Die zwei Gesichter einer Frau

Frankreich | Deutschland | Italien, 1981

Originaltitel:

Fantasma d'amore

Alternativtitel:

Fantôme d'amour (F)

Fantasma de Amor (P)

Fantasma de Amor (BRA)

Szerelmi lázálom (H)

Widmo milosci (PL)

Ghost of Love (US)

Deutsche Erstaufführung:

21. Mai 1982

Regisseur:

Dino Risi

Inhalt

Eine Begegnung mit der Vergangenheit wird für den erfolgreichen Rechtsanwalt Nino Monti (Marcello Mastroianni) zur Zerreißprobe. Im Bus leiht er einer heruntergekommenen und krank aussehenden Frau 100 Lire für die Fahrt. Ein anschließender Anruf der seltsamen Frau verschafft ihm Klarheit. Es handelt sich um seine große Liebe Anna (Romy Schneider), mit der er vor zwanzig Jahren verlobt war. Die Erinnerung holt den in langweiliger Ehe, und in oberflächlichen Gesellschaftskreisen lebenden Nino unabwendbar ein. Er möchte sich mit Anna treffen. In Rückblenden sieht er sich immer wieder mit seiner großen Liebe in ausgelassenen und glücklichen Situationen. Wie einem inneren Ruf folgend, sucht er die Straße auf, in der Anna einst gelebt hat. Plötzlich taucht sie auf, es ist die gleiche Frau, die er im Bus gesehen hat. Nach dem Wiedersehen überkommt ihn Ekel und er fängt an, an sich zu zweifeln. Am gleichen Abend wird an der Stelle des Zusammentreffens ein brutaler Mord geschehen und wenig später findet Nino 100 Lire auf seinem Schreibtisch. Ein befreundeter Arzt klärt ihn in der Zwischenzeit bei einem Treffen darüber auf, dass seine ehemalige Verlobte bereits vor einigen Jahren verstorben sei, woran kein Zweifel bestehe. Als er sie schließlich doch aufsucht, sieht er zu seiner Verwunderung eine im blühenden Leben stehende Frau, die wunderschön und anmutig wie damals aussieht und ihn leidenschaftlich empfängt. Nino ist sich nun endgültig sicher, dass es sich um Anna handelt und dass es sich bei ihrem angeblichen Tod um einen Irrtum handeln muss, doch wer war die andere Person? Zu einem aufklärenden Gespräch mit dem befreundeten Arzt, der damals ihren Tod feststellte, kommt es jedoch nicht mehr, da dieser auf rätselhafte Weise ums Leben kommt...

Autor

Prisma

Review

Bei "Die zwei Gesichter einer Frau" handelt es sich um eine deutsch-italienisch-französische Co-Produktion, die von dem italienischen Regisseur Dino Risi realisiert wurde. Entstanden ist ein Film, der sich nur schwer und nicht ausschließlich einem bestimmten Genre zuordnen lässt, da er in mehrere Etappen oder Phasen eingeteilt ist. Die jeweiligen Übergänge wirken strikt voneinander getrennt und teilweise nicht genügend miteinander verknüpft zu sein, was sich stellenweise negativ auf den Erzählfluss auswirkt. Überhaupt waren die Dreharbeiten von der schlechten physischen und psychischen Konstitution der Hauptdarstellerin Romy Schneider überschattet, die ihre Figur der Anna nur noch mehr überzeugend aussehen lassen sollte. Am Set ist sie zurückgezogen, meidet Kontakte und leidet unter erheblichen Konzentrationsproblemen. Andererseits kommt es zu Wutausbrüchen und Allüren, die Dreharbeiten müssen immer wieder unterbrochen werden, obwohl der Regisseur sich intensiv um seine Hauptdarstellerin kümmert. Nach zwei Zusammenbrüchen scheint das Schicksal, dass der Film nicht zu Ende gebracht werden wird, besiegelt zu sein. Doch Romy Schneider hält durch und wird zur verblüffenden Lichtgestalt des Films werden. Während der Dreharbeiten lernte sie übrigens ihren letzten Lebensgefährten Laurent Pétin kennen. Das Grundgerüst der Geschichte wird immer wieder durch gewisse Unklarheiten gestört, der Liebesgeschichte folgt ein Kriminalfall, bis man schließlich in eine Art "Parapsycho" abdriftet. "Die zwei Gesichter einer Frau" wurde durchaus ambitioniert abgehandelt und raffiniert aufgebaut, trotzdem reagierte das Publikum eher verhalten auf die Produktion. Die komplizierten Variationen hätten bei konsequenterer Ausarbeitung schon ein absoluter Volltreffer werden können.

