Ihr Verbrechen war Liebe

Frankreich | Deutschland, 1959

Originaltitel:

Douze heures d'horloge

Alternativtitel:

Il giorno della violenza (ITA)

Doze Horas de Angústia (POR)

Her Crime Was Love

Twelve Hours by the Clock

...auch Tote zahlen den vollen Preis

Zwölf Stunden Angst

Deutsche Erstaufführung:

15. Januar 1960

Kamera:

Henri Alekan

Inhalt

Den drei Sträflingen Serge (Hannes Messemer), Fourbieux (Lino Ventura) und Kopetzky (Laurent Terzieff) gelingt es, aus einer Strafanstalt bei Nizza zu fliehen. Ihr Ziel ist ein kleiner, unauffälliger Ort am Meer, von wo aus sie mit einem Schiff verschwinden wollen. Doch für das Vorhaben fehlt das nötige Startkapital, außerdem hat keiner der drei Männer einen Pass. Schließlich liegt die Idee nahe, Kopetzkys ehemalige Freundin Barbara (Eva Bartok) aufzusuchen, die vor der Verhaftung dreihunderttausend Francs von ihm erhalten hatte und Serge soll den Betrag eintreiben. Wie sich allerdings herausstellt, wurde Barbara das Geld von ihrem jähzornigen Mann, dem Fotografen Blanche (Gert Fröbe) abgenommen. Um den Männern dennoch helfen zu können, lässt sich Barbara auf eine Erpressung ein, indem sie einem ihrer Verehrer die Pistole auf die Brust setzt. Dieser Schritt wird fatale Folgen haben...

Autor

Prisma

Review

Der ungarische Regisseur Géza von Radványi war über Jahre hin eine bekannte Größe beim Inszenieren von Filmen, die oftmals einen guten Mittelweg zwischen Unterhaltung und gehobenem Anspruch finden konnten. Sein Beitrag "Ihr Verbrechen war Liebe" behandelt eine Kriminalgeschichte, die sowohl dramaturgisch als auch stilistisch überdurchschnittlich ausgefallen ist. In diesem Sinne erspart sich der Verlauf so gut wie jedes reißerische Element, vor allem wurde sehr großer Wert auf charakterliche Finessen gelegt, die in Verbindung mit einem hervorragenden Ensemble Gestalt annehmen dürfen. Des Weiteren ist die hochwertige Bildkomposition zu erwähnen, die der Geschichte ein aussagekräftiges Profil verleiht. In diesem Zusammenhang wird das Umfeld von zahlreichen Kontrasten beherrscht, die Stimmungen und damit verbundene Schwankungen fabrizieren. Radványis exzellente Schauspieler-Führung bewirkt erneut, dass man als Zuschauer mitfühlen, sich teilweise sogar in die Charaktere hineinversetzen kann, jedoch werden nur wenige Möglichkeiten geboten, Sympathien und Berührungspunkte aufzubauen. Also liegt das Hauptaugenmerk auf inneren Abgründen, Kalkül und massiven Widerständen, was wesentlich reizvoller wirkt als bei vielen der seinerzeit entstandenen Geschichten mit beispielsweise handelsüblichem Happy-End. Die wunderbaren Aufnahmen an Original-Schauplätzen an der französischen Riviera stellen sich gegen den brisanten Tenor der Geschichte. Im Inneren der Häuser spielen sich mitunter Schicksale, Tiraden und Tragödien ab. Die zur Verfügung stehende Starbesetzung prägt diese Voraussetzungen sehr individuell, sodass man von ganz besonderen Leistungen sprechen darf, was vor allem auf die weibliche Hauptrolle zutrifft.

 

Radványis "Ihr Verbrechen war Liebe" entstand zu einer Zeit, in der es jedem Film gut gestanden hat, mit dem international anerkannten Markenzeichen Eva Bartok aufzuwarten. Die Darstellerin spielte dementsprechend auch eine Hauptrolle nach der anderen, fungierte als Publikumsmagnet und nahm die unterschiedlichsten Anforderungen in Angriff. Ihre Rolle in diesem 1959 entstandenen Kriminal-Drama weist jedoch einige Unterschiede in der mittlerweile üblichen Präsentation der gebürtigen Ungarin auf. Um die Figur der Barbara so überzeugend wie möglich zu präsentieren, legt Eva Bartok ihren bekannten Charme für die Rolle ab und überrascht auf vollkommen anderen Ebenen. Barbara ist eine Frau, die sich nichts mehr vormacht, da sie in der kalten Realität angekommen ist. Ihre Erscheinung zeigt nicht die übliche strahlende Aura, dennoch verspürt man eine Anziehungskraft, die von ihrer unbestimmten Art her unberechenbar wirkt. Auffällig ist, dass Eva Bartok sich zu keinem einzigen Lächeln, zu kaum einer Gefühlsregung verleiten lässt, ihre Kommentare sind verletzend direkt und mit bitterem Zynismus durchzogen. Lediglich in Situationen, in denen sie andere Personen in Bedrängnis bringen kann, rufen eine versteckte Genugtuung und sozusagen ein inneres Lächeln hervor. Bartok legt hier also den Glamour ab, um zumindest äußerlich vollkommen transparent zu erscheinen, doch in ihrem Inneren deuten sich dunkle Abgründe an, die diese unergründliche Frau allerdings nur andeutungsweise aufklärt. Betrachtet man sie sich genau, so liegt es ihr aber auch prinzipiell fern, sich zu rechtfertigen, sich zu erklären und unnötige Energie für Sisyphusarbeiten aufzuwenden, was hauptsächlich auf die Männer ihres Umfeldes bezogen werden kann.

