Force noire (FRA)
Roots of Evil (USA)
Nach dem mysteriösen Tod seines Karate-Meisters betreibt Frank Mertens (Christian Anders) selbst eine Karateschule in Madrid, ganz der Philosophie und des Andenkens seines einstigen Lehrers folgend. Doch es droht Gefahr durch den Gangster Van Bullock (Deep Roy), der Mertens Schule aufkaufen will, um dort selbst eine Kampfschule zu eröffnen, die allerdings nur als Fassade für seine Heroingeschäfte dienen soll. Van Bullock macht Mertens ein Angebot, dass er nicht ablehnen kann – doch Mertens ist dennoch nicht interessiert, und so kommt es zum Äußersten. Van Bullock schickt seine Gespielin Cora (Dunja Rajter), um Mertens zu verführen und Heroin in seine Tasche zu schmuggeln. Mertens wird verhaftet und durchschaut das böse Spiel nur mithilfe seiner Freundin Ingrid (Maribel Martín). Als er dann noch herausfinden muss, dass Van Bullocks Gehilfe Komo (Fernando Bilbao) der Mörder seines Meisters ist, sieht er endgültig Rot. Doch Rache hat ihren Preis.
Sänger und Kampfsportler Christian Anders sammelte bereits Anfang der Siebziger erste Schauspielerfahrung in einigen deutschen Schlagerkomödien, die für normale Menschen heute kaum noch ansehbar sind. Aber wir sind ja keine normalen Menschen. Die Idee für einen eigenen Film mit Kampfsport-Action gebar wie so oft aus dem zeitnahen Zusammentreffen von Ereignissen, die einfach zusammenpassten. Ich erwähne das, weil die meisten Filmprojekte letztendlich daran scheitern, dass irgendeine unerlässliche zeitliche Komponente oder ein Ereignis fehlen, mit denen aus kleinen Begebenheiten ein größerer Zusammenhang entsteht, der letztendlich zum Gelingen führt.
In diesem Fall gab es einmal Christian Anders Freundschaft mit dem Kampfsport-Kollegen Wolfgang Schütte. Hier entstand nicht lange zuvor ein Fotoroman für eine deutsche Zeitschrift, die wohl die Schablone für das spätere Drehbuch von „Die Brut des Bösen“ lieferte. Kurz darauf sollte Schütte Probeaufnahmen für eine TV-Serie in seinem Sport-Studio anfertigen, die allerdings nicht zustande kam. Nahezu zeitgleich verkündete Leo Kemkes, dass er ein bis zwei Millionen in einen Film mit Christian Anders investieren würde, und Sean Connery (!) riet seinem Bekannten Christian Anders zu Antonio Tarruella und den Studios in Madrid für die Umsetzung dieses Filmprojekts. Anders‘ Kontakte verhalfen dem Projekt auch zu Schauspiel- und Sängerkollegin Dunja Rajter für die Rolle der Cora. So die Kurzfassung der Geschichte.
Von der spanischen Seite gibt es ebenfalls ein paar bekannte Gesichter für Genrefans zu entdecken. Das „größte Gesicht“ ist natürlich Fernando Bilbao. Der Hüne ist in Filmen wie Jess Francos „Die Nacht der offenen Särge“ (1972) als Frankensteins Monster zu entdecken, ebenso wie in „Freibeuter der Meere“ (1971) an der Seite von Terence Hill und vielen anderen Werken aus Spanien und Italien. Frank Mertens Sekretärin/Freundin Ingrid wird dargestellt von der hübschen Maribel Martín, die man mindestens aus Serradors „Das Versteck“ (1970) und Claudio Guerins „Ein Toter lacht als Letzter“ kennen sollte. In einer kleinen Rolle ist Cris Huerta zu erkennen, bekannt aus zahlreichen Italo- und Paella-Western. Sein Filmdebut hatte Huerta jedoch bereits 1961 in Carlo Campogallianis „Ursus, Rächer der Sklaven.“ Unbedingt erwähnt sei selbstredend Deep Roy in seiner Rolle als Gangster Van Bullock, denn diese spielt er mit mächtig viel Spaß, auch wenn sicher nicht alles angenehm war. Deep Roy ist kleinwüchsig, und von zwei der Darstellerinnen gesagt zu bekommen, dass sie seine Stimme nicht ertragen könnten, war sicher hart. Doch hierzu äußert er sich ganz ähnlich wie Christian Anders selbst über so manche Gernegrößen mit einem verschmitzten Ich bin noch da und bin noch immer Schauspieler. Und erstaunt nimmt man als Zuschauer zur Kenntnis, wie oft man diesen Deep Roy schon gesehen hat, womöglich ohne es zu wissen, von Inspektor Clouseau über Star Wars und Die Unendliche Geschichte bis hin zu den neuen Star Trek-Kinofilmen.
Nun zum Film selbst. Man hatte Christian Anders für sein Regiedebut den durchaus erfahrenen Regieassistenten Antonio Tarruella (100 Gewehre, Chatos Land, Kalter Hauch) zur Seite gestellt, und heute scheint Anders es zu bereuen, nicht öfter auf ihn gehört zu haben. Ansonsten schließe ich mich seinem Kollegen Wolfgang Schütte an, dass „Die Brut des Bösen“ etwas mehr Action hätte vertragen können, einige Szenen sind sehr langwierig und die doch recht überschaubare Handlung recht gedehnt. Dennoch macht „Die Brut des Bösen“ viel Spaß und man kann diesem deutschen Karatefilm selbst nach fast 40 Jahren seine Ansehbarkeit kaum absprechen. An dieser Stelle würde ich gerne noch erwähnen, dass weder meine Partnerin noch ich selbst seine Ansicht über die Gesangskünste von Ria Kemp (Frau des Produzenten) teilen konnten – das war doch furchtbar. Egal. Obwohl viele der Darsteller kein oder nur wenig Englisch konnten, hat man wohl weitgehend in Englisch gedreht, zu Bevorzugen ist aber die deutsche Synchro, die einige Unzulänglichkeiten wieder wettmacht.
Trotz erkennbaren Martial Arts-Filmstrickmustern (etwa friedlicher Schüler wird durch beharrliche Gangster erst zur Gewaltanwendung gezwungen und rächt schließlich den ermordeten Meister) folgt „Die Brut des Bösen“ letztendlich europäischen Standards mit der Message, dass man mit Selbstjustiz nicht davonkommt. Ein Schema, dass auch bei Bruce Lee zu finden war und mit „Die Todesfaust des Cheng Li“ für HK-Zuschauer relativ neu war. Überhaupt hat mich so einiges inhaltlich an die Bruce Lee-Filme erinnert, etwa das behäbige Tempo mit plötzlichen Höhepunkten.
Was soll man zur Veröffentlichung von „Die Brut des Bösen“ durch Subkultur Entertainment groß sagen? Kino- (86 Min.) und Langfassung (99 Min.) in 1080p, Audiokommentar, Interviews mit Christian Anders, Deep Roy und Wolfgang Schütte, Soundtrack, Easter Eggs, Trailer – man hat alles aus dieser Veröffentlichung rausgeholt, was zu machen war. Trotz jahrelanger Probleme bezüglich der Rechtslage des Streifens.