 

Diese Kritik kann der Film dennoch gut verkraften, da Romy Schneider das Szenario übermächtig dominiert. Es scheint, als konnte sich Romy Schneider in jede noch so abstrakte Rolle hineinfühlen, hineinspielen, hineinsteigern. Ihre zu interpretierende Anna ist als Doppelrolle angelegt, und selten setzte sie optisch derartige Kontraste. Die eine ist vom Leben gezeichnet, ausgebrannt und verkommen, die andere wirkt durch die Ausleuchtung und die Bildgestaltung wie ein Traum, sie ist schön, begehrenswert und elegant. Bemerkenswert ist die hohe Distanz bezüglich beider Figuren, sie ist nicht greifbar, erscheint unnahbar zu sein und eigentlich möchte man ihr auch nicht zu nahe kommen. Merkwürdigerweise fühlt man sich Anna trotzdem sehr zugeneigt, was ausschließlich auf die Aura von Romy Schneider zurückgeführt werden kann. Anna zwingt den Zuschauer in die Unberechenbarkeit, sie schreckt ab und zieht gleichzeitig an, sie fasziniert und beunruhigt, sie ist real und doch ein Phantom. Wieder einmal interpretiert Romy Schneider eine sehr anspruchsvolle Rolle und arbeitet die Gegensätzlichkeit sicher heraus. Ihre legendären Gefühlsausbrüche lassen sozusagen sämtliche Rezeptoren warm laufen, angenehm hierbei ist, dass sie sich wie meistens üblich selbst synchronisierte. Weiß leuchtende und hell schimmernde Rückblenden zeigen Anna ausgelassen, glücklich und unbeschwert, die in dem ansonsten so düsteren, nebligen und schwerfälligen Szenario herausstechen. Eine großartige Leistung in einer teils verwirrenden, wenn auch nicht uninteressanten Handlung.

 

Marcello Mastroianni spielt einen unglücklich verheirateten Mann, der nur in der Erinnerung und neben Anna aufblühen wird. Er vermittelt im Alltag Resignation und in seinem Wesen Schwäche und Verletzbarkeit. Um dem Zuseher die Geschehnisse näher zu bringen, sieht man ihn meistens sehr nachdenklich und man hört seine Gedanken und Überlegungen im Off-Kommentar. Nino wirkt irritiert, hin und her gerissen zwischen alten und neuen Gefühlen, die zu einem gemeinsamen Punkt zulaufen werden. Wie das Publikum kann er die Geschehnisse nicht deuten. Eva Maria Meineke spielt wie üblich der Anforderung nach verlässlich und ist Ninos Frau Teresa, eine oberflächliche und bürgerliche Person, die nur noch Diskussionen über das Wetter mit ihm führt. Ihre Erscheinung bildet einen deutlichen Kontrast zu der begehrenswerten Anna, sie scheint prädestiniert für die Rolle der betrogenen Ehefrau zu sein. Insgesamt gibt es kaum einen positiven Protagonisten, Misstrauen überlagert beinahe jeden Ansatz von Sympathie oder Verständnis. Zu diesem Zweck wurden auch allerhand weitere zwielichtige Personen in die Handlung integriert, beispielsweise der unheimlich abschreckend und dubios erscheinende Michael Kroecher als Don Gaspare, oder ein sehr in die Jahre gekommener Wolfgang Preiss als Annas Witwer Conte Zighi. Die Leistungen der Schauspieler sind überdurchschnittlich und es scheint wie so oft, dass es an der ausgefeilten Darstellung von Romy Schneider liegt, dass jeder noch ein bisschen mehr Potential aus sich herausnehmen konnte.

