The Reincarnation of Isabel

Italien, 1973

Originaltitel:

Riti, magie nere e segrete orge nel trecento

Alternativtitel:

The Ghastly Orgies of Count Dracula

The Horrible Orgies of Count Dracula

La reincarnazione

Black Magic Rites

Regisseur:

Renato Polselli

Kamera:

Ugo Brunelli

Drehbuch:

Renato Polselli

Inhalt

Im 14. Jahrhundert, dem Säkulum in dem der Schwarze Tod wütete, wird die attraktive Isabella Drupel der Hexerei wie des Vampirismus beschuldigt und muss für ihre abscheulichen Taten auf dem Scheiterhaufen büßen. Ihr Geliebter, Jack, gelobt die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und einhergehend seine Liebste mit Hilfe der schwarzen Magie ins Leben zurückzuholen, sodass er in den Kellergewölben seines Schlosses, wo die Überreste seiner Isabella aufgebahrt sind, emsig Jungfrauen opfert. Rund ein halbes Millennium später erwirbt Jack Nelson, eine Nachkomme des Hexenmeisters oder eventuell dessen Reinkarnation (?), das vom kaltem Hach des Todes beseelte Herrenhaus, welches mittlerweile zu einem Mädchenpensionat umfunktioniert wurde und fortan Jacks Stieftochter, Laureen, als neues zuhause dienen soll. Zum Einstand will das junge Mädel in der schmucken Bleibe ihre Verlobung feiern. Die geladenen Gäste setzen sich aus den Wiedergeburten von Isabellas präpuritanischen Peinigern zusammen. Während der ausgelassenen Festlichkeiten verschwinden nach und nach die weiblichen Gäste, die anschließend von diversen Folterinstrumenten in Empfang genommen werden. Wer oder was ist hier eigentlich los?

Review

Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten! Wer jedoch aufmerksam „Die Zeitmaschine“ gelesen hat, dem wird bewusst sein, dass sich ein realer Gegenstand in vier Dimensionen erstreckt. Drei sind uns als Länge, Höhe, Breite, die vierte als die Dauer respektive als die Zeit bekannt. In den drei erstgenannten Dimensionen können wir uns - in der Höhe freilich mit Hilfsmitteln - jederzeit nach Belieben bewegen. In der vierten Dimension, die Zeit, schreiten wir zwar kontinuierlich voran, können die Bewegung allerdings nicht verlangsamen, beschleunigen stoppen oder in die entgegengesetzte Richtung, also rückwärts, ausführen. H.G. Wells beschäftige sich mit dieser Tatsache und beauftragte (s)einen Zeitreisenden, einige Gelehrte vom Gegenteil zu überzeugen. Der Zeitreisende ist, wie wir ja hoffentlich alle wissen, niemals von seiner zweiten Reise zurückgekehrt. Doch bevor er sich auf jene zweite Tour durch Raum und Zeit begab, nahm er seine Zuhörer bei der Hand und definierte ihnen auf plausible Weise, wie er den Zugang sowie die nachfolgende Bewegung innerhalb der vierten Dimension praktizieren konnte. Renato Polselli hielt im Vergleich zu dem Zeitreisenden wenig von plausiblen Erklärungen. Polselli schöpfte stattdessen seine künstlerische Freiheit aus und definierte mit „The Reincarnation of Isabel“ die vierte Dimension als einen für jedermann und -frau zugänglichen Raum, in dem ein Fluchtpunkt wurzelt, an dem sich Vergangenheit und Gegenwart kreuzen und zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen. Wer sich nun „The Reincarnation of Isabel“ zu Gemüte führt, der wird flink begreifen, warum ich so ein extrem wirres Zeug schreibe, denn Polselli attackiert seine Zuschauer mit einem riesigen Arsenal von Fragezeichen und liefert in letzter Konsequenz keine Erklärung für diesen offensiven Feldzug. Syd Barrett, der Mann, der Pink Floyd mitgründete und mit seinem einzigartigen Genie die mit weiten Abstand beste Phase der Band gestaltete, nahm 1967 eine Überdosis LSD und war anschließend fast 40 Jahre für niemanden ansprechbar. Der Trip, den Syd beschritt, inkludierte wahrscheinlich eine ähnliche Pflasterung wie sie „The Reincarnation of Isabel“ inkludiert.  

