Von Luft und Liebe

Italien, 1991

Originaltitel:

Volere volare

Alternativtitel:

L'amour avec des gants (FRA)

Querer volar (ESP)

To Want to Fly

Deutsche Erstaufführung:

19. März 1992

Inhalt

Die Brüder Maurizio (Maurizio Nichetti) und Patrizio (Patrizio Roversi) haben ein Dubbing-Studio und eine strenge Arbeitsaufteilung. Maurizio sorgt entsprechend seinem Talent für die Geräusche alter Cartoons, während Patrizio zusammen mit fünf leichtbekleideten Damen Pornofilme synchronisiert. Da kreuzen sich wiederholt die Wege von Maurizio mit Martine (Angela Finocchiaro), welche als Prostituierte besonders ausgefallene Kundenwünsche bedient. Eine Begegnung mit Folgen, denn Martines Kunden finden Gefallen an der Hilfsbereitschaft und Ängstlichkeit von Maurizio. Auf Wunsch ihrer Kunden will Martine ihn überreden, ihr bei ihrer Arbeit behilflich zu sein, und so verabredet sie sich mit ihm zum Essen. Doch während Martine darüber nachdenkt, wie sie Maurizio ihr Ansinnen näherbringen soll, plagt diesen ein ganz eigenes Problem: er beginnt sich nach und nach in eine Cartoonfigur zu verwandeln.

Review

„Volere Volare“ oder „Von Luft und Liebe“ – so der deutsche Videotitel – ist eine sowohl ausgefallene als auch sehr charmante Komödie, und es wird mir wohl kaum gelingen zum Ausdruck zu bringen, wie viel Spaß mir dieser Film gemacht hat. Er ist voll von skurrilen Ideen und Figuren, und obwohl es immer wieder um Sex geht, kann man ihn kaum als typische italienische Sexkomödie kategorisieren. Der Grund dafür liegt in der Person des Machers und Hauptprotagonisten Maurizio Nichetti, welcher gelegentlich unter dem Spitznamen „der italienische Woody Allen“ zu leiden hatte, denn das trifft es nicht. Nichetti kann für sich allein bestehen, mit eigenem Stil und Humor.

 

Bei Nichetti dreht sich alles um die Liebe zum Film, vornehmlich dem Cartoon. Schon während seines (abgeschlossenen) Architekturstudiums schloss er sich einer Clown-Gruppe an und arbeitete zusätzlich an Trickfilmen für Bruno Bozzetto. Für diesen schrieb er, teils bereits mit Volere Volare Co-Regisseur Guido Manuli die Drehbücher für „Herr Rossi sucht das Glück“ (Il signor Rossi cerca la felicità, 1976) oder „Die Ferien des Herrn Rossi“ (Le vacanze del signor Rossi, 1976). Gemeinsam mit Bozzetto schufen die beiden auch die Fantasia-Persiflage „Allegro non troppo“ (1976). Als Regisseur inszenierte Nichetti erstmals 1979 „Ratataplan - Ein Versager schlägt zurück“ (Ratataplan), eine Hommage an den Stummfilm. Neben „Ho fatto splash“ (1980) gehört „Seifendiebe“ (Ladri di saponette, 1989) zu seinen wichtigsten Regiearbeiten. Letzterer, wie der Titel schon nahelegt, eine komödiantische Anlehnung an de Sicas „Fahrraddiebe“ (Ladri di biciclette, 1948) und den italienischen Neorealismus.

 

Die Idee zu „Von Luft und Liebe“ entstand bereits 1982, wurde aber im Laufe der Jahre mehrfach umgeschrieben, bevor man mit der tatsächlichen Umsetzung begann. Die Dreharbeiten fanden schließlich von Juni bis September 1990 in Mailand statt. Eigentlich beginnt die Story mit Martina und deren Freundin Loredana (Mariella Valentini), die darüber nachsinnen, wie wohl der Mann ihrer Träume sein solle. Beide vertreten da sehr unterschiedliche Ansichten. Nach diesem Intro begleiten wir Martina zu einigen ihrer schrägen Kunden, wohlbemerkt hat sie mit keinem von ihnen Sex. Sie schauen ihr beim Duschen und Ankleiden zu, einer wird mit dem Fläschchen gefüttert wie ein Baby, ein Koch dekoriert sie mit Köstlichkeiten, ein nekrophiles Paar unterstützt sie bei wechselseitigen „Beerdigungen.“ Zwischendurch sehen wir Maurizio, welcher auf der Straße nach passenden Geräuschen für seine Cartoons sucht.

 

Wenn die zwei sich schließlich begegnen, wird das Problem offenbar. Maurizio ist naiv und lebt in seiner ganz eigenen kindlichen Welt. Doch er wird auch mit der erwachsenen Welt seines Pornobruders Patrizio konfrontiert, und da geschieht es. Ersten Cartoonfiguren, wie einer Schildkröte und ein paar Enten, gelingt von Maurizio unbemerkt die Flucht von der Leinwand. Und so scheint es später wie eine Art Strafe, wenn sich zunächst Maurizios Hände – nachdem er und Martina sich langsam näherkommen – in unkontrollierbare Cartoon-Hände verwandeln und schließlich, während eines volltrunkenen Doppeldates mit seinem Bruder und Loredana, er sich komplett in eine Zeichentrickfigur verwandelt. Seine geliebten Cartoon-Begleiter wollen nicht, dass er erwachsen wird. Doch die „Strafe“ ist nur von kurzer Dauer, denn Martina ist bekanntlich einiges an schrägen Männern gewohnt und so findet das Paar schließlich zusammen: sie als Frau, er als Cartoon-Mann.

 

Zu den unbestrittenen Schenkelklopfern des Films gehört es, wenn Patrizio seinem Bruder Maurizio die Weiblichkeit näherbringen will, indem er ihm gestattet, gemeinsam mit seinen Schönheiten einen Pornofilm zu dubben. Maurizio tut dies freilich auf seine eigene Art und dubbt die Sexszene wie einen Cartoon - das Ergebnis ist sehenswert. Desweiteren gibt es kleine charmante Momente, etwa wenn Maurizio mithilfe eines Filmprojektors sein Frühstück zubereitet. Mit den Spulen schneidet er Salami, mit dem heißen Motor brät er ein Steak.

 

„Volere Volare“ ist eine sehr sehenswerte italienische Komödie, die viel Spaß macht. Da vergibt man sogar den Namen Berlusconis im Vorspann. Interessant ist auch der sehr beiläufige Umgang mit Nacktheit. Nichts davon ist lüstern, die Nacktheit ist einfach da, ein unschuldiger Begleiter des Lebens. Doch das muss Maurizio erst lernen.

Links

OFDb
IMDb

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