Dirty Game in Casablanca

Spanien, 1985

Originaltitel:

Juego sucio en Casablanca

Alternativtitel:

Sale jeu à Casablanca (FRA)

Regisseur:

Jesús Franco

Kamera:

Juan Soler

Inhalt

Der Schriftsteller Dean Baker (William Berger) ist als Autor und Ehemann gescheitert, er ist finanziell von seiner Frau abhängig, die nun die Scheidung einreichen will, er selbst ist Alkoholiker und sehnt sich nach dem Tod. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch trifft er im Zustand der Trunkenheit eine folgenschwere Entscheidung: nach einem Pokerspiel mit Gangstern soll derjenige seiner Mitspieler Bakers Gewinn über 50.000 Dollar erhalten, der ihn innerhalb von einer Woche umbringt. Hierzu hat er aber vier Asse und eine Dame an die Halsabschneider ausgeteilt, und nur der, der im Besitz des Herz-As ist, kann den Pott auch einlösen.

 

Als Dean wieder nüchtern ist, will seine Frau Shirley (Muriel Montossé) sich plötzlich wieder mit ihm versöhnen, und so verspürt er keine Lust mehr auf seinen Frühtod. Gemeinsam mit seiner Geliebten Jill (Analía Ivars) begibt er sich auf die Suche nach dem Besitzer des Herz-As, um diesen aufzuhalten – und trifft stets nur auf Leichen.

Review

Wer Tulio Demichelis HERZ AS DES TODES (Juego sucio en Panamá, Spanien 1975) kennt, dem mag der in der Inhaltsangabe geschilderte Plot bekannt vorkommen. Drehbuchautor Santiago Moncada hat sein dortiges Drehbuch für Jess Francos DIRTY GAME IN CASABLANCA lediglich abgewandelt und eben den Handlungsort nach Casablanca verlegt, damit Franco sein in Melilla (spanisches Gebiet an der Nordafrikaküste next to Marokko) gedrehtes Material einbauen konnte. Der übrige, von Francos Manacoa Films eigenproduzierte Film, entstand überwiegend an der Costa del Sol, in Malaga und Torremolinos.

 

DIRTY GAME IN CASABLANCA ist trotz seiner Krimi-Handlung ein Sensibelchen in Francos Oevre. Der Film fokussiert sich ungewohnt auf seinen Hauptcharakter Dean Baker, überzeugend gespielt von William Berger mit Kurzhaarschnitt. Alkoholismus, Potenzprobleme, Suizidgedanken. Aus der einstmals großen Liebe zwischen ihm und seiner Frau Shirley ist eine kalte Hölle geworden. Zudem scheint Shirleys vermeintliche Überlegenheit in der Beziehung zu seinem künstlerischen Scheitern als Autor beigetragen zu haben. Vorerst.

 

Bei einer nächtlichen Autofahrt mit seiner Geliebten Jill, gesteht ihm diese, dass sie ihn eigentlich zu einem Pokerspiel locken sollte. Er quittiert diese Mitteilung mit einem versuchten erweiterten Suizid, der – wieder mal und zu Jills Glück– scheitert. Anschließend begibt er sich dennoch zu besagtem Pokerspiel in der Gangsterhöhle des übergewichtigen Yul (Ricardo Palacios). Seine Mitspieler sind – ebenso wie in Tulio Demichelis Filmvorlage – einigermaßen prominent, zumindest für Genre-Fans wie uns. Antonio Mayans, Luis Barboo, Juan Soler und Alfredo Kier. An der Gitarre José llamas, die tanzende Schönheit ist mir unbekannt.

 

Nach dieser schicksalhaften Poker-Nacht, bei der Dean seinen eigenen Tod bei einem der Mitspieler (genaue Identität unbekannt) in Auftrag gegeben hat und es sich anschließend anders überlegt, gelingt es Franco, dieses kleine Wunder fortzusetzen: der Film ist spannend, man fühlt mit dem Hauptprotagonisten. Nach dem Drehbuch eines anderen zu arbeiten – und sich tatsächlich daran zu halten – tut dem Endergebnis gut. Ebenso der Wechsel beim Filmkomponisten. Nichts gegen Daniel White, aber Franco hat dessen Klänge in den 80er Jahren überstrapazierend eingesetzt. Bei DIRTY GAME IN CASABLANCA stammt die Musik von Julián Sacristán, der auch für BAHÍA BLANCA (1984) herausragende Arbeit leistete. Ob die gesamte Musik in DIRTY GAME IN CASABLANCA aus Eigenkompositionen Sacristáns besteht, darüber könnte ich nur spekulieren, denn es handelt sich um teils sehr unterschiedliche Stile, bis hin zu arabischem Einschlag.

 

Aber wie auch immer, der Film scheint fast beendet, da kommt es plötzlich zu einem Realitätssprung, den ich hier nicht näher erläutern will, um Interessierten nicht die Spannung zu verderben. Die verbleibenden 15 Minuten sind originell, über deren Notwendigkeit könnte man dagegen streiten. Ich wollte sie aber keinesfalls missen.

 

Wann DIRTY GAME IN CASABLANCA entstand, ist eine wacklige Schätzung. Am Wahrscheinlichsten scheinen der Dezember 1983 oder Januar 1984, allerdings entdeckte Stephen Thrower in einer Szene einen Kalender an der Wand, der auf das Frühjahr 1983 hindeutet. Möglicherweise war dieses on Location-Büro aber auch einfach seit knapp einem Jahr nicht mehr benutzt worden.

 

DIRTY GAME IN CASABLANCA sollte im Doppelpack mit CAMINO SOLITARIO (1984) von Dorado Films auf Blu-ray erscheinen, „very soon“ hieß es im Jahr 2017. Nachdem laut Gerüchteküche Dorado Films den Geist aufgegeben haben, freut es mich, hier etwas Hoffnung machen zu können. Wie es scheint, wurden im April 2021 von Dorado Films Untertitel für CAMINO SOLITARIO in Auftrag gegeben, die Veröffentlichung scheint also doch nicht vom Tisch. Anscheinend haben Geldprobleme und die darauf obendrein noch folgende Corona-Krise den Prozess verlangsamt. Also, wer weiß? Schon in weiteren drei Jahren könnte es soweit sein…

Links

OFDb

IMDb

Kommentare (1)

  • Stephan

    Stephan

    19 Juli 2022 um 15:44 |
    Hallo Gerald,

    falls Du von der geplanten Dorado-BD tatsächlich nochmal was hörst, wäre es toll, wenn Du es hier kund tust. Ich hab das Ding doppelt bestellt (und inzwischen hat sich meine e-Mail geändert), aber ich rechne eigentlich nicht mehr damit, dass da noch was passiert.

    Ansonsten wäre es klasse, wenn du mal die Pidax-Langfassung von "Der heiße Tod" besprechen würdest. In dieser Fassung hat der Film bei nochmal deutlich gewonnen...

    LG
    Stephan

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