Die Waschmaschine

Frankreich | Ungarn | Italien, 1993

Originaltitel:

Vortice mortale

Alternativtitel:

La lavatrice

The Washing Machine

Regisseur:

Ruggero Deodato

Drehbuch:

Luigi Spagnol

Inhalt

Die Schwestern Vida, Ludmilla und Maria Kolba zeigen bei der Polizei einen Mord an, denn in ihrer Waschmaschine liegen Teile einer zerstückelten Leiche. Aber hoppla, denn als Inspektor Alexander Stacev den Tatort betritt, fehlt von den Leichenteilen jede Spur. Gleiches gilt für den letzten Gast der drei Schwestern, der Nachtclubbesitzer, Yuri Petkov. Stacev nimmt sich dem Fall an und gerät in einen Strudel aus Lust und Begehren. Was beabsichtigen die drei Schwestern wirklich?

Review

Paul Verhoeven löste 1992 mit „Basic Instinct“ einen kurzzeitigen Hype um das Genre des Erotik-Thrillers aus und ließ Regisseure wie Phillip Noyce, John Dahl und William Friedkin auf dieser Welle mitsurfen und nach der Verhoevenschen Formel werken. Das die Trittbrettfahrer nicht an dem Erfolg des Vorbilds anknüpfen konnten, hielt die emsigen Arbeitsbienen in Bella Italia natürlich nicht davon ab, um selbst mit diesem Genre zu experimentieren. So inszenierte beispielsweise Ruggero Deodato 1993 einen Erotik-Thriller, dessen Titel ebenso suspekt klingt wie das fertige Produkt wirkt. Ein Gegenstand des täglichen Gebrauchs als Protagonist in einem erotisch gelagerten Thriller, das kitzelt die Skurrilität aus den hintersten Winkeln der Wäschekammer, dass beordert die Neuronen die Schaltstelle mit Fragezeichen zu attackieren, dass verlangt nach Aufhellung, das fordert einen Blick auf „Die Waschmaschine“.

 

Der Film offeriert zu Beginn ein Standbild, welches (ungeachtet seiner Funktion als Hintergrund für die Credits) durchaus ein wenig an Dario Argentos „Opera“ (man beachte den unteren Part des italienischen Plakats) erinnert. Eine aus mehreren Glasfenstern gefertigte Kuppel, die allerdings kein Auditorium, sondern einen Wohnkomplex begrenzt, der innert der folgenden ca. 85 Minuten den Schauplatz eines zwischen Realität, Traum und Verführung chargierenden und zugleich voyeuristisch veranlagten italienischen Erotik-Thrillers liefert. Eskortiert von den Musikkompositionen eines Claudio Simonetti, welche die gute alte Goblin-Schule erfolgreich aufleben lassen.  

 

Der Streit zwischen einer Frau (Vida Kolba) und einem Mann (Yuri Petkov) sowie der anschließende sexuelle Akt und ein begleitender Voyeurismus liefern dem Zuschauer bereits frühzeitig die wesentlichen Ingredienzien, mit denen sich der Film  in der Folgezeit beschäftigen wird und einhergehend eine Waschmaschine als eine Art Fluchtpunkt definiert, an dem sich die Versatzstücke kreuzen. Ungeachtet der Waschmaschine stellt Deodato fünf Personen in den Fokus. Vida, die tagsüber als Gymnastiklehrerin und abends als Prostituierte werkt. Maria, die ein Konservatorium besucht und Blinde betreut. Ludmilla, die in einem Orchester auf die die Pauke haut und eine innige Beziehung zum Alkohol pflegt. Dazu gesellen sich der Nachtclubbesitzer, Yuri, der plötzlich von der Bildfläche verschwindet und Inspektor, Alexander Stacev, der mit vielen Fragen zu kämpfen hat und sich dabei in einem schwesterlichen Netz aus Lust und Leidenschaft verfängt.

 

Dieses Netz ist zudem die Heimat eines roten Lebenssafts, der zugleich die Suppe des Todes suggeriert und aus einer Waschmaschine läuft, welche sich als ein Hort diverser Leichenteile zu erkennen gibt, die allerdings mit dem Eintreffen der Polizei verschwunden sind. Beliefert tatsächlich ein alltäglicher Gebrauchsgegenstand den Sensemann mit Frischfleisch oder ist alles bloß Imagination? Alexander Stacev steht vor einem Rätsel, und je tiefer der Inspektor in den Fall eintaucht, desto seltsamer gestalten sich seine Erkenntnisse. Einerseits um den Mord ohne Leiche, andererseits um die drei Schwestern, die ihre sexuellen Triebhaftigkeiten in gebündelter Ladung auf den Polizeibeamten konzentrieren, welche ihn peu à peu in eine Hörigkeit zitieren, die ihn seiner Machtposition entledigt.

 

Während der Tilgung sexueller Gelüste spielt der Regisseur mit dem männlichen Blick. Um sich für dieses Spiel einen Platz auf den vorderen Sitzplätzen zu reservieren, ist es wesentlich spannender, sich vom (wahrscheinlich vom überwiegend Teil der Zuschauer praktizierten) aktiv/männlich und passiv/weiblich Modell zu trennen und eine These von Marcus Stiglegger im Hinterkopf zu behalten, welche besagt, dass „der männliche Blick unabhängig vom biologischen Geschlecht des Zuschauers ist“, was Stiglegger anhand des „sexualisierten ikonischen Auftritt von Brad Pitt als Lustobjekt in Ridley Scotts THELMA & LOUISE“ verdeutlicht.

 

Neben Verführung und Triebhaftigkeit jongliert Deodato mit Realität und Imagination. Als erfolgreiche Wegbegleiter entpuppen sich unter anderem der Verweis auf die Halluzinationen einer Alkoholikerin (Ludmilla), der uns ebenso stutzig macht wie - zumindest kurzzeitig - Alexander Stacevs Traum, welcher die drei Schwestern gar als einen kannibalistisch veranlagten Hexen-Konvent offeriert. Parallel zu Angeboten, Stolperfallen und dem einhergehenden „Vertausch mehrerer Straßenschilder“ wird unser Blick in beiläufiger, aber turnusmäßiger Manier zur Waschmaschine chauffiert, sodass der Auslöser aller ominösen Handlungsabläufe, die verschwundene(n) Leiche(teile), immerzu in Erinnerung gerufen werden.

 

Fazit: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt und drittens dauert ein Spiel nicht nur 90 Minuten, sondern so lange bis der Schiri abpfeift. Folglich entlässt „Die Waschmaschine“ (deren technische Spezifikation kein Logikprogramm liefert) den Zuschauer mit einem nicht unbedingt erwarteten Finale, welches ihn schlussendlich resümieren lässt, dass der Gewürzstreuer neben wenig Spannung und deutlich mehr Sex auch eine sarkastische sowie zynische Geschmacksnote in den Speiseplan einbringt.

 

„Nicht übel“, sprach der Dübel und verschwand in der …

Links

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