Amigos

Komponist:

Ennio Morricone

Erscheinungsart:

Vinyl

Erscheinungsjahr

1978
  • E per tetto un cielo di stelle:
    1 – Inseguimento all’alba
    2 – Un tetto di stelle
    3 – Ripresa seconda
    4 – Inconsueto grottesco
    5 – Banjo e zufolo
    6 – Un tetto di stelle

     

    Chi l’ha vista morire?
    7 - Chi l’ha vista morire?

     

    L’uomo e la magia
    8 – Adagio sacrale No. 1

     

    Attenti al buffone
    9 – Grande ouverture

     

    Chi l’ha vista morire?
    10 – Solo grida

Dass Ennio Morricone einer der verdammt größten Komponisten der Musikgeschichte ist, das setze ich jetzt mit einem dreckigen Grinsen im unrasierten Gesicht einfach mal als allgemein bekannt voraus. Wie groß sein musikalisches Genie tatsächlich ist, das merke ich selber oft erst dann, wenn ich von den Morricone-Top-Ten einmal abweiche und in die kleineren und unbekannteren Kompositionen ausweiche. Da kommen oft Perlen zum Vorschein, von denen andere Komponisten nicht einmal in ihren Hauptwerken träumen. Der Soundtrack zum Film AMIGOS ist zum Beispiel so eine Perle. Den Film durchzieht eine perfekt ausgewogene Mischung aus Melancholie, leiser Komik und gesunder Härte, und abzüglich der Härte spiegelt die Musik diese Stimmung genauso perfekt wieder. Kennt man den Film, ziehen die Bilder am Zuhörer vorbei, und kennt man ihn nicht, dann entstehen die Bilder fast wie von selbst …

 

Eine einsame kratzende Geige zieht einsame Töne, und für kurze Zeit wähne ich mich auf einem Mittelaltermarkt wo die Charts des Jahres 1348 gespielt werden. Aber schnell setzt ein Geigenorchester ein und zeigt mir woher der Wind weht, nämlich aus den klassischen Italowestern von Sergio Leone. Die anschließend einsetzende Melodie Inseguimento all’alba wirkt wie eine leichtere Variante von VON ANGESICHT ZU ANGESICHT: Vor dem geistigen Auge rollt eine Kutsche durch die Wüste, und die Stimmung transportiert perfekt diese spezielle Mischung des Films: Ein klein wenig Leichtigkeit, ein klein wenig Wehmut, ein klein wenig Western-Tragik.

 

Mit einem Pfeifen wird dann die eigentliche Titelmelodie Un tetto di stelle eingeläutet, die im Wesentlichen aus einem tieftraurigen Trompetenthema mit Orchester besteht. Erinnerungen an TODESMELODIE werden wach, und auch wenn man den Film nicht kennt wird dem Zuhörer schnell klar, dass hier irgendetwas Schreckliches und Dramatisches passiert sein muss.

 

Es folgen noch einmal das Inseguimento-Thema in einer exaltierteren Version (klingt fast wie ein 12’’-Dancefloor-Remix, so sehr geht das Teil in die Beine), und eine wunderschöne Melodie aus Banjo und Cello, die irgendwo zwischen Komik und Verzweiflung angesiedelt ist. Inconsueto grottesco, der Titel trifft es ... Leider nur ein kurzes Zwischenstück, dann kommt ein melancholisches Stück auf dem Banjo, welches auch einem späten Bud Spencer-Flick gut zu Gesicht stehen würde. Dann noch einmal eine Art Medley aus dem gepfiffenen Titelthema und der Kutschenfahrt, und die erste Seite dieses Albums ist auch schon viel zu schnell vorbei.

 

Auf der zweiten Seite haben die Produzenten dankenswerterweise darauf verzichtet scoretypische Füllsel wie Saloonmusik und das Stimmen der Perkussionsinstrumente zu präsentieren. Stattdessen knallt einem der Kinderchor aus THE CHILD – DIE STADT WIRD ZUM ALPTRAUM um die Ohren: „Chi l’ha vista morire?“ singen sie, und der Totentanz groovt und macht ungeheuer Lust diesen erstklassigen Giallo mal wieder zu sehen.

 

Es folgt das klassische Adagio Sacrale No. 1 aus dem Fernsehfilm L’UOMO E LA MAGIA aus dem Jahr 1972. Der Zuhörer wird in düstere Klangwelten gesaugt, die irgendwo zwischen Dead Can Dance und einem Mafiadrama angesiedelt sind. Sehr erhebend, sehr beeindruckend, und einfach nur wunderschön anzuhören. Lisa Gerrard wäre da das Sahnehäubchen gewesen …

 

Die letzten zwei Stücke passen dann nicht mehr so ganz in das melancholische Gesamtkonzept des Albums, handelt es sich bei ATTENTI AL BUFFONE um eine Komödie, die musikalisch eher in der Ecke von PROVVIDENZA angesiedelt wirkt, und die abschließende Mischung aus Kinderchor, Kirchenorgel und Jazz namens Solo grida, die erneut aus THE CHILD stammt und sehr stark an sein Dies Irae aus Damiano Damianis VERBANNT erinnert, ist Morricones Jazz-Phase zuzuordnen, die ich persönlich jetzt nicht so sehr präferiere. Aber das ist mein individueller Geschmack, andere mögen diese Schaffenszeit sehr gerne, woran ja nun wirklich nichts Schlechtes ist, und in diesem Fall ist die Abrundung des Albums gelungen.

 

Insgesamt wirkt das Album trotz der letzten zwei Stücke wie aus einem Guss: Ein Hauch von Melancholie, ein Hauch von Härte, ein Hauch von Tragik. Und Melodien zum Dahinschmelzen. Wer etwas für die getrageneren Melodien der klassischen Hochphase der Western übrig hat kann hier kaum etwas verkehrt machen.

 

Der eigentliche Soundtrack zu AMIGOS ist 2002 auf einer CD wiederveröffentlicht worden, dort allerdings ist dann der gesamte Score enthalten, die Stücke der zweiten Seite der LP fehlen. Das mag jeder für sich entscheiden, ich persönlich bin mit der LP absolut zufrieden, weil zum einen die Gesamtstimmung passt, und zum anderen weil ich nerviges Saloongeklimper bis zum Abwinken in der Sammlung stehen habe. Auch ist die LP im Internet trotz der Limitierung auf 500 Stück leicht erhältlich, im Gegensatz zur CD.

Autor:

Maulwurf

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