Das ohnmächtige Pferd

Deutschland, 1975

Originaltitel:

Das ohnmächtige Pferd

Deutsche Erstaufführung:

02. März 1975

Regisseur:

Rolf von Sydow

Kamera:

Helmut Stoll

Drehbuch:

Helga Treichl

Inhalt

Auf dem abgelegenen Landsitz von Lord Henry James Chesterfield (Paul Hubschmid) plätschert das Landleben so vor sich hin und es gibt nur wenige Farbtupfer innerhalb des aristokratischen Alltags. Seine Frau Lady Chesterfield (Eva Maria Meineke) gefällt sich in oberflächlichen Gebärden und sie ist nur an ihrer Stellung in der Gesellschaft interessiert, sein Sohn Bertram (Jan Niklas) stellt eine große Enttäuschung dar, weil er nicht den normalen Interessen seines Standes nachgeht und sich den Künsten verschrieben hat. Auch seine Tochter Priscilla (Beatrice Richter), die sich nicht gerade wie eine Dame verhält, macht ihm wenig Freude, vor allem, als sie ihren neuen französischen Verlobten Hubert (Christian Wolff) mitbringt. Wenig später stellt eben dieser der Familie seine angebliche Schwester Coralie (Eva Renzi) vor, denn die beiden haben zusammen einen Plan geschmiedet, um an das Vermögen der Chesterfields zu gelangen. Auch Coralie soll in die Familie einheiraten, doch bei diesem Vorhaben kommt es zu ungeahnten Komplikationen der amourösen Art...

Autor

Prisma

Review

Betrachtet man zunächst den recht sonderbar klingenden Titel dieses Fernsehfilms, der unter der Leitung des Wiesbadener Routiniers Rolf von Sydow inszeniert wurde, ist im Sinne einer Klassifizierung nicht wirklich weiterzukommen. Dieser vollkommen unbekannten Produktion eilen außer allgemeinen Stabsangaben keine weiteren Informationen voraus und die gängige Einteilung verfrachtet diese Geschichte ins weitläufige Reich der Komödien. Da man sich schließlich im Jahr 1975 befunden hat, kommt man nicht umhin, sich Gedanken über den handelsüblichen Humor der in diesem Zeitfenster entstandenen Filme zu machen und die Devise heißt vor allem einmal abzuwarten, was auf den vom Prinzip her geneigten Zuschauer zukommen mag. Der Einstieg ist, wie jeder neue Akt übrigens auch, in einen goldenen Bilderrahmen eingefasst, der durch das Anzoomen des Sets wieder verschwindet, und die Geschichte zeigt schnell den Charakter eines Kammerspiels, da sie über die gesamte Spieldauer lediglich in einem Raum stattfindet, der das aristokratische Umfeld neben den beteiligten Personen charakterisiert. Die gute Aufteilung des Raumes und die Vermittlung von Symmetrie lassen diese vollkommene Ortsgebundenheit weniger gravierend erscheinen. Auch der Einsatz von mehreren Kameras sorgt für die Flexibilität, die unter diesen Voraussetzungen abzurufen war. Das Hauptaugenmerk bei dieser Angelegenheit liegt logischerweise auf der Dialogarbeit und es lassen sich nach kürzester Zeit Wortwitz, Zynismus und Situationskomik ausfindig machen, was unter anderem für einen kurzweiligen Verlauf sorgen wird. Die Hauptverantwortung für das Gelingen dieses Films übernehmen von der ersten Sekunde an die gebuchten Darsteller, und man darf schon sagen, dass sich die Besetzung für hiesige TV-Verhältnisse durchaus sehen lassen kann.

 

Das Set ist vom ersten Augenblick an ein aristokratisches Vakuum, bestehend aus der Familie Chesterfield samt Butler, und es ist zu erahnen, dass das geregelte Leben absolut keine großen Überraschungen mehr bietet. Lord Chesterfield gefällt sich somit darin, die Situation mit herbem Zynismus zu ertragen, außerdem mit saftigen Wortspitzen zu präparieren. Paul Hubschmid wirkt alleine schon wegen seiner weltmännischen Erscheinung wie der richtige Mann für diese Rolle zu sein. Mit seiner Wortgewandtheit zielt er gerne auf die offensichtlichen Unzulänglichkeiten der anderen ab. Ja, er teilt gerne aus und wird daher auch kaum etwas anderes tun, nicht zuletzt um den Seinigen zu demonstrieren, was er von ihnen hält. Dem Empfinden nach ist dieses Gesellschaftsspiel schon Jahrzehnte alt, doch eigentlich beißt der Mann mit der ernüchterten Sichtweise nur auf Granit, da seine Frau die Ohren in Perfektion auf Durchzug stellen kann, seine Kinder ihn ganz offensichtlich nicht mehr ganz ernst nehmen und sie darüber hinaus offenbar nichts unversucht lassen, eben vollkommen bewusst aus der Art zu schlagen. Doch jeder hat sich längst mit den Gegebenheiten abgefunden und trägt das Spiel nach der persönlichen Fa­çon aus. Eva Maria Meineke jongliert mit Oberflächlichkeiten und adeligen Worthülsen. Etikette und Stand sind die Fronten, an denen sie zu kämpfen beliebt. Die Kinder, die nicht in die Spur zu bringen waren, bekommen teilweise recht groteske Anstriche von Jan Niklas und insbesondere Beatrice Richter, die mehrmals am Eindruck einer satten Fehlbesetzung vorbeischlittert. Dennoch wird sie es sein, die ihrer Familie Scherereien macht, da sie einen Hochstapler mit ins Haus bringt, ihn sogar heiraten will, und der zu allem Überfluss auch noch Franzose ist. Das bisherige Leben hätte doch so angenehm langweilig weiter verlaufen können, wenn nicht Christian Wolff und Eva Renzi aufgetaucht wären.

