Die Zielscheibe

Großbritannien | USA, 1969

Originaltitel:

Taste of Excitement

Alternativtitel:

El amargo sabor del miedo (ESP)

Why Would Anyone Want to Kill a Nice Girl Like You? (USA)

Regisseur:

Don Sharp

Kamera:

Paul Beeson

Inhalt

Die Engländerin Jane Kerrell (Eva Renzi) wollte eigentlich nur einige unbeschwerte Tage an der französischen Riviera verbringen, doch schon bald wird ein Mordanschlag auf die junge Frau verübt. Sie und die Polizei stehen vor einem Rätsel und die Ermittlungen werden schnell wieder eingestellt, da man ihr aufgrund der vagen Informationslage nicht helfen kann. Plötzlich heftet sich der Psychiater Doktor Forla (George Pravda) an die Touristin und möchte ihr einreden, dass sie seine Hilfe brauche. Schon bald folgen weitere Anschläge. Glücklicherweise findet sie in dem Maler Paul Hedley (David Buck) einen verlässlichen Verbündeten, der ihr bei allen Gefahren fortan zur Seite steht. Doch was steckt dahinter und wer will Jane umbringen lassen? Eine Spur führt schließlich zu einem von Davids Kunden namens Hans Beiber (Paul Hubschmid), der Jane angeblich einen Job anbieten will, und auf dessen Anwesen es nur von Verdächtigen wimmelt...

Autor

Prisma

Review

In der Filmografie von Eva Renzi handelt es sich bei "Taste of Excitement" um ihren ersten Spielfilm, der in der Bundesrepublik bis dato keine Kino-Auswertung erfahren hatte. Erst im Jahr 1981 gab es für Don Sharps Beitrag unter dem Namen "Die Zielscheibe" eine Deutschlandpremiere im Nachtprogramm des ZDF, und zu diesem Zweck wurde auch eine TV-Synchronisation angefertigt. Rückblickend ist es schade, dass der Film seinerzeit nicht die Aufmerksamkeit bekam, die er bestimmt verdient hätte, denn er besitzt ganz spezielle Vorzüge die das Anschauen lohnenswert machen. Natürlich war es zur Zeit der Produktion noch so, dass zahlreiche Filme gleichen Musters auf den Markt gebracht wurden, die viel mehr Spektakel und Action zu bieten hatten. "Taste of Excitement" ist sozusagen über weite Strecken ein seelenruhiger Vertreter seines Genres geworden, dessen Stärken im linearen Aufbau und der atemberaubenden Bildgestaltung zu finden sind. Der Einstieg in den Film vermittelt eine Art trügerisches Urlaubsflair, die Hauptperson Jane Kerrell meistert die scharfkurvigen Straßen an der französischen Riviera mit ihrem roten Mini Cooper, nicht ohne sich die Zeit zu nehmen, den Panoramablick aufs Meer zu genießen und womöglich genau das zu tun, wofür diese Reise ursprünglich gedacht war. Plötzlich taucht jedoch ein weißer Mercedes-Benz im Rückspiegel auf und der aggressive Fahrstil verheißt nichts Gutes, da alleine die Größenverhältnisse der beiden Wagen einen ungleichen Kampf andeuten. Nachdem das Auto der weiblichen Hauptperson beinahe in den Abgrund gedrängt wurde, setzt der hoch atmosphärische Vorspann als eine Melange aus Standbildern und Szenen nach dem Zwischenfall ein, der deutlich darauf hinweist, dass der komplette Verlauf von Hauptakteurin Eva Renzi dominiert werden wird.

