Shock

Italien, 1977

Originaltitel:

Schock

Alternativtitel:

Schock (Transfert-Suspence-Hypnos)

Suspense

Les démons de la nuit (FRA)

Beyond the Door II (USA)

Regisseur:

Mario Bava

Musik:

I Libra

Inhalt

Die Familie Baldini ist happy, endlich geht es ins neue Heim. Ein schönes Häuschen im Grünen wurde gefunden, ganz in der Nähe des Flughafens, und alle sind glücklich: Papa Bruno geht schon bald wieder seinem Job als Pilot nach und Mama Dora kümmert sich um das Schöner Wohnen. Und Sohnemann Marco? Nun, der terrorisiert seine Mutter bis aufs Blut. Dora hat nämlich in diesem Haus mit ihrem ersten Mann Carlo, dem leiblichen Vater von Marco, bis zu dessen Selbstmord gelebt. Aber ob Carlo mit seinem vorzeitigen Ableben glücklich ist? Es scheint nämlich, als ob sein Geist in den kleinen Marco fährt und diesen dazu bringt der Mama ziemlich schlimme Dinge anzutun. Dinge wie zerrissene Unterwäsche, grauenhafte Alpträume oder eine Rasierklinge zwischen den Klaviertasten …

Autor

Maulwurf

Review

(Wenn Filmbesprechungen schon so anfangen …) Ich gebe ja zu, dass ich bei Mario Bava oft etwas vorsichtig bin. Grund ist, dass ich nicht alle seine Filme immer so supermegahammerstark finde. DER DÄMON UND DIE JUNGFRAU war in Ordnung, aber auch nicht mehr, und mit dem vielgerühmten IM BLUTRAUSCH DES SATANS konnte ich eigentlich gar nichts anfangen, um mal zwei Beispiele zu nennen. Auf der anderen Seite steht Bava allgemein für hochwertige Unterhaltung mit niedrigstem Budget, und natürlich liebe ich DIE STUNDE WENN DRACULA KOMMT über alles (GEFAHR: DIABOLIK habe ich noch nicht gesehen, Asche über mein Haupt …).

 

Grund genug keinen Bogen um das Bava’sche Oeuvre zu machen, sondern immer wieder mal anzutesten, reinzuschmecken, und vielleicht über die ein oder andere Perle zu stolpern. Bei SHOCK etwa hatte ich einen 08/15-Italo-Horror-Film mit viel Blut, sinnlosem Spannungsaufbau, guter Musik und viel zu viel Horror-Atmosphäre erwartet um mich als Nicht-Horror-Fan zu begeistern.

 

Und was habe ich bekommen? Einen aufregenden Spukhaus-Film mit wirklich gutem Aufbau, schlechter Musik und einer sogartig-kranken Stimmung.

 

Diese kranke Stimmung baut sich sehr schnell auf und sorgt fast ab Beginn für das gewisse Unwohlsein. Wenn die Familie einzieht ist das Haus schmutzig, überall hat es Dreck und Staub, und ein richtiger Wohlfühlfaktor kommt (im Haus) eigentlich erst relativ spät auf. Bereits während des Einzugs fängt Klein-Marco an am Rad zu drehen und zu schauen wie ein Finanzbeamter beim Berechnen der Abzüge. Der sechsjährige David Colin jr. macht seine Sache ganz ausgezeichnet, und er steht vergleichbaren Kinderdarstellern in OMEN oder POLTERGEIST in nichts nach. Schade dass aus seiner Karriere nichts wurde, meines Erachtens hätte er den italienischen Horrorfilm der 80er-Jahre noch gewaltig rocken können, mit DEM Blick. Laut IMDB arbeitet David Colin jr. jetzt als Wirtschaftswissenschaftler. Da treibt er dann wahrscheinlich den Teufel mit dem Beelzebub aus …

 

Bei den erwachsenen Hauptdarstellern sorgt vor allem Daria Nicolodi für diese besagte kranke Stimmung. Sie spielt sich die Seele aus dem Leib, und ihr Kontrollverlust und das Abgleiten in den Wahnsinn sind deutlich zu spüren. Persönlich empfinde ich ihre oft lang anhaltenden Schreie als so druckvoll, dass sich zumindest auf meinem Sofa Terror breitgemacht hat. Nicht wegen der Schreierei an sich, sondern weil die Angst und die Panik wirklich auf dieser Seite des Bildschirms ankamen. Eine außerordentliche Leistung! Ein gelegentlich bemängeltes Overacting konnte ich persönlich nicht feststellen – Signora Baldini hat schlicht und ergreifend nackte Angst, und Daria Nicolodi kann das einfach erstklassig darstellen und rüberbringen. Oder anders ausgedrückt: Wenn mein Sohn so schauen würde wie der kleine Marco, dann würde ich mindestens genauso schreien …

 

John Steiner hat dagegen die etwas undankbarere Rolle des blass bleibenden Normalos als Antagonist der Ehefrau, aber dank seiner Ausstrahlung meistert er diesen Part ebenfalls einwandfrei. Schauspielerisch ist also alles in trockenen Tüchern.

