Allarme a Scotland Yard: sei omicidi senza assassino (ITA)
El muerto hace las maletas (ESP)
The Avenger
The Corpse Packs His Bags
Eine beunruhigende Mordserie hält London in Atem, denn ein Serienkiller geht stets nach dem gleichen Strickmuster vor, indem er seinen Opfern deren eigenen Tod ankündigt, indem er ihre Koffer packt. Sein Markenzeichen ist ein exotisches Wurfmesser, das er mit hoher Präzision bedient und bei jedem Todeskandidaten genau ins Herz trifft. Die Polizei steht vor einem Rätsel, da sich zwischen den Toten zunächst keine Verbindungen herstellen lassen und die Zusammenhänge fehlen. Inspektor Redford (Fred Williams) arbeitet sich in Kleinstarbeit durch den mysteriösen Londoner Nebel und gelangt langsam aber sicher zu wichtigen Erkenntnissen. Hinter der Mordserie scheint eine synthetische Droge namens Meskalin zu stehen, welche ihn zu dem undurchsichtigen Arzt Dr. Bladmore (Siegfried Schürenberg) führt. Hat dieser tatsächlich mit den Verbrechen zu tun, oder befindet sich Redford auf einer völlig falschen Fährte..?
Im Jahr 1961 startete Artur Brauner eine eigene Kriminalserie, die unter dem Banner Bryan Edgar Wallace vermarktet wurde. Ob für einige der jeweils abgehandelten Themen jemals eine Vorlage in Form eines Kriminalromans existiert hat, sei dahingestellt, allerdings liegt diesem Vertreter tatsächlich der Roman "Der Tod packt seinen Koffer" zugrunde. Nichtsdestotrotz konnten die Konkurrenz-Produkte zur erfolgreich angelaufenen Edgar-Wallace-Reihe der Rialto Film für Achtungserfolge sorgen, und manchmal sogar für mehr. Jess Francos 1971 entstandener Reißer "Der Todesrächer von Soho" handelt in etwa die gleiche Geschichte ab, die in der BEW-Premiere "Das Geheimnis der schwarzen Koffer" bereits Verwendung gefunden hatte. Derartige Remakes, Neu-Interpretationen oder Aufgüsse haben es in der Regel schwer, da mögliche Überraschungseffekte oder frische Impulse fehlen. Diese Spät-Variante ist erfreulicherweise wesentlich überzeugender als der angestaubt und teils ungelenk wirkende Vorgänger von Werner Klingler ausgefallen. Die Bryan-Edgar-Wallace-Reihe fand übrigens nach Jess Francos Beitrag mit Armando Crispinos "Das Geheimnis des gelben Grabes" ihr Ende. "Der Todesrächer von Soho" wird naturgemäß mit gemischten Gefühlen aufgenommen und bewertet, vor allem unter dem Kriterium der Regie. So wird der Film einerseits oft als zu konservativ für Franco-Verhältnisse beschrieben, andererseits als zu unwirsch für eine Reihe mit kriminalistischen Prämissen. Bleibt man auf der Vorteils- und Vergleichsseite, wird dieser in vielerlei Hinsicht interessante Flick sehr gut unterhalten können, denn zunächst fällt seine hoch interessante Geschichte ins Gewicht, die sicherlich eine der stärksten innerhalb der kompletten Serie geblieben ist. Ein Killer informiert seine designierten Opfer über deren bevorstehendes Ende, indem er die Koffer packt und vor der Ermordung ein perfides Spiel treibt.
