I Burn All Over

Frankreich, 1979

Originaltitel:

Je brûle de partout

Alternativtitel:

Dossiers mineures (FRA)

Ik ben overal heet (BEL)

Rapt de nymphettes (FRA)

Regisseur:

Jesús Franco

Kamera:

Alain Hardy

Inhalt

Jenny Goldstone (Susan Hemingway) lässt sich in einem Club von Tom (Didier Aubriot) abschleppen. Da sie noch Jungfrau ist, erlaubt sie ihm nur Analsex, wobei sie von Lorna (Brigitte Lahaie) assistiert werden. Plötzlich betäubt Lorna das junge Mädchen und sie und ihr Liebhaber verkaufen Jenny an einen Mädchenhändlerring. Jenny erwacht in einem Keller, wo sie und andere Mädchen konstant mit einem aphrodisierenden Gas in permanenter Geilheit gehalten werden.

 

Als Lorna und Tom aus der Zeitung erfahren, dass Jenny die Tochter eines wohlhabenden Industriellen ist, wollen sie Lösegeld erpressen, wozu sie Jenny natürlich zurückbekommen müssen. Bei einem entsprechenden Befreiungsversuch bringt die Puffmamsell (Beni Touxa) sie um die Ecke. Schließlich taucht der geheimnisvolle Betreiber des Bordells dort auf, denn auch er möchte die neue Jungfrau vernaschen – nur um festzustellen, dass es sich um seine entführte Tochter Jenny handelt.

Review

JE BRULE DE PARTOUT (I burn all over) – ursprünglich unter dem Arbeitstitel „Rapt de Nymphettes“ entstanden – ist der letzte von drei Filmen, die Jesús Franco im Frühjahr 1978 für CFFP drehte, kurz vor dem Tod des Produzenten Robert de Nesle. Bis vor Kurzem war JE BRULE DE PARTOUT ausgesprochen schwer zu bekommen, im Internet kursierten lediglich ein VHS-Rip und eine anscheinend von der Leinwand abgefilmte Kopie, beide von zweifelhafter Qualität. Ebenso wie die anderen beiden, MACH’S NOCHMAL, BABY (Elles font tout, 1979) und FEUCHTE LIPPEN (Cocktail spécial, 1978), entstand der größte Teil des Films im Farol Hotel in Cascais, Portugal, dennoch ist JE BRULE DE PARTOUT von diesen drei Filmen noch der Bemerkenswerteste. Eigentlich ist er sogar verdammt gut.

 

Im Gegensatz zu den anderen beiden genannten Filmen, gibt es Außenaufnahmen, auch eine bemerkenswerte Anzahl von Nebendarstellern, bzw. Statisten. Unter ihnen befindet sich ungenannt beispielsweise Esther Studer, sowie Martine Fléty und Aida Vargas. Ungewöhnlich ist auch, dass für diesen preiswerten Film, der nicht mal einen Vorspann hat, sondern bei dem die Credits einfach von einem Sprecher reingequasselt werden, Daniel White nicht nur einen kompletten, sondern ausgesprochen interessanten Soundtrack neu komponiert und eingespielt hat. Man bekommt recht komplexen Free Jazz zu hören, in gekonnter Besetzung.

 

In nur sechs Tagen Drehzeit fügt Franco selbstredend allerlei Bekanntes ein. Ein Mädchen wird entführt und an Mädchenhändler verschachert, diese Story hat er nicht zum ersten Mal gemacht. Ein aphrodisierendes Gas hält die Gefangenen*innen in permanenter Geilheit, DAS FRAUENHAUS/BLUE RITA (1977) lässt grüßen. Und dann ist da der Twist am Ende, wo Jess Franco den schockierenden Schluss vom Vorgänger FEUCHTE LIPPEN (da freut sich der Vater, seiner Tochter den Schwanz in den Mund stecken zu können, und sie freut sich ebenso) erfährt in JE BRULE DE PARTOUT einen moralischeren Ausgang, den man fast schon als Charakterzeichnung verkennen könnte. Dann taucht noch Al Pereira auf, aber lassen wir das.