 

Die offenkundige Strategie des Verlaufs ist eindeutig wie simpel in der Anlegung, denn das Prinzip einer verfolgten Sympathieträgerin geht wohl immer effektiv auf, und "Taste of Excitement" zieht seine subtile Spannung vor allem aus einer Quelle - nämlich der Fragestellung, warum es überhaupt zu diesen Zwischenfällen mit der attraktiven Hauptperson kommt; immerhin wird ihre Integrität niemals infrage gestellt und sie bleibt ein vollkommen unbeschriebenes Blatt. Ganz im Sinne der Architektur der Geschichte sieht man Eva Renzi zunächst vollkommen unscheinbar in ihrer Erscheinung und nervlich derartig angegriffen, dass ein bevorstehender Kollaps durchaus in Erwägung gezogen wird. Als Zuschauer sieht man vor allem wegen der schnellen und überaus bedrohlichen Einführung in die Geschehnisse keine Veranlassung für diese Szenen, da es diesbezüglich auch keinerlei Erklärungen oder Hintergründe gegeben hat. Eine unbescholtene Frau, offensichtlich ohne großes Vermögen oder dunkle Geheimnisse, wird von Unbekannten offensiv bedroht. Ohne Zusammenhänge zu kennen kommt man dennoch zu dem Schluss, dass subversive Elemente im Hintergrund agieren, die ihre Zielscheibe auch alles andere als zufällig ausgewählt haben dürften. In Betracht wird unter solchen Voraussetzungen naturgemäß eine breite Palette von Möglichkeiten gezogen, die alles zwischen Kanonenfutter für Ablenkungszwecke, über finanzielle Belange, bis hin zu politischen Hintergründen mit einbezieht. Selbstverständlich wird die sorgsam und aufmerksam agierende Regie dieses Rätsel lösen, doch vorher wird noch eine spannender Verlauf in Form eines Puzzlespiels angeboten, dessen Zusammensetzen sich als sehr lohnenswert herausstellt. Allerdings braucht man auf keinen Selbstläufer zu spekulieren, denn Sharp setzt weniger auf Spektakel als auf inszenatorischen Anspruch.

 

Betrachtet man Eva Renzis kurzen Werdegang im Film, lässt sich bis zu "Taste of Excitement" ein sehr eindeutiges Rollenprofil erkennen, das nicht nur zielstrebig erkannt sondern auch effektiv und vor allem international genutzt wurde. Die Interpretation ihrer Jane Kerrell stellt auf den ersten Blick jedoch eine neue Anforderung für sie und den Zuschauer dar, schließlich zieht man Vergleiche zu vorhergegangenen Produktionen, in denen sie abgesehen von ihren zwei Gastrollen starke, provokante, relevante und selbstbewusste Frauenfiguren darzustellen hatte, die von Anfang an ihre eigene Person und entsprechende Rollencharaktere angepasst waren und welche sie ineinander übergehen lassen konnte. Zumindest dem Empfinden nach, denn so wenig Geheimnis umweht Eva Renzi ja gerade auch wieder nicht. Janes Integration in den schnell auf Touren kommenden und richtungsweisenden Verlauf zeigt die Interpretin deutlich verändert, sowohl angesichts der Körpersprache und vor allem im optischen Bereich. Eindrücke eines unbeschwerten Urlaubsaufenthalts an der französischen Riviera werden schnell durch einen Mordanschlag zerstreut und in diesem Zusammenhang liefert die Deutsche relativ unbekannte Konturen, da sie ihre Angstzustände und Hektik offen zur Schau stellt, was schnell in Tendenzen einer Art Verfolgungswahn umschlägt. Optisch verändert und daher eher konservativ wirkend, sieht man zunächst eine Frau, deren Gebärdenspiel verhalten und nervös wirkt. Obwohl der Zuschauer direkt miterleben konnte, wie sie genötigt und bedroht wurde, ist es nicht immer ganz klar, in welcher mentalen Konstitution sie sich eigentlich befindet. Handelt es sich um einen ohnehin labilen Charakter, oder ist es tatsächlich so, dass die Ereignisse sie vollkommen zerrütten? Im weiteren Verlauf werden sich Fragen um ihre Person klären, denn Jane ist ein Basisbestandteil der Story.

