Spanien, 1996
The Killer Barbies
Vampire Killer Barbys
Nach einer Show in Valencia macht sich die spanische Punk-Band „The Killer Barbies“ mit ihrer spärlichen Gage auf den Weg zum nächsten Gig, erleidet aber eine nicht ganz zufällige Panne mit ihrem Van. Ein gutgekleideter Herr namens Arkan (Aldo Sambrell) lädt die Band zur Übernachtung auf sein Anwesen, wo er als Diener für die Gräfin Olga Luchan von Fledermaus (Mariangela Giordano) tätig ist. Nichtsahnend, dass die Gräfin eine Unsterbliche ist, die ewige Jugend durch das Blut von halbwegs unschuldigen Passanten erlangt, folgt man der Einladung. Eine Nacht des Grauens steht den „Killer Barbies“ bevor.
Ein mehr oder weniger fanatischer Jess Franco-Fan zu sein, bringt eine schwere Bürde mit sich, nämlich den unwiderstehlichen Drang, den „Meister“ – manchmal wider besseres Wissen – in Schutz zu nehmen. Die Quelle des Unmuts ist diesmal kein geringerer als Franco-Biograph Stephen Thrower, der „Killer Barbys“ nicht nur schlecht bewertet, sondern sich vielmehr kaum zu diesem Film äußert. Er mag die Band und ihre Musik nicht, außerdem scheint er den Film – wie man zwischen den Zeilen lesend entnehmen kann – nur in englischem Dubbing gesehen zu haben. Und das stimmt wieder versöhnlich, denn ich habe es selbst nicht geschafft, „Killer Barbys“ mit dem unsäglichen, verfälschenden, Geräusche herausfilternden engl. Dubbing durchzusitzen. 15 Minuten, Abschalten, warten auf die Redemption Blu-ray mit spanischem Ton und englischen Subs. Na gut, ich habe die spanische Fassung schon zu VHS-Zeiten gesehen, aber freilich kein Wort verstanden.
Ich mag die Band „Killer Barbies“. Es ist einfacher Surf-Punk mit Texten, die Horror- oder Comic-Bezug aufweisen. Simpel aber fetzig. Die Stimme von Sängerin Silvia Superstar aka Silvia García Pintos ist kernig und sexy genug, dass man ihr die mangelhafte englische Aussprache beim Singen vergibt. Und in Spanisch ist sie nur göttlich. Selbst als (fast) Hauptdarstellerin dieses Franco-Films macht sie eine gute Figur, wenn man im Hinterkopf behält, dass sie letztlich Laiendarstellerin ist. Zudem muss sie immerhin neben Aldo Sambrell und Mariangela Giordano bestehen, und da gelingt es ihr, nicht unangenehm aufzufallen. Mehr kann man nicht erwarten. Ein weiterer interessanter Nebendarsteller ist Charlie S. Chaplin, Sohn von Josephine Chaplin, Enkel von Charlie Chaplin, dem er gar nicht mal unähnlich sieht. Er spielt den homosexuellen Bandmanager der „Killer Barbies“ und Franco verkneift sich hier klischeehafte Peinlichkeiten, wie er sie bei homosexuellen Charakteren leider so manches Mal zur Schau stellt.
Während weitere Darsteller nicht nur Laien sind, sondern auch laienhaft wirken, gibt es leider einen, der einem in „Killer Barbys“ so richtig auf den Sack geht: Santiago Segura. Franco hat diesen völlig von der Kette gelassen und weite Teile von Seguras Darstellung des Faktotums Baltasar sind schlicht peinlich. Baltasar ist der Mann fürs Grobe im Haushalt der von Fledermaus‘, unterstützt von zwei Kleinwüchsigen, die angeblich seine Kinder sind, aber auch sexuelle Handlungen werden zumindest in einer Dialogszene angedeutet. Das Auftauchen der Kleinwüchsigen als Handlanger scheint eine Hommage an französische Horrorfilme wie Claude Mulots „Die geschändete Rose“ (La rose écorchée, 1970) oder Michel Lemoines „Seven Women for Satan“ (Les week-ends maléfiques du Comte Zaroff, 1976), um nur zwei bekannte Beispiele zu nennen.
