Feuchte Lippen

Frankreich, 1978

Originaltitel:

Cocktail spécial

Alternativtitel:

Oral Total (DEU)

Wet Lips (SWE)

Regisseur:

Jesús Franco

Inhalt

Die Schriftstellerin Martine de Bressac (Aida Vargas) und ihr Bruder Christian (Mel Rodrigo) haben es auf die leidlich unschuldige Eugénie (Beni Touxa) abgesehen. Eugénies Vater Raymond (Jean Perrat) hat eine masochistische Beziehung zu Martine, und als diese ihn mit seinen Vorlieben erpresst, stimmt er zu, dass Eugénie das Wochenende bei Martine verbringen darf, was die beiden Damen aber ohnehin längst hinter seinem Rücken vereinbart haben.

 

Als Eugénie bei Martine eintrifft, bekommt sie als Initiation einen Spezial-Cocktail. Weiter geht es mit einer Orgie, auf deren Höhepunkt alle maskiert sind, so dass Eugénie erst am Ende (freudig) bemerkt, dass sie mit ihrem Vater geschlafen hat.

Review

Der erste Teil der Handlung ist bekannt. Jess Franco hat sich seinem DIE JUNGFRAU UND DIE PEITSCHE (De Sade 70, 1970) bedient, um diesen Porno für Robert de Nesles Comptoir Français du Film Production (CFFP) zu drehen.

 

Es ist das Frühjahr 1978, und Jess Franco hat im Dezember zuvor seine Arbeit mit dem Schweizer Produzenten Erwin C. Dietrich für beendet erklärt. Irgendwie hat er es geschafft, nach 16 erfolgreichen Filmen für Dietrich nicht einen Franken in der Tasche zu haben, und als er nun wieder nach Paris zieht, nimmt er schnell Kontakt zu zwei alten Bekannten auf: Marius Lesoeur von Eurociné und Robert de Nesle von CFFP.

 

De Nesle ist hoch erfreut, wieder von Franco zu hören, denn finanziell ging es ihm nach Francos Weggang gar nicht gut, und auch seine Gesundheit lässt zu wünschen übrig. Man darf nicht vergessen, so unglaublich es sein mag, Jess Franco war für CFFP und ebenso für Eurociné deren Headliner, denn niemand sonst konnte für die von betreffenden Firmen bewilligten Budgets 90 Minuten Film fertig bekommen und damit obendrein Gewinn erzielen. In Frankreich stand es aber gerade nicht gut um den Erotikfilm, harte Pornographie war angesagt. Da Franco pleite ist, willigt er dennoch ein, drei Filme für Robert De Nesle runterzukurbeln, über die er später kein gutes Wort verlieren würde.

 

Im schönen Farol Hotel in Cascais, Portugal, dreht Franco in nur knapp vier Wochen diese drei Werke: FEUCHTE LIPPEN (Cocktail spécial, 1978), MACH’S NOCHMAL, BABY (Elles font tout, 1979) und JE BRULE DE PARTOUT (1979). Da die Credits von FEUCHTE LIPPEN allerlei Phantasienamen enthalten, bringen wir da erst mal Ordnung rein. Die herbe Schönheit Aida Vargas kannte Franco bereits aus Dietrich-Zeiten, wo sie in DIE SKLAVINNEN (1977) und DIE LIEBESBRIEFE EINER PORTUGIESISCHEN NONNE (1977) zu sehen war. Da Franco lange in der Schweiz war, steht zu vermuten, dass sie die übrigen portugiesischen Darsteller organisiert hat.

 

Die Rolle der Eugénie wird von Beni Touxa gespielt, die auch im folgenden MACH’S NOCHMAL, BABY dabei ist. Die Haushälterin Ana wird von Nicole Velna dargestellt, die in zahlreichen weiteren Hardcore-Filmen mitwirkte. Ein weiterer Hausgast der de Bressacs ist Karine Gambier als Sandra, die natürlich bereits mir Franco gearbeitet hat, etwa in DIE TEUFLISCHEN SCHWESTERN (1977) und anderen. Bei den Männern geht es weniger spektakulär zu. Marius Clavier als Anas Ehemann ist auch in MACH’S NOCHMAL, BABY dabei, scheint aber sonst nichts weiter gemacht zu haben. Vermutlich handelt es sich um das Pseudonym eines portugiesischen Darstellers. Mel Rodrigo ist mindestens in Francos JE BRULE DE PARTOUT nochmals dabei. Eugénies Vater wird von einem unbekannten Darsteller mit dem Pseudonym Yves Laporte gespielt. Die IMDb benennt außerdem Lina Romay, allerdings fälschlich, sie ist nicht dabei.