 

Wenn sich die Ereignisse überschlagen haben und Jane ihren neuen Wegbegleiter Paul kennengelernt hat, darf sich der Zuseher auf eine äußere Metamorphose einstellen, die auch plötzlich die Charakterzüge aufweist, die man bislang so gut wie immer von Eva Renzi gewöhnt war, was aufzeigt, dass vor allem der Film ungern auf weit verbreitete Markenzeichen verzichtet. Trotz dieser Veränderungen bleibt Eva Renzi im Grunde genommen immer das Opfer der Geschichte, wenngleich sie auch damit beginnt, sich aktiv gegen die im Hintergrund agierenden Personen zu stellen. Im Sinne von geteiltem Leid, das tatsächlich in halbes Leid umschlagen wird, kann eine Art Detektivspiel für Beginner anfangen, das den Zuschauer eng umschließt. Als Jane Kerrell ihre optische Wandlung durchgemacht hat und dabei ihre Attraktivität offensiv in den Mittelpunkt stellt, wird die bislang eher unscheinbar wirkende Dame sogar von ihrem Freund Paul übersehen. Was folgt, sind wahrhafte Strecken der Zuneigung bezüglich der Kamera, die ihre Affinität für diese schöne Frau beinahe hemmungslos dokumentiert. Interessant ist die Tatsache, dass Jane von vorne herein als eine Person integriert wird, die es eigentlich gewöhnt war, ihren Weg alleine zu gehen. Dementsprechend sind weit und breit keine anderen Interessenten für ihre Person zu sichten, zumindest nicht im amourösen Sinn. Wer Miss Kerrell kennenlernen möchte, muss sie sozusagen beinahe überfahren, damit sich ihre Aufmerksamkeit auf einen richtet. Diese Szene, in der sie hektisch über die Straße läuft, sich dabei völlig in einem Tunnel der Angst befindet und vor Pauls Wagen landet, ist gleichzusetzen mit ihrer Handhabe Männern gegenüber. Sie legt Wert auf einen deutlichen Sicherheitsabstand, der nur aufgeweicht werden kann, wenn zahlreiche Tugenden sie überzeugen können, oder einfach entscheidende Dinge passieren, die sich vom Herkömmlichen unterscheiden.

 

Jane sieht sich somit nicht als simple Beute an, die kapituliert oder leicht erlegt werden könnte, noch weniger als Zeitvertreib für Männer, denn sie hat offensichtlich einen anderen Lebensplan im Kopf. Ihre Silhouette wirkt zunächst unauffällig - daher beinahe auffällig zurückweisend - vor allem vor dieser herrlichen Filmkulisse, wo so gut wie jeder gar nicht zu wenig an haben kann. Es ist interessant und vollkommen logisch zugleich, dass sich Don Sharp Eva Renzis Wandlungsfähigkeit zunutze machte, zumal dem Empfinden nach insbesondere in ihren frühen Filmen immer ein Quäntchen an Potential liegen gelassen wurde. Es ist nicht nur die optische Komponente und die Kehrtwendung der agierenden Filmfigur, sondern vor allem die Tatsache, dass man Eva Renzi in "Taste of Excitement" in vollkommen gelenkten Bahnen sieht, ohne dass der Eindruck entsteht, als wäre sie an die Kette gelegt oder fühle sich unwohl. Da die immer bedrohlicher werdenden Ereignisse Jane Kerrell nicht töten, machen sie sie hart. Dies ist natürlich im Sinn einer neu gewonnenen Stärke zu interpretieren, die die attraktive Frau selbstbewusster erscheinen und zielstrebiger agieren lässt. Der weitere Einsatz vernachlässigt nicht Renzis Funktion als Blickfang, hier selbstverständlich unter Berücksichtigung des Aufzeigens des anspruchsvollen Charakters. Wenn sich die Zusammenhänge erschließen und auch dem Zuschauer klar wird, warum jemand ein so nettes Mädchen von nebenan umbringen will, verfällt Jane nicht mehr in alte Muster - im Sinne eines Appells an den geweckten Schutzmechanismus des Mannes. Zwar wird es noch sehr brenzlig werden, doch eine neue Gefahr lauert im Hintergrund, und zwar für diejenigen, die Jane Kerrell maßlos unterschätzt haben. Im Ganzen handelt es sich also um eine von Eva Renzis schönsten Rollen des ersten und sehr produktiven Karrieredrittels, das den Facettenreichtum der Schauspielerin nicht nur andeutet, sondern ihn präsentiert.