 

Stilistisch kann ich JE BRULE DE PARTOUT eigentlich nur Jess Franco-Fans empfehlen. Der Stil ist experimentell, erinnert mitunter nicht nur an seine Golden Films-Phase, sondern nimmt gar seine DigiCam-Versuche vorweg. In anderen Worten, der Zuschauer bekommt es mit sehr langen Einstellungen zu tun. Aber auch wer sich nur aufgeilen will, ist hier nicht verkehrt. Die Eröffnungs-Sexszene mit Susan Hemingway, Brigitte Lahaie und Didier Aubriot ist schon ziemlich scharf.

 

Bei Fortschreiten des Films ist mit einem überraschenden Anteil an diversem Sex zu rechnen. Als Jenny defloriert wird, bekommt ihr Freier es gleichzeitig von Hinten besorgt, nämlich vom androgynen Bruder der Puffmutter. Später, wenn Jennys Vater auf den Plan tritt, bekommen wir es nochmals mit einem bi-sexuellen Szenario zu tun. Unter den Darstellern, die die Gäste und Angestellten des Bordells verkörpern, gibt es weitere Figuren, deren Geschlechter nicht eindeutig identifizierbar sind. Franco zeigt solches in JE BRULE DE PARTOUT zum ersten aber nicht zum letzten Mal, jedoch nie wieder so ausgedehnt.

 

JE BRULE DE PARTOUT schrammt hart an der Grenze zur Pornographie vorbei, Gerüchte über eine härtere Fassung halten sich jedoch hartnäckig. Eigentlich wäre eine solche auch logisch. Aufgrund einer veränderten Gesetzeslage dürfte ein Film wie JE BRULE DE PARTOUT in Frankreich nur in Pornokinos gezeigt werden. Also warum keinen Porno machen, wenn die Zuschauer einen solchen erwarten und die beiden Vorgänger mit der weitgehend gleichen Besetzung auch Pornos waren? Das ist natürlich nur Spekulation, aber nach Sichtung der französischen Blu-ray von Pulse kann ich sagen, dass die Sexszenen im Film immer dann abrupt abbrechen, wenn es expliziter zu werden schien.

 

Die erste Zusammenarbeit von Brigitte Lahaie und Jesús Franco war von Konflikten getrübt. 1986 gab Lahaie ein Interview, in dem sie von persönlichen Problemen spricht, wegen denen sie das Set möglichst schnell wieder verlassen und nach Paris zurückkehren wollte. In ihrer berüchtigten Autobiographie „Moi, la scandaleuse“ von 1987 schmückt sie diese Geschichte ordentlich aus und streut damit Gerüchte, die Jess Franco erstaunlicherweise ähnlich erzählte. Heutzutage kehrt Lahaie zu ihrer ersten Version zurück, untermauert diese gar plausibel mit Einzelheiten. Sie ist überarbeitet. An Francos Set fühlt sie sich nicht wohl, da alle Beteiligten nur Portugiesisch oder Spanisch sprechen, sie fühlte sich ausgeschlossen. Da Franco nur eine knappe Woche für diesen Film brauchte, bittet er sie, noch Szenen für einen weiteren Film zu drehen, denn sie war für zwei Wochen vertraglich verpflichtet. Lahaie lehnt ab, will schnellstmöglich nach Paris zurück.

 

Mir hat JE BRULE DE PARTOUT sehr gefallen, aber ich bin ja auch Franco-verrückt. Dennoch: trotz Niedrigst-Budget und lächerlicher Drehzeit hat Franco sowohl Brigitte Lahaie als auch Susan Hemingway in JE BRULE DE PARTOUT hervorragend in Szene gesetzt, zudem sind die Nachtclub-Szenen äußerst atmosphärisch gelungen. Bei den Szenen, in denen die Gefangenen sich im Keller notgeil und schwitzend auf ihren Matratzen wälzen, hat man das Gefühl einen voyeuristischen Blick in einen lesbischen Darkroom zu erhaschen, falls es sowas gibt. Also volle Punktzahl für den Erotik-Faktor, für Plausibilität gibt’s bei Franco eh keine Punkte. Ergo, ein Hauptgewinn für Franco-Fans.

Links

OFDb

IMDb

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