Das verräterische Auge

Italien, 1965

Originaltitel:

Berlino: Appuntamento per le spie (Operazione Polifemo)

Alternativtitel:

Berlin, opération 'Laser' (FRA)

Berlín, cita con los espías (ESP)

Bang You're Dead (GBR)

Spy in Your Eye (USA)

Cult of Violence

Epitaph for a Spy

Deutsche Erstaufführung:

23. Juni 1967

Regisseur:

Vittorio Sala

Inhalt

Den Sowjets gelingt es eine Mikrokamera in der Pupille von Colonel Lancaster, der Number One des US-Geheimdienstes, einzupflanzen. Der Grund: Amis wie Russkies sind auf der Jagd nach einer Formel, welche die Konstruktion einer alles vernichtenden Laserwaffe ermöglicht. Und wenn zwei sich streiten, tritt gern ein Dritter, der sämtliche Hoffnungen in die Bewahrheitung der sprichwörtlichen Voraussage setzt und somit das prosaische Pulverfass vom gelben Meer nach Europa rollt, zwischen die Fronten. Demzufolge sind drei Weltmächte auf der Suche nach der Tochter des mittlerweile verstorbenen Erfinders. Aber: besitzt Paula Krauss tatsächlich die begehrte Formel?

Review

Ungeachtet des Klimawandels bestimm(t)en die drei Worte mit dem Initialbuchstaben W (Wiedervereinigung, Wirtschaftswunder, Wiederaufrüstung) die kleinbürgerlichen wie intellektuellen Debatten der deutschen Nachkriegsgenerationen. Zum Entstehungszeitpunkt von „Das verräterische Auge“ dominierte freilich der Konfliktstoff Kalter Krieg, jenes Wettrüsten der Supermächte, welches mit dem Zerfall der Sowjetunion klammheimlich ad acta gelegt wurde. Der Kalte Krieg provozierte in Amiland einen Antikommunismus, der in den 1950ern in einer beispiellosen (dem McCarthyismus geschuldeten) Hexenjagd gipfelte. An die Stelle des geschundenen roten Eingeborenen trat nun der neue Rote, der Kommunist, von dem die Gefahr ausging, dass er unerkannt und jederzeit zur Unterwanderung ansetzen könnte. Da diese Gefahr als allgegenwärtig etikettiert wurde, erstaunt es freilich nicht, dass der Kalte Krieg seinen Einzug in die Lichtspiele feierte und zu einem bedeutenden Bestandteil des Science-Fiction- sowie des Agentenfilms avancierte. Viele Jahre nach McCarthys Wirken und im weiteren Zuge des Kalten Krieges erreichten (Margaret Thatcher ausgeklammert) Ronald Reagan und Alexander Haig einen Status, der sie als die inoffiziellen Stars der Punkmusik definierte, da sich der Punk-Rock in den 1980ern (von Pionieren wie Dead Kennedys und Crass angespornt) endgültig politisierte und genannte Politgrößen reichlich Stoff für brisante Texte mit rezidivierenden Inhalten lieferten.

 

Ungeachtet der Toy Dolls, die „James Bond Lives Down Our Street“ sangen, ist der Punk-Rock Lichtjahre entfernt vom Bond-Film, dessen simple Formel besagt, dass der Superagent gegen einen gerissenen Supervillian, der die Weltherrschaft anstrebt, antritt, um diesen (den Superverbrecher) unschädlich zu machen. Ein Konzept nach dem die jeweiligen Regisseure fortwährend emsig werkten und Bond zum polyvalenten Alleskönner krönten, sodass sich bereits 1967 mit „Man lebt nur zweimal“ erste Anzeichen der Abnutzung erkennen ließen. Diesen Verschleiß erklärte der Filmhistoriker, Enno Patalas, damit, dass „die (Bond-)Reihe seit ihrem Start auf Superlative gebürstet war und sich ein solcher nun mal nicht steigern lässt“. Gut gesprochen, denn der Superagent bekam mit dem Start seiner ersten Mission tatsächlich alles, was er begehrte und nichts konnte ihm wirklich gefährlich werden. Demzufolge wurde dem Zuschauer die Bondfigur als eine konstante Größe, die von vorne bis hinten durchschaubar war und keinerlei Überraschungen in petto hatte, serviert. Ein Mitfiebern mit eben dieser unbezwingbaren und unwiderstehlichen Person gestaltete sich demnach nicht nur äußerst schwierig, sondern gar unmöglich, sodass die(se) Bond-Filme imho primär aufgrund ihrer Schauwerte (wie spektakuläre Actionsequenzen und schöne Frauen) funktionieren. Es dauerte bekanntlich einige Jahrzehnte bis man sich von dem Erfolgskonzept lossagte und anschließend gemeinsam mit Daniel Craig neue Wege beschritt.

