Nuit d'or - Die Nacht aus Gold

Frankreich | Deutschland, 1977

Originaltitel:

Nuit d'or

Alternativtitel:

Golden Night (USA)

La mort à paris (FRA)

Nous sommes tous des marionettes (FRA)

Voyage chez les vivants (FRA)

Regisseur:

Serge Moati

Kamera:

André Neau

Inhalt

Michel Fournier (Klaus Kinski) gilt als tot - zumindest glaubt das seine Familie, ebenso wie Bekannte. Die Erleichterung über das Ableben des ungeliebten Verwandten wird eines Tages mit dessen plötzlichem Auftauchen gestört, aber schließlich leben Totgesagte bekanntlich länger. Da Fournier seinerzeit des Mordes bezichtigt wurde, gilt sein Interesse fortan nur noch der Tyrannisierung und Zerstörung derjenigen, die ihn damals beschuldigten und letztlich zur Inszenierung seines Todes brachten. So erhalten seine Opfer Puppen, die an Voodoo-Zauber erinnern, um ihnen gehörige Angst einzujagen. Kommissar Pidoux (Bernard Blier), der schon vor Jahren gegen ihn ermittelte, heftet sich erneut an Michel heran... 

Autor

Prisma

Review

»Ich bin zurückgekommen. Ich fang nochmal von vorne an und diesmal werde ich gewinnen!« Diese ersten hysterischen, beziehungsweise aggressiven Anwandlungen des sich selbst als völlig zweifelhaft vorstellenden Michel Fournier kündigen nicht nur die Art und Weise der Performance von Klaus Kinski an, sondern auch einen Verlauf, in dem nicht alles so sein wird, wie es zu sein scheint. Telefonische oder postalische Belästigungen bringen die offensichtlich rachsüchtige Hauptfigur auf Betriebstemperatur, sodass die Vergangenheit parallel wieder aufgerollt werden kann, als Anklage und Quälerei. Da diese Vergangenheit auch ein Stück weit Gegenwart und sogar Zukunft darstellt, ist es umso interessanter, in diese surreale Geschichte einzutauchen, die für Regisseur Serge Moati seinerzeit den Durchbruch darstellte. Eine Klassifikation in beispielsweise Thriller oder Drama ist nicht einfach, weil sinnlos, da es sich in jeder Faser des Dargestellten um ein Hybrid handelt, egal welche Komponenten man bei "Nuit d'or" letztlich bemühen will. Um das Szenario mit Intensität und einem bizarren Drive auszustatten, bietet Klaus Kinski seine leichtesten Fingerübungen an, indem er Besessenheit, unverblümte Aufdringlichkeit, Aggressivität sowie Impulsivität anbietet, die sich immer wieder eruptiv entfaltet, ohne sich dabei in plumpen Schockmomenten zu verlieren. Die Personen seines Umfeldes degradiert er zu innocent bystanders oder Gespenstern seiner Vergangenheit, denen die Hände wegen so viel Unberechenbarkeit in jeder Beziehung gebunden sind. Nur bei seiner Mutter scheint er auf unangenehmes Granit zu beißen, wobei es fraglich ist, ob die alte Dame noch vollkommen zurechnungsfähig, geschweige denn nüchtern ist. Für Elisabeth Flickenschildt war diese Rolle übrigens ihre letzte, und es handelt sich um einen überaus bizarren Abschluss ihrer so erfüllten Karriere. Viele Szenen sind schwer zu begreifen, animieren aber zum Hinstarren, da sie in merkwürdiger Manier faszinieren.