Die Polizei tappt wie so oft im Dunkeln, ebenso wie das interessiere Publikum, für welches sich die anfangs nebulösen Zusammenhänge erst ordnen müssen. Jess Franco und der einschlägig bekannte deutsche Kriminalfilm ist vielleicht am besten als eine aus der Logik entsprungene Zweckgemeinschaft beschrieben, die der Spanier nur temporär aber produktiv bediente, inszenierungstechnisch allerdings hier und da Probleme mit ihr hatte, da es sich ganz offensichtlich um keine seiner großen Herzensangelegenheiten handelte. So bleibt der Haupt-Kritikpunkt eine nicht bis zum Ende aufrecht erhaltene Spannungskurve, die Hintergründe oder Täter zu früh preisgegeben haben. In einem Film wie "Der Todesrächer von Soho" wirkt diese Tatsache nicht weiter gravierend, da er mit vielen Vorzügen aufwartet, die aus konventionellen Mustern ausbrechen, was sich weniger in der Architektur der verarbeiteten Geschichte zeigt, sondern im Rahmen inszenatorischer Belange. Franco entscheidet sich trotz des im deutschen Titel namentlichen erwähnten Settings London weitgehend gegen von Nebel beherrschte Sequenzen und präsentiert unorthodoxe Filter, die wider Erwarten eine schwer zu definierende Aura und ein eigentümliches Flair aufbauen können. Im Kontrast dazu etablieren sich grelle Farben, interessante Schattenspiele, auffällige Requisiten und kontrastreiche Sets, die über eine gewisse Budgetierung berichten wollen, außerdem für Abwechslungsreichtum sorgen, was die Produktion nachhaltig modern erscheinen lässt. Mittels extravaganter Kamera-Einstellungen kommt eine ansprechende Dynamik und sozusagen Leben in diese tödliche Angelegenheit, die von dunkler Vergangenheit, Geheimnissen und überaus weltlichen Beweggründen dominiert wird. In Kombination mit Rolf Kühns kraftvollen Kompositionen, unter denen insbesondere sein leidenschaftliches Stück "Blue Concerto" heraussticht, entsteht ein überaus ansprechendes Gesamtbild, das sich nicht durch gewisse Ungereimtheiten beirren lässt, und unterm Strich fesselnd wirkt.
In dieser Produktion sind erfreulicherweise zahlreiche Veteranen des deutschen Kriminalfilms und im Sinne des Krimis unverbrauchte Gesichter zu sehen, die in ihren unterschiedlich angelegten Rollen für teils beachtliche Momente sorgen. Die Hauptrolle dieser Veranstaltung gestaltet Horst Tappert, der sich hier und da längst in Genre-Produktionen etablieren konnte und zum dritten Mal unter Francos Regie agiert. Auch hier lässt sich sagen, dass sich der Reiz dieser Zusammenarbeit nicht zuletzt aus der Tatsache ergibt, dass man einen Interpreten wie Tappert nicht unbedingt bei Jess Franco erwartet hätte, ihn aber aufgrund seiner Krimi-Erfahrung und der recht konventionellen Leitung des spanischen Filmemachers dankend annimmt. In der Rolle des Autors Charles Barton empfiehlt er sich durch eine vollkommen abgeklärt wirkende Körpersprache, die in Verbindung mit der merklichen Tatsache, dass er der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein scheint, für Sympathiepunkte, aber gleichzeitig auch für eine schwer zu definierende Distanz zum Zuschauer sorgt, da er sich einiger Methoden bedient, die über das Ziel hinaus schießen. Sein freundschaftlicher Umgang mit Inspektor Redfort alias Fred Williams will über lange Intervalle recht gut gefallen, wenngleich sich das Gefühl einstellt, dass nicht immer an einem Strang gezogen wird. Die nebulöse Komponente, in der die meisten Charaktere gefangen sind, ist der Spannung sehr zuträglich, denn im Endeffekt sollte man hier nicht jedem trauen. Völlig erhaben wirkt die aus Granada stammende Schauspielerin Elisa Montés, die bereits Franco-Erfahrung vorzuweisen hatte, allerdings den Raum für das Ausbuchstabieren ihrer Fcetten eingeräumt bekommt. Schön wie nie, kann man Montés dabei begleiten, wie sie in einem immer gefährlicher werdenden Strudel aus Bedrohung und Mord gerät, vor dem sie selbst der Inspektor nicht vollends schützen kann, da zu viele Personen ein doppeltes Spiel treiben.
