Sandokan

Frankreich | Italien | Spanien, 1963

Originaltitel:

Sandokan, la tigre di Mompracem

Alternativtitel:

Sandokan, el tigre de Mompracem (ARG)

Sandokan, O Grande (BRA)

Sandokán, el magnífico (ESP)

Sandokan, le tigre de Bornéo (FRA)

Sandokan o el tigre de la Malasia (MEX)

Sandokan, o Tigre da Malásia (POR)

Sandokan the Great (USA)

Deutsche Erstaufführung:

16. Oktober 1964

Regisseur:

Umberto Lenzi

Inhalt

Colonel Ross (Mario Valdemarin) terrorisiert seinen Zuständigkeitsbereich im Malaysia des 19. Jahrhunderts mit eiserner Hand, doch wann immer er ein paar Aufständische hinrichten lässt, sterben diese mit einem gefürchteten Namen auf den Lippen: Sandokan. Der Sohn des Sultans von Borneo musste mit ansehen, wie Ross und seine Männer seine Mutter und Geschwister töteten, sein Vater befindet sich in Gefangenschaft in Mompracem.

 

Sandokan (Steve Reeves), sein portugiesischer Freund Yanez (Andrea Bosic) und ein paar einheimische Gefährten überfallen den Landbesitz von Col. Ross und kidnappen dabei dessen Nichte Mary Ann (Geneviève Grad), um so den König von Malaysia freizupressen. Doch die Flucht zur Küste ist beschwerlich, zudem befindet sich ein Verräter unter den Männern. Während des Marsches durch die berüchtigten Schwarzen Sümpfe lernt Mary Ann mehr über Sandokans Vergangenheit und spätestens als er sie vor einem Tiger rettet, verliebt sie sich in ihn.

 

Doch am Ende des Sumpfes lauern Kopfjäger auf die Abenteurer.

Review

Emilio Salgari (1862 – 1911) war ein bedeutender italienischer Autor von Abenteuerromanen, von denen eine ganze Anzahl verfilmt wurde. Neben der Figur des Sandokan dienten seine Romanvorlagen auch als Inspirationsquelle für Filme wie Carmine Gallones „Karthago in Flammen“ (1960), Sergio Sollimas „Der schwarze Korsar“ (1976) oder Alberto Negrins Mini-Serie „Das Geheimnis der Sahara“ (1987). Umberto Lenzi hatte Mitte der Sechziger einen regelrechten Salgari-Run und drehte gleich vier Adaptionen dieses Autors in den Jahren 1963/64, ebenso wie Luigi Capuano, der 1964/65 ebenfalls vier Salgari-Verfilmungen inszenierte.

 

Doch die Italiener wären keine Italiener, hätten sie nicht alles wild durcheinander gewürfelt. Der hier besprochene „Sandokan, la tigre di Mompracem“ von Umberto Lenzi stellt die Verfilmung des 3. Sandokan-Romans dar. Anschließend verfilmte Lenzi „Die schwarzen Piraten von Malaysia“, den 2. Sandokan-Roman. Das erklärt, warum der hier besprochene Film im Grunde mitten in der Story beginnt, was dem Ganzen ein gewisses Pulp-Feeling verschafft. Es erklärt ebenfalls, warum der während dem Überfall auf Colonel Ross‘ Haus getötete Dakar (nicht im Vorspann des Films genannt) gleich zu Anfang ins Gras beißt, im nächsten Film „Die schwarzen Piraten von Malaysia“ aber wieder mit dabei ist (diesmal mit Credit) – der zweite Film spielt vor dem ersten. Was ich damit zu sagen versuche ist, scheiß auf die Chronologie, denn die verteilt sich über Filmjahrzehnte und keineswegs in korrekter Reihenfolge. Wer nämlich die ganze Vorgeschichte sehen wollte, musste sich nämlich bis zur Mini-Serie „Das Geheimnis des schwarzen Dschungels“ im Jahre 1990 gedulden, welche eine Adaption des ersten Romans der Reihe darstellt.

 

Egal, wir gucken Filme ja nicht wegen logischer Handlungsabläufe. Zu Beginn von Lenzis „Sandokan“ (1963) befindet sich dieser also bereits mit einigen Gefährten im Dschungel auf der Flucht und versucht sich als Kidnapper, um seinen Vater freizubekommen. Steve Reeves verließ für diese Rolle das Peplum-Genre, brachte es nach den beiden Lenzi-Filmen aber nur noch auf einen Italo-Western – Bazzonis „Ich bin eine entflohener Kettensträfling“ (1968) – welcher leider das Ende seiner Schauspiel-Karriere darstellte. Als Inder funktioniert Reeves mit seinem sorgfältig gestutzen Bart, solange er Turban trägt, ohne Turban wird es optisch schwierig. An seiner Seite Andrea Bosic als ebenfalls gegen die Engländer kämpfender Portugiese, der so den Tod seiner Frau – die zugleich Sandokans Schwester war – zu vergelten sucht. Sandokan selbst wird am Ende mit dem Mörder seiner Mutter konfrontiert, dem Lieutenant Toymby, dargestellt von Charakterkopf Antonio Molino Rojo. Den weiblichen Part hat Geneviève Grad inne, und ich weiß nicht, warum sie in dem kurz darauf entstanden „Der Gendarm von Saint Tropez“ in der Rolle als Cruchots Tochter so viel jünger aussieht.

