Obscene Mirror

Frankreich | Spanien, 1973

Originaltitel:

Al otro lado del espejo

Alternativtitel:

Le miroir obscène (FRA)

Lo specchio del piacere (ITA)

Inside a Dark Mirror (USA)

The Obscene Mirror

The Other Side of the Mirror

Regisseur:

Jesús Franco

Inhalt

Spanische Fassung: „Al otro lado del espejo“:

 

Die junge Ana Oliviera (Emma Cohen) lebt mit ihrem Vater (Howard Vernon) auf einem schönen Landgut in Madeira. Als der junge Student Arturo (Wal Davis) Rat für seine Archäologie-Studien bei Professor Oliviera sucht, verliebt sich Ana in ihn und die beiden wollen heiraten. Ihr Vater gibt nur zögerlich und kurzangebunden seine Zustimmung. Zur Hochzeit reist Anas von der Familie getrennt lebende Mutter (Maria Bassó) an.

 

Als sich Ana ihrem Vater in ihrem Hochzeitskleid zeigen will, findet sie ihn erhängt vor. Einen Grund für diesen spontanen Selbstmord weiß niemand. Ana trennt sich von Arturo und beginnt zu reisen. In einer Jazz-Bar lernt sie den Trompeter Bill (Robert Woods) kennen, der ihr nachstellt. Während sie am Piano spielt, hat sie eines Tages eine Vision, in der ihr der erhängte Vater im Spiegel erscheint und wie sie Bill in einem Park mit einem antiken Dolch ermordet. Tage später erfährt sie, dass Bill tatsächlich auf diese Weise ermordet wurde.

 

Der Theaterregisseur Miguel (Ramiro Oliveira) will Ana die Hauptrolle in seiner Inszenierung von „Medea“ zukommen lassen, und Ana gelingt es beim Casting auch die Produzenten zu überzeugen. Doch als sie Bill emotional näher kommt, erscheint ihr erneut ihr erhängter Vater im Spiegel und auch Bill wird getötet. Ana begeht einen Selbstmordversuch, schneidet sich in der Badewanne die Pulsadern auf. Ihre Cousine Carla (Alice Arno) rettet ihr das Leben und leistet ihr fortan Gesellschaft. Die Beiden lernen das Paar Pipo und Tina (Philippe Lemaire und Francoise Brion) kennen und verbringen viel Zeit mit ihnen. Doch Pipo scheint sich in Ana zu verlieben – wird das wieder mit Tod enden?

 

Französische Fassung: „Le Miroir Obscène“:

 

Die junge Annette Whitman (Emma Cohen) lebt mit ihrem Vater Prof. Whitman (Howard Vernon) und ihrer Schwester Marie (Lina Romay) auf einem schönen Landgut in Madeira. Als der junge Student Arturo (Wal Davis) Rat für seine Archäologie-Studien bei Professor Whitman sucht, verliebt sich Ana in ihn und die beiden wollen heiraten. Zur Hochzeit reist auch die Annettes und Maries Tante (Maria Bassó) an. Doch die zwei Schwestern pflegten bis dato eine inzestuöse sexuelle Beziehung und aus Eifersucht und Kummer wegen Annettes bevorstehender Heirat nimmt sich Marie das Leben.

 

Ana trennt sich von Arturo und teilt ihrem Vater mit, dass sie Madeira verlassen will. Ihren Unterhalt will sie mit Engagements als Jazzpianistin in diversen Nachtclubs bestreiten. Aber wann immer Annette nähere Beziehungen mit Männern eingehen will, erscheint ihr ihre tote Schwester im Spiegel, mal im Liebesspiel mit ihrer Cousine Clara (Alice Arno), mal mit einem unbekannten Fremden (Ramón Ardid) oder mit einer weiteren Unbekannten (Pamela Stanford). Annette hat daraufhin zudem Visionen, wie sie erst den Trompeter Bill (Robert Woods) und später den Theaterregisseur Michel (Ramiro Oliveras) mit einem antiken Dolch ersticht.

 

Durch einen Anruf bei ihrer Tante erfährt Annette, dass nun auch ihr Vater Selbstmord begangen hat, was zu einem Selbstmordversuch Annettes führt, den gerade noch ihre Cousine Clara verhindern kann. Später lernen die beiden Frauen das Paar Pipo und Tina kennen, und der väterliche Pipo fühlt sich sehr zu Annette hingezogen. Wie wird das wohl enden?

Review

Dieser im August 1973 gedrehte (spanische Fassung) und nur kurze Zeit später durch Nachdrehs erweiterte Versionen-Spuk gehört zu Jesús Francos besten Filmen der Siebziger und stellt selbst für Francophile eine Herausforderung dar. Von kaum einem anderen Franco-Film gibt es derart viele Fassungen.

 

Die zwei wichtigsten Versionen sind wohl die oben in der Inhaltsangabe beschriebenen, die spanische Originalversion und die für CFFP mit Nachdrehs versehene französische Fassung. Das Besondere dabei: beide Filme haben einen völlig andersartigen Kontext. Geht es im spanischen Original um eine Frau, die offenbar eine inzestuöse Beziehung zu ihrem Vater hatte und spätestens nach dessen Selbstmord am Tag ihrer Hochzeit nicht fähig ist, sich anderen Männern sexuell zu nähern, wartet die französische Variante plötzlich mit einer inzestuösen Beziehung zu einer Schwester auf, die im Original gar nicht existiert. Produziert wurde „Al otro lado del espejo“ von Producciones Cinematográficas Orfeo, der Firma von José María Forqué („Die Frau vom heißen Fluss“) und Robert de Nesles CFFP, Drehorte waren Madeira und Lissabon.