 

"Fantasma d'amore" ist einer der drei letzten Filme vor Romy Schneiders Tod gewesen und stellt alleine auf den Film bezogen sicherlich keinen Meilenstein in ihrer Karriere dar. Dennoch ist es vor dem Hintergrund ihrer damaligen, angeschlagenen Verfassung mehr als erstaunlich, welche Sicherheit sie vermitteln, und welche Überzeugungskraft sie entwickeln konnte. Diese Mischung aus Disziplin, Intuition und Talent wirkt mitreißend und begeisternd. Man stellt sich einmal mehr die Frage, wen man eigentlich gerade zu sehen bekommt. Ist es nun Romy Schneider, oder ist es gerade Anna? Und genau das ist bei ihr irgendwie immer der springende Punkt. Keine andere Schauspielerin verleitet in dieser Form dazu, keinen großen Unterschied mehr zu machen oder zu trennen, was vielleicht überinterpretiert ist, aber scheinbar nahe liegend. Der Film hat trotz einiger erstklassig dargestellter Liebesszenen aus der Vergangenheit eine überaus pessimistische und bedrückende Grundhaltung. Im Verlauf ist weniger die Kombinationsgabe, als die Fantasie und die Achtsamkeit gefragt und es wird schnell deutlich, dass alles Dargestellte keinen normalen Verlauf nehmen kann. Leider wirken einige Charaktere oft deplatziert, was einerseits an ihrer schwachen Integration innerhalb der Handlung, und andererseits am Epizentrum der Verwirrung Anna liegt, um Gegenpole zu kreieren. Aus diesem Verlauf kann sich also keine histoire simple entwickeln, was ja schließlich ein Markenzeichen des Films sein sollte.

 

Was sehr positiv auffällt, sind die hochwertigen Dialoge, die zusätzlich Zweifel und Ratlosigkeit schüren und für den Zuschauer gibt es nahezu keine Möglichkeit, aus dem Grübeln herauszukommen und logische Schlüsse zu ziehen, eindeutig zwischen Realität und Traum, vielleicht sogar Wahn zu unterscheiden. Dennoch hätten hier und da einige greifbare Erklärungen gut getan, um zum Verständnis und zu einem restlos runden Ergebnis beizutragen. Ein großes Highlight hingegen ist die teils melancholische und Spannung erzeugende Musik von Riz Ortolani. Das überraschende Finale des Films enthüllt nicht nur unvorbereitet die Wahrheit, sondern entlarvt den Zuschauer geradezu als Komplizen, von Vorhersehbarkeit kann man keineswegs sprechen. Dass der Regisseur sich mit seinem Beitrag viel vorgenommen hatte wird deutlich, aber auch, dass er die komplexe Mehrfachhandlung nicht in aller Konsequenz verbinden konnte. Über seinen Film sagte Dino Risi: »Dieser Stoff reizte mich besonders, weil parapsychische Phänomene mich beschäftigen, seit ich meine Ausbildung zum Psychiater machte.« Insgesamt leitet "Die zwei Gesichter einer Frau" auf Irrwege (genau wie es schließlich der Titel tut), setzt sich mit Wünschen, Ängsten, Abgründen und Abwegigkeiten auseinander. Romy Schneider und Marcello Mastroianni demonstrieren überdies, wie das alles kompetent und packend auf der Leinwand auszusehen hat. Das eigenartige Konzept und das Verwirrspiel der Regie geht daher mit kleineren Abstrichen voll auf, überraschende Wendungen, skurrile Personen, Unwahrscheinlichkeiten sowie die subtile Anspannung machen einen passablen und sehenswerten Film daraus, aber vor allem Romy Schneiders vertiginöses Schauspiel versetzt in stille Begeisterung.

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Prisma

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