 

Was den Zuschauer in „Sandokan“ erwartet ist ein schön fotografierter Abenteuerfilm, musikalisch untermalt von Giovanni Fusco, weitgehend ohne Gewaltexzesse. Allerdings waren die bisherigen deutschen Veröffentlichungen gekürzt. Ich kann mich aus anderen Lenzi-Abenteuerfilmen dieser Zeit durchaus an – nun, natürlich kein Splatter – aber doch unerwartete Härten besinnen. Hier erinnert nach der Durchquerung der Schwarzen Sümpfe die Begegnung mit den Kopfjägern ein wenig an das Dorf in „Mondo Cannibale“, zudem bekommt der Zuschauer „Lebendig gefressen“-ähnliche Folklore-Tanzszenen zu sehen. Da hat Lenzi sich in den Achtzigern anscheinend selbst als Inspirationsquelle genommen. Ist ja aber auch dieselbe Ecke, wo diese Filme spielen. Weder Handlung noch Action kommen zu kurz, beim großen Schlusskampf fällt allerdings ins Auge, dass Steve Reeves mit einem Maschinengewehr in die Soldaten feuert, dass deutlich sichtbar nicht geladen ist. Ebenfalls bei diesem Finale hat man in einer Szene Reeves‘ Stuntman Giovanni Cianfriglia etwas zu lange gewähren lassen, das fällt auf. Gedreht hat Lenzi diesen und vier weitere thematisch ähnlich gelagerte Abenteuerfilme in und um Malaysia mit wechselnden Hauptdarstellern wie eben Steve Reeves, Richard Harrison und Sean Flynn. Nebendarsteller, Kostüme und Settings wiederholen sich gelegentlich, und die Unruhen im Herbst 1964 beendeten Lenzis Arbeit dort.

 

Für Umberto Lenzi selbst gehören seine Abenteuerfilme der Sechziger sowie seine Polizeifilme in den Siebzigern zu seinen persönlichen Favoriten, während er vieles andere nur des Geldes wegen drehte. Heute ist er schon seit einigen Jahren als Autor von Kriminalromanen um den antifaschistischen Detektiv Bruno Astolfi tätig, der im Rom der 30er und 40er Jahre Verbrechen im Cinecitta-Umfeld aufklärt. Hierzu baut er zahlreiche reale Charaktere und Filmdrehs in seine Geschichten mit ein. Leider scheint es nichts davon in Deutsch zu geben.

 

Umberto Lenzis „Sandokan“ erscheint am 17. März 2017 uncut von Colosseo Film.

Filmplakate

Kommentare (1)

  • David

    David

    14 Juni 2017 um 14:30 |
    Ich habe jetzt den ersten Teil von 1963 und auch den 2. Teil - Die schwarzen Piraten von Malaysia (1964) gesehen.

    Zuerst: Die Filme sind Trash-Kino der 60ger Jahre, das heutzutage schon wieder kultig erscheint.

    Sandokan, der Pirat aber auch Fürst, führt seine Leute im Kampf gegen die Briten Kolonialherren an, die hier so böse sind, wie die Nazis in manchen US Produktion. Ich finde das sehr erfrischend einseitig und herrlich politisch unkorrekt, dass die Briten hier mal nur böse sind und auch entsprechend gnadenlos erledigt werden und völlig untergehen. Der erste Teil ist, was die Action angeht ziemlich lahm bis auf die letzten 15 Minuten, die es dann aber in sich haben. Die Eingeborenen und Sandokans Männer stürmen das britische Fort. Die Darstellung der Gewalt in diesem Kampf ist schon ziemlich heftig. Die britischen Soldaten werden hier wirklich massenweise niedergemetzelt, was ich so noch nicht gesehen habe. Besonders hervorzuheben ist die Szene, in der Sandokan mit einem eroberten Maschinengewehr in die Soldaten auf dem Hof des Forts reinhält und viele niedermäht, was auch alles schön gezeigt wird, hier gibt es kein Wegblenden der Kamera, man sieht wirklich wie die Soldaten reihenweise niedersinken und auch immer wieder überall im Hintergrund rumliegen. Hier ist allerdings der 2. Teil noch ein wenig heftiger, wenn Sandokan aus dem Gefangenenlager ausbricht und auch mit einem eroberten MG, das er auf einen Lorenwagen montiert und dann damit fahrend durch die Mine abfeuert, und die Briten auf der Fahrt erledigt. Das geht dann hier sogar noch weiter, als er allein dann auf dem Hof des Lagers mit dem MG quasi die ganze britische Garnision allein im wahrsten Sinne des Wortes niedermetzelt, so dass der Hof mit den Körpern in roten britischen Uniformen nur so übersäht ist. Seine Leute erledigen dann den Rest der Soldaten. Der Kampf ist zwar recht einseitig aber dafür ist dieser Maschinengewehr Raid wirklich kultverdächtig. Von diesen Schlachten gibt es gleich drei im zweiten Teil, auf einem Schiff, in dem besagten Gefangenenlager mit dem riesigen MG-Massaker und den finalen Endkampf. In allen drei Schlachten gehen die britischen Soldaten vor den Piraten und Einheimischen massenweise völlig unter, etwas, was heutzutage wohl nicht mehr in dieser Intensität und politische unkorrekten Größe der Gemetzel, gezeigt werden würde. In Teil 1 haben wir hier leider nur die eine finale Schlacht. Ein paar weitere Kämpfe hätten Teil 1 hier auch sehr gut getan, wobei die Eroberung des Forts, von allen Schlachten in Teil 1 und 2 wohl die beste ist.

    Gesamtfazit von mir: Unterhaltsame Filme, in denen die Eingeborenen mal richtig einseitig gewinnen, was ich sehr erfrischend finde.

    antworten

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.