 

Und filmisch? Ist ebenfalls alles in trockenen Tüchern, denn Mario Bava zeigt wieder einmal, dass er kein Multi-Millionen-Dollar-Budget benötigt hat um wirkungsvollen Horror zu erzeugen. OK, die Hand, die Dora nachts im Schlaf berührt, schaut etwas mickrig aus, und das fliegende Messer ist nach heutigen(!) Maßstäben auch nicht unbedingt State of the Art, aber sonst passt alles. Vor allem Doras Alpträume sind größtenteils gigantisch umgesetzt, hier scheint die Drogenerfahrung der gesamten Crew in einem Topf geworfen worden zu sein. Wenn ich solche Alpträume hätte würde ich genauso schreien! Und dadurch, dass das Haus während der Handlung nach und nach möbliert wird, erscheinen viele Räume beim zweiten Ansehen anders als beim ersten. Sprich, die Räume verändern sich, und es entsteht sehr unauffällig aber doch konsequent der Eindruck eines Labyrinthes, aus dem es kein Entkommen gibt. Und wenn Dora doch versucht aus diesem Labyrinth zu entkommen, dann wird sie daran gehindert - Entweder von im Weg herumliegenden Gartengeräten, oder weil Klein-Marco gerade irgendeine neue Teufelei ausübt. Der dadurch entstehende Zug an der Spannungs- und Schreckensschraube wird von Bava hervorragend umgesetzt, es entsteht die erwähnte kranke Stimmung, in die der Zuchauer sogartig hineingezogen wird. Dass gegen Ende die Möbel ein wenig spinnen und sich unbedingt selber woanders hinstellen möchten wirkt in da im ersten Moment vielleicht merkwürdig, aber es passt einfach perfekt zur Stimmung.

 

Was nicht so recht gefallen mag ist die Musik. Gewollt düster-schräg und sehr basslastig nervt das Geplockere recht schnell, und klingt in seiner Einfallslosigkeit eher nach Librarymusic als nach gewolltem Soundtrack. Nun gut, das musikalische Team, bestehend aus Dino Cappa, Alessandro Centofani und Walter Martino, nennt sich “I Libra“, da kann man dann auch Rückschlüsse auf das beabsichtigte Ergebnis ziehen. Nichtsdestotrotz macht die Mucke das was sie machen soll: Sie untermalt das spukige Geschehen effektiv. Punkt.

 

SHOCK war der letzte Kinofilm Mario Bavas, danach kam mit LA VENERE D’ILLE nur noch eine TV-Arbeit, und wenn man seinem Sohn Lamberto Bava folgt hat der Vater Teile der Regieaufgaben an den Sohn abgegeben. In welchem Umfang lässt sich nicht beurteilen, denn ein Bruch in der Regie ist angenehmerweise nicht zu bemerken, genauso wenig wie Lambertos später oft auftauchender Hang zum Trash.

 

Alles in allem war ich positiv überrascht wie gut mir diese räudige kleine Filmperle gefallen hat, und wie gebannt ich mich versucht habe in mein Sofa zu verkriechen. Sicher kein Meisterwerk, und natürlich auch kein millionenschweres Effektgewitter, sondern effizient auf den Punkt gebrachter Horror. Passt!

Autor

Maulwurf

Veröffentlichungen

Gesehen wurde die bei ’84 Entertainment erschienene DVD in der kleinen Hartbox. Bild und Ton sind technisch zufriedenstellend, allerdings liegt das Bild nur letterboxed vor. Dafür hat es den Ton in deutsch, englisch, französisch und italienisch mit guten deutschen Untertiteln. Als Extras gibt es den italienischen Trailer und ein kurzes untertiteltes Interview mit Lamberto Bava.

Autor

Maulwurf

Filmplakate

Links

OFDb

IMDb

 

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