Überhaupt ist „Killer Barbys“ voll von Referenzen. Von James Whale-Klassikern, über franco’sche Eigenreferenzen, bis hin zu modernen Horror-Klassikern findet man hier und dort…und da liegt ein Problem des Films. Er ist inkonsistent. Horror, Komik, Splatter, Sex, Punk, von allem was dabei. Doch ist das wirklich so schlimm? Ein wesentliches Franco-Element ist mal wieder das Spiel mit der Zeit, bzw. der Übergang der Protagonisten in eine andere Dimension. Mit Annäherung an das Haus der Gräfin funktionieren die Uhren der Protagonisten nicht mehr, im Anwesen selbst steht die Zeit komplett still.
Franco war zu Beginn der Neunziger an einem Tiefpunkt seiner Karriere angelangt, nämlich einem weitgehenden Stillstand als Regisseur (für seine Verhältnisse), von wechselndem Publikumsgeschmack, vor allem aber vom Schwund geneigter B-Movie-Produzenten zur Untätigkeit verdammt. Nach einer kurzen Phase von solide produzierten Regiearbeiten wie „Faceless“ (Les prédateurs de la nuit, 1987), „Dark Mission“ (1988) oder „Esmeralda Bay“ (La bahía esmeralda, 1989) führte ein Rechtsstreit um den 1990 gedrehten „Ciudad Baja (Downtown Heat)“ (1994) zu einem endgültigen Bruch mit Eurociné. Ein weiterer Film, „Jungle of Fear“ (1993) mit William Berger, existiert nur in einer Rohschnittfassung, ein Verleiher fand sich nicht. Zwischendrin beschäftigte er sich mit der Restauration von „Don Quijote de Orson Welles“, ein Film, an dem Franco 1965 mit Orson Welles arbeitete. Francos Endergebnis aus dem Jahre 1992 wurde von der Kritik nicht sehr freundlich aufgenommen.
Und so weiß ich noch sehr gut, dass das Erscheinen von „Killer Barbys“, gedreht im Januar/Februar 1996 auf Betreiben von Subterfuge Records und Silvia Superstar und noch im selben Jahr veröffentlicht, von mir damals als Francos Comeback und gelungenem Sprung in die Neunziger abgefeiert wurde. Der nachfolgende – und meiner Ansicht nach hervorragende - „Tender Flesh“ (1997) schien das zu bestätigen. Doch oh weh, dann ging es abwärts. Tief.
Bemängeln mag man den Look von „Killer Barbys“. Franco arbeitete erstmals wieder mit Javier Pérez Zofio als Kameramann seit „Im Schatten des Mörders“ (La noche de los asesinos, 1974) und „The Silence of the Tomb“ (Un silencio de tumba, 1972/1976), doch irgendjemand hat anschließend mit einem Videobearbeitungsprogramm dran rumgepfuscht, vermutlich Francos und Linas erste eigene Gehversuche mit diesem Medium. Nicht gelungen.
Die Musik in „Killer Barbys“ besteht selbstredend aus vier Songs der „Killer Barbies“: Love Killer, I wanna live in Tromaville, No Future, Comic Books. Desweiteren gibt es einige Songs der Band Sexy Sadie, die teils auch in „Tender Flesh“ Wiederverwendung fanden. Abgerundet wird das Ganze von zwei frühen Chansons aus der Feder von Daniel White und ein bisschen unheilvolles Billig-Geklimper von Jess Franco selbst. Bei letzterem hat er sich echt nicht mit Ruhm bekleckert.
Francos „Killer Barbys“ macht durchaus Spaß, wenn man die Finger vom englischen Dubbing lässt. Es ist nicht einer seiner besseren Filme, aber auch keiner seiner Schlechteren. Oberes Mittelfeld.