 

Natürlich werde ich auch etwas zum Stil des Films selbst schreiben, aber das mit dem Alternativkram macht mir gerade zu viel Spaß. Aus „Le Miroir Obscène“ wurde wiederum eine nochmals erweiterte italienische Hardcore-Version unter dem Titel „Lo specchio del piacere.“ Hierzu sei angemerkt, dass die zusätzlichen Close-Ups angesichts des Ausgangsmaterials der französischen Fassung eher überflüssig erscheinen. Schamlippen und Penis gibt es auch in der franz. Soft-Variante. „Lo specchio del piacere“ hat zudem eine erweiterte Einstellung von Ana/Annettes Selbstmordversuch in der Badewanne, die in keiner anderen Fassung zu sehen ist. Ebenfalls sei angemerkt, dass man sowohl zur Spanischen als auch zur Italienischen englischsprachige Untertitel auftreiben kann, zur Französischen bisher leider nicht.

 

„Al otro lado del espejo“ und “Le miroir obscène” erschienen beide in Frankreich auf einer Doppel-DVD, und jetzt wird es richtig lustig. Stephen Thrower weist in „Murderous Passions“ bereits auf eine Langfassung mit 109 Minuten Länge hin. Die spanische Fassung auf der DVD entspricht jedoch weder dieser noch der ursprünglichen spanischen Kinofassung. Denn es gibt Nacktszenen, die in der Ursprungsversion durch bekleidete Alternativszenen ersetzt waren, zudem scheint an einigen Stellen Emma Cohen von Lina Romay gedubbt zu sein, was ganz sicher nicht 1973 passiert ist. Außerdem ist in dieser DVD-Fassung Maria Bassó Anas Mutter, nicht ihre Tante (span. VHS), was auch der Schlussszene einen anderen Kontext verleiht, denn plötzlich erkennt ihre Mutter durch eine Vision im Spiegel von Ana und ihrem Vater in nackter Umarmung, dass die Zwei eine inzestuöse Beziehung hatten. Wäre sie nur die Tante, hätte das eine völlig andere Bedeutung, nämlich – wie Stephen Thrower richtig schreibt – eine übernatürliche Erklärung, die nicht recht zum Inhalt des Films passen will.

 

Haben alle mitgezählt? Wir sind jetzt bei fünf verschiedenen Fassungen – falls die spanische VHS tatsächlich mit der spanischen Kinofassung identisch war, sonst wären es sechs. Ich weiß, ich bin auch verwirrt.

 

Zum Stil. „Al otro lado del espejo“ ist ein düsteres und stimmungsvolles Drama, in dem Jazz eine große Rolle spielt. Dieser scheint von u. a. von Franco selbst zu stammen sowie Adolpho Waitzman. Allerdings taucht auch das Titelthema der französischen Fassung von Andrè Benichou auf. Auffällig ist eine zu Anfang noch recht hektische Kameraführung, es wird gezoomt, was das Zeug hält und immer wieder driftet die Kamera hin und her, was sich aber nach der ersten halben Stunde etwas beruhigt. Für Emma Cohen ist es eine großartige Rolle, und es ist schade, dass die Alternativszenen mit längeren Clubszenen noch nicht erschienen sind, jedenfalls nicht komplett. Insgesamt ist „Al otro lado del espejo“ ein Drama, selten von Franco so konsequent als solches umgesetzt. 

 

„Le miroir obscène“ verzichtet weitgehend auf Kameragewackel, aber der neue Kontext mit der inzestuösen Beziehung Annettes zu ihrer Schwester ist trotz sorgfältigem Dubbing nicht immer logisch. Entstanden ist dieses Defizit vor allem dadurch, dass Emma Cohen für die Nachdrehs nicht mehr zur Verfügung und stand, und es ist natürlich verdammt schwierig, eine sexuelle Beziehung glaubhaft zu vermitteln, wenn es nicht eine einzige gemeinsame Szene der beiden Protagonisten gibt. Und der Schluss in „Le miroir obscène“ ist schon teils unfreiwillig komisch, ganz im Gegensatz zu „Al otro lado del espejo“, wo einen das Ende ziemlich erschüttert zurücklässt. Die Musik in dieser französischen Fassung stammt von André Benichou.

 

Typisch für Franco sind unter anderem einige Sprünge im zeitlichen Ablauf. Als Selbstreferenzen erinnert zum Einen die Szene von Anas erhängtem Vater an Paul Muller in „Eine Jungfrau in den Krallen von Zombies.“ Zum Anderen kopiert Franco an anderer Stelle seine Mordszene aus „Necronomicon – Geträumte Sünden“, wo Janine Reynaud Jack Taylor beim Kuss den Dolch in den Nacken sticht. Zwei Kurzauftritte gibt es von Ada Tauler als Frau des Trompeters Bill. Ada Tauler tauchte erstmals bei Franco ganz kurz in seinem Regie-Erstling „Tenemos 18 anos“ auf, dann erst wieder 1977 in „Frauen im Liebeslager“ und „Der Ruf der blonden Göttin.“ Bei den Credit-Erwähnungen von Monica Swinn und Carmen Carbonell scheint es sich dagegen um Falschangaben zu handeln – es sei denn, irgendwo lungert noch eine Alternativfassung rum.

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