Am Ende ihrer Hochzeitsreise haben das Ehepaar Mary und Oliver (Karin Dior und José llamas) noch eine Dschungeltour vor sich. Bei der Auswahl ihrer Führer waren sie jedoch unvorsichtig, und so werden sie von dem Gaunerehepaar Sylvia und Mark (Mabel Escano und José Miguel García) und deren Junkie-Komplizen Marco (Diego Porta) gegen Diamanten an einen Eingeborenen-Stamm verkauft. Zumindest Mary, die zu gegebener Zeit dem Dino-Gott geopfert werden soll, Oliver fängt sich dagegen eine Kugel.
Der unvorsichtige Marco bezahlt seine nächste 20 Kilo-Heroinlieferung (wow, was für ein Eigenbedarf!) mit Diamanten, was das Interesse seiner Dealer hervorruft. Die wollen selbst an die Steine ran und zwingen Mark – nachdem sie Marco und Sylvia getötet haben - sie zu den Eingeborenen zu führen. Indessen hat eine geheimnisvolle Karate-Lady (Lina Romay) den verwundeten Oliver aufgelesen und ihm versprochen, Mary aus den Fängen der Wilden zu befreien. Es kommt zum Showdown.
Während Jess Franco noch für Golden Films an dem vollendeten aber vermutlich nicht endmontierten LA VENGANZA DE LA RINOCERONTE BLANCO (1985) arbeitet, kramte er nebenbei ein von Santiago Moncada bereits 1976 verfasstes Drehbuch heraus und dreht so nebenher LA ESCLAVA BLANCA. Da von Golden Films kein Geld mehr fließt, landet LA VENGANZA DE LA RINOCERONTE BLANCO in der Schublade, und LA ESCLAVA BLANCA gibt er als Santiago Moncada-Produktion aus und verkauft ihn auf dem Videomarkt.
Dass LA ESCLAVA BLANCA nichts für den Kinomarkt war, überrascht nicht. Dieser Dschungelfilm mit Gangster-Motiven ist völlig am Zeitgeist vorbei, mickriges Budget, wenig Gewalt, kein Sex und die Story sowieso. Endmontage und Dubbing hat Franco offensichtlich selbst vorgenommen, so hört man seine Stimme als Papagei und als Junkie Marco. Aber auch das Dubbing scheint ein Schnellschuss gewesen zu sein, denn dabei sind ein paar lustige Fehler unterlaufen.
Die Eingeborenen weisen ausdrücklich darauf hin, dass das geplante Opfer Weiß, Blond und Jungfrau sein muss. Darstellerin Karin Dior ist zwar tatsächlich blond, nicht jedoch in diesem Film. Da hat man ihr eine muffige Schwarzhaar-Perücke aufgesetzt. Und wieso sollte eine Frau in den Flitterwochen noch Jungfrau sein? Aber da ist noch mehr. Im Dialog sorgen sich die Gangster um den „alten Führer“, den das Ehepaar mitgebracht hat…Moment. Wo denn? Da ist doch gar keiner? Jedenfalls noch nicht. Denn der alte Dschungel-Exzentriker im Fred Feuerstein-Outfit mit Gummikeule begleitet erst am Schluss Lina Romay und José lllamas bei der Rettung der vermeintlichen Jungfrau in den Dschungel. Vorher hatte er offensichtlich keine Zeit, das war Franco beim Dubbing wohl entfallen.
Während die Inszenierung tödlich langsam verläuft, können dennoch die zwei (nicht benannten) Heroindealer punkten. Die kommen bedrohlich genug rüber, gerade wegen ihrer Unberechenbarkeit zwischen Komik und dem was sie selbst komisch finden (rohe Gewalt). Bei einem der Beiden könnte es sich möglicherweise um Rafael Cayetano (Andros aus THE SINISTER DR. ORLOFF, 1984) handeln. Mit recycelter Musik aus JUNGFRAU UNTER KANNIBALEN (1980), LILIAN, THE PERVERTED VIRGIN (1984) und MACUMBA SEXUAL (1983) gelingt es Franco tatsächlich, gelegentlich eine düstere Atmosphäre zu erzeugen, die zum gemächlichen Tempo passt. Die Besetzung von LA ESCLAVA BLANCA ist in weiten Teilen identisch mit dem Personal aus LA CHICA DE LOS LABIOS ROJOS (1986), abzüglich Antonio Mayans.
Lina Romays Karate-Künste sind niedlich, doch endlich sieht man sie mal wieder mit langem, wallendem Haupthaar. Aber ihre Rolle in LA ESCLAVA BLANCA bleibt rätselhaft. Sie hat Oliver zwar versprochen, ihm bei der Rettung seiner Frau zu helfen, macht aber deutlich, dass ihr Hauptinteresse den Heroindealern gilt. Doch wieso? Es steht entweder ein persönliches Motiv zu vermuten oder dass sie Undercover-Polizisten oder Geheimagentin sein könnte, aber eine Erklärung bekommt der Zuschauer nicht.
LA ESCLAVA BLANCA gehört zu den schwächeren Filmen Jesús Francos, dennoch hat er seine Momente. Und wieder beschleicht mich der Verdacht, dass mein Hirn vom vielen Jess Franco-Gucken weich geworden ist – denn niemand sonst scheint diesem Film etwas abgewinnen zu können. Am Schluss wartet jedenfalls ein typischer Franco-Billigmoment: obwohl seit der Entführung Marys und ihrer Rettung ein bis zwei Wochen vergangen sein dürften, steht sie noch immer an exakt der derselben Stelle mit Hemd und ohne Höschen. Muss anstrengend gewesen sein. Und wer möchte noch eine aus DER SCHATZ DER SIERRA MADRE (1948) abgekupferte Message zum Schluss?