Von Haut zu Haut

Deutschland, 1969

Alternativtitel:

Pelle su pelle (ITA)

Skin to Skin (GBR)

Haut auf Haut

Nicki und Karen

Deutsche Erstaufführung:

23. Januar 1970

Kamera:

Hanns Matula

Inhalt

In Passau geschieht gar Seltsames! Mitten in der Nacht wird die hübsche, rothaarige Nicki nämlich zum wiederholten Male von intensiven Gefühlen heimgesucht, welche sie sich nicht erklären kann und auch ihrer festen Freundin Bonnie Sorgen bereitet. Ein Besuch beim Herrn Doktor soll Abhilfe schaffen und siehe da: Je mehr in der Vergangenheit rumstochert, zeigt sich eine seltsame Verbindung zwischen Nicki und ihrer Zwillingsschwester Karen. Was eine der beiden spürt, scheint die andere ebenfalls zu fühlen – ein permanenter Zyklus. Man sucht alsbald den Kontakt und Austausch zur Aufklärung des Ganzen, doch zu alledem werden beide jeweils von einem finsteren Mannsbild verfolgt, der nur darauf wartet, seinen Dolch im Frauenfleisch zu versinken. Welche Rolle spielt der kauzige Trödler von nebenan in diesem Katz- und Maus-Spiel? Wird Nicki ihre sozialen Ängste trotz schizophrener Gefühlswelt überwinden können? Und schafft Karen in letzter Sekunde noch den Termin zum mitternächtlichen Treff unter Schwestern? Eins ist sicher: Ganz Passau wird Zeuge dieser und vieler weiterer Ereignisse!

Review

Wer bereits den Nahkontakt zu Dagmar Lassander suchte und somit auch ihren Film ANDREA – WIE EIN BLATT AUF NACKTER HAUT (1968) von Hans Schott-Schöbinger vorfand, beansprucht flugs den Vorwand, deren zweite Zusammenarbeit (zeitgleich seine letzte Regieleistung) auffinden zu wollen. Des Wunsches Erfüllung gestaltet sich wiederum nicht so leichtfertig, da momentan nur eine offenbar gecroppte VHS-Variante aus Toppic-Video-Tagen rumgeistert und da schon unter übersuppendem Rotstich VON HAUT ZU HAUT schielt. Jene stellte sich mir nun der Besprechung halber zur Verfügung und tischte einen Genremix auf, der seines Zeichens krude wie galant für (un)erfüllte Begierden Schmiere steht. Ja, der Film weiß sich eben auf vielerlei Stelzen zu bewegen, macht schon auf dem Poster die Hosenbeine stramm und gibt damit eine Rahmung vor, die in der Strenge vom Manne aus Lust und Verderben forciert. Bevor man da aber voller Gewissheit auf De Sade verweisen kann und zeitgleich vielerlei Spielarten des Erotikkinos und seiner Rezeption anno 1969 vorwegnimmt, darf man noch einige Jahrgänge zurückschalten.

 

Schott-Schöbinger bezieht sich nämlich eher auf Alexandre Dumas und seine Korsischen Brüder, die er kurzum in die 'zweieiigen' Zwillingschwestern Karen (Lassander) und Nicki (Kammara) umwandelt. Wenn die eine also vor Geilheit dahinschmilzt, spürt die andere selbiges, nur halt in permanenter Verwunderung angesichts dessen - gleiches gilt dann auch, wenn sich jeweils die Furcht anmeldet, hier öfters durch die Begegnung mit den Stalker-Allüren eines Fickerhippies (Wolf Parr) ausgelöst. Der Night-Gammler sieht aus wie einst Klaus Lemke, trägt allerlei klimpernde Ketten um den Hals und lässt da schon vom Sound her an nervige Traumfänger denken, wie der Film ohnehin esoterischen Ahnungsballast tagträumt. Eben wie im Märchen: Böses Spiel zur guten Miene - und zwar an jeder Straßenecke, stecken alle unter einer Decke. So kommen die gestreuten Härten und Hardbodies aber auch eher mit angezogener Handbremse auf den Trichter, wie sie den verwöhnten Sleaze-Zuschauer denn nun anmachen sollen - dafür sind die knapp 70 Minuten Laufzeit letztendlich sogar zu kurz geraten, alle Möglichkeiten der telepathischen Verwirrung und Matratzensportarten werden höchstens angerissen. Stattdessen formuliert man die Deutungen, Vermutungen und Bestätigungen des Gemini-Gefühls-Sharings so oft bis redundant aus, dass der alte Freund Atmosphäre alsbald für Bewegung sorgen muss.