 

Da ich jegliche Formen von Drogen verabscheue, mich allerdings gern von Filmen berauschen lasse, halte ich Renato Polselli für einen ganz tollen Regisseur, denn er scherte sich keinen Deut um Massenkompatibilität. Die daraus fruchtende Abstinenz von Regeln und Grenzen ist meines Erachtens der bedeutende Teil seiner Erfolgsformel. Ich finde es sehr schade, das sein hierzulande  bekanntestes Werk, „Das Grauen kommt nachts“, immerzu auf dessen deutsche Synchronisation reduziert wird. Freilich bereitet diese viel Freude, aber der Zugang zu Polsellis „Delirio Caldo“, dem heißen Delirium, ist primär nur über den Originalton möglich, da die zahlreichen Brüller innert der bundesrepublikanischen Tonbearbeitung, den Zuschauer in (von Polsellis eigentlichem Konzept) abweichende Bahnen diktieren. Wen Polsellis Werke wie erwähnter „Das Grauen kommt nachts“, „Mania“ oder der phänomenale „Lusthaus teuflischer Begierden“ (als phänomenal suggeriere ich die Originalversion und nicht die von Alois Brummer versaubeutelte deutsche Kinoversion) bereits überfordert haben, der sollte „The Reincarnation of Isabel“ besser meiden, ansonsten werden ihm Satan und seine kleinen Teufelchen manch üble Streiche spielen und ggf. schnell in die Frustration sowie die einhergehende Kapitulation treiben. Wer sich den genannten Filmen gewachsen fühlt(e) und sich evt. gar mit ihnen arrangieren konnte wie kann, der lässt sich von „The Reincarnation of Isabel“ und seiner teuflischen Bagage vermutlich mit Freuden ins Delirium ziehen.

  

Um diesen Sog visuell zu verdeutlichen und dem Appell an den Zuschauer, sich mit Haut und Haaren zu „Isabel“ und einem gemeinsamen Aufenthalt auf der Metaebene verführen zu lassen, mehr Eindruck zu verleihen, präsentiert Polselli simultan zu den Credits (ähnlich dem Auftakt zu „Revelations of a Psychiatrist on the perverse World of Sex”, wo das Titelblatt einer Zeitung in eine Drehbewegung übergeht) eine kontinuierlich kreisende, die Hypnose symbolisierende, Spirale. Ob das, der drehenden Spirale folgende, Opferritual sowie die anschließende Inquisition Alptraum oder Realität reflektieren, lässt sich nicht beantworten und erst recht nicht mit der alltäglichen Logik abgleichen. Dieser Rezeptur bleibt der Film über die gesamte Spielzeit treu und lässt die unterschiedlichen Dekaden sowie den Schein und das Sein an dem bereits erwähnten Fluchtpunkt, das verfluchte Schloss, aufeinander treffen.

 

Währenddessen weiß die phasenweise in Antinaturalismus getauchte Fotografie von Ugo Brunelli, der häufig mit Polselli zusammenarbeitete und manch wirren Trip mitgestaltete, gemeinhin zu gefallen. Den Schnitt übernahm Polselli selbst und kreierte diverse Parallelmontagen, welche die Abstrusität des Gesamtwerkes additional befruchten. Tontechnisch gibt es das genreüblich Unwetter, welches plötzlich den Donner sprechen lässt und zeitgleich für gelähmtes Entsetzen sorgt. Begleitet von einem monoton prasselnden Regen, der dem Grollen in ehrfürchtiger Manier Applaus spendet, sowie dem heulenden Wind, der jegliche Mauerritzen des Schlosses durchfegt, um sich mit dem Odem des Schnitters zu verbünden und an dem ketzerischen Spiel innert der Schlossmauern teilzunehmen. Ab und an kriechen auch die Klänge einer Orgel in die Gehörgänge und man wird von dem empfangenen Klangkonstrukt ähnlich eingelullt wie vom Darkthrone-Alben „Transilvanian Hunger“. Der Score hat halt so manche Überraschung parat und kommentiert demgemäß eine sinnfreie Liebesszene zwischen zwei Mädels und einem fülligen Herrn mit einer vollkommen unerwarteten Slapstickmusik. Die Szene evoziert ähnliche Verwunderung, wie es eine Bildkomposition aus „Das Grauen kommt nachts“, in der sich die Protagonisten, von psychedelischer Rockmusik begleitet grundlos auf dem Boden wälzen, vermag. Hier wird eine versteckte Botschaft vermittelt, die selbst von denen nicht verstanden wird, die von sich behaupten am meisten verstanden zu haben! Wahrscheinlich helfen nur cannabinoide Substanzen, um im Nebel verkiffter Träume den heiligen Gral zu erspähen. Nein, Finger weg von den Drogen, denn „The Reincarnation of Isabel“ ist auch ohne zu Hilfenahme jeglicher Hippiescheiße dermaßen berauschend, dass sich Sinn und Zweck gern die polsellische Auszeit nehmen dürfen.

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Kommentare (1)

  • Frank Faltin

    Frank Faltin

    13 September 2021 um 00:00 |
    Die Aussage, dass Syd Barrett eine Überdosis LSD konsumierte und anschließend auf dem Dauertrip und fast 40 Jahre für niemanden ansprechbar war, entspricht freilich nicht der Wahrheit. Das war nur eine Spitze gen des schlechten Journalismus, den ASPEKTE während einer Kurzdokumentation über Syd an den Tag legte. Barrett hat sich zwar massig LSD eingepfiffen, aber einhergehend immer noch an einer - wenn auch minder erfolgreichen - Solokarriere gebastelt, bevor er sich später gänzlich in ein schäbiges Haus zurückzog. Seine Freunde sprachen von einem geistigen Crash, die Überdosis LSD ist blödes ZDF-Geschwafel.

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