 

Da also eine enorme Aussteuer lockt, nimmt es der windige Hubert in Kauf, sich die weder schöne, noch intelligente Tochter zuzumuten, denn schließlich ist sie ja, zumindest vom Stammbaum her, nicht von schlechten Eltern. Doch bereits nach kürzester Zeit zeigen sich erste Differenzen und das Nervenkostüm des ambitionierten jungen Mannes wird sichtlich dünner, da die Gewissheit Gestalt annimmt, dass er es mit einer hysterischen Ziege zu tun hat. Die Verwirrung für die ohnehin ratlos drein schauenden Chesterfields wird nur noch größer, als plötzlich Coralie auftaucht, die angebliche Schwester, was in besseren Kreisen offensichtlich nur ein Pseudonym für Geliebte darstellt. Nun ist die gepflegte Ruhe endgültig gesprengt. Warum nur eine lukrative Heirat, wenn es doch noch einen ledigen Sohn aufzulesen gibt? Bei Eva Renzis erstem Auftreten kommt man in den Genuss einer zunächst groß angelegten Maskerade, um wenig später einen Paukenschlag, in Form eines amüsanten Rollentauschs zu sehen. Zu diesem Zweck legt sie ihre unscheinbaren Ensembles, die Brille und biederen Gebärden ab, um sie gegen aufreizende Roben und auffordernde Gesten auszutauschen. Dem Zuschauer leuchtet es bei ihrem neuen Anblick jetzt vollkommen ein, warum sie schlafende Hunde wecken konnte, sodass plötzlich mehrere Herren bei ihr Schlange stehen, die durch eindeutige Avancen glänzen. Die Themen Betrug und Täuschung weichen einem Heirats-Roulette, in dem sich Eva Renzi flexibel und schlagfertig auf das jeweilige Gegenüber einstellen kann. Ob unverbesserliche Zyniker, halbe Trottel, eifersüchtige Liebhaber oder selbstverliebte Snobs, die Konversationen treiben sehr amüsante Blüten. Die Darsteller zeigen sich allesamt in guter Spiellaune und wirken hochkonzentriert, Glaubwürdigkeit und Humor lassen es dem Zuschauer ein Leichtes werden, sich auf die teilweise exaltierte Geschichte einzulassen.

 

Wenn man Rolf von Sydow hauptsächlich wegen seiner Arbeiten im Kriminalbereich kennt, stellt sich im Vorfeld die interessante Frage, ob er sich genauso im Komödienfach profilieren kann. "Das ohnmächtige Pferd" lässt aufgrund der allgemeinen Unbekanntheit und des sehr offen klingenden Titels kaum Rückschlüsse auf den bevorstehenden Verlauf zu, und ob in den Darstellern auch komödiantisches Blut fließen wird. Das Zusammenspiel wirkt erfrischend bis leichtfüßig, die Geschichte über weite Strecken originell, und man bekommt es mit einer angenehmen Situationskomik zu tun. Trotz der örtlichen Gebundenheit entsteht nur wenig Eintönigkeit, die Szenerie wird von langen Dialogstrecken getragen, in denen so mancher Schlagabtausch für Schmunzeln sorgen kann. Die gut bekömmliche Würze ergeben außerdem noch zusätzliche Klischees, die sich einer geistreichen Aufschlüsselung erfreuen, und unterm Strich ergibt diese Geschichte vom verschlafenen Lande ein geglücktes, aber vor allem kurzweiliges Sehvergnügen. Inszenatorisch ist im Grunde genommen handelsübliches Zeitkolorit zu sehen, das für viele sicherlich einiges an Staub angesetzt haben dürfte, jedoch wurden im Rahmen der naturgemäß begrenzten Möglichkeiten einer TV-Produktion gute Lösungen gefunden. Rolf von Sydow verschreibt sich vollkommen dem Nimbus der Komödie, die in diesem Fall nur wenige gesellschaftskritische oder groteske Tendenzen verfolgt und sich hauptsächlich den Gesetzen der Verwechslung unterwirft. Insgesamt stellt "Das ohnmächtige Pferd" eine sehr schöne Abendunterhaltung dar, an der der Zahn der Zeit zwar schon genagt hat, jedoch keine schwerwiegenden Spuren hinterlassen konnte. Außerdem schließt diese TV-Produktion eine weitere Lücke bei der mühsamen Aufarbeitung von Eva Renzis Filmkarriere, in der sich glücklicherweise immer wieder erstaunliche Überraschungen herauskristallisieren.

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Prisma

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