 

Vittorio Sala konnte diesen Moment nicht miterleben, da er bereits 10 Jahre zuvor das Zeitliche segnete. Sala inszenierte allerdings im Anschluss an die Bond-Klassiker NO-MOSKAU-FINGER und relativ parallel zu „Man lebt nur zweimal“ (welcher den Kalten Krieg thematisiert) „Das verräterische Auge“. Ein Eurospy-Vehikel, das seinen freiwilligen wie unfreiwilligen Humor als bedeutenden Unterhaltungsfaktor definiert, um schlussendlich die im vorherigen Absatz erwähnten Ingredienzien der Bond-Filme zu persiflieren. So kehrt beispielshalber die Art der innerdeutschen Grenzüberwindung in Richtung Westberlin eine latente Lächerlichkeit hervor und verdient durchaus eine Nominierung für den Titel des alljährlichen Oberknuffels. Konkurrenz im Kampf um die begehrte Trophäe bekommt das umrissene Husarenstück unter anderem von einer Delegation chinesischer Geheimdienstler, welche sich als eine Armada von Charlie Chan Klonen ausweisen, die meist aus dem Nichts auftauchen, eine sensationelle Schusswaffe im Gepäck haben und immerzu den Kürzeren ziehen. Sie sind die stets hinterherhinkende dritte Kraft, bei einer fortwährend regierenden Reiselust, welche die Suche nach Madame X nun mal sich bringt, und die Pro- und Antagonisten zwischen den Kontinenten und ihren jeweilige Ländern chargieren lässt, was eine für den akribischen Zuschauer allerdings nicht immer schlüssige (man sollte den Film halt nicht allzu Ernst nehmen) physische Bewegung reflektiert.

 

„Bestimmt ein Geisteskranker!
Die dritte Leiche diesen Monat, der man den Augapfel entfernt hat.“ (Inspektor)

 

Das Auge ist innert der Genreübergreifenden Filmfirmierungen ein vielmals zitiertes Sinnesorgan, welches gern in Verbindung mit Tieren (Tiger, Adler) oder einem den Ist-Zustand beschreibenden Verb (grausam, tödlich, fliegend) sowie Naturgewalten (Sturm, Hurrikane) und dem Absoluten (Gott, das Böse, der Tod) seine reißerische Anwendung findet. Da das Sehorgan in den meisten Fällen keine Handlungsbezogene Zentralisierung erfuhr, wurde das Mittagssüppchen zwar heiß zubreitet, aber erst nach deutlicher Abkühlung und ohne den lt. Speisekarte zugesagten Würzstoff zur Konsumierung freigegeben, sodass dem Konsumenten der versprochene Gaumenschmaus vorenthalten wurde. „Das verräterische Auge“ divergiert von diesen Filmen, da Salas Inszenierung tatsächlich das Sehrorgan eines Protagonisten in den Fokus rückt und als eine vorausschauende Institution walten lässt, welche seine Impulse gleichzeitig an das Gehör sendet, sodass derjenige, der den Zugang zum manipulierten Auge des Colonel Lancaster besitzt, die gegenwärtigen Aktionen lesen und zukünftige abschätzen kann kann. Der Besitzer des Zugangscodes wird demnach zu einem Souverän, der aufgrund dieser Befähigung der Konkurrenz stets einen Schritt voraus ist. Während der Beobachtungsmomente, sprich während des Blicks aus und mit Lancasters Auge, nimmt der Zuschauer somit die Position eines weiteren Mitspielers ein, da ihm die Identifikation nahezu aufgedrängt wird. Dieses hat zur Folge, dass der Zuschauer stets zwischen der umrissenen Position eines Mitspielers und der eines neutralen Beobachters chargiert. Währenddessen wird ihm (dem Zuschauer) allerdings relativ schnell klar, dass der Regisseur fleißig am Humorschräubchen drehte, sodass die offerierte Machtposition von einem stetigen Augenzwinkern begleitet wird, wie man es von einem den Agentenfilm persiflierenden Vehikel halt erwartet.

 

Fazit: Eurospy zählt nicht wirklich zu meinen favorisierten Filmgenres, aber dieser Film macht Lust auf mehr. Schließlich präsentiert sich „Das verräterische Auge“ als ein gut besetztes, bestens synchronisiertes (Chevalier, Blumhagen, Thormann etc.) und mit Kurzweil sowie guter Fotografie etikettiertes Agenten-Vehikel, das für Spaß und gute Laune sorgt. Klasse!

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