 

Barbara ist sich ihrer Anziehungskraft und Wirkung auf Männer bewusst, diese Eigenschaften setzt sie mittlerweile allerdings komplett entgegengesetzt ein, um eventuell diejenigen abzuschrecken, die sie zumindest interessant finden könnten. So sieht man eine Art Emotionslosigkeit, die eine positive Komponente erstickt. Ganz offensichtlich ist dies alles das Werk ihres Mannes, der sie in einem Gefängnis der emotionalen Stumpfsinnigkeiten gefangen hält, und obwohl die Tür eigentlich offen steht, gibt es keinen Weg zu entfliehen. In diesem Zusammenhang werden Abhängigkeiten thematisiert, denen Frauen sehr häufig ausgesetzt waren. »Nu spiel bloß nicht die angewiderte Gnädigste, schließlich lebste ja von mir!« Eine bemerkenswerte Szene entsteht kurz danach, als sich Barbara am waschen ist, man bei dieser Gelegenheit verhaltene Einblicke auf ihre versteckte Makellosigkeit werfen darf. Als Gert Fröbe schließlich in diese Szene hinein poltert, bemerkt man als Zuschauer das, worum es in diesem angespannten Verhältnis, das längst gar keines mehr ist, geht. Er wirft ihr vor, dass sie Freude daran habe, ihm mit ihrer Freizügigkeit das vor Augen zu halten, was er eben nicht haben kann. Und es stimmt, denn Eva Bartok unterlegt diese Sequenz mit abschätzigen, beinahe angewiderten Blicken und demütigenden Kommentaren der subtilen, und daher noch verletzenderen Sorte. So stellt man beim Blick auf diese eigentlich zutiefst traurige und bereits abgestumpfte Frau fest, dass das Unvermeidliche und das Schicksal nicht zu ändern ist. Abschließend darf gesagt werden, dass es Eva Bartok eindrucksvoll gelungen ist, ihre anspruchsvolle Charakterrolle zu meistern, die im Endeffekt ja eine Anforderung darstellt, die der zeitgenössische Film nicht sehr oft von ihr verlangt hat.

 

Verheiratet mit einem Choleriker, und in einem Vakuum sitzend, schleppt sie sich durch den stupiden Alltag, bis sie von der Vergangenheit heimgesucht wird. Dies kommt ihr wie es scheint gar nicht so ungelegen, da sie die Möglichkeit aufspürt, ihrem Gefängnis endgültig entfliehen zu können. Ihren Mann spielt Gert Fröbe in eindeutiger und gleichzeitig unverwechselbarer Manier, dabei lehrt einen der gerne gesehene Interpret nahezu das Fürchten. Vor allem überzeugt er im Rahmen seiner temperamentvollen Ausbrüche, die zwar hin und wieder etwas unmotiviert wirken, beim Blick auf die Gesamtsituation dennoch verständlich sind. Hannes Messemer, Laurent Terzieff und Lino Ventura stellen das Ausbrecher-Gespann, und sie verleihen ihren Rollen unterschiedlich angelegte Profile, aber jeder einzelne beweist die Fähigkeit tiefenbetonter Interpretationen. Überhaupt ist der Film bis in die Nebenrollen aussagekräftig besetzt. Zu erwähnen ist noch die Französin Ginette Pigeon, die den Beobachter mit präziser Überheblichkeit irritiert. "12 Stunden Angst", so der alternative Titel dieser Geschichte, ist unterm Strich ein wirklich guter Film geworden, der vor allem durch seine stille, beziehungsweise fast schon sterile Tragik mitreißen kann. Géza von Radványi spart sich bei der Abhandlung weitgehend laute Aufschreie und schildert die Thematik begreiflich, gerne auch prosaisch und ohne Windungen. Hin und wieder leidet das Tempo zugunsten breit angelegter Dialoge, die im Allgemeinen aber sehr hochwertig ausgefallen sind. Unterm Strich liefert dieser Beitrag sehr gute, bei aller Konfrontation sogar sensible Momente, und kann durchgehend für die anvisierte Aufmerksamkeit sorgen. Weniger Spektakel und ein gesunder Anspruch lassen diesen Film zu den hochwertigeren Kollaborationen der deutsch-französischen Filmkunst werden, die der geneigte Zuschauer erwartet. Sehenswert.

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Prisma

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