Mädchen: Mit Gewalt

Deutschland, 1970

Alternativtitel:

Cry Rape (USA)

Love by Rape

Mädchen mit Gewalt (BRD)

Mädchen... nur mit Gewalt (BRD)

Shikjô gunrentai (JPN)

The Brutes (USA)

Deutsche Erstaufführung:

19. Februar 1970

Regisseur:

Roger Fritz

Inhalt

Werner (Klaus Löwitsch) und Mike (Arthur Brauss) haben ein Hobby. Sie machen Jagd auf junge Mädchen, um sie sich zu teilen und wenn sie ihre Triebe befriedigt haben wieder fallen zu lassen. Sind die entsprechenden Damen nicht zu allem Bereit, werden sie kurzerhand gezwungen; wenn nötig auch mit Gewalt. Als sie eines Tages zufällig die attraktive Alice (Helga Anders) kennenlernen, bringen sie die junge Frau in eine Lage der Abhängigkeit, um sie schließlich für ihre Zwecke zu missbrauchen. Doch vor dem Alptraum ist gleichzeitig auch nach dem Alptraum... 

Autor

Prisma

Review

Ein Blick auf die Karriere von Roger Fritz gestaltet sich in jeder Hinsicht als hoch interessant, denn es lässt sich viel Unkonventionelles und Innovatives in seiner Filmografie finden, und dabei spielt es keine Rolle, ob man ihn gerade als Schauspieler, Produzent, Drehbuchautor oder Regisseur sieht. Sein zu diesem Zeitpunkt bereits vierter Spielfilm mit dem Titel MÄDCHEN MIT GEWALT scheint vor allem schon einmal unmissverständlich an die Erwartungshaltung des Publikums adressiert zu sein, und im Rahmen der Ausarbeitung wird man nicht enttäuscht. Zwar merkt man schnell, dass sich unter der reißerisch avisierten Oberfläche viel Spielraum für Zwischentöne und sogar Tiefe finden lässt, aber der Film funktioniert ebenso treffsicher als hybride Version eines der vielen Gesichter der Demoralisierung. Fritz wirft intelligent gestellte Fragen auf, indem sie zunächst unverschlüsselt angeboten werden. In einem regelrechten Jahrmarkt der gängigen Klischees ist es naturgemäß schwierig, sich zurecht zu finden, doch hier als nötige Grundvoraussetzung anzusehen, um sich ernsthaft der Frage zu stellen, wie Gewalt eigentlich funktioniert. Dabei braucht es keine besonderen Umstände oder Settings, nur die richtigen, beziehungsweise falschen Leute, um zu einem Selbstläufer zu werden. Diese werden exzellent von einer völlig ungleichen Dreier-Konstellation dargestellt. Regisseur Fritz war seinerzeit mit Hauptdarstellerin Helga Anders verheiratet und es ist erstaunlich, wie gut die Zusammenarbeit funktioniert, zumal man andernorts und unter diesen Umständen Dutzende Fälle des Scheiterns beobachten konnte, da man sich zum Funktionieren verurteilt sah. Anders' Karriere war bis über den Zenit der Glaubwürdigkeit durchzogen mit derartigen Frauenrollen, was oft eine ärgerliche Limitierung zufolge hatte. Diese Anmerkung soll allerdings nicht ihre die Glaubwürdigkeit überflügelnde Leistung in diesem Szenario bemängeln, denn ein Prototyp kann nicht einfach aufhören, ein solcher zu sein, zumal das eigentlich kurze Elefantengedächtnis der Branche doch schrecklich lang sein kann.

 

