zunichte. Gerade, dass die Sprecher nicht mit vollem Mund reden (weswegen ich den Begriff fast verwendet habe …).

 

Dies alles führt zu dem Fazit, dass LA MANO NERA gut sein könnte, wenn da nicht so einiges schief gelaufen wäre. Wer sich für die Anfänge der Mafia in Amerika interessiert ist hier sicher nicht völlig verkehrt, und mitanzuschauen, wie der junge Antonio Turrisi relativ gradlinig gen Untergang taumelt, das ist schon ein klein wenig unterhaltsam. Wie so oft ist mir auch dieses Mal erst beim Erstellen der Screenshots aufgefallen, dass doch einiges an roter Wasserfarbe verspritzt und gelegentlich sogar nackte Haut gezeigt wird, aber insgesamt fehlen einfach Herzblut und ein wenig Budget, um aus dem faden Eintopf ein schmackhaftes Süppchen zu machen. Vielleicht, und zwar ein vielleicht mit großem Fragezeichen, vielleicht könnte der Film im O-Ton mit guten Farben besser wirken. Aber bis diese Fassung jemals gesichtet werden wird (was auf Seiten des Rezensenten ehrlich gesagt kaum jemals geschehen wird), bis dahin ist der Film einfach nur fade, und kann zum Beispiel dem erwähnten VALACHI-PAPIERE nicht mal ansatzweise das Wasser reichen.

 

Ein nettes Trivia gibt es aber noch am Rande: In LA ORCA – GEFANGEN, GESCHÄNDET, ERNIEDRIGT spielt Michele Placido drei Jahre später einen Entführer namens – Michele Turrisi. Da sein Gspusi Rosanna Fratello am Schluss von LA MANO NERA schwanger ist, dürfte das dann wohl der Enkel sein …

Autor

Maulwurf

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