 

»Na schön, dann schlaf! Eines Tages wirst du nicht mehr aufwachen.« Völlig aggressiv schleudert er eine Flasche gegen die Wand, als seine Mutter ihm keine Antwort, beziehungsweise irgend eine Reaktion auf seine sich anbiedernde Präsenz gibt, denn die alte, exaltiert wirkende Frau starrt lieber auf den Fernseher, in dem längst keine Sendung mehr läuft. Michel hat Personen nötig, die deutlich auf ihn reagieren, die ihn Angst und Furcht wittern lassen. Als Zuschauer fühlt man sich unbestimmterweise durch einen Hauch von Blutgeruch in der Luft angestachelt, kann die Vorgehensweise des höchst zweifelhaften Protagonisten jedoch noch nicht immer ordnen. In der Zwischenzeit plaudern die Heimgesuchten ein wenig aus dem Nähkästchen, charakterisieren den Totgeglaubten zum immer noch völlig roh servierten Verständnis ein wenig, der zu seiner Zeit nur Mörder mit der Goldkette genannt wurde. Die Regie macht es einem nicht gerade leicht, sich von den Personen an die Hand nehmen zu lassen, da sie allesamt nicht als Sympathieträger identifiziert werden können, glitschig und selbst wie schuldige Unschuldige wirken, die auf einer Welle der Verachtung reiten. Regisseur Moati legt Wert darauf, dass dieser nicht vorhandene Unterschied zu Michel nicht (allzu schnell) auszumachen ist, sodass man der Hauptfigur alles zwischen Gut und Böse zutrauen muss, was von Kinskis Aura nur unterstrichen wird. Hin und wieder folgen Szenen, die unappetitlich wirken und auch bleiben, da sie in ihrer Aussage auch manchmal kaum zu begreifen sind. Unterstützt durch teils kryptische aber auch lethargische Dialoge, verfügt dieses phasenweise isoliert wirkende Angebot und Setting zwar stets über Ausstrahlung, gleichzeitig kann es aber strapaziös werden und dem Empfinden nach spröde zugehen. Es ist schließlich besser, wenn man sich als Zuschauer erst gar nicht dazu verleiten lässt, hier irgend jemandem oder irgend etwas zu trauen, da sonst die mystische Spannung verloren gehen würde. 

 

Zwar ist man mit dieser Strategie immer noch auf der völlig unsicheren Seite, allerdings kann so ein trügerisches Gefühl von Sicherheit aufkommen, das einen jedoch immer nur inkonsequent erreichen wird. Im Grunde genommen setzt man sich in einen Waggon, der einen durch ein unübersichtliches Gruselkabinett transportiert. Die Fratzen, die man dort kennenlernt, sind so leicht nicht wieder zu vergessen, animieren jedoch zur Analyse, da man letztlich verstehen will. Diese uneindeutige Reise durch die in vielerlei Hinsicht angeschlagene Psyche der Beteiligten bleibt eine Katze, die sich immer wieder selbst in den Schwanz beißt, da sich Realitätsebenen verschieben. Wenn dann schließlich noch Szenen zwischen Kinski und dem kleinen Mädchen ausgewalzt werden, wird man vor gewisse Schwierigkeiten gestellt, die sich mit konventionellen Sehgewohnheiten beißen. Klaus Kinski wirkt brutal - unterschwellig wie tatsächlich. Sein Handeln als Racheengel will man nicht mittragen, da der Film kein Gerechtigkeitsempfinden besitzt oder transportiert. So erschließt sich hauptsächlich eine Morbidität und Trostlosigkeit, die keinen Zweifel daran lässt, dass man unausweichlich auf eine Katastrophe zusteuert. Es entsteht eine umgekehrte Ästhetik, die besonders in der Bildsprache zum Ausdruck kommt. Der merklich betriebene Aufwand sendet förmlich stumme Schreie ab, kaum zu dechiffrierende Signale und sehr viele beunruhigende Anteile, die in eine permanente Alarmbereitschaft versetzen. Erwähnenswerte Leistungen zeigen Bernard Blier, Marie Dubois und Maurice Ronet, die vor allem durch eine irritierende Untertourigkeit auffallen. DIE NACHT AUS GOLD bietet einen verbitterten Blick auf die Bourgeoisie und rechnet im Rahmen von Trugbildern und Irrtümern mit ihr und ihren Helfershelfern ab, die sich naturgemäß für etwas Besseres halten. Am bitteren Ende bleibt so oder so um ein besonderes Filmerlebnis, dessen Perfektion sich aus einem provokanten Anti-Perfektionismus ergibt. 

Autor

Prisma

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