 

Die erweiterte Darstellerriege neben einer dominanten Eva Renzi wirkt auf den ersten Blick vielleicht etwas unscheinbar, kann aber mit eingängigen Leistungen überzeugen. David Buck als Verbündeter des Zufalls wirkt geradlinig und sympathisch, wenngleich er vielleicht nicht als das essentielle Element ausgemacht werden möchte, das der Hauptdarstellerin zu ihrem vollkommenen Glück fehlt. Andererseits kommt unter eben genau dieser Voraussetzung eine Art Schicksalsprinzip zum Vorschein, das die Aufrichtigkeit beider Protagonisten nur unterstreichen will. Als treuer Wegbegleiter und Beschützer begibt sich der Maler Paul also in ungeahnte Gefahren, denen er vielleicht lieber ferngeblieben wäre, wenn da nicht die bezaubernde Belohnung in persona von Eva Renzi warten würde. Gerade beim männlichen Zuschauer fabriziert der Engländer angesichts seiner Herzdame ein uneingeschränktes Verständnis für sein riskantes Tun. Die Chemie zwischen den beiden stimmt zu jeder Sekunde und man sieht optimale Bedingungen der Interaktion, sodass es zu einer groß angelegten Palette der Zwischenmenschlichkeit kommen darf, die viele Bereiche sicher abdeckt. Peter Vaughan, Kay Walsh, Francis Matthews und George Pravda überzeugen innerhalb ihrer beinahe determinierten Charaktere des Films mit stichhaltigen Leistungen, genau wie Eva Renzis damaliger Ehemann Paul Hubschmid, der seine ganze Routine zur Verfügung stellt und erneut weltmännisch oder wahlweise sogar arrogant agiert. Ein Rätsel bleibt unterdessen der kurze Auftritt der Französin Sophie Hardy, deren Karriere so vielversprechend begann. Hier sieht man sie allerdings nur noch als Stichwortgeberin und irrelevante Figur in einer Geschichte, die sich möglicherweise noch mit einen weiteren bekannten Namen schmücken wollte. Nach "Taste of Excitement" war Hardys Karriere leider schon so gut wie beendet.

 

Mordanschläge und tatsächliche Morde demonstrieren die Brisanz der Geschichte in lang auseinandergezogenen Intervallen sehr klassisch und elegant. Der Eindruck, dass letztlich mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird, lässt sich nicht leugnen. Wenn sich die Zusammenhänge allerdings langsam erschließen, kann Don Sharp mit seinem ruhigen, aber immer wieder an Drive aufnehmenden Thriller beweisen, dass er gut durchdacht ist und keine übertrieben reißerischen Manöver nötig hat. Auf Szenen der Bedrohung folgen immer wieder beschauliche Momente, die beinahe das Flair eines herrlichen Urlaubs vermitteln. Diese on-off-Strategie verleiht der Produktion ein prickelndes Profil und erweckt sogar den Eindruck, dass man es bei "Taste of Excitement" mit einem Vertreter zu tun hat, der sich seiner Stärken vollkommen bewusst ist und sich im Endeffekt von der Konkurrenz abheben kann. Die außergewöhnliche Bildsprache in die herrliche Dekors eingewebt sind, stattet den Film trotz mörderischer Machenschaften mit einer Eleganz aus, die absolut greifbar erscheint. Mit passender musikalischer Untermalung versehen, bekommt der Zuschauer immer wieder einen Hauch von Vollkommenheit präsentiert, der eine Geschichte charakterisiert, und der man unter normalen Umständen vielleicht ihre immer wieder auftauchende Seelenruhe vorgeworfen hätte, was jedoch eher vergleichsweise auftaucht. Dass der Film seine Premiere im TV haben musste, ist rückblickend sehr schade. Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass der Film trotz seiner vielen Stärken kein großer Erfolg geworden wäre, da er sozusagen überqualifiziert ist. Freunde von Action, Verschwörung und Spektakel kommen hier bestimmt auf ihre Kosten, doch viel wichtiger ist, dass Don Sharp seinen Film mit zeitlosen Bildern zu einer kinematographischen Unsterblichkeit verholfen hat, die auch heute noch anziehend, teils sogar krude, aber faszinierend wirken.

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