Es steht wohl außer Frage, dass die Besetzung mit Helga Anders durch ihren Ehemann und Regisseur völlig logisch war, und dass sich Film und Rolle vielleicht sogar wechselseitig ergeben mussten, denn Perfektion wird immer gerne genommen. Befeuert von Klaus Löwitsch und Arthur Brauss entwickelt sich eine äußerst unangenehme Art der Eigendynamik, die nur auf ihre beklemmenden Eruptionen wartet, um mit einer viel zu echt wirkenden Realität zu schockieren und abzustoßen. Die zwei Männer gehen gewohnheitsmäßig ihrem Hobby nach, Frauen zu jagen. Gleich zu Beginn des Films sieht man eine der Namenlosen, die sich wieder anzieht und nach Hause fahren lässt, bis Werner und Mike im Auto in dreckiges Lachen ausbrechen. Die Strategie der Männer ist zwar plump, aber dennoch erfolgreich, und so kommt es zu einem kurzen aber hoch erfreulichen Zwischenstopp mit Monika Zinnenberg und Elga Sorbas, die ihrem Schicksal aber noch einmal entfliehen können. Das nächste Mädchen ist plötzlich in der Totale zu sehen. Alice. Ausgelassen mit Freund und Freunden auf einer Kartbahn, die beiden Jäger wittern leichte Beute, da sie Alice als ein Mädchen einschätzen, welches das gewisse Etwas für sie besitzt. Eine Mischung aus Unschuld, Naivität, aber ebenso verschlagener Aufforderung, die sich aus ihrem attraktiven Wesen und ihrem zwanglosen Umgang ergibt. Die beiden Männer haben ihr nächstes Opfer also nicht nur gefunden, sondern sind derartig getriggert, dass sie alle Hebel in Bewegung setzen, Alice in eine Situation der Abhängigkeit zu bringen. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen fahren sie mit ihr in einen abgelegenen Steinbruch, in dem ihre Freunde angeblich auch noch auftauchen sollen, um Bier zu trinken und Würstchen zu grillen. Die Regie legt gleich zu Beginn großen Wert darauf, scheinbare Nebensächlichkeiten zu fokussieren, Details wie das in den Händen Halten der rohen Würstchen hervor zu heben und die junge Frau über jeden Verdacht erhaben erscheinen zu lassen, denn sie animiert höchstens passiv, was aus Sicht der Männer aktiver nicht sein könnte. Am Ende wird alles schließlich als Masche gedeutet. 

 

Für Werner und Mike gilt schließlich: Je später der Abend, desto ätzender die Gäste. So wird das Fräulein Alice höflich gefragt, ob sie etwas dagegen habe, jetzt gebumst zu werden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Katze aus dem Sack ist. Ab dem Zeitpunkt, als klar wird, dass die anderen nicht mehr auftauchen werden, dämmert es dem Freiwild, dass es sich in der Falle befindet. Hier wird vor allem über Anders' Gesichtsmimik gearbeitet, die ihre Gefühlszustände und die Angst deutlich thematisieren kann. Hilfreiche Verstärker sind das spröde und abgelegene Setting, ein Lagerfeuer, das die Gefahr der Dunkelheit verschleiert, aber die geilen Fratzen hin und wieder erhellt, und die unausweichliche Gewissheit der Geschichte, dass sie in eine Sackgasse führen muss. Hierüber ergibt sich ein Großteil der Brutalität, da das Opfer vor dem Zuschlagen noch in perfider Art und Weise bespielt wird und man sehen kann, dass sich in aller Angst und Verzweiflung noch Hoffnung verbirgt, solange es nicht zum Befürchteten gekommen ist. Roger Fritz' Dunkelheit erstrahlt kobaltblau und wirkt dementsprechend eiskalt, die Gesichter können ihre unterschiedlichen Emotionen nicht mehr verbergen, sodass es nur zu einer Frage der Zeit wird, wann es schließlich losgeht und vor allem wer der Erste sein wird. Die Story bietet insbesondere die Klaviatur der passiven Gewalt an, was ebenso beängstigend wirkt, wie die kurzen Intervalle der gewaltsamen Spitzen. Zu sehen sind zwei Männer denen alles egal ist,. Einer ist zuständig fürs Körperliche, der andere fürs Psychologische. Der Terror ist der Gleiche. MÄDCHEN MIT GEWALT nimmt bei aller Determination sehr ungewöhnliche Wendungen, wirkt trotz beinahe minimalistischen Prinzipien daher sehr überraschend, zumal man sich nicht in alle möglichen menschlichen Abgründe hineindenken kann uns will. So profitiert der Film in ungewöhnlich dichter Weise von seiner Entourage vor und hinter der Kamera und entrüstet mit kühl kalkulierter Prosa, die beispielsweise in einer Täter-Opfer-Umkehr gipfelt. Am Ende zeigt sich allerdings die alte Weisheit, dass sich Pack zwar schlägt, aber auch wieder verträgt. Ein bemerkenswerter Vertreter des Neuen Deutschen Films. 

Autor

Prisma

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