 

Viel interessanter ist natürlich die Frage, ob FEUCHTE LIPPEN als Film oder als Porno was taugt. Über die Jahrzehnte haben nur grenzwertige VHS-Rips die Runde gemacht, aus Deutschland, Frankreich, Italien und Schweden. Seit Kurzem geistert eine qualitativ etwa bessere Fassung durchs Internet, in farbkräftigerer Bildqualität, Integral und mit mehreren Ton- und Untertitelspuren. Woher die stammt? Keine Ahnung, aber in einigen Szenen sieht man, dass ein Senderlogo verpixelt wurde. Das ist auch der Anlass für meine Review, denn aufgrund der bisherigen VHS-Rips hätte ich mir kein Urteil erlaubt.

 

Für einen Porno ist FEUCHTE LIPPEN durchaus interessant und weist trotz unappetitlicher Über-Großaufnahmen (das kennt man aus Francos Pornos) kreative Kamera- und Beleuchtungs-Momente auf. Der im Originaltitel erwähnte Spezial-Cocktail erfordert einen starken Magen, denn hier wird in einen Eimer mit Alkohol gepisst und gewichst, was Eugénie dann austrinken darf. Von wegen, deutsche Touristen hätten das Eimer-Saufen erfunden. Francos Arbeitstitel „Le goût de sperme“ wurde von De Nesle dann auch als zu widerlich abgelehnt. Es gibt zahlreiche Blasmomente, und Aida Vargas besorgt es Beni Touxa mit einem umgeschnallten Plastikschwanz.

 

Schwer verdaulich ist der Twist am Ende. Es ist Maskenball-Orgie, und anscheinend dient dies nur einem Zweck: Martine will Eugénie unwillentlich zu einer Nummer mit ihrem Vater bringen. Gesagt, getan, und als die Masken fallen, freut sich Eugénie ein Loch im Bauch, „Oh, Papa!“, dann bläst sie ihn weiter, bis es ihm kommt – Darstellerin Beni Touxa dreht allerdings schnell den Kopf zur Seite, mehr war wohl nicht vereinbart.

 

In Deutschland erschien COCKTAIL SPÉCIAL unter dem Titel FEUCHTE LIPPEN, und bisher galt diese als die beste Fassung. Die Bildqualität war annehmbar, und die Dialoge und Musiktracks entsprechen mehr oder weniger dem Original. Viele der Stücke von Daniel White hört man in FEUCHTE LIPPEN zum ersten Mal, Franco würde sie aber in späteren Filmen wiederverwenden. In Schweden erschien die gleiche Fassung auf VHS, diesmal mit dem Videorama-Logo vor dem Beate Uhse-Logo und schwedischen Zwangsuntertiteln. In beiden Fassungen fehlen die Anfangscredits. Diese sieht man auf der französischen VHS, die allerdings nicht wenig zensiert ist, große Teile der Finalorgie fehlen. In Italien griff man auf das Beate Uhse-Master zurück, änderte beim italienischen Dubbing allerdings die Musik. Statt Daniel White hört man nun etwa Pink Floyd oder die Temptations.

 

Ich finde FEUCHTE LIPPEN durchaus sehenswert, auch wenn Franco selbst ihn als Scheiße bezeichnete. Produzent Robert de Nesle starb nur kurz nach Fertigstellung dieser letzten drei Franco-Filme für ihn, am 21. April 1978 im Alter von 71 Jahren. Die Kinoaufführungen erlebte er somit nicht mehr, und Franco hat wohl auch das erhoffte Honorar nicht mehr bekommen.

Links

OFDb

IMDb

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