Überhaupt könnten zahlreiche Personen des Szenarios zur vorzeitigen Auflösung des Falles beitragen, woraus sich eine gut dosierte Grundspannung ergibt, die von den Stars der Manege klassisch ausgespielt wird. Zugunsten Barbara Rüttings und ihres gleichzeitig größeren Namens für eine solche Produktion, rutschte Elisa Montés in den deutschen Credits weit nach hinten, obwohl sie die eigentliche weibliche Hauptrolle des Films inne hat. Barbara Rütting eilte längst der Ruf voraus, die richtige Frau für besondere schauspielerische Anforderungen zu sein, vor allem weil die eher oft spröde und kühl wirkende Berlinerin sich nie als dankbare Handlangerin für den ecken- und kantenlosen deutschen Film herausgestellt hatte. Selbst ihre vergleichbaren Rollen in der Wallace-Reihe heben sich nach wie vor von dem Verlangen nach einheitlichen Gebilden und völlig publikumskompatiblen Zuschnitten der Dramaturgie ab, sodass sie wie geschaffen für die Rolle der verschlagen und skrupellos wirkende Celia ist. Alleine ihre Aufmachung berichtet von gebieterischer Dominanz, dementsprechend kommandiert sie ihren männlichen Handlanger herum und übernimmt Aufgaben, die selbst gestandene Herren nicht immer mit dem kleinen Finger abwickeln würden. In diesem Zusammenhang schließen sich denkwürdige Szenen an, die zu deutlichen Schlüssen verleiten. Ihre übergeordnete Stelle ist eine Frau, von der sie in Sachen Kaltblütigkeit und unerbittlicher Härte wohl noch einiges lernen könnte: Linda alias Beni Cardoso, die mit Jess Franco mehr als die Hälfte ihrer Filme drehte, somit zu dessen spektakulärster Stammgarde gehörte. Wie üblich rückt der Spanier die Damen der Schöpfung auch in diesem Film wesentlich mehr und vor allem interessanter in den Fokus, sodass es die zum Teil prominenten Darsteller schwer haben, sich entsprechend zu profilieren.
Es scheint so, als haben Rollen wie die von Wolfgang Kieling, Siegfried Schürenberg oder etwa Fred Williams nicht den gleichen Schliff, das ebenbürtige Gewicht oder schlicht und einfach das gleiche Interesse erfahren, wie es bei Rütting, Cardoso oder Montés zweifellos der Fall ist, was nicht unbedingt auf die zum Teil übersichtliche Screentime zurückzuführen ist, sondern auf den Umstand, dass Franco in jedem seiner Filme ein weibliches Elixier haben musste. Anhand der thematischen Voraussetzungen werden die Interpretinnen zwar nicht in typischer Manier dienstbar gemacht, bieten aber weitaus mehr an, als in vergleichbaren Produktionen. In Besetzungsfragen bietet "Der Todesrächer von Soho" schließlich einträgliche Variationen an, die so oder so in Erinnerung bleiben. Wie sich bei dem Verfolgen dieser Geschichte herausstellt, versucht die Vergangenheit die Gegenwart zu verdrängen und die Zukunft empfindlich zu beeinflussen. Die bislang unbehelligten kriminellen Elemente der Story sind schnell ausgemacht, denn immerhin stellen sie sich praktischerweise selbst unmissverständlich vor, doch über allem thront ein noch undurchsichtigeres Gemisch als der berüchtigte Londoner Nebel, der nicht so einfach zu durchdringen ist. Ein Mörder wirft seine Messer mit tödlicher Präzision; die Polizei weiß, dass es jedes Mal den richtigen getroffen hat. Doch wer steckt dahinter und vor allem welches Motiv? Jess Franco bietet Verdächtige an, von denen sich jedoch einige selbst aus dem Dunstkreis der potentiellen Täter disqualifizieren, da eine dramaturgische und inszenatorische Ungeduld auszumachen ist, welche die Kirsche auf der Torte letztlich vereitelt. Insgesamt stellt "Der Todesrächer von Soho" dennoch einen mehr als soliden und durch und durch unterhaltsamen Beitrag innerhalb und fernab der Bryan-Edgar-Wallace-Reihe dar, der durch Jess Francos extravagante Handschrift ein besonders hervorstechendes Flair erhält.