 

Reibung gibt's anhand einiger Blümchensex-Stilblüten theoretisch schon, aber über die schaut man schon mal locker hinweg, wenn die Sets zum Eigenheim eh auf Mottenkisten-Chic geeicht bleiben, wo sich dann auch kein Arsch blicken lassen will. Eben bestes Mobiliar für den Kenner teutonischer Tristesse, die sich ebenso im handlungsrelevanten Passau voller Altbauten und zermürbender Gassen einquartiert hat. Laut Vorspann mit ominöser (und nie wiederkehrender) Erzählerstimme soll die Stadt wohl auch Charakter sein und was zu erzählen haben, wenn dann aber nur auf Trivialroman-Niveau: Nicki und ihre Bettgesellin Bonnie (Barbara Zimmermann) ergeben sich wie Spiegelbild Karen + Jerry (Christian Ghera) allenfalls spielerischen Eifersucht-Dramen vorm erlösenden Nippelknutscher, ehedem Psychiater Leeb (Richard Bohne) in Nickis Anwesenheit zumindest mal anspricht, ihre Probleme näher behandeln zu wollen (folglich in keiner Szene danach mehr vorkommt). Schließlich gibt sie ihm vorher noch einen Schwank aus der Jugend preis - der genauso gut von Hofbauer oder Boos hätte stammen können - wonach sie zusammen mit ihrer Schwester einem abartig strengen Privatlehrer aufgesessen war. Das rothaarige Duo mit Zöpfen prankte den Pauker deswegen aufs Schärfste, wobei dieser jedoch im Gegenzug grob aus der Haut fuhr, Backpfeifen und Verfolgungsjagden gen Scheune zur Tagesordnung machte.

 

Da doppelten sich schon die Feelings und der Schmerz sogar zur bisher unbekannten Ekstase der 'Erleichterung'. So devot glaubt man sich bald im Kosmos von Jess Franco wiederzufinden, doch den frühzeitigen Samenerguss leitet der alte Wiener Schott-Schöbinger lieber wortwörtlich ins Antiquariat um, wo der tendenziell antisemitisch gezeichnete Trödler (Rudolf Forster) unheilvoll Lampenschirme, u.a. als Memento mori vertickt, kurz darauf dem mordsgeilen Hippie einen entscheidenden Dolch andreht. Hinter dem steckt eine Geschichte - und die kann nix Gutes bedeuten! Bis dahin mäandert der Film sodann per wohligem Straßenlampen-Flair und zeitgenössischen Psych-Beats durch die Lande - egal, ob der Woodstock-Spanner einen nun durch die Nacht jagt oder unsere Schwestern versuchen, sich zu einem Treffen in einer Stripbar zu verabreden. Ganz im Sinne der Marke 'Nimm Zwei' läuft beides schlecht für unsere Sisters - und das, obwohl sie sich mental beidseitig nachvollziehen können. Das gipfelt für die wesentlich angespanntere Nicki in einer Busfahrt im permanenten Angstzustand, welchen der Film via Überblendungen zum schicken Spiegelfick inklusive Lorbeerparade davor illustriert.

 

Mixed Messages nennt man sowas und macht VON HAUT ZU HAUT umso beschwichtigender, weil er dabei immer auch sehr straight, ironiebefreit und 'gepflegt sexy' auf einen zugeht, wenngleich stets um die eigene Achse bis zur Kolportage kurvt. Das blutige Finale dazu zeugt sodann von einer merkwürdig anfixenden (In)Konsequenz - ohne Befriedigung im Privaten, aber mit retournierendem Abschluss/-schlitz im Trauma des Schicksals. Wirkt dann insgesamt zwar nicht ganz so ambitioniert wie Lassanders und Schott-Schöbingers Nymphomanen-Analyse ANDREA, ist aber mit recht eigenem Chill-Thrill unterwegs, im Schlund der Scham zu verenden.

Veröffentlichungen

Binnen der letzten Jahrzehnte ergaben sich kaum bis gar keine Gelegenheiten, den Film aufzutreiben, wenn man nicht grade live in den 80ern dabei war, im Toppic- oder Arcade-Videokatalog herumzublättern. Bei ersterer Verleihfassung gab es die ungekürzte Version zu bestaunen, welche jedoch bis in den August 2011 auf dem Index stand und dabei ca. 4 Minuten länger lief als die FSK-16-Variante von Arcade/CIC. Beide Cuts liefen einst wohl tatsächlich auch so simultan im Kino im Alpha-Verleih – so oder so dann wenigstens im Original-Bildformat von 2,35:1, welches bislang auf keiner Heimkinovariante vertreten war. Was die Zukunft da bringt, steht noch in den Sternen!

Filmplakate

Links

OFDb
IMDb

Kommentare (1)

  • Wolfgang JAHN

    Wolfgang JAHN

    10 Februar 2021 um 23:34 |
    Hallo,

    Ich wuerde den - und eigentlich alle Filme von Hans Schott-Schoebinger - wahnsinnig gerne sehen, kann man an den (und ANDREA und NACKT WIE GOTT SIE SCHUF) irgenwie rankommen?

    Vielen Dank und LG aus Wien,